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Zur Internationalen Zuständigkeit bei Auszahlung eines Darlehens zum Teil auf ein inländisches und im Übrigen auf ein ausländisches Bankkonto.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.07.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld aufgehoben und der Rechtsstreit – auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht Kleve verwiesen.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin macht Darlehensrückzahlungsansprüche gegen den Beklagten geltend. Streitig ist zwischen den Parteien - neben der Frage, ob die deutschen Gerichte für das Verfahren international zuständig sind -, ob tatsächlich ein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde oder durch den Beklagten nur eine Scheinerklärung abgegeben wurde und ob ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegebenenfalls verjährt ist.
4Die Parteien schlossen am 04.06.2007 einen als Darlehensvertrag bezeichneten Vertrag über einen Gesamtbetrag von 50.000 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % p.a.. Das Darlehen sollte nach der schriftlichen Vereinbarung zum 31.12.2007 zurückzuzahlen sein. In dem Darlehensvertrag war als Anschrift des Beklagten als Darlehensnehmer eine Adresse in C angegeben (Darlehensvertrag Anl. K1, Bl. 43), wo der Beklagte zum Zeitpunkt der Unterschrift des Vertrages seinen Wohnsitz hatte.
5Die Klägerin überwies am 04.06.2007 10.000 € auf ein Konto des Beklagten bei der Volksbank F-O (Anl. K2, Bl. 44) und mit einem Zahlungsauftrag im Außenwirtschaftsverkehr 40.000 € auf ein Konto des Beklagten bei der Raiffeisenbank X in Polen (Bl. 45). In beiden Überweisungen ist als Verwendungszweck angegeben: „Darlehen vom 04.06.2007“.
6Eine als Darlehensverlängerung überschriebene Vereinbarung vom 31.12.2007 über eine Verlängerung des genannten Vertrages bis zum 31.12.2009 wurde von den Parteien nicht unterschrieben (Anl. K3, Bl. 47). Auch eine als Darlehensvertrag überschriebene Vereinbarung vom 01.01.2010 über eine Übernahme des Darlehensbestandes per 31.12.2009 über 56.807,73 € mit einer Laufzeit bis zum 29.02.2012 wurde von den Parteien nicht unterschrieben (Bl. 48-51).
7Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 24.02.2012 Rückzahlung des Darlehens vom 04.06.2007 i.H.v. 63.143,75 € bis zum 29.02.2012 und bat zugleich um Rücksendung einer unterschriebenen Vereinbarung über die Darlehensverlängerung und des Darlehensvertrages vom 01.01.2010 (Anlage K 4, Bl. 52). Mit den erstinstanzlichen Klageanträgen hat die Klägerin - nach teilweiser Rücknahme des Mahnantrages in Höhe von 11.292,28 € und weiterer Reduzierung der Hauptforderung mit der Anspruchsbegründung vom 06.07.2015 - Rückzahlung der Darlehensvaluta von 50.000 € zuzüglich ausgerechneter Zinsen in Höhe von 11.848,19 € bis zum 29.02.2012 und für die Zeit danach Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz geltend gemacht.
8Die Klägerin hat gemeint, die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 a, b EuGVVO, weil der Erfüllungsort der Darlehensverbindlichkeit in Bielefeld liege. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestimme sich der Erfüllungsort der streitigen Darlehensrückzahlungsverpflichtung nicht nach einem faktischen Erfüllungsort, sondern nach dem nach den Kollisionsnormen anwendbaren Recht. Da unstreitig deutsches Recht zur Anwendung komme, bestimme sich der Erfüllungsort nach deutschem Recht.
9Sie hat gemeint, deutsche Gerichte müssten auch deshalb zuständig sein, weil der streitige Anspruch eine enge Verbindung zu Deutschland aufweise: Das Darlehen sei von der deutschen Klägerin dem seinerzeit in Deutschland ansässigen Beklagten gewährt worden. Der Darlehensvertrag sei in deutscher Sprache verfasst und die Zahlungen von einem deutschen Konto vorgenommen worden. Ein Teilbetrag von 10.000 € sei zudem auf ein deutsches Konto geflossen. Auch soweit ein Teilbetrag von 40.000 € auf ein polnisches Konto geflossen sei, hat sie gemeint, es könne nicht auf den Sitz des kontoführenden Instituts ankommen, da die Leistung nicht an die Bank, sondern an den Beklagten als Darlehensnehmer zu erbringen gewesen sei. Allein durch den Wunsch des Beklagten, die Zahlung teilweise auf ein polnisches Konto zu leiten, könne keine Änderung des Erfüllungsortes eingetreten sein. Es könne nicht sein, dass die gerichtliche Zuständigkeit sich ändere, wenn ein einziger technischer Parameter der Zahlungsabwicklung geändert werde. Auch nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.02.2012, Az. XI ZR 9/11, sei maßgeblich nicht der Ort, an dem der Erfolg der Dienstleistung eintrete, sondern der Ort, an dem der zur Dienstleistung Verpflichtete seine Tätigkeit entfalte.
10Die Klägerin hat beantragt,
111. den Beklagten zu verurteilen, an sie 50.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.02.2012 zu zahlen;
122. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 11.848,19 € zu zahlen;
13hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht Kleve zu verweisen.
14Der Beklagte hat die internationale Unzuständigkeit deutscher Gerichte gerügt und beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gerügt. Er hat hierzu gemeint, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht gegeben, weil er heute seinen Wohnsitz in Polen habe und eine Erfüllungsortzuständigkeit nach Art. 7 EuGVVO in der seit dem 10.1.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: EuGVVO n.F.) nicht bestehe. Die Klägerin verkenne, dass sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 7 EuGVVO n.F. ergebe. Nach der gebotenen autonomen Auslegung der Verordnung sei ein Darlehensvertrag als Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 7 Nr. 1 b EuGVVO n.F. anzusehen. Anders als bei Art. 7 Nr. 1 a EuGVVO n.F. sei der Erfüllungsort nicht nach dem auf den streitigen Anspruch anwendbaren materiellen Recht zu bestimmen, sondern autonom nach rein faktischen Kriterien. Richtigerweise sei auf den Ort der vertragscharakteristischen Leistung ohne kollisionsrechtliche Verweisung abzustellen. Dies sei bei einem Darlehen der Ort der Auszahlung des Darlehens. Für Dienstleistungen bestehe an diesem Ort ein einheitlicher Erfüllungsort im kompetenzrechtlichen Sinne. Erforderlich für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei daher, dass das Darlehen de facto im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts ausgezahlt worden sei. Hierbei sei der frühere inländische Wohnsitz des Beklagten irrelevant. Bei einer Leistungserbringung an verschiedenen Orten sei entscheidend, wo der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung gelegen habe. Weil der Hauptbetrag des - bestrittenen - Darlehens i.H.v. 40.000 € auf ein Konto in Polen überwiesen worden sei, liege der Schwerpunkt der Leistung in Polen, so dass deutsche Gerichte international nicht zuständig seien.
17Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Landgericht Bielefeld sei für die Klage international nicht zuständig. Eine Zuständigkeit ergebe sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO in der bis zum 10.01.2015 gültigen Fassung, die aufgrund der Überleitungsvorschrift in Art. 66 Abs. 2 EuGVVO n.F. anwendbar sei. Der Erfüllungsort des Darlehensvertrages liege nicht in Deutschland. Der Erfüllungsort sei nach den faktischen Kriterien der vertragscharakteristischen Leistung zu bestimmen. Dies sei beim Darlehensvertrag der Ort der Kredithingabe. Vorliegend seien die Auszahlungen in X und F erfolgt. Da nach Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO ein einheitlicher Gerichtsstand begründet werden solle, sei auf den Schwerpunkt der Dienstleistung abzustellen. Dieser habe in X gelegen, da 80 % des Darlehens dort auszukehren gewesen seien. Maßgeblich müsse der Leistungserfolg sein, der erst dann eingetreten sei, wenn die Darlehensvaluta den Konten des Beklagten gutgeschrieben sei. Durch die Bewirkungshandlung in Deutschland sei die Verpflichtung, das Darlehen auszuzahlen, nicht erfüllt.
18Jedenfalls sei eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld nicht gegeben. Die örtliche Zuständigkeit bestimme sich ebenfalls nach den Bestimmungen der EuGVVO. Eine Tätigkeit habe die Klägerin im Bezirk des Landgerichts Bielefeld nicht entfaltet. Auch bei Anwendung von Art. 7 Nr. 1 b EuGVVO n.F. ergebe sich keine andere Bewertung, da dieser inhaltlich der zuvor bestehenden Regelung entspreche. Eine Verweisung an das Landgericht Kleve komme aber nicht in Betracht, da auch dieses international unzuständig sei.
19Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, zu Unrecht habe das Landgericht zur Bestimmung des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO auf den Ort abgestellt, an dem der Leistungserfolg eintrete. Richtigerweise sei auf den Ort abzustellen, an dem der Dienstleistende seine Tätigkeit entfalte. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung der EuGVVO. Auch in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.02.2012 sei es nicht auf den Ort angekommen, an dem der Darlehensnehmer sein Konto gehabt habe. Im Übrigen werde auf das erstinstanzliche Vorbringen verwiesen.
20Die Klägerin beantragt,
211. den Beklagten unter Abänderung des am 20.07.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld (Az. 3 O 206/15) zu verurteilen, an sie 50.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.02.2012 zu zahlen;
222. den Beklagten unter Abänderung des am 20.07.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld (Az. 3 O 206/15) zu verurteilen, an sie weitere 11.848,19 € zu zahlen;
23hilfsweise, das am 20.07.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld aufzuheben und den Rechtstreit an das Landgericht Kleve zu verweisen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag der Klägerin sei der Hauptbetrag des Darlehens auf ein polnisches Konto überwiesen worden, so dass der Schwerpunkt der Dienstleistung in Polen erbracht worden sei. Zu Recht habe das Landgericht angenommen, dass der Erfolg der Überweisung für die Bestimmung des Erfüllungsortes maßgeblich sei. Allein durch eine Tätigkeit in Form der Überweisung habe der Darlehensgeber seine Verpflichtung nicht erfüllt. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.02.2012 ergebe sich, dass dieser nicht auf den Wohnsitz des Darlehensnehmers abgestellt habe, sondern allein auf den Ort, an dem das Konto des Darlehensnehmers geführt worden sei. Jedenfalls sei ein etwaiger Darlehensrückzahlungsanspruch verjährt.
27Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien, insbesondere der Behauptung des Beklagten, er habe den Darlehensvertrag vom 04.06.2007 nur zum Schein unterschrieben, hinsichtlich der durch den Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung und der durch die Klägerin behaupteten Verhandlungen und Anerkenntnishandlungen des Beklagten bezüglich des Darlehensrückforderungsanspruches, die nach Meinung der Klägerin zu einer Hemmung oder einem Neubeginn der Verjährung geführt haben, wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Anlagen sowie die Verhandlungsprotokolle des Landgerichts Bielefeld und des Senates verwiesen.
28II.
29Die zulässige Berufung ist mit ihrem Hilfsantrag begründet. Auf den Hilfsantrag der Klägerin war das Urteil des Landgerichts Bielefeld aufzuheben und der Rechtsstreit an das international und örtlich zuständige Landgericht Kleve zu verweisen.
301. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist die Berufungsbegründung inhaltlich ausreichend. Zwar greift die Berufungsbegründung allein die Verneinung der internationalen Zuständigkeit durch das Landgericht an. Bei einer Klageabweisung wegen mangelnder Zuständigkeit reicht aber eine Berufungsbegründung, die sich gegen diese Rechtsauffassung wendet. Eine Wiederholung der Ausführungen zur Begründetheit der Klage - bzgl. derer die Klägerin hier auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen hat - ist nicht erforderlich (Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 520 ZPO, Rn. 36; OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03. Juni 1966 – 2 U 55/66 –, juris).
312. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 5 Nr. 1 lit. a, b EuGVVO in der bis zum 10.01.2015 geltenden Fassung, weil der Erfüllungsort des Darlehensrückzahlungsanspruchs im Sinne dieser Vorschrift in Deutschland liegt.
32a) Zeitlich anwendbar ist die EuGVVO in der bis zum 10.01.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: EuGVVO a.F.). Denn gem. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO n.F. (Brüssel Ia- VO) ist die EuGVVO in der seit dem 10.01.2015 geltenden Fassung nur auf Verfahren anzuwenden, die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet worden sind. Nach Abs. 2 der Bestimmung ist für zuvor eingeleitete Verfahren ungeachtet des Artikels 80 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001, also die EuGVVO a.F. (Brüssel I-VO) weiter anwendbar. Durch den am 29.12.2014 zugestellten Mahnbescheid war das gerichtliche Verfahren spätestens eingeleitet. Gemäß Art. 32 Abs. 1 a Brüssel Ia-VO gilt ein Gericht als angerufen zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken. Jedenfalls mit der erfolgten Zustellung des Mahnbescheides war das Verfahren nach dieser Definition eingeleitet.
33b) Die sachliche Anwendbarkeit der EuGVVO a.F. folgt aus Art. 1 Abs. 1 EuGVVO a.F., da es sich bei dem geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch um eine Zivilsache handelt und keiner der Ausnahmetatbestände des Art. 1 Abs. 2 vorliegt.
34c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 5 Nr. 1 lit. a, b EuGVVO a.F., weil der Erfüllungsort im Sinne der Vorschrift in Deutschland liegt. Für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit ist dabei der schlüssige Vortrag der Klägerin zur Vereinbarung eines Darlehensvertrages als zutreffend zu unterstellen. Eines besonderen Nachweises dieser sogenannten doppelrelevanten Tatsachen bedarf es nicht (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - VIII ZB 45/08 Tz. 12 m.w.N.; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 12 ZPO, Rn. 14 m.w.N.).
35(1) Bei dem durch die Klägerin geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus einem Dienstleistungsvertrag iSd Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO a.F.. Der Begriff der Dienstleistung ist losgelöst von dem Verständnis der nationalen Rechtsordnungen (lex causae) gemeinschaftsrechtlich zu verstehen. Er ist in der EuGVVO a.F. selbst nicht definiert. Bei einer gemeinschaftsrechtlichen Auslegung sind unter einer Dienstleistung Leistungen zu verstehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit von Personen unterliegen (BGH NJW 2006, 1806). Die Darlehensgewährung durch eine Bank ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie auch nach der Auffassung des Senats eine Dienstleistung im Sinne des gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegenden Art. 5 Nr. 1 lit. b) 2. Spiegelstrich EuGVVO a.F. (BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – XI ZR 9/11 –, Rn. 15, juris), und zwar auch bei Berücksichtigung der früheren Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ. Auch die Gewährung eines Privatdarlehens ist demzufolge als Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1b EuGVVO a.F. anzusehen, da keine Gründe ersichtlich sind, insoweit zwischen Darlehen von Kreditinstituten und von Privatpersonen zu unterscheiden.
36(2) Der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a, b EuGVVO a.F. liegt in Deutschland.
37(a) Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F. knüpft in Buchst. b), anders als in Buchst. a), nicht an den materiell-rechtlichen Erfüllungsort der jeweils streitigen Verpflichtung an, sondern insgesamt an den nach faktischen Kriterien zu bestimmenden Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift, einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag zu schaffen (BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – XI ZR 9/11 – Rn. 23, juris m.w.N.).
38(b) Bei dem durch die Klägerin behaupteten Darlehensvertrag hatte die Klägerin als die zur Dienstleistung verpflichtete Partei die charakteristische Leistung der Kredithingabe zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – XI ZR 9/11 –, Rn. 24, juris). Soweit Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO a.F. sowohl darauf abstellt, wo die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist, als auch darauf, wo sie hätte erbracht werden müssen, ist zwar in der Literatur streitig, in welchem Verhältnis der rechtliche zum tatsächlichen Erfüllungsort steht (vgl. BGH NJW 2006, 1806 m.w.N.). Die Frage kann hier indes offen bleiben: Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall der vertragliche und der tatsächliche Leistungsort auseinander fallen. Die Klägerin hat ihre Leistung nach ihrem Vortrag an den Orten und auf die Weise erfüllt, wo und wie sie nach den vertraglichen Vereinbarungen zu erbringen war.
39(c) Dieser Erfüllungsort für die charakteristische Leistung der Kredithingabe - der nicht mehr nach dem in den jeweiligen Mitgliedstaaten gültigen internationalen Privatrecht, sondern losgelöst von rechtlichen Kategorien der einzelnen Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich autonom, also nach „rein faktischen” Kriterien, zu bestimmen ist (BGH NJW 2006, 1806; OLG München NJW-RR 2010, 789) - lag in Deutschland.
40(aa) Dabei dürfte davon auszugehen sein, dass die Klägerin ihre Tätigkeit ausschließlich in Deutschland zu erbringen hatte und deshalb die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte schon aus diesem Grund gegeben ist.
41Für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO a.F. kommt es bei Dienstleistungen auf den Ort an, an dem die den Gegenstand des Vertrages bildende Leistung erbracht wurde. Der Ort, an dem die Dienstleistung Erfolge zeitigen soll, ist zuständigkeitsrechtlich hingegen unerheblich (Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011) Artikel 5 Brüssel I-VO, Rn. 51). Auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Februar 2012 ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat in dem dortigen Fall entschieden, dass die charakteristische Leistung der Kredithingabe ausschließlich in München erbracht wurde (BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – XI ZR 9/11 –, Rn. 24, juris). Da aber sowohl die Darlehensgeberin ihren Sitz in München hatte, als auch das Darlehen in München auszuzahlen war, weil dort das Kreditkonto geführt und die Kreditraten von dem dort geführten Konten einzuziehen waren (so die Feststellungen der Vorinstanz OLG München, Urteil vom 25. Oktober 2010 – 19 U 2004/10 –, Rn. 17, juris), lässt sich daraus nichts für die Richtigkeit der Auffassung des Beklagten für die Beurteilung des hier streitigen Falles einer – teilweisen – Auslandsüberweisung ableiten, in dem Tätigkeits- und Erfolgsort zum Teil auseinanderfallen. In dem Urteil des OLG Naumburg (NJOZ 2003, 2672), welches der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil zitiert, wird vielmehr entsprechend der Auffassung des Senates der Ort als maßgeblich angesehen, an dem das Darlehen durch den Darlehensgeber bereitgestellt und sein Konto belastet wird.
42Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht viel dafür, den Erfüllungsort in dem oben erwähnten Sinn für sämtliche von der Klägerin geschuldete Tätigkeiten in Deutschland zu sehen. Lediglich der – für die Beurteilung des Ortes der Dienstleistung nicht maßgebliche – Erfolg der Überweisung eines Teilbetrages des Darlehens von 40.000 € ist in Form der Gutschrift auf einem Konto des Beklagten in Polen eingetreten. Die geschuldete eigene Tätigkeit der Klägerin bestand dagegen allein in der Bereitstellung der Darlehensvaluta und der Erteilung des Überweisungsauftrages an die für sie tätige Sparkasse am Niederrhein. Diese Tätigkeit war ausschließlich in Deutschland auszuführen. Selbst wenn der Klägerin jedoch auch noch die Tätigkeit der Sparkasse als Erfüllungsgehilfin zuzurechnen wäre, würde dies zu keinem im Ausland liegenden Ort der Tätigkeitsentfaltung der Klägerin führen. Denn auch die Tätigkeit der Sparkasse erschöpfte sich in der Übertragung des Überweisungsauftrages in ein Interbankenzahlungsverkehrssystem; die Sparkasse hatte hingegen nicht die Aufgabe, irgendeine Tätigkeit in Polen auszuführen, um die Gutschrift der Darlehensvaluta auf dem dort geführten Konto des Beklagten herbeizuführen.
43(bb) Selbst wenn man demgegenüber annähme, dass ein Teil der geschuldeten Tätigkeit der Klägerin in Polen auszuführen war, so läge der für die Zuständigkeit maßgebliche Ort der Kredithingabe noch immer in Deutschland, weil hier jedenfalls der Schwerpunkt der Dienstleistung zu erbringen war.
44Ist die Dienstleistung in verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht worden, ist maßgebend, wo der nach wirtschaftlichen Kriterien zu ermittelnde örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung bzw. der Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung liegt (EuGH NJW 2009, 2801, Tz. 36 ff.; NJW 2010, 1189, Tz. 33). Für den Schwerpunkt der Dienstleistung kommt es nicht auf den Leistungserfolg, sondern auf den Ort der Entfaltung der Dienstleistungstätigkeit, also den Tätigkeitsschwerpunkt an (BGH NJW 2006, 1806 Tz. 22; Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2014, Anh I Art. 5 EuGVVO Rn 4b; Staudinger/Hausmann (2016), Verfahrensrecht für internationale Verträge Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rn. 118; Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, EuGVO Art. 5 Rn. 26f.; vgl. auch EuGH NJW 2009, 2801). Zur Bestimmung des örtlichen Schwerpunktes der vertragscharakteristischen Leistungen bedarf es einer Abwägung von Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsanteile (OLG München, Urteil vom 23. 12. 2009 - 20 U 3515/09, NJW-RR 2010, 789).
45Selbst wenn für die vertragsgemäße Kredithingabe die Erbringung einer Tätigkeit auch in Polen erforderlich gewesen sein sollte, so würde bei der dann anzustellenden Abwägung der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung in Deutschland liegen. Denn wenn eine Abwägung nach Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsanteile vorgenommen wird, so stellte der Ort der oben dargelegten Tätigkeitsentfaltung der Klägerin in Deutschland und nicht der Ort, an dem die Empfängerbank unter Umständen noch tätig werden musste, den Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung dar. Eine etwaig in Polen zu erbringende Leistung der Empfängerbank war bei einer wertenden Gesamtbetrachtung für den Schwerpunkt der Dienstleistung im Verhältnis zu der in Deutschland zu erfüllenden Bereitstellung und der Veranlassung der Überweisung der Darlehensvaluta nicht prägend. Denn nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien überwog die Bedeutung der Bereitstellung der Darlehensvaluta und die Veranlassung der Überweisung die nachfolgenden Tätigkeiten der ausführenden Banken. Denn mit der Veranlassung der Überweisung hatte die Klägerin die nach der Vereinbarung der Parteien erforderliche wesentliche Tätigkeit ausgeführt, die zu dem – für die Bestimmung des Schwerpunktes der Dienstleistung nicht maßgeblichen – Erfolg der Gutschrift auf dem Empfängerkonto führte. Etwaige weitere Tätigkeiten der beteiligten Banken stellten bei einer wertenden Betrachtung eine bloß technische Abwicklung dar, die für die Tätigkeit der Kredithingabe aber nicht prägend war.
46(cc) Selbst wenn aber – noch weitergehend – angenommen würde, dass der Ort des Erfolgseintritts der Überweisung in Polen für die Bestimmung des örtlichen Schwerpunktes der Dienstleistung von erheblicher Bedeutung wäre, so läge gleichwohl der Schwerpunkt der Dienstleistung noch immer nicht in Polen. Denn ein solcher Schwerpunkt kann, anders als das Landgericht es angenommen hat, nicht nach rein quantitativen Kriterien gebildet werden, also nach dem betragsmäßigen Verhältnis des in Deutschland zu dem in Polen zur Auszahlung gebrachten Teildarlehens. Allenfalls könnte, da eine (Teil-) Auszahlung auch in Deutschland zu erfolgen hatte, eine einheitliche Dienstleistung angenommen werden. Bei einer solchen Aufspaltung der Dienstleistung, bei der verschiedene Bestandteile einer an sich einheitlichen Leistung in unterschiedlichen Staaten erbracht werden müssen, wird aber ein Wahlrecht der klagenden Partei befürwortet (EuGH NJW 2009, 280 zu einem Transportvertrag; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011) Artikel 5 Brüssel I-VO, Rn. 55h). Ob dieser Auffassung auch für den Fall einer Auslandsüberweisung als Auszahlung eines Darlehens zu folgen ist, muss der Senat nicht entscheiden. Denn auch bei Zugrundelegung dieser Auffassung wäre die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund des durch die Klägerin ausgeübten Wahlrechts zu bejahen.
47d) Die Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 lit. a, b EuGVVO a.F. wird nicht durch andere ausschließliche Zuständigkeiten verdrängt. Insbesondere handelt es sich bei dem behaupteten Darlehensvertrag nicht um ein Verbrauchergeschäft, bei dem sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 16 ff. EuGVVO a.F. richten würde. Denn ein Verbrauchergeschäft ergibt sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus dem Vortrag des Beklagten. Auch der Beklagte hat nicht geltend gemacht, den durch die Klägerin behaupteten Darlehensvertrag als Verbraucher abgeschlossen zu haben. Der Beklagte hat vielmehr behauptet, die Zahlungen seien in Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen der Klägerin oder verbundener Unternehmen aus gemeinsamen Projekten in Polen entstanden, also aus gewerblichen Tätigkeiten der Parteien. Der Beklagte hat nicht – ggfs. hilfsweise für den Fall der Annahme eines Darlehensvertrages – behauptet, als Verbraucher tätig geworden zu sein.
483. Der Senat kann in der Sache nicht entscheiden, da eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld oder eines anderen dem Zuständigkeitsbereich des Senats unterfallendes Landgerichts nicht besteht, sondern muss auf den Hilfsantrag der Klägerin den Rechtsstreit – unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bielefeld – an das örtlich zuständige Landgericht Kleve verweisen. In der Berufungsinstanz muss eine Verweisung durch Urteil unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils erfolgen (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1405; NJW 1986, 1994; Greger, in Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 281 ZPO Rn. 9; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 281 ZPO Rn. 39 m.w.N.).
49Eine Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ist unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Insbesondere hat sich der Beklagte nicht gem. § 39 ZPO rügelos zur Hauptsache eingelassen. Dabei kann offen bleiben, ob § 39 ZPO für die örtliche Zuständigkeit in seinem Anwendungsbereich nicht ohnehin durch Art. 24 EuGVVO a.F. verdrängt wird. Denn auch wenn § 39 ZPO anwendbar wäre, so hätte sich der Beklagte nicht ohne Rüge der örtlichen Zuständigkeit eingelassen. Denn der Beklagte hat durchgehend die fehlende internationale Zuständigkeit gerügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt in einer Rüge der örtlichen Zuständigkeit im Zweifel auch eine Rüge der internationalen Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 01.06.2005 - VIII ZR 256/04, NJW-RR 2005, 1518). Das muss aber erst recht im umgekehrten Fall gelten, wenn der Beklagte die internationale Unzuständigkeit der deutschen Gerichte rügt. Eine rügelose Einlassung in die Verhandlung vor einem örtlich unzuständigen Gericht kann in dem Prozessverhalten des Beklagten bei verständiger Würdigung der durchgängig erhobenen Rüge der (internationalen) Unzuständigkeit unter keinen Umständen gesehen werden.
50Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kleve folgt dagegen aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F.. Durch Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F. wird ein Rückgriff auf §§ 12 ff. ZPO zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit vollständig ausgeschlossen (Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2014, Anhang I, Art. 2 EuGVVO Rn. 6; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, EuGVO Art. 5 Rn. 1 m.w.N.). Es kann dabei offen bleiben, ob der Ort der Tätigkeitsentfaltung der Klägerin nach der autonomen Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO a.F. an ihrem Sitz in Y oder aber an dem Sitz der Sparkasse am Niederrhein in N lag, die die Überweisungen ausführte. Denn beide Orte befinden sich in dem Gerichtsbezirk des Landgerichts Kleve, welches daher örtlich zuständig ist.
51III.
52Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da diese dem Landgericht Kleve vorbehalten ist (vgl. Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 538 ZPO Rn.78).
53IV.
54Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist.
55Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.