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Weist ein formularmäßiger, dem Mieter gestellter Mietvertrag aus, dass sich die Miete aus "Grundmiete" und "Nebenkostenvorauszahlungen" zusammensetzt und enthält eine im Mietvertrag im Zusammenhang mit der Regelung der "Mietnebenkosten" erwähnte (gleichfalls vorformulierte) Anlage auch Nebenkostenpositionen, die - gemäß den Ausführungen in dieser Anlage - mit einem bestimmten Pauschalbetrag angesetzt und in dieser Höhe als zu den umlagefähigen Nebenkosten gehörig definiert werden (im konkreten Fall auf einen bestimmten Prozentsatz der Jahres(-netto-)miete, kann es sich dabei um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB handeln.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.12.2016 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die Berufung: 6.566,00 €
Gründe:
2A.
3Die Klägerin vermietet der Beklagten aufgrund eines gewerblichen Mietvertrages vom 3./4.8.2011 Räume im Haus Y-Straße in C. Bei dem Vertrag und seiner Anlage 2 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die von der Klägerin gestellt worden sind. Die Beklagte hat neben der Grundmiete Mietnebenkostenvorauszahlungen zu leisten. Bezüglich dieser Nebenkosten heißt es im Vertrag wie folgt:
4§ 3 Mietzins, Zahlungsbeginn und Kaution
51. Die monatliche Miete für das Mietobjekt beträgt
6a) Grundmiete EUR 3.780,00
7b) Mietnebenkostenvorauszahlungen (§ 4) EUR 1.350,00
8(in Worten: …)
9insgesamt also EUR 5.130,00
102. …
11§ 4 Mietnebenkosten
121. Der Mieter ist verpflichtet, neben der Miete die Mietnebenkosten zu zahlen, auf die er gemäß § 3 Nr. 1 Vorauszahlungen leistet. Mietnebenkosten sind alle „Betriebskosten i.S. der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 … sowie die in der Anlage 2 ergänzend aufgeführten Positionen und Kostenarten“. Soweit danach „Wartungen“ abgerechnet werden können, handelt es sich um Systemwartungen, die kleinere Instandhaltungen sowie den Austausch von Klein- und Verschleißteilen … beinhalten. …
132. Den Umlageschlüssel legt der Vermieter nach billigem Ermessen fest, wobei verbrauchsabhängige Kosten – soweit möglich – nach abgelesenen Zählerwerten verteilt werden. Der Vermieter ist jederzeit berechtigt, den Umlageschlüssel im gesetzlichen Rahmen zu ändern, wenn dies sachlich geboten ist. …
143. …
154. Der Vermieter kann die Vorauszahlungen in entsprechender Anwendung des § 560 Abs. 4 BGB anpassen. …
16Die Anlage 2 zum Mietvertrag enthält unter der Überschrift „Nebenkosten gemäß § 4 AVB“ neunzehn Ziffern, die jeweils Kostenpositionen bezeichnen und sich in ihrer Reihenfolge bezüglich der Ziff. 1. – 15. im Wesentlichen an § 2 BetrKV orientieren. Auszugsweise heißt es darin:
1714. Die Kosten
18für den Hausmeister
hierzu gehören die Vergütung, die Sozialbeiträge und alle geldwerten Leistungen, für den Hausmeister, ohne dass ein Abzug für evtl. geleistete Verwaltungs- und Instandsetzungstätigkeit erfolgen muss.
21für die Hausverwaltung
die Kosten der Hausverwaltung (unabhängig davon, ob der Vermieter sie selbst vornimmt oder einen Dritten mit dieser Leistung beauftragt) werden pauschal mit 4% der Jahresnettomiete berechnet und gehören in dieser Höhe zu den umlagefähigen Nebenkosten.
24für eine Gebäudeüberwachung
…
2718. Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung
28Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung gemeinschaftlicher Flächen, Anlagen und Einrichtungen werden pauschaliert mit 4% der Jahresgrundmiete angesetzt.
29Auf den weiteren Inhalt des Mietvertrags und seiner Anlage(n) wird Bezug genommen. Die sog. Grundmiete beträgt derzeit 3.932,24 €. Die Klägerin rechnete über die Nebenkosten für #####/#### am 17.6.2015 ab und ermittelte eine Nachforderung in Höhe von 4.898,80 €. Auf die Abrechnung, die sich über 20 Positionen sowie die Heizkosten verhält, wird Bezug genommen. Die Positionen „pauschale Verwalterkosten …“ und „pauschale Instandhaltungskosten …“ sind in der Rubrik „Ihre Einheit“ jeweils als „Direkte Kosten“ bezeichnet und gehen mit je 1.874,50 € in die Abrechnung ein. Die Beklagte zahlte auf die Nachforderung lediglich 1.149,80 €, so dass rechnerisch 3.749,00 € offenstehen. Die Klägerin nahm zum 1.8.2015 eine Erhöhung der monatlichen Nebenkostenvorauszahlung von 1.137,00 € auf 1.611,00 € und gleichzeitig eine Herabsetzung der monatlichen Heizkostenvorauszahlung von 198,00 € auf 135,00 € vor. Die Beklagte leistete für die Zeit ab August 2015 (zumindest) bis April 2016 lediglich monatlich (3.932,24 € zzgl. 1.137,00 € zzgl. 198,00 € =) 5.267,24 €, so dass gegenüber dem verlangten (Gesamt-)Betrag ein monatlicher Rückstand von 411,00 €, insgesamt also von 3.699,00 €, auflief.
30Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stünden aufgrund der Nebenkostenabrechnung #####/#### weitere 3.749,00 € und für den Zeitraum von August 2015 bis (einschließlich) April 2016 weitere (9 x 411,00 € =) 3.699,00 €, zusammen mithin 7.448,00 €, zu. Sie hat die Auffassung vertreten, die Umlage der Kosten der Verwaltung und die Pauschalierung der Verwalterkosten seien auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Das gelte bei Gewerberaummietverträgen auch für die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung, wenn – wie hier – das Erfordernis der Kostenbegrenzung gewahrt werde.
31Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil verwiesen.
32Die Beklagte hat die Nebenkostenabrechnung unter mehreren Aspekten angegriffen. So hat sie die Entstehung der Gesamtkosten bestritten und gemeint, verschiedene näher bezeichnete Positionen seien nicht umlagefähig. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, die Geltendmachung pauschaler Verwaltungs- und Instandhaltungskosten (Ziff. 14. und Ziff. 18. der Anlage 2) sei unzulässig; eine wirksame vertragliche Grundlage dafür bestehe nicht. Teilweise würden darunter fallende Kosten über andere Positionen doppelt geltend gemacht. Der Sache nach handele es sich bei den Regelungen in Ziff. 14. und 18. der Anlage 2 zum Mietvertrag jeweils um eine verdeckte Erhöhung der Grundmiete, die ungewöhnlich sei und mit der sie nicht habe rechnen müssen.
33Auch für die verlangte Mieterhöhung ab August 2015 fehle es an einer vertraglichen Grundlage.
34Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben, weil die Geltendmachung der pauschalen Kosten der Hausverwaltung sowie der Instandsetzung und Instandhaltung im Mietvertrag gegen § 305c Abs. 1 BGB verstoße und damit unwirksam sei. Würden diese Positionen aus der Abrechnung gestrichen, ergebe sich kein Nachzahlungsbetrag. Die wirksam abgerechneten Betriebskosten rechtfertigten lediglich eine Erhöhung der monatlichen Vorauszahlungen um (gerundet) 98,00 €.
35In ihrer Berufung vertritt die Klägerin erneut die Auffassung, die Umlage der Kosten der (kaufmännischen und technischen) Hausverwaltung in einem gewerblichen Mietvertrag scheitere nicht an § 305c Abs. 1 BGB, wie der BGH bereits entschieden habe. Auch die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung könnten dem gewerblichen Mieter grundsätzlich „formularmäßig“ auferlegt werden, solange – wie hier mit der Pauschalierung – das Erfordernis einer Kostenbegrenzung erfüllt sei; auch dies sei nicht überraschend.
36Sie verweist ferner darauf, dass das Landgericht Bielefeld in einem Parallelverfahren (24 S 16/16) ihrer Rechtsauffassung zugestimmt und die Regelungen für wirksam erachtet habe.
37Die Klägerin, die ihre Teilerledigungserklärung im Umfang eines Betrages von 1.565,00 € in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallen gelassen hat, beantragt,
38das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9.12.2016 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 6.566,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.749,00 € ab Rechtshängigkeit und aus jeweils 313,00 € seit dem 4.8.2014, dem 4.9.2015, dem 4.10.2015, dem 4.11.2015, dem 4.12.2015, dem 4.1.2016, dem 4.2.2016, dem 4.3.2016 und dem 4.4.2016 zu zahlen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, wonach es sich bei den Pauschalierungen in Ziff. 14. und 18. der Anlage 2 zum Mietvertrag um überraschende Klauseln im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB handele. Ferner verweist sie darauf, dass es an der erforderlichen Begrenzung der Kosten der Instandsetzung fehle, soweit diese Arbeiten durch den Hausmeister vorgenommen würden, zumal die Wartungskosten der betriebstechnischen Einrichtungen in Ziff. 16. gesondert geregelt sei.
42Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
43B.
44Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
45I.
46Die Beklagte schuldet keine Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung vom 17.6.2015 betreffend den Zeitraum 1.7.2013 – 30.6.2014.
471.
48Die Beklagte hat die Forderung aus der Nebenkostenabrechnung bis auf den Betrag von 3.749,00 € ausgeglichen. Erkennbar hat sie sich damit gegen die Berechtigung der Positionen „Pauschale Verwalterkosten“ und „Pauschale Instandhaltungskosten“ in Höhe von jeweils 1.874,50 € aus der Abrechnung vom 17.6.2015 gewandt, die zusammen exakt den Betrag von 3.749,00 € ausmachen.
49Die Klägerin ist nicht berechtigt, die vorgenannten beiden Positionen geltend zu machen.
50a)
51Die vertragliche Einbeziehung der Umlage (auch) dieser beiden Positionen, die über § 4 Ziff. 1. S. 1 und 2 des Mietvertrags mit der Verweisung auf die Anlage 2 bewerkstelligt wird, scheitert nicht bereits an mangelnder Transparenz im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das wäre der Fall, wenn für die Beklagte angesichts der Verweisung auf die Betriebskostenverordnung einerseits und auf die „in der Anlage 2 ergänzend aufgeführten Positionen und Kostenarten“ andererseits nicht eindeutig erkennbar wäre, welche Arten von Betriebskosten von ihr zu tragen sind. Eine solche Situation lässt sich jedoch nicht feststellen: Auch in dem Fall, dass der Text der Betriebskostenverordnung (BetrKV) dem Vertragsentwurf nicht beigelegen haben sollte, ist maßgeblich, dass die Anlage 2 eine komplette Wiedergabe der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten enthält, so dass der Verweisung auf die BetrKV daneben inhaltlich keine eigenständige Bedeutung zukommt.
52b)
53Die Regelung in Ziff. 18. der Anlage 2 betreffend Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung verstößt jedoch gegen § 305 c Abs. 1 BGB (sog. Verbot überraschender Klauseln), weshalb sie schon nicht Vertragsinhalt geworden ist. Wäre dies anders zu beurteilen, scheiterte sie im Übrigen an § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
54aa)
55Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass ein Verstoß gegen § 305 c Abs. 1 BGB vorliegt, weil innerhalb der Anlage 2 zum Mietvertrag, die im Wesentlichen einen Katalog abzurechnender Betriebskosten enthält, mit der Regelung in Ziff. 18. eine Pauschalierung und mithin eine Bestimmung vorgenommen wird, mit der angesichts der in § 3 des Mietvertrags angelegten Unterscheidung zwischen einer – „feststehenden“ - Grundmiete einerseits und „Mietnebenkostenvorauszahlungen“ andererseits an dieser Stelle nicht zu rechnen gewesen ist. Im Einzelnen:
56(1)
57Eine als überraschend einzuordnende Klausel gem. § 305 c Abs. 1 BGB setzt zum einen voraus, dass sie objektiv bewertet ungewöhnlich ist. Dabei handelt es sich um einen „schlicht auf Basis der Empirie aufsetzenden Befund“. Das Leitbild des dispositiven Rechts dient als Vergleichsmaßstab; fehlt ein solches, ist im Zweifel auf den konkreten Vertragstyp abzuheben (Graf v. Westphalen NZM 2015, 112; BGH XII ZR 109/08 Rn. 17 zum Überraschungseffekt durch die Stellung einer Klausel, wenn der Vertragspartner sie – dort – nicht zu erwarten braucht). Auch Nebenabreden, um die es sich hier handelt, verstoßen gegen § 305 c Abs. 1 BGB, wenn sie nach der Aufmachung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Gliederung und Systematik nicht an der fraglichen Stelle zu erwarten sind und aus diesem Grunde auch aufmerksame Kunden überraschen und das Vertrauen in die AGB-Ausgestaltung gefährden. Entscheidend für die Feststellung des objektiv ungewöhnlichen Charakters der jeweiligen Klausel im Rahmen des konkreten Vertragstyps ist, ob das Vertrauen des Verkehrs in eine funktionsgerechte Ausgestaltung der AGB und der darauf beruhende Verzicht des Kunden auf eine nähere Kenntnisnahme ihres Inhalts durch Aufnahme der ungewöhnlichen Klausel objektiv missachtet wird (Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer, AGB Recht, 12. Aufl., § 305 c, Rn. 17f.).
58Nach diesen Maßstäben ist eine (objektive) Ungewöhnlichkeit der hier in Ziff. 18. der Anlage 2 vorgenommenen Überwälzung pauschalierter Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung jedenfalls aufgrund ihrer Stellung im Vertrags- bzw. Anlagengefüge anzunehmen:
59Zwar ist es für sich betrachtet nicht überraschend, wenn sich in einem Formularmietvertrag im Rahmen der „Mietnebenkosten“ Regelungen betreffend die „Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten“ finden, weil jedenfalls ein gewerblicher Mieter mit solchen Bestimmungen rechnet und rechnen muss. Eben so wenig stellt es eine „Überraschung“ dar, wenn eine Pauschalierung solcher Kosten vorgenommen wird. Es ist aber ungewöhnlich, wenn an einer solchen Stelle der vertraglichen Regelungen Pauschalen bezüglich bestimmter Betriebskostenpositionen eingeführt werden, an der ausweislich der Konzeption des Vertrags nur abrechenbare Betriebskosten zu erwarten sind. So verhält es sich hier, denn gem. § 3 des Mietvertrags setzt sich die Miete (ausschließlich) aus „Grundmiete“ einerseits und „Mietnebenkostenvorauszahlungen“ andererseits zusammen. Dieser Differenzierung folgend spricht § 4 Ziff. 1 S. 1 des Mietvertrags konsequent die Verpflichtung des Mieters aus, auf die „Mietnebenkosten“ Vorauszahlungen zu leisten, während Ziff. 2. Regelungen zum (jeweiligen) Umlageschlüssel bezüglich dieser Kosten enthält und damit nochmals den Eindruck bestärkt, dass es sich bei sämtlichen Mietnebenkosten um solche handelt, auf die Vorauszahlungen zu erbringen sind, mithin Zahlungen, über die noch eine endgültige Abrechnung zu erfolgen hat. Die konkrete Formulierung in § 4 Ziff. 1. S. 1 im Zusammenhang mit § 3 Ziff. 1. des Mietvertrags lässt dabei auch nicht etwa Raum für ein Verständnis, wonach es noch Sache des Vermieters sei, für einzelne Mietnebenkosten „Pauschalen“ anstelle abzurechnender Vorauszahlungen zu verlangen.
60(2)
61Zum anderen erfordert der Tatbestand des § 305 c Abs. 1 BGB ein subjektives Moment der Überraschung – der Überrumpelung – auf Grund der Diskrepanz zwischen der (geschützten) Kundenerwartung und der konkreten Klausel. Ob von einer „Überraschung“ des Kunden auszugehen ist, entscheidet sich nach einem generellen Maßstab; danach sind in erster Linie die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge typischerweise zu erwartenden Kundenkreises, wie sie sich aufgrund dessen Geschäftserfahrung und drucktechnischer Ausgestaltung der fraglichen AGB ergeben (z.B. BGH, Urt. v. 26. 7. 2012, Az. VII ZR 262/11, NJW-RR 2012, S. 1261; Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer, a.a.O., Rn. 22; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 7 Rn. 69). Dieser Maßstab kann durch die konkreten Verhältnisse beim Vertragsschluss erweitert werden, wenn angesichts der individuellen Begleitumstände, namentlich der Aussagen des Verwenders, ein Überrumpeln begünstigt wird, und er kann eingeschränkt (bzw. die Überrumpelung ganz ausgeschlossen) werden, indem Hinweise auf die (objektiv) ungewöhnliche Klausel erfolgen (Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer, a.a.O., Rn. 13f.).
62Auch von einer solchen „Überrumpelung“ der Beklagten durch die fragliche Regelung in Ziff. 18. der Anlage 2 ist auszugehen. Die Beklagte hat spätestens in ihrem Schriftsatz vom 24.10.2016 mit der Bezugnahme auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bielefeld zur Erfüllung des Tatbestandes des § 305 c Abs. 1 BGB konkludent vorgetragen, von der betreffenden Regelung in Ziff. 18. der Anlage 2 überrascht worden zu sein. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten; sie hat auch nicht etwa vorgetragen, dass auf diese Regelung im Rahmen der Verhandlungen gesondert hingewiesen worden sei.
63Das Überraschungsmoment für einen typischen Gewerberaummieter, auf den in diesem Zusammenhang abzustellen ist, folgt daraus, dass er an der betreffenden Stelle mit der Einführung „fixer Kosten“ in Gestalt von Pauschalen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, weil in §§ 3 und 4 des Mietvertrags eine erschöpfende Darstellung der Mietstruktur unter Benennung einer „Grundmiete“ einerseits und „Mietnebenkostenvorauszahlungen“ andererseits vorgenommen worden ist.
64Dieses Überraschungsmoment lässt sich im Übrigen auch nicht mit der Erwägung in Abrede stellen, dass es aus Sicht eines – gewerblichen – Mieters keinen erheblichen Unterschied mache, ob ihm die hier in Rede stehenden Nebenkostenpositionen im Umfang von jeweils 4 % der (Jahres-)Miete pauschaliert oder als – abrechenbare – Vorauszahlung auferlegt werden. Abgesehen davon, dass die Anwendbarkeit des § 305 c Abs. 1 BGB nicht von einer potentiellen oder gar tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkung der betreffenden Klausel auf die Interessen der Vertragspartner abhängt, lassen sich jedenfalls solche möglichen Auswirkungen auch nicht verneinen. Denn die Vereinbarung einer Pauschalierung nimmt dem Mieter letztlich die Möglichkeit, bezüglich der betreffenden Kosten die Einhaltung des Gebots der Wirtschaftlichkeit einzufordern und damit Zahlungen, die sich als nicht erforderlich oder nicht angemessen herausstellen, abzuwehren oder zurückzufordern.
65bb)
66Auch dann, wenn der Tatbestand des § 305 c Abs. 1 BGB verneint und die Einbeziehung der Regelung in Ziff. 18. der Anlage 2 folglich bejaht würde, könnte sich die Klägerin nicht auf deren Geltung berufen. Es läge dann nämlich ein Verstoß gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) vor.
67Eine unbeschränkte Auferlegung der Erhaltungslast auch bezüglich der gemeinsam genutzten Flächen und Anlagen auf den Mieter stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar (BGH, Urt. vom 6.4.2005, Az. XII ZR 158/01, NJW-RR 2006, S. 84).
68Zwar enthält die Klausel Ziff. 18. selbst eine Beschränkung auf 4 % der „Jahresgrundmiete“. Jedoch existiert neben dieser Klausel auch noch die Regelung in Ziff. 14. (dort erster Punkt), wonach Kosten des Hausmeisters – und zwar unbegrenzt – auch insoweit geltend gemacht werden können, als damit etwaige Instandsetzungstätigkeiten abgegolten werden. Diese Bestimmung wird den Anforderungen des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 26.9.2012, Az. XII ZR 112/10, NJW 2013, 41, Rn. 20) nicht gerecht. Danach ist eine Regelung zu den Hausmeisterkosten, die es dem Vermieter ermöglicht, darüber auch einen Teil der Kosten für die Instandsetzung und Instandhaltung von Gemeinschaftsflächen abzuwälzen, nur wirksam, wenn der Mieter „insgesamt durch eine Kostenobergrenze gegen die „uferlose“ Übertragung der Erhaltung … geschützt ist“ (so auch OLG Dresden, Urt. 20.1.2016, Az. 5 U #####/####).
69Überdies enthält der Mietvertrag zum „Thema“ Instandsetzungskosten noch weitere die Mieterin belastende Regelungen, nämlich zum einen bezüglich der schon in § 4 Ziff. 1 S. 2 des Mietvertrags angesprochenen „Systemwartungen“, und zwar einschließlich „kleinerer Instandhaltungen“ sowie des Austauschs von „Klein- und Verschleißteilen anlässlich des Wartungstermins“. Zum anderen sind der Mieterin gem. § 9 des Mietvertrags sämtliche Instandhaltungs- und Instandsetzungslasten des Mietobjekts selbst übertragen.
70Bei dieser Sachlage tritt zu Lasten der Beklagten ein sog. Summierungseffekt ein, der auch die – unbeschadet der im vorliegenden Fall vorliegenden Voraussetzungen des § 305 c Abs. 1 BGB - für sich betrachtet zulässige Pauschalierung der Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten erfasst. Denn die Beklagte wird mit einem potentiell unbegrenzten, überdies teilweise doppelt berücksichtigungsfähigen Aufwand für die Instandhaltung und/oder Instandsetzung außerhalb des eigentlichen Mietobjekts liegender Flächen und Anlagen belastet, und zwar entgegen der gesetzlichen Konzeption, nach der der Vermieter für die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache einzustehen hat.
71Betreffen mehrere Klauseln denselben Regelungsgegenstand und führen sie solchermaßen zu einem den Vertragspartner des Verwenders unangemessenen Belastung, sind sie insgesamt unwirksam (Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 535 Rn. 117; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, a.a.O., § 307 Rn. 155; für Schönheitsreparaturklauseln z.B. BGH, Urt. vom 14.5.2003, Az. VIII ZR 308/02, NJW 2003, S. 2234). Diesem Ergebnis steht weder die Regelung des § 306 Abs. 1 BGB noch die sog. salvatorische Klausel in § 21 Ziff. 3. des Mietvertrags entgegen, weil deren Berücksichtigung gegen das Verständlichkeitsgebot verstieße (z.B. BGH NJW 1993, S. 1061).
72c)
73Auch die Kosten der Hausverwaltung (Verwaltungskosten) gem. Ziff. 14. (2. Punkt) der Anlage 2 können nicht gegen die Beklagte geltend gemacht werden.
74aa)
75Die Einbeziehung dieser Klausel, die eine Pauschalierung der von der Beklagten zu tragenden Kosten für die Hausverwaltung in Höhe von 4 % der „Jahresnettomiete“ vorsieht, scheitert ebenfalls an § 305 c Abs. 1 BGB, weil es sich um eine aufgrund ihrer Stellung im Regelungsgefüge des Vertrags und der Anlage 2 überraschende Klausel handelt. Die Erwägungen unter lit. b) gelten entsprechend.
76Soweit die Klägerin – zu Recht – darauf verweist, dass die Übertragung der „Kosten der Verwaltung“ auf den gewerblichen Mieter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. Urt. vom 10.9.2014, Az. XII ZR 56/11, NZM 2014, S. 830) auch ohne eine Begrenzung der Höhe nach weder überraschend noch intransparent sei, ist dies für die Beurteilung des vorliegenden Vertrags letztlich nicht von Bedeutung. Dessen Problematik liegt, wie bereits dargelegt, in seinem „Aufbau“, der die Überbürdung pauschalierter Betriebskosten auf den Mieter nicht erwarten lässt.
77bb)
78Darüber hinaus stellen die Regelungen in Ziff. 14. – dort erster und zweiter Punkt – in ihrem Zusammenhang auch eine intransparente und für die Beklagte unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar.
79Wie der Bundesgerichtshof u.a. in seinem Urteil vom 25.2.2016 (Az. VII ZR 156/13, NJW 2016, S. 1575) dargelegt hat, verpflichtet das Transparenzgebot den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen, wozu nicht nur gehört, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen, verstößt danach gegen das Transparenzgebot.
80Anders als in den vom Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fällen steht der Klauselverwenderin hier die Möglichkeit offen, Verwaltungskosten, soweit sie durch die Tätigkeit des bzw. der Hausmeister entstehen, doppelt geltend zu machen, und zwar zum einen über die – umzulegenden und abzurechnenden – Kosten des Hausmeisters und zum anderen über die pauschalierten Verwaltungskosten. Die Beklagte könnte sich demgegenüber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass solchermaßen „Verwaltungskosten“ doppelt vergütet werden müssen. Denn es bestünde keine Handhabe, diese Verwaltungskosten aus den „Kosten des Hausmeisters“ herauszurechnen, weil dies ausdrücklich nicht geschehen soll. Auch die „Pauschale“ als solche ist keiner Kürzung zugänglich. Diese Rechtslage tritt im vorliegenden Fall nicht hinreichend deutlich zu Tage, und zwar schon deshalb nicht, weil die Pauschalierung der Verwaltungskosten als solche für die Beklagte, wie dargelegt, nicht zu erwarten war.
81Diese vertragliche Situation unterscheidet sich von denjenigen, die der Bundesgerichtshof (a.a.O.) bislang zu entscheiden hatte. Dort handelte es sich jeweils um abzurechnende Nebenkostenpositionen, bei denen dem Mieter die Möglichkeit, im Rahmen der Abrechnung eines Doppelberücksichtigung geltend zu machen, nicht versagt war.
82II.
83Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf eine weitere Erhöhung der Vorauszahlungen zu, also ihr vom Landgericht bereits zugesprochen worden ist.
841.
85Für den Anspruch auf Anpassung hat sich die Klägerin zu Recht auf die Regelung in § 4 Ziff. 4. des Mietvertrags berufen, der wiederum auf § 560 Abs. 4 BGB Bezug nimmt. Danach kann eine Anpassung „auf angemessene Höhe“ durch einseitige Erklärung des Vermieters vorgenommen werden. Solche Regelungen sind in Gewerberaummietverträgen unbedenklich (BGH, Urt. vom 5.2.2014 – Az. XII ZR 65/13 – NJW 2014, S. 1300).
862.
87Was die Höhe des Anspruchs angeht, so ist dieser durch das angefochtene Urteil bereits ausgeschöpft worden.
88Da die Klägerin nicht berechtigt war, auch die Positionen in Ziff. 18. und 14. der Anlage 2 zum Mietvertrag auf die Beklagte umzulegen, ergibt sich (allenfalls) ein Anspruch auf Anpassung der Vorauszahlungen in ausgeurteilter Höhe. Der Berechnung des Landgerichts hat die Klägerin auch keine weiteren Einwände entgegengesetzt.
89C.
90Der Schriftsatz der Beklagten vom 16.5.2017 bot keine Veranlassung, der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Zur Frage der Wirksamkeit der mietvertraglichen Regelungen enthielt er weder neuen Sachvortrag noch neue rechtliche Aspekte. Bezüglich der Ausführungen der Beklagten zur teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin hat eine Erörterung mit den Prozessbevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung stattgefunden, infolge derer die Klägerin ihre Anträge angepasst hat.
91D.
92Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
93Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Sache hat keine allgemeine Bedeutung; auch die Belange der Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegen nicht vor. Soweit Divergenzen zwischen der Berufungszivilkammer des Landgerichts Bielefeld und dem Senat bezüglich einer Verletzung des § 305 c Abs. 1 BGB bestehen, rechtfertigt dies eine Zulassung der Revision nicht. Sie käme nur dann in Betracht, wenn der Senat mit seiner Auffassung, die Regelungen in Anl. 2 des Mietvertrags verstießen gegen § 305 c Abs. 1 BGB, gegen Urteile anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs verstieße. Solche abweichenden Urteile sind nicht bekannt.