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Oberlandesgericht Hamm, 3 UF 106/16

Datum:
06.01.2017
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 UF 106/16
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2017:0106.3UF106.16.00
 
Vorinstanz:
Amtsgericht Herne, 31 F 258/15
Schlagworte:
Aufhebung und Zurückverweisung des Scheidungsverbundbeschlusses eines deutschen Familiengerichts bzgl. einer im Libanon vor einem Scharia-Gericht geschlossenen Ehe wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Hinblick auf einen zeitlich vorrangig eingereichten und zugestellten Ehescheidungs- und Abendgabe-Antrag vor dem Scharia-Gericht im Libanon
Normen:
FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2; ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 u. Abs. 3 Nr. 1; Brüssel-IIa-Verordnung Art. 3 a); BGB § 1564, § 1565 ff.; libanesisches Familiengesetz von 1917, geändert durch Familiengesetz vom 16.07.1962, Art. 337-345; EuGVVO Art. 29 ff.; Luganer Übereinkommen Art. 33, 34
Leitsätze:

1. Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit ist im Ehescheidungsverfahren in allen Instanzen ein von Amts wegen unabhängig von etwaigen Anträgen oder Verfahrensrügen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, sodass ein Scheidungsverbundbeschluss im Beschwerdeverfahren auch ohne ausdrücklichen Antrag in entsprechender Anwendung der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 ZPO aufgehoben und das Verfahren zur erforderlichen dortigen Aussetzung an das Familiengericht zurückverwiesen werden kann.

2. Die anderweitige Rechtshängigkeit wegen eines im Libanon vor dem Scharia-Gericht zeitlich vorrangig eingereichten und zugestellten Ehescheidungs- und Abendgabe-Antrags gegenüber dem (vom selben Ehegatten) später anhängig und rechtshängig gemachten Ehescheidungsverbundverfahren vor dem deutschen Familiengericht folgt aus Art. 33, 34 des Luganer Übereinkommens bzw. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog.

3. Nach diesen Vorschriften ist gegenüber dem engen deutschen Rechtshängigkeits- und zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (identischer Sachantrag und Lebenssachverhalt) zur Vermeidung unvereinbarer gerichtlicher Kollisionen bei der Beurteilung der zwischenstaatlichen anderweitigen Rechtshängigkeit ein einheitlicher, den Begriff des „prozessualen Anspruchs“ autonom auslegender weiter Verfahrensgegenstandsbegriff geboten, wonach es entscheidend darauf ankommt, ob bei wertender Betrachtung der „Kern-punkt“ beider Verfahren der Gleiche ist. Ein vor dem Familiengericht rechtshängiges verschuldensunabhängiges Ehescheidungsverfahren nach den §§ 1564 ff. BGB beruht insoweit auf dem gleichen Kernpunkt wie ein schon zuvor im Libanon vor dem dortigen Scharia-Gericht rechtshängig gewordenes, von der Ehefrau wegen nachgewiesenen Verschuldens des Ehemannes beantragtes Ehescheidungs- und Abendgabe-Verfahren nach den Art. 337-345 des Libanesischen Familiengesetzes vom 16.07.1962.

 
Tenor:

I.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 15.06.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Herne vom 12.05.2016 (Az.: 31 F 258/15) mitsamt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht – Familiengericht – Herne zurückverwiesen.

II.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens soll das Familiengericht mit seinem verfahrensbeendenden Beschluss entscheiden.

III.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR (Ehescheidung: 3.000,00 EUR; Versorgungsausgleich: 1.000.00 EUR) festgesetzt.

IV.

Dem Antragsgegner wird rückwirkend ab Antragstellung für das Beschwerdeverfahren ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau F aus E bewilligt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO.

V.

Der Antragstellerin wird rückwirkend ab Antragstellung für die Verteidigung gegen die Beschwerde ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt T aus C bewilligt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO

 
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