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Der Senat hält an dem Grundsatz fest, dass im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO grundsätzlich nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. An dem Grundsatz ist u.a. dann festzuhalten, wenn kein ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt und nicht alle Parteien der Bestimmung eines Gerichts, bei dem kein Beklagter seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, zustimmen.
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Chemnitz bestimmt.
Gründe:
2Mit ihrer beim Landgericht Münster eingereichten Klage nimmt die Klägerin die im Bezirk des Landgerichts Chemnitz (Beklagte zu 1) bzw. im Bezirk des Landgerichts Wiesbaden (Beklagte zu 2) ansässigen Beklagten als Gesamtschuldner wegen angeblich bestehender Ansprüche auf Rückzahlung überzahlten Werklohns und im Übrigen die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz in Anspruch. Zur Begründung führt sie insbesondere Folgendes aus:
3Die Klägerin sei mit Arbeiten an den Gleisanlagen in L beauftragt worden. Hierzu habe sie mit der Beklagten zu 1 unter Vereinbarung von Ausführungsfristen die Erbringung von Montageleistungen durch diese vereinbart. In der Arbeit der Beklagten zu 1 sei es zu erheblichen Verzögerungen gekommen. Schließlich habe die Klägerin den Vertrag außerordentlich gekündigt. Über den Stand der erfolgten Montagearbeiten sei ein gemeinsames Aufmaß erfolgt. Hiernach habe die Beklagte nur 13,33 % der geschuldeten Monateleistungen erbracht, weshalb ihr nur ein entsprechender Anteil vom vereinbarten Pauschalpreis zustehe. Da die Klägerin eine weit höhere Abschlagszahlung geleistet habe, stehe ihr nunmehr ein Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zu. Die Beklagte zu 2 hafte insoweit als Bürgin. Gegen die Beklagte zu 1 verfolgt die Klägerin ferner einen Anspruch auf Ersatz von Kosten einer Nachvermessung und die Feststellung der materiellen Einstandspflicht. Die Klägerin hat zunächst beantragt, das Landgericht Münster – Kammer für Handelssachen – als das zuständige Gericht zu bestimmen. Das Landgericht Münster sei für die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage nach den mit dieser getroffenen Vereinbarungen zuständig .
4Die Beklagte zu 1 hat die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung bestehe nicht. Vorrangig sei Ziffer 16 des Angebots der Beklagten zu 1 vom 03.08.2016, nach der allerdings das Amtsgericht zuständig sei. In der Sache ist sie der Auffassung, dass ihr Anspruch gegen die Klägerin die bislang erfolgte Abschlagszahlung übersteige. Die Vergütung sei nicht nach Baufortschritt, sondern nach dem ihr entstehenden zeitlichen Aufwand angesetzt worden. Der der Kalkulation zugrunde gelegte Aufwand habe auf Angaben der Klägerin beruht, die sich als deutlich zu gering herausgestellt hätten. Auch habe die Klägerin in ihrer Abrechnung den Bautenstand zu niedrig angesetzt. Zudem seien keine verbindlichen Fertigstellungstermine vereinbart worden; es habe daher für die Klägerin auch kein Kündigungsgrund bestanden. Die Beklagte zu 2 hat die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts Münster gerügt. Beide Beklagten haben erklärt, sie seien mit einer Zuständigkeit des Landgerichts Köln am Ort des Bauvorhabens einverstanden.
5Das Landgericht Münster hat mit Verfügung vom 27.06.2017 darauf hingewiesen, dass für die Begründung einer Zuständigkeit des Landgerichts Köln von allen Beteiligten eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe von § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO getroffen werden müsse. Andernfalls sei die Sache gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorzulegen. Auf diesen Hinweis hat die Klägerin beantragt, die Sache dem Senat vorzulegen, was das Landgericht Münster mit Beschluss vom 01.08.2017 getan hat.
6Der Senat hat darauf hingewiesen, dass gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich ein Gericht zu bestimmen ist, an dem eine der Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren hat die Klägerin angeregt, das Landgericht Chemnitz zu bestimmen. Die Beklagte zu 1 hat sich dafür ausgesprochen, aus Zweckmäßigkeitserwägungen das Landgericht Köln zu bestimmen, da dort der Schwerpunkt des Rechtsstreits liege und eine mögliche Beweisaufnahme in L stattzufinden habe. Die Beklagte zu 2 hat darauf hingewiesen, dass der Ort der Bauleistung für beide Parteien gemeinsamer Erfüllungsort für die wechselseitigen Verpflichtungen sei. Auch sprächen Praktikabilitätserwägungen für den Gerichtsstand in Köln, da mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Begutachtung an der Baustelle stattfinden müsse.
7II.
8Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung im Bestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen. Schon im Verhältnis zu den Landgerichten des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten, den Landgerichten in Wiesbaden und Chemnitz, ist der Bundesgerichtshof das nächst höhere Gericht; das im hiesigen Bezirk befindliche Landgericht Münster war als erstes mit der Sache befasst.
9Die Beklagten sollen hinsichtlich des Antrags zu 1. als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden und sind nach dem zugrunde zu legenden Vortrag der Antragsteller zumindest einfache Streitgenossen gemäß § 60 ZPO. Sie haben keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand. Es ist auch kein anderweitiger gemeinsamer Gerichtsstand für das Klagebegehren zuverlässig zu bestimmen, insbesondere nicht gem. § 29 ZPO. Der gemeinsame Erfüllungsort für die Pflichten der Klägerin und der Beklagten zu 1 aus dem Werkvertrag liegt am Ort des Bauvorhabens; dies gilt auch für die Klage auf Rückzahlung angeblich überzahlter Beträge (OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.04.2004 – 13 AR 2/04 – zitiert nach juris). Der Erfüllungsort der Bürgschaftsschuld ist am Sitz des Bürgen, wenn nicht die Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der Hauptverbindlichkeit ausdrücklich vereinbart wurde (vgl. nur Senat, Beschl. v. 13.02.2012 – 32 Sa 5/12 – zitiert nach juris, dort Tz. 4). Eine solche Absprache ist hier nicht zu erkennen; insbesondere ist sie weder der Bürgschaft vom 01.07.2016 noch dem Nachtrag 1 vom 21.11.2016 zu entnehmen.
10Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Chemnitz bestimmt.
11Die Bestimmung des zuständigen Gerichts folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf der Grundlage von Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit. Im Verfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann grundsätzlich nur ein Gericht bestimmt werden, bei dem wenigstens einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Die Wahl besteht also ausschließlich zwischen den Landgerichten Chemnitz und Wiesbaden. Ein Fall, in dem ausnahmsweise ein anderes Gericht bestimmt werden kann, liegt hier nicht vor.
12Es besteht keine Vereinbarung zwischen der Klägerin und einem Beklagten über einen ausschließlichen Gerichtsstand an einem von den Gerichten des allgemeinen Gerichtsstands abweichenden Standort. Gerichtsstandsvereinbarungen sind lediglich den vorgelegten Unterlagen über das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 zu entnehmen. Die Gerichtsstände sind allerdings nicht als ausschließliche vereinbart. § 16 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung Montagedienstleistungen vom 10./16.07.2013 enthält lediglich die Klausel „Gerichtsstand ist das für den Geschäftssitz des AGs zuständige Gericht.“. Bei einer solchen schlichten Gerichtsstandsklausel geht die Interessenlage der Parteien im Regelfall dahin, dass der Verwender eine Ausschließlichkeit nur für Klagen gegen sich selbst herbeiführen will, während für Prozesse gegen den anderen Vertragspartner die Möglichkeit der Gerichtsstandswahl eröffnet bleiben soll (vgl. nur Senat, Beschl. v. 02.06.2015 – 32 Sa 19/15 – zitiert nach juris, dort Tz. 19 m.w.N.). Diese Auslegung wird vorliegend durch Ziffer 16.1 der vorgelegten Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Klägerin (Stand 01/2016) gestützt, die dem Auftraggeber ausdrücklich das Recht einräumen, „am Sitz des AN zu klagen“. Auch der dem Angebot der Beklagten zu 1 vom 03.08.2016 (K 8) zu entnehmenden Bestimmung zu Ziffer 16 („16. Gerichtsstand > Gilt Deutschland als vereinbart, zuständiges Amtsgericht des Auftraggebers“) kann der Senat keine Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands entnehmen. Es wäre nicht nachvollziehbar und wird auch von keiner Seite behauptet, dass die Parteien auf Vorschlag der Beklagten zu 1 eine ausschließliche Zuständigkeit das Amtsgerichts am Sitz der Klägerin vereinbaren wollten.
13Es liegt kein Fall einer parteierweiternden Drittwiderklage vor, bei der bei einem anderen Gericht als dem des allgemeinen Gerichtsstands eines Beklagten für einen der (wider-) beklagten Streitgenossen der Gerichtsstand des § 33 Abs. 1 ZPO begründet ist.
14Schließlich ist kein Gericht, an dem kein allgemeiner Gerichtsstand eines Beklagten liegt, für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig. Soweit es in der Kommentierung zudem ohne weitere Einschränkung für zulässig erachtet wird, ein Gericht zu bestimmen, an dem für eine Partei der besondere Gerichtsstand gem. § 29 ZPO eröffnet ist (Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 18), bleibt der Senat bei seiner restriktiven Haltung (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschl. v. 07.10.2016 – 32 Sa 62/16 – zitiert nach juris, Tz. 11-13). Auch der von der Beklagten zu 2 zitierte Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.05.2008 (X ARZ 98/08 – NJW-RR 2008, 1514, Tz. 20) besagt nichts Abweichendes. Der Bundesgerichtshof führt lediglich aus, dass bei einer gegen einen Beklagten bestehenden ausschließlichen Zuständigkeit auch dieses insoweit ausschließlich zuständige Gericht als zuständig bestimmt werden kann, obwohl sich dort kein allgemeiner Gerichtsstand eines Beklagten befindet. Die von der Beklagten zu 2 zitierten Beschlüsse des Senats vom
1523.09.2014 (32 Sa 59/14, zitiert nach juris), des Kammergerichts (Beschl. v. 01.06.2006 – 28 AR 28/06 – NJW 2006, 2336), des OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 09.-03.2006 – 21 AR 11/06 – NJW-RR 2006, 864) und des OLG Stuttgart (Beschl. v. 16.11.2015 – 14 AR 2/15 – zitiert nach juris) betreffen nicht die hier zu entscheidende Frage, ob ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. In all diesen Entscheidungen wurde ein Gericht bestimmt, bei dem einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
16Trotz der vorstehend dargelegten restriktiven Haltung hat der Senat in besonderen Einzelkonstellationen ausnahmsweise ein Gericht bestimmt, bei dem für keine der Beklagten der allgemeine Gerichtsstand besteht (vgl. zuletzt Beschl. v. 29.05.2017 - 32 SA 30/17 – zitiert nach juris, dort Tz. 10). In diesem Fall waren aber – wie auch in dem von der Beklagten zu 2 zitierten Fall des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschl. v. 18.12.2003 – 1 Z AR 134/04) – sämtliche Parteien, also Kläger und sämtliche Beklagte mit der Bestimmung des Gerichts, bei dem kein Beklagter seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, einverstanden. Eine Erklärung der Klägerin, mit einer Bestimmung des Landgerichts Köln einverstanden zu sein, ist der vorliegenden Akte nicht zu entnehmen. Auf den Hinweis des Landgerichts auf die Möglichkeit einer nachträglichen Vereinbarung des Gerichtsstands L hat sie die Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat gewählt. Auf den Hinweis des Senats hat sie angeregt, das Landgericht Chemnitz zu bestimmen.
17Zugleich ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme am Bauvorhaben selbst erfolgen muss. Nach dem bisherigen Sachstand streiten die Parteien weitestgehend darüber, ob bestimmte – ggf. nicht eingehaltene – Fertigstellungstermine vereinbart wurden und nach welchen Kriterien (Leistungsstand oder erbrachte Montagestunden?) die von der Beklagten zu 1 erbrachten Leistungen abzurechnen sind. Auf den Hinweis, dass bislang nicht zu erkennen sei, dass eine Verhandlung vor dem Landgericht Köln eine zu erwartende Beweisaufnahme erleichtern würde, ist kein Vortrag erfolgt, der ein Erfordernis einer Prozessführung vor dem Landgericht Köln begründen würde. Die Beklagte zu 1 führt lediglich allgemein aus, dass „der Schwerpunkt des Rechtsstreits, insbesondere auch im Falle einer möglichen Beweisaufnahme, am Ort des Bauvorhabens liegt“. Die Beklagte zu 2 weist ohne weitere Begründung darauf hin, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Begutachtung an der Baustelle stattfinden muss“.
18Damit verbleibt es bei der Wahl zwischen den Landgerichten Chemnitz und Wiesbaden. In der unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit erfolgenden Auswahl hat der Senat berücksichtigt, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 als Hauptschuldverhältnis den Rechtsstreit prägt und damit der Rechtsstreit insgesamt eine engere Beziehung zu deren Gerichtsstand beim Landgericht Chemnitz hat. Der Beklagten zu 2 ist es zuzumuten, den Rechtsstreit in Chemnitz zu führen, da sie sich für die gegen die Beklagte zu 1 bestehenden Ansprüche verbürgt hat.