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1. Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit ist im Ehescheidungsverfahren in allen Instanzen ein von Amts wegen unabhängig von etwaigen Anträgen oder Verfahrensrügen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, sodass ein Scheidungsverbundbeschluss im Beschwerdeverfahren auch ohne ausdrücklichen Antrag in entsprechender Anwendung der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 ZPO aufgehoben und das Verfahren zur erforderlichen dortigen Aussetzung an das Familiengericht zurückverwiesen werden kann.
2. Die anderweitige Rechtshängigkeit wegen eines im Libanon vor dem Scharia-Gericht zeitlich vorrangig eingereichten und zugestellten Ehescheidungs- und Abendgabe-Antrags gegenüber dem (vom selben Ehegatten) später anhängig und rechtshängig gemachten Ehescheidungsverbundverfahren vor dem deutschen Familiengericht folgt aus Art. 33, 34 des Luganer Übereinkommens bzw. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog.
3. Nach diesen Vorschriften ist gegenüber dem engen deutschen Rechtshängigkeits- und zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (identischer Sachantrag und Lebenssachverhalt) zur Vermeidung unvereinbarer gerichtlicher Kollisionen bei der Beurteilung der zwischenstaatlichen anderweitigen Rechtshängigkeit ein einheitlicher, den Begriff des „prozessualen Anspruchs“ autonom auslegender weiter Verfahrensgegenstandsbegriff geboten, wonach es entscheidend darauf ankommt, ob bei wertender Betrachtung der „Kern-punkt“ beider Verfahren der Gleiche ist. Ein vor dem Familiengericht rechtshängiges verschuldensunabhängiges Ehescheidungsverfahren nach den §§ 1564 ff. BGB beruht insoweit auf dem gleichen Kernpunkt wie ein schon zuvor im Libanon vor dem dortigen Scharia-Gericht rechtshängig gewordenes, von der Ehefrau wegen nachgewiesenen Verschuldens des Ehemannes beantragtes Ehescheidungs- und Abendgabe-Verfahren nach den Art. 337-345 des Libanesischen Familiengesetzes vom 16.07.1962.
I.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 15.06.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Herne vom 12.05.2016 (Az.: 31 F 258/15) mitsamt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht – Familiengericht – Herne zurückverwiesen.
II.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens soll das Familiengericht mit seinem verfahrensbeendenden Beschluss entscheiden.
III.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR (Ehescheidung: 3.000,00 EUR; Versorgungsausgleich: 1.000.00 EUR) festgesetzt.
IV.
Dem Antragsgegner wird rückwirkend ab Antragstellung für das Beschwerdeverfahren ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau F aus E bewilligt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO.
V.
Der Antragstellerin wird rückwirkend ab Antragstellung für die Verteidigung gegen die Beschwerde ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt T aus C bewilligt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO
Gründe:
2A.
3Der Senat entscheidet wie in seinen Hinweisverfügungen angekündigt im schriftlichen Verfahren gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG, da eine mündliche Verhandlung im ersten Rechtszug bereits erfolgt ist und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse im vorliegenden, im Wesentlichen Rechtsfragen betreffenden Beschwerdeverfahren zu erwarten sind.
4B.
5Die gem. den §§ 58 ff., 117 FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nach dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten einschließlich der vom Senat eingeholten amtlichen Übersetzungen insoweit begründet, als der angefochtene Scheidungsbeschluss gem. den §§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, 538 Abs. 2 ZPO aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen ist. Hierzu bedurfte es ausnahmsweise in entsprechender Anwendung der §§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 ZPO keines ausdrücklichen Antrages des Beschwerdeführers. Bei dem aus den nachfolgenden Gründen durchgreifenden, der wirksamen Ehescheidung durch den angefochtenen Beschluss entgegenstehenden Einwand der doppelten Rechtshängigkeit gem. den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 261 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (analog wegen des Auslandsbezugs zu dem parallelen Scheidungsverfahren im Libanon) handelt es sich nämlich um ein von Amts wegen zu beachtendes, unabhängig von Anträgen oder Verfahrensrügen der Beteiligten in allen Instanzen einschließlich der Revisionsinstanz zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis (vgl. RGZ 160, S. 345; BGH, NJW 1986, S. 2195; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 30.07.2015, 4 UF 151/15, juris, Rn. 2; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 261 Rn. 11). Auf eine dies nicht beachtende und daher schon verfahrensrechtlich unzulässige Entscheidung sind in Ehe- und Familienstreitsachen die Regelungen der §§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 ZPO über die ohne Antrag von Amts wegen gebotene Aufhebung und Zurückverweisung einer unzulässigen Teilentscheidung entsprechend anzuwenden (Fischer, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., zu § 117 Abs. 2 FamFG; weitergehend für alle verfahrensrechtlich unzulässigen familiengerichtlichen Beschlüsse Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 69 Rn. 14a mit Fn. 47).
6I.
7Die Antragstellerin war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht aus prozessualen Gründen daran gehindert, einen zulässigen und wirksamen Scheidungsantrag zu stellen, sodass auch die im Verbund nach § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erlassene Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht hätte ergehen dürfen. Zwar sind das Familiengericht und ihm folgend der Senat für Verfahren wie das vorliegende grundsätzlich international zuständig und auch befugt, eine nach dem Scharia-Recht im Libanon geschlossene Ehe zu scheiden. Hieran sind das Familiengericht und der Senat indes vorliegend im Ergebnis durch die Rechtshängigkeit des parallelen, von der Antragstellerin im Libanon vor dem Scharia-Gericht anhängig und rechtshängig gemachten Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens gehindert.
8II.
9Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
101. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte im vorliegenden Fall ergibt sich entgegen der erstinstanzlichen Beurteilung nicht aus § 98 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, sondern vielmehr aus Art. 3 a) der Brüssel-IIa-Verordnung, während die grundsätzliche Anwendbarkeit deutschen Ehescheidungsrechts aus Art. 8 a) der Rom-III-Verordnung folgt und die Scharia-Heiratsurkunde keine abweichende Rechtswahl nach Art. 5 Rom-III-Verordnung darstellt. Das deutsche Versorgungsausgleichsrecht findet grundsätzlich nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB Anwendung (vgl. zu sämtlichen vorstehenden Gesichtspunkten OLG Hamm, Beschluss vom 22.04.2016, II-3 UF 262/15, FamRZ 2016, S. 1926 ff., auch juris).
112. Des Weiteren ergibt sich aus der vorstehend zitierten Entscheidung des Senats, dass materiell-rechtlich eine einseitige Zerrüttung der Ehe im Sinne der §§ 1565 ff. BGB aufgrund eines Scheidungsantrages der Ehefrau nach § 1564 BGB grundsätzlich zum Ausspruch der Scheidung auch einer vor einem libanesischen Scharia-Gericht geschlossenen islamisch-sunnitischen Ehe führen kann. Zudem hat der Senat dort festgestellt, dass die daran anknüpfende Pflicht des Ehemannes zur Zahlung einer vereinbarten Braut-Abendgabe den Ausspruch der Scheidung nach dem deutschen Recht aufgrund des Grundsatzes des Ordre Public nicht hindert, auch wenn sich der Ehemann auf die diesbezüglichen einschränkenden Voraussetzungen nach dem Scheidungsrecht des Libanesischen Familiengesetzes beruft.
123. Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten schriftlichen Anhörung der Beteiligten und der Einholung amtlicher Übersetzungen der Unterlagen zu dem weiteren, vor dem libanesischen Scharia-Gericht geführten Verfahren steht indes zur Überzeugung des Senats fest, dass die Rechtshängigkeit dieses früher als das vorliegende Verfahren anhängig gemachten Scheidungsverfahrens im Libanon der vorliegenden Rechtshängigkeit entgegensteht und das Familiengericht daher verfahrensfehlerhaft über den Scheidungsantrag entschieden hat.
13a) Entgegen der von dem Antragsgegner eingereichten Übersetzung der von einer libanesischen Rechtsanwältin der Antragstellerin unter dem 09.03.2015 verfassten und am 21.04.2015 beim sunnitischen Scharia-Gericht in Jiyeh (Libanon) eingereichten Antragsschrift begehrt diese dort nicht lediglich die Feststellung der Trennung der Beteiligten unter gleichzeitiger Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung der vereinbarten Brautgabe und einer weiteren Entschädigung.
14aa) Wie sich auch aus den materiell-rechtlichen Ausführungen in dem früheren Beschluss des Senats vom 22.04.2016 (Az.: 3 UF 262/15, a.a.O.) ergibt, treffen vielmehr die Einschätzung des Familiengerichts sowie die mit der Beschwerdebegründung eingereichte und übersetzte Stellungnahme eines libanesischen Berufungsrechtsanwalts zu, dass die Antragstellerin mit dem Antrag in Libanon nicht nur die Feststellung der Trennung, sondern – wie auch vorliegend – im Ergebnis die Ehescheidung begehrt, dort allerdings in Form eines vom nachgewiesenen Verschulden des Ehemannes abhängigen „al tafreeq“. Art. 343 des Libanesischen Familiengesetzes von 1962 regelt insoweit nicht Trennungs-, sondern Scheidungsvoraussetzungen in Verbindung mit der Abendgabe.
15bb) Der Antrag der Antragstellerin vor dem Scharia-Gericht im Libanon ist entgegen der von ihr eingereichten – nicht amtlichen, inhaltlich und sprachlich erkennbar unzureichenden – Übersetzung nicht lediglich auf die Feststellung der Trennung der Beteiligten als Voraussetzung für eine spätere gerichtliche Scheidung, sondern unmittelbar auf Auflösung - also Scheidung - der Ehe der Beteiligten gerichtet.
16(1) Dies ergibt sich zum einen aus der Kommentierung bei Bergmann/Ferid zu Art. 337 ff. des Libanesischen Familiengesetzes von 1962 und aus der Tatsache, dass die in der Antragsschrift der Antragstellerin an das Scharia-Gericht ebenfalls beantragte Brautgabe nicht bei Trennung, sondern bei Ehescheidung fällig wird. Dem ist neben dem Senat (a.a.O.) auch anderweitige obergerichtliche Rechtsprechung gefolgt und hat festgestellt, dass die Art. 337-345 des Libanesischen Familiengesetzes die Voraussetzungen für die Auflösung islamisch-sunnitisch geschlossener Ehen wegen Streitigkeiten der Eheleute und daraus folgender Unerträglichkeit des weiteren Zusammenlebens regeln (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 16.11.2001, 2 UF 80/00). Auch wenn es sich verfahrensrechtlich lediglich um Beteiligtenvortrag des Antragsgegners handelt, trifft die von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegte diesbezügliche Rechtsauskunft eines libanesischen Berufungsrechtsanwalts vom 11.06.2016 also zu.
17(2) Soweit demgegenüber von der Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden ist, dass die Rechtshängigkeit der Ehescheidung im Libanon erst durch die Vorlage der Entscheidung des Scharia-Gerichts vor dem staatlichen Gericht begründet werde, knüpft dies an die nach dem oben Gesagten unzutreffende Weichenstellung an, dass das Scharia-Gericht nur die Trennung der Eheleute feststelle und erst mit der Vorlage dieses Beschlusses beim staatlichen Gericht dort der Antrag gestellt werde, dass die Ehe aufgrund der Feststellung des Scharia-Gerichts zu scheiden sei.
18(3) Der Senat hat vorsorglich amtliche Übersetzungen der von den Beteiligten zu dem im Libanon rechtshängigen Verfahren eingereichten Unterlagen eingeholt, deren eindeutiger Inhalt die vom Senat erwogene Einholung eines Rechtsgutachtens zu den maßgeblichen Verfahrensfragen des libanesischen Ehescheidungsrechts überflüssig macht. Durch den Inhalt der aktenkundigen Übersetzungen einschließlich des diesbezüglichen Kommentars des amtlich bestellten und vereidigten Dolmetschers N L vom 03.11.2016 sieht der Senat es als erwiesen an, dass das von der Antragstellerin im Libanon vor dem Schariagericht geführte Verfahren auf eine - ohne weitere Scheidungsklage vor einem staatlichen libanesischen Gericht voll rechtswirksame - Scheidung der Ehe der Beteiligten abzielt und insoweit anderweitige Rechtshängigkeit gegenüber dem vorliegenden Scheidungsverfahren besteht.
19b) Normativer Ansatz für die Frage der anderweitigen Rechtshängigkeit sind insoweit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Libanon nicht die nur zwischen EU-Mitgliedsstaaten geltenden Regelungen der Art. 29 ff. EuGVVO, sondern die Art. 33, 34 des Luganer Übereinkommens bzw. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog (vgl. Geimer, in: Zöller, a.a.O., Anh I Art. 29 EuGVVO Rn. 18). In Anlehnung an die bereits bei innereuropäischen mitgliedsstaatlichen Verfahrenskollisionen nach der Rechtsprechung des EuGH weit ausgelegten rechtlichen Grundsätze ist nach Auffassung des Senats erst recht für die Frage der anderweitigen Rechtshängigkeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Libanon nicht allein auf den engen deutschen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff aus identischem Sachantrag und diesem zugrunde liegenden tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen (vgl. Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., Einl Rn. 60 ff.). Vielmehr erscheint zur Beurteilung der zwischenstaatlichen anderweitigen Rechtshängigkeit - losgelöst von den nationalstaatlichen Prozessordnungen - ein einheitlicher, den Begriff des „prozessualen Anspruchs“ autonom auslegender weiter Verfahrensgegenstandsbegriff als geboten. Zur Vermeidung ansonsten zwischenstaatlicher unvereinbarer gerichtlicher Kollisionen ist demnach nicht allein – wie nach deutschem Zivilprozessrecht - auf den identischen Klageantrag und Lebenssachverhalt abzustellen, sondern darauf, ob bei wertender Betrachtung der „Kernpunkt“ beider Verfahren der Gleiche ist (vgl. zum Vorstehenden insgesamt Geimer, in: Zöller, a.a.O., Anh I Art. 29 EuGVVO Rn. 4, 20).
20c) Unter Anlegung dieses Maßstabes ergibt sich vorliegend Folgendes:
21aa) Zwischen dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren im Libanon besteht Identität der Beteiligten – der antragstellenden Ehefrau und des Ehemannes als Antragsgegner -.
22bb) Der Hauptsachantrag ist bei beiden Verfahren auf den Ausspruch der Scheidung der am 15.10.2009 vor dem Scharia-Gericht geschlossenen Ehe der Beteiligten gerichtet.
23cc) Auch wenn die Ehescheidung nach deutschem Recht nach den §§ 1565 ff. BGB lediglich die verschuldensunabhängig festgestellte Zerrüttung der Ehe der Beteiligten voraussetzt, während die Ehefrau im Libanon nur ausnahmsweise mit Erfolgsaussichten die Scheidung nach Art. 343 des Familiengesetzes von 1962 bei nachgewiesenem Verschulden des Ehemannes beantragen kann, beruhen diese rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen doch in Anwendung des weiten Verfahrensgegenstandsbegriffs auf dem zwar nicht vollständig identischen Lebenssachverhalt, aber „gleichen Kernpunkt“. In beiden Verfahren ist zur dauerhaften und endgültigen Trennung der Beteiligten nach einem gescheiterten Versöhnungsversuch zwecks Begründung des Scheidungsbegehrens vorgetragen worden. Vor dem Scharia-Gericht hat die Antragstellerin diesen Vortrag lediglich noch um den dort erforderlichen Tatsachenvortrag ergänzt, der ein Verschulden des Antragsgegners begründen soll.
24dd) Des weiteren ist auch der ratio des zwischenstaatlichen Kollisionsrechts, nämlich Doppelprozesse und widersprüchliche Entscheidungen unterschiedlicher internationaler Gerichte über den im Wesentlichen gleichen Verfahrensgegenstand zu vermeiden (vgl. Geimer, in: Zöller, a.a.O., Anh I Art. 29 EuGVVO Rn. 2), erhebliche Bedeutung bei der Auslegung der doppelten Rechtshängigkeit beizumessen. Würde die vom Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2016 ausgesprochene Ehescheidung der Beteiligten im Falle einer bestätigenden Entscheidung des Senats rechtskräftig, wären die auf den 09.09.2016 anberaumt gewesene und ggf. durchgeführte Verhandlung vor dem Scharia-Gericht in K/Libanon über den dortigen Scheidungsantrag der Antragstellerin und die dortige Gerichtsentscheidung – sei es eine etwaige den Scheidungsantrag zurückweisende Entscheidung oder die mittlerweile mit Schriftsatz vom 09.11.2016 behauptete Ehescheidung im Libanon - faktisch gegenstandslos, obwohl das Verfahren dort früher an- und rechtshängig geworden ist.
25ee) Zudem ist der Senat angesichts des gesamten Akteninhalts, insbesondere der Anhängigkeit des Verfahrens im Libanon bereits am 21.04.2015 und der - die erfolgte Zustellung des Scheidungsantrages der Antragstellerin an ihn indizierenden - Kenntnis des Antragsgegners von dem dortigen Antrag schon bei Zustellung des vorliegenden Antrags (vgl. die sofortige Erwähnung direkt in der Antragserwiderung vom 16.12.2015), der Überzeugung, dass die vorliegend gem. den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO am 01.12.2015 eingetretene Rechtshängigkeit zeitlich nach der Zustellung des libanesischen Scheidungsantrags an den Antragsgegner erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund hätte das Familiengericht nicht über die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich entscheiden dürfen, sondern hätte das vorliegende Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den früher rechtshängig gewordenen parallelen Scheidungsantrag im Libanon nicht betreiben dürfen und aussetzen müssen – selbst wenn es das Scharia-Gericht für international unzuständig gehalten haben sollte (vgl. Geimer, in: Zöller, a.a.O., Anh I Art. 29 EuGVVO Rn. 12).
26ff) Schließlich hat die Antragstellerin ihren Vortrag, mittlerweile sei die Ehe der Beteiligten in dem Verfahren vor dem Scharia-Gericht im Libanon – möglicherweise bereits rechtskräftig – geschieden worden, trotz entsprechender Auflage und Fristverlängerung weder näher substantiiert noch durch Vorlage der erforderlichen amtlichen Unterlagen nachgewiesen, sodass der Senat weiterhin davon ausgehen muss, dass derzeit noch beide Verfahren parallel rechtshängig sind.
27C.
28Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens überlässt der Senat der abschließenden Entscheidung des Familiengerichts, weil die Beschwerde des Antragsgegners allein wegen eines Verfahrensverstoßes des Familiengerichts vorläufigen Erfolg hat und der endgültige Ausgang des vorliegenden Ehescheidungs- und Versorgungsausgleichsverfahrens abhängig vom derzeit jedenfalls noch nicht belegten Ausgang des Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens im Libanon und damit ergebnisoffen ist.
29D.
30Die Festsetzung des Beschwerdeverfahrenswertes beruht auf den §§ 40 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 2, 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
31Rechtsbehelfsbelehrung:
32Diese Entscheidung ist unanfechtbar.