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1.
Mit der Anlage von verkehrssicheren Wegen, auf denen sowohl Fußgänger als auch Radfahrer den Park gefahrlos durchqueren können, hat der Betreiber eines renaturierten Landschaftsparks seiner Verkehrssicherungspflicht genüge getan.
2.
Derjenige, der diese Wege verlässt, um über die vorhandenen Grünflächen seinen Weg abzukürzen, hat daher mit unterschiedlichen Bepflanzungen, Bodenunebenheiten, aufdem Boden liegenden Ästen, Maulwurfshügeln etc. zu rechnen und daher besonders darauf zu achten, wohin er seinen Fuß setzt.
3.
Eines gesonderten Hinweises auf im Bereich der Grünfläche verlaufende Rigolen bedarf es daher nicht, insbesondere dann nicht, wenn die Grünfläche aufgrund ihrer Bodenstruktur, der Unebenheiten und des Bewuchses erkennbar nicht für das Durchfahren mit einem Fahrrad angelegt ist.
Es ist beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das an 31.05.2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Senats, insbesondere aufgrund mündlicher Verhandlung, ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – 4 ZPO.
Gründe
3I.
4Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Fahrradunfall, der sich am 01.05.2013 auf dem Gelände des von der Beklagten betriebenen Landschaftsparks östlich von M ereignet haben soll.
5Dieser Landschaftspark ist das Ergebnis einer von der Beklagten im Rahmen ihrer gemeinnützigen Tätigkeit durchgeführten Renaturierung ehemals landwirtschaftlich genutzter Felder auf einer Fläche von 250.000 m². Durch den Landschaftspark zieht sich ein Wegenetz von 4 bis 5 Kilometern Länge.
6Am 01.05.2013 fuhr der Kläger mit seinem Fahrrad vom M-Weg kommend in den Park und auf dem dort angelegten abschüssigen Weg in Richtung der Straße X. Um den in Schlangenlinien verlaufenden Weg abzukürzen, verließ er diesen Weg und fuhr über die angrenzende Wiese weiter.
7Er hat behauptet, auf dem Wiesenstück in einen diagonal zu seiner Fahrtrichtung verlaufenden etwa 60 bis 70 Zentimeter tiefen Entwässerungsgraben (Rigole) gefahren und hierdurch gestürzt zu sein; die Rigole habe er nicht erkennen können.
8Er ist der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie es unterlassen habe, die Rigole beispielsweise durch Ausmähen, Beschilderung oder Absperrung abzusichern, weshalb es zu dem Unfall gekommen sei.
9Der Kläger hat weiterhin behauptet, er habe infolge des Unfalls ein Schädel-Hirntrauma 1. Grades mit daraus folgendem hirnorganischem Psychosyndrom, eine Querfortsatzfraktur des 1. Halswirbelkörpers und weitere Verletzungen erlitten.
10Der Kläger hat beantragt,
111.
12die Beklagte zu verurteilen, ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2013 sowie 2.217,45 Euro vorgerichtliche Kosten an ihn zu zahlen;
132.
14die Beklagte zu verurteilen, 37.004,37 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.126,47 Euro seit dem 31.12.2013, aus 11.008,93 Euro seit dem 31.12.2014, aus 5.612,16 Euro seit dem 31.12.2015 und aus 10.256,81 Euro seit dem 31.12.2016
15und weitere 5.619,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen;
163.
17festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 01.05.2013 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
18Die Beklagten haben beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie haben den Unfall und seine Folgen mit Nichtwissen bestritten und darauf hingewiesen, dass die im Parkbereich vorhandenen ca. neun Entwässerungsrigolen maximal 40 cm tief und 1 – 1,20 m breit und aufgrund völlig unterschiedlicher Bepflanzung mit Hochstaudengewächsen von den umliegenden Wiesen unterscheidbar seien. Der Zugang zum Stadtpark sei ausweislich der aufgestellten Schilder frei. Die Benutzung aller Wege geschehe jedoch auf eigene Gefahr.
21Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe keine Verkehrssicherungs-pflichtverletzung begangen. Der Landschaftspark sei ersichtlich so gestaltet, dass er durch Benutzung der Wege begangen werden dürfe. Dass die Besucher dazu animiert würden, die Wege zu verlassen, um den Park abseits dieser zu genießen, lasse sich gerade nicht feststellen. Die Hinweisschilder an den Zugängen des Parks, wonach die Benutzung der Wege auf eigene Gefahr geschehe, machten deutlich, dass der Eigentümer davon ausgehe, dass die Besucher sich auf den Wegen und nicht abseits dieser bewegen würden. Selbst der durchaus in Rechnung zu stellende Fall, dass Besucher des Parks die Wege verlassen und ggf. wie hier mit einem Fahrrad das Gelände befahren, gebiete nicht die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen. Denn in einem solchen Fall sei zu verlangen, dass der Nutzer des Parks sich in einer derartigen Weise auf dem Gelände bewege, dass schon in seinem eigenen Interesse Unfälle von vornherein vermieden würden. Selbst bei Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung sei dem Kläger ein soweit überwiegendes Verschulden nach § 254 BGB zuzuschreiben, dass jede anteilige Verantwortlichkeit der Beklagten zurückzutreten habe.
22Wegen der weiteren Ausführungen des Landgerichts wird gem. § 540 ZPO auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
23Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
24Er rügt, das Landgericht sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen, da die Behauptung der Beklagten, es seien Warnschilder aufgestellt, vom Kläger bestritten worden sei. Jedenfalls seien solche nicht entlang der vom Kläger genutzten Passage von der Gaststätte „T B“ bis zur Innenstadt vorhanden gewesen.
25Unstreitig sei zum Unfallzeitpunkt der ausdrückliche Appell an Halter von Hunden, deren Geschäft gerade nicht auf den Rasenstreifen seitlich der Wege im Park verrichten zu lassen, sondern über die seitlichen Rasenstreifen einige Schritte in die Wiese hinein zu gehen, da dort nicht gemäht werde. Mithin handele es sich um das glatte Gegenteil einer Warnung. Bestimmte Parkbesucher würden zum Unfallzeitpunkt durch große gelbe Tafeln mit Aluminiumrahmen ausdrücklich gebeten, die Wiese zu betreten. Bestimmte sonst nicht zu findende Bäume und Sträucher seien auch nur über die Grünflächen zu erreichen, um näher betrachtet werden zu können. Im eigentlichen Unfallbereich „mäandere“ der lediglich gepflasterte schmale Weg und verlaufe in die Wegstrecke verlängernden Schleifen. Auch dies animiere den Besucher, abzukürzen und über die Wiese zu gehen. Hier mache es hinsichtlich der Notwendigkeit einer Absicherung keinen Unterschied, ob es sich dabei um Fußgänger oder Radfahrer handele. Die Verletzungsgefahr bei einem Sturz in einen nicht erkennbaren Graben sei auch für Fußgänger erheblich. Auf eine ordnungsgemäße Absicherung dürfe ebenso ein Radfahrer vertrauen. Das Gefahrenpotential sei für den geübten Radfahrer wie den Kläger eher niedriger wegen des leichter zu sehenden Fahrrades und nicht mit der Möglichkeit verbunden, nach einem Sturz unentdeckt im Gras oder Graben liegen zu bleiben. Mit einer gewissen Sorglosigkeit und Gedankenverlorenheit der Erholungssuchenden jeglichen Alters in ihrer Freizeit sei zu rechnen.
26II.
27Die Berufung des Klägers ist offensichtlich erfolglos.
28Der Senat tritt der in allen Punkten zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung nach eigener Sachprüfung bei.
29Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung und vermögen insbesondere nicht die Ausführungen des Landgerichts zu erschüttern.
30Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft und unterhält, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um Dritte vor Schäden zu bewahren, wobei jedoch nicht sämtliche Gefährdungen ausgeschlossen werden können (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012, VI ZR 311/11). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn der von der jeweils herrschenden Verkehrsauffassung für erforderlich gehaltene Sicherheitsgrad erreicht ist (BGH, Urteil vom 15. Juli 2003, VI ZR 155/02). Maßgeblich hierfür ist die berechtigte Erwartungshaltung eines verständigen, umsichtigen, vorsichtigen und gewissenhaften Betroffenen in der konkreten Situation. Gefahrenquellen, die bei Berücksichtigung der erforderlichen Sorgfalt nicht rechtzeitig zu erkennen sind, müssen daher abgesichert werden (BGH, Urteil vom 16. Februar 1972, Az. VI ZR 111/70).
31Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatte die Beklagte keinerlei Anlass, die auf ihrem Gelände befindlichen Entwässerungskanäle besonders zu sichern oder durch Beschilderung auf etwaige Gefahren aufmerksam zu machen.
32Der von der Beklagten betriebene Landschaftspark ist von befestigten Wegen durchzogen. Diese dienen ihrer Natur nach dazu, dem Fußgänger oder Radfahrer ein gefahrloses Passieren eines möglicherweise unwegsamen Geländes zu ermöglichen. Wer den sicheren Weg verlässt, um ein solches Gelände zu betreten, hat ein erhöhtes Maß an Sorgfalt walten zu lassen (BGH, Urteil vom 13. Juli 1989, Az. III ZR 122/88). Das von der Beklagten betriebene Parkgelände stellt eher eine wild bewachsene und naturbelassene Fläche dar als eine gepflegte ebenerdige Parkanlage. Die ehemalige Ackerstruktur ist auf den vorgelegten Lichtbildern deutlich zu erkennen, ebenso wie der sich von der umgebenden Wiese abhebende Staudenbewuchs im Bereich der Rigolen. Jeder, der die Grünflächen betritt, hat daher mit unterschiedlichen Bepflanzungen, Bodenunebenheiten, auf dem Boden liegenden Ästen, Maulwurfshügeln etc. zu rechnen und daher besonders darauf zu achten, wohin er seinen Fuß setzt. Eine besondere Absicherung oder gar Hinweise auf diesen Umstand schuldet die Beklagte daher nicht. Mit der Anlage von verkehrssicheren Wegen, auf denen sowohl Fußgänger als auch Radfahrer den Park gefahrlos durchqueren können, hat die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht genüge getan.
33Denn, wie bereits ausgeführt, erstreckt sich die Verkehrssicherungspflicht nur auf solche Gefahren, die auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar und daher vermeidbar sind. Für einen das Gelände durchquerenden Fußgänger wäre es völlig unproblematisch, die Rigolen schon an ihrem besonderen Staudenbewuchs zu erkennen und sich zu vergewissern, ob ein problemloses Passieren derselben möglich ist.
34Das Parkgelände ist erkennbar schon angesichts seiner Bodenstruktur, der Unebenheiten und des Bewuchses nicht für das Durchfahren mit einem Fahrrad angelegt.
35Üblicherweise werden Parkanlagen nicht mit dem Fahrrad durchquert und muss auch die Beklagte mit einem solchen Verhalten nicht rechnen, geschweige denn, hiergegen besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Weg im Bereich der behaupteten Sturzstelle einen, allerdings nur leichten Bogen beschreibt. Dieser Bogen verleitet keineswegs in einer Weise dazu, abkürzend über die Wiesen zu fahren, die der Beklagten eine besondere Sicherung der dort befindlichen Rigolen nahelegen könnte. Außerdem befindet sich die vom Kläger angegebene Sturzstelle auch noch im Bereich von Bäumen, so dass er auch deshalb Anlass hatte, besonders vorsichtig zu sein. Vor diesem Hintergrund ließe sich ausnahmsweise auch die Auffassung des Landgerichts vertreten, dass jegliche mögliche Verantwortlichkeit der Beklagten durch das gravierende Verschulden des Klägers verdrängt würde. Zu diesem Verschulden hat sich die Berufung in keiner Weise geäußert.
36Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.