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1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Steinfurt vom 01. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe:
2I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin – Kindesmutter – ist nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Senat kann in der Sache entscheiden, auch wenn das Amtsgericht bisher über eine Abhilfe nach § 572 Abs. 1 ZPO nicht entschieden hat (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 572, Rn. 4).
3II. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen auf Antrag des Antragstellers – Kindesvaters – ein Ordnungsgeld gegen die Kindesmutter festgesetzt. Das Beschwerdevorbringen zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
41. Nach § 89 Abs. 1 FamFG kann das Gericht bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen.
5a. Ein vollstreckbarer Herausgabetitel liegt vor. Mit dem nach § 40 Abs. 1 FamFG durch Bekanntgabe an die Kindesmutter wirksam gewordenen Beschluss vom 04.01.2017 hat das Familiengericht in vorliegendem Verfahren die Herausgabe X an den Kindesvater angeordnet und zugleich auf die Folgen der Zuwiderhandlung (§ 89 Abs. 2 FamFG) hingewiesen. Dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Herausgabeanordnung am 04.01.2017 (und auch zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Ordnungsgeldes am 01.02.2017) durch den Senat noch nicht über die Beschwerde der Kindesmutter gegen den der Herausgabeanordnung zu Grunde liegenden Beschluss des Familiengerichts vom 23.12.2016 (Verfahren 10 F 790/16) entschieden worden war, steht der Wirksamkeit der Herausgabeanordnung vom 04.01.2017 nicht entgegen. Dies kann allerdings auch dahinstehen, denn zwischenzeitlich ist eine die Beschwerde zurückweisende Entscheidung durch den Senat am 13.02.2017 unter dem Aktenzeichen II-3 UF 2/17 erlassen worden. Auch im Übrigen bietet die Herausgabeanordnung keinen Anlass zur Beanstandung, das Familiengericht hat seine diesbezügliche Entscheidung ausführlich begründet und es fehlt dem Beschluss vom 04.01.2017 auch mit der Anordnung der unverzüglichen Herausgabe X an den Kindesvater nicht an einem vollstreckungsfähigen Inhalt i.S.d. § 89 Abs. 1 FamFG.
6b. Es liegt kein Vollstreckungshindernis vor. Eine erneute Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet grundsätzlich nicht statt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 533 ff.; OLG Schleswig SchlHA 2011, 340; jeweils auch juris; Keidel/Giers, FamFG, 19. Auflage, § 89, Rn. 7). Gerichtliche Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht haben zwar stets das Kindeswohl zu berücksichtigen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.), widerspricht ein bestehender Titel dem Kindeswohl, steht es den Beteiligten indes frei, eine Abänderung desselben zu beantragen, auch kann das Familiengericht von Amts wegen eine Abänderung prüfen. Im Rahmen der Anordnung eines Ordnungsmittels wegen Zuwiderhandlung gegen eine Regelung des Umgangs oder gegen die Anordnung der Herausgabe von Personen ist daher von einer Prüfung des Kindeswohls im Erkenntnisverfahren auszugehen; denn das Vollstreckungsverfahren dient der effektiven Durchsetzung einer gerichtlichen Entscheidung, die im Erkenntnisverfahren unter umfassender Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts - und mithin auch des Kindeswohls - getroffen wurde (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O.; BT-Drucks. 16/9733 S. 292). Im Hinblick auf die amtswegig – im Erkenntnisverfahren – durch den Senat vorgenommene Prüfung möglicherweise einer Vollstreckung der Herausgabeanordnung entgegenstehender Gründe des Kindeswohls wird insofern zur Vermeidung von Wiederholungen auf Ziffer II.C.3.c.bb des sämtlichen Beteiligten bekannt gegebenen Beschlusses II-3 UF 2/17 vom 13.02.2017 verwiesen. Weiterer Ausführungen zu dem entgegenstehenden verbal geäußerten Willen X, der erneut von den Beteiligten in diesem Vollstreckungsverfahren als entscheidend aufgegriffen worden ist, bedarf es insofern ebenfalls nicht.
7c. Unstreitig befindet sich X nach wie vor im Haushalt der Kindesmutter, eine Zuwiderhandlung gegen die Herausgabeanordnung liegt aus objektiver Sicht damit vor. Soweit die Kindesmutter hiergegen erstinstanzlich eingewandt hat, der Kindesvater habe die Herausgabe nicht ernsthaft versucht und es sei an ihm, X vor Ort von einer Rückkehr zu überzeugen, verkennt sie die Verpflichtung, die ihr mit der Anordnung auferlegt wurde. Denn sie ist diejenige, in deren Obhut sich X aktuell ohne rechtliche Grundlage befindet und die als derzeit betreuender Elternteil zur Umsetzung der angeordneten Rückführung durch erzieherische Einwirkung auf X nachzukommen verpflichtet ist. Der Kindesvater, der ansonsten keine Zugangsmöglichkeit zu dem Kind hat, hat unbestritten Anfang Januar 2017 auch mehrfach Kontakt zu der Kindesmutter aufgenommen, um hinsichtlich der Herausgabe X an ihn eine Vereinbarung zu treffen, ohne dass eine Rückmeldung der Kindesmutter erfolgt wäre. Unabhängig von dem danach zwischen den Kindeseltern geführten Streit über die Modalitäten der Rückführung X ist der Kindesvater am 08.03.2017 nach Z gefahren, um X abzuholen, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zuwiderhandlung gegen die Herausgabeverpflichtung eindeutig gegeben ist. Denn obwohl der Kindesmutter der Zweck dieser Fahrt – die unmittelbare Rückführung X – bekannt war, ist nicht ersichtlich, dass sie – die Kindesmutter - X entsprechend vorbereitet hätte.
8d. Die Kindesmutter hat die Zuwiderhandlung gegen die Herausgabeanordnung vom 04.01.2017 auch zu vertreten. Aus § 89 Abs. 4 FamFG folgt, dass bei einer Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Anordnung die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete diese nicht zu vertreten hat. Dabei wird das Verschulden des Verpflichteten vermutet (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 19. Auflage, § 89, Rn. 9). Beruft sich der Verpflichtete auf mangelndes Verschulden, muss er folglich detailliert diejenigen Umstände erläutern, die ihn an der Einhaltung seiner Verpflichtung gehindert haben (vgl. BGH a.a.O.; OLG Karlsruhe, ZKJ 2015, 283 f., jeweils unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/6308, Seite 218; Keidel/Giers, a.a.O., § 89, Rn. 10). Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommt ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels nicht in Betracht. Beruft sich etwa ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Herausgabe- oder Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 218).
9aa. Erstinstanzlich hat die Kindesmutter neben einem Hinweis auf das unterbliebene Herausgabeverlangen lediglich zur Unzulässigkeit des Antrages vorgetragen und auf entgegenstehende Kindeswohlgesichtspunkte hingewiesen. Mit beidem vermag sie nicht durchzudringen. Entgegenstehende Kindeswohlgesichtspunkte sind innerhalb des Verfahrens nach § 89 FamFG nicht mehr im Einzelnen zu prüfen (vgl. Ziffer b.). Soweit der Kindesvater die Verhängung eines Ordnungsgeldes nur hilfsweise und mit seinem Hauptantrag die Anordnung unmittelbaren Zwangs beantragt hat, macht dies den Hilfsantrag jedenfalls nicht unzulässig.
10bb. Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben erstinstanzlich zu den von ihnen entfalteten Bemühungen, eine Rückführung X zu erreichen, umfassend vorgetragen. Dies vermag die Kindesmutter – gegen die sich die Herausgabeanordnung richtet – indes nicht zu entlasten. Die Herausgabeanordnung beinhaltet zunächst eine unmittelbare Verpflichtung der Kindesmutter und erst danach eine Verpflichtung der weiteren Beteiligten, soweit sich X in deren Obhut befindet. Die Kindesmutter durfte sich demnach nicht hinter den Bemühungen Dritter zurückziehen und die weitere Entwicklung abwarten.
11cc. Im Beschwerdeverfahren trägt die Kindesmutter vor, eine Rückführung des Kindes scheitere an der massiven Verweigerungshaltung X; auch der Fachkraft, dem als sozialpädagogische Familienhilfe eingesetzten Dipl.Sozialpädagogen Y, sei es nicht gelungen, selbst ein einfaches Telefonat oder eine briefliche Kontaktaufnahme mit dem Kindesvater durchzusetzen. Der Kindesvater sorge mit seinem massiven Vorgehen für einen Vertrauensverlust X. Die Kindesmutter legt dazu einen Kurzbericht der sozialpädagogischen Familienhilfe vom 06.02.2017 vor, wonach X jeden brieflichen oder telefonischen und auch jeden persönlichen Umgangskontakt mit dem Kindesvater ablehne. Diesem Bericht ist zu entnehmen, „die Kindesmutter wirke stets engagiert mit, X in dieser Hinsicht positiv zu beeinflussen“. Unabhängig davon, dass dem Bericht bereits nur Bemühungen um einen Umgang zu entnehmen sind, fehlt es hinsichtlich der Angabe des „engagierten Mitwirkens“ schon an jeglicher Substanz. Es wäre an der Kindesmutter gewesen, ihre eigenen Bemühungen detailliert und umfassend darzulegen. Auch wenn bis zur Entscheidung des Senats am 13.02.2017 zunächst noch eine Entschuldigung des Verhaltens der Kindesmutter darin gesehen werden könnte, dass X Aufenthalt bei ihr durch eine diesbezügliche Bestimmung des Ergänzungspflegers veranlasst worden war, gilt dies jedenfalls für die Zeit nach der Bestätigung der familiengerichtlichen Entscheidung vom 23.12.2016, mit der dem Kindesvater wieder die umfassende Sorge für X übertragen worden war, nicht mehr. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war sie gehalten, selbst erzieherische Maßnahmen zu ergreifen, um eine unverzügliche Rückkehr des Kindes zum Kindesvater zu erreichen. Zu solchen Maßnahme ist weder ihrem eigenen noch dem Vortrag der übrigen Beteiligten etwas zu entnehmen. Auch im Beschwerdeverfahren trägt die Kindesmutter eigene Maßnahmen – falls sie welche ergriffen haben sollte – nicht vor, obwohl ihr die eigene Verpflichtung spätestens seit dem diesbezüglichen Hinweis im Senatsbeschluss vom 13.02.2017 bewusst sein musste. Neben eigenen Gesprächen mit X hätte es insbesondere nahegelegen, den behandelnden Therapeuten in die Bemühungen einzubeziehen. Auch hierzu ist nichts vorgetragen.
12dd. Der Senat verkennt bei alledem nicht, dass es der Kindesmutter schwerfallen muss, selbst entgegen ihren eigenen Wünschen auf X mit angemessener erzieherischer Konsequenz einzuwirken und ihr die unabwendbare Notwendigkeit einer Rückkehr zum Kindesvater aufzuzeigen. Aber auch dies vermag sie entsprechender – angesichts des jungen Alters X auch erfolgversprechender – Bemühungen nicht zu entheben. Die Ermahnung des Kreisjugendamtes Z an den Kindesvater, Erziehungsverantwortung übernehmen zu wollen, heiße auch, sich mit unangenehmen Situationen auseinanderzusetzen, gilt gleichermaßen für die Kindesmutter. In diesem Zusammenhang überzeugt auch der Bericht der Verfahrensbeiständin vom 20.03.2017, die Kindesmutter wisse einfach nicht, wie sie den Beschluss umsetzen solle, nicht. X hat bei ihrer familiengerichtlichen Anhörung am 04.01.2017 bei dem Amtsgericht Amberg keineswegs eine Rückkehr zum Kindesvater gänzlich ausgeschlossen. Sie hat vielmehr verschiedene Ängste geäußert und „Bedingungen“ an eine Rückkehr geknüpft. Der Senat ist davon überzeugt, dass es der Kindesmutter – die X wesentlich näher steht als die am Verfahren beteiligten Behörden und Ämter – auch unter Berücksichtigung dieser geäußerten Ängste und Wünsche möglich ist, X herauszugeben, ohne dass es weiterer Zwangsmittel bedarf. X muss und kann bei dem aktuellen Verfahrensstand nicht dazu bewegt werden, eine Rückkehr zum Kindesvater auch nach ihrem verbal geäußerten Willen zu bejahen, vielmehr ist sie davon zu überzeugen, dass es derzeit keine Alternative gibt. Im Übrigen findet der Senat es bedauerlich, dass mit der v.g. Stellungnahme der Verfahrensbeiständin erneut ein Beteiligter das Bild einer mit körperlicher Gewalt von der Kindesmutter „weggezerrten“ X bemüht, um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen.
132. Auch der Beschwerdeangriff der Kindesmutter gegen die Kostenentscheidung des Familiengerichts greift nicht durch. Nach § 92 Abs. 2 FamFG sind in Abweichung zu der Regelung des § 87 Abs. 5 FamFG – wonach im Vollstreckungsverfahren die §§ 80 bis 82 und 84 FamFG entsprechend gelten – dem Verpflichteten mit der Festsetzung von Ordnungsmitteln auch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Eine Differenzierung nach den getroffenen Maßnahmen oder nach den Anteilen des „Obsiegens und Verlierens“ von Berechtigtem und Verpflichteten ergibt sich nicht.
14Rechtsbehelfsbelehrung
15Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.