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1. Ein mit der Beschwerde gerügter etwaiger Verstoß des erstinstanzlichen Scheidungsverbundbeschlusses gegen die §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 308 Abs. 1 ZPO wegen der Entscheidung über eine zu Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragte Folgesache wird im Beschwerdeverfahren jedenfalls dadurch geheilt, dass der Beschwerdegegner die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und sich dadurch im Wege der – noch im Beschwerdeverfahren möglichen - Antragserweiterung den diesbezüg-lichen Inhalt der angefochtenen Entscheidung zu eigen macht.
2. Eine gegenüber Art. 8 a) Rom-III-Verordnung vorrangige Rechtswahl des ausländischen Eherechts durch die Ehegatten nach Art. 5 Rom-III-Verordnung liegt nicht in dem Abschluss eines Ehevertrages über Mor-gen- und Abendgabe vor einem libanesischen Scharia-Gericht aus Anlass der Eheschließung.
3. Vereinbaren Ehegatten anlässlich der Eheschließung durch islamisch-sunnitischen Ehevertrag zugunsten der Ehefrau die Zahlung eines – in eine bei Eheschließung fällige Morgengabe und eine im Falle der Ehescheidung fällige Abendgabe unterfallenden - „Mahr“, genügt dieser vor einem Scharia-Gericht ge-schlossene und protokollierte Vertrag der im deutschen Recht vorgesehenen notariellen Form des § 1410 BGB.
4. Während sich das international anzuwendende Recht für den Anspruch auf die Morgengabe vor Einge-hung der Ehe nach dem „Verlöbnisstatut“ und während des Bestehens der Ehe nach Art. 14 EGBGB richtet, bestimmt sich das auf die – erst anlässlich der Ehescheidung fällig werdende - Abendgabe anzuwendende Sachrecht wegen des unterhaltsähnlichen Versorgungscharakters zugunsten der Ehefrau nach Art. 3 Abs. 1 und den Art. 5, 6, 7 und 8 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (HUntProt).
5. Stellt die Ehefrau den Scheidungsantrag und beruft sich der Ehemann zur Verteidigung gegen die im Verbund mit der Ehescheidung geltend gemachte Zahlung der Abendgabe auf deren nach den Art. 80-90, 343 des Libanesischen Familiengesetzes vom 16.07.1962 nur bei Scheidungsverstoßung („talaq“) durch ihn eintretende Fälligkeit, verstößt dies gem. Art. 6 EGBGB sowie entsprechend den Art. 10, 12 Rom-III-Verordnung gegen den deutschen Ordre public und das Verbot der Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).
I.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bochum vom 17.11.2015 (Az.: 60 F 270/14) wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 17.260,00 € festgesetzt (Ehescheidung: 3.000,00 €, Versorgungsausgleich: 1.000,00 € und Abfindungszahlung: 13.260,00 € = 15.000,00 US-Dollar).
Gründe:
3I.
4Der Antragsgegner (31 Jahre alt, deutscher Staatsbürger libanesischer Abstammung) wendet sich mit der Beschwerde gegen den familiengerichtlichen Beschluss, der seine Ehe mit der Antragstellerin (27 Jahre alt, Libanesin) geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsgegner zur Zahlung einer Abfindung von 15.000,00 US-Dollar (nach dem Wechselkurs, Stand 19.04.2016: rund 13.260,00 EUR) an die Antragstellerin verpflichtet hat.
5Die Beteiligten sind verwandt; der Vater des Antragsgegners ist der jüngere Bruder des Vaters der Antragstellerin. Der Antragsgegner zog mit seiner Familie im Alter von wenigen Monaten im Jahre 1985 aus dem Libanon nach Deutschland, wo er seitdem lebt. Er ist zweisprachig aufgewachsen, seit vielen Jahren deutscher Staatsangehöriger und spricht und versteht Arabisch, kann es jedoch nicht lesen und schreiben. Die Eltern der Beteiligten arrangierten im Jahr 2005 die Ehe des Antragsgegners mit der seinerzeit im Libanon lebenden, damals noch minderjährigen 16-jährigen Antragstellerin. Zum Zwecke der Eheschließung flog der Antragsgegner ohne seine Eltern in den Libanon. Die Beteiligten heirateten am 20.12.2005 nach islamisch-sunnitischem Recht vor dem Scharia-Gericht in Beirut/Libanon. Die Heiratsurkunde (Übersetzung Bl. 6 d. A.) enthält keine Regelungen zu den Scheidungsvoraussetzungen. Am selben Tage schlossen die Beteiligten vor dem sunnitischen Scharia-Gericht in Gegenwart von Vertretern und Zeugen einen Ehevertrag, über dessen vereinbarten Inhalt die Beteiligten streiten (beglaubigte Abschrift des arabischen Originals Hülle Bl. 85 d. A., vom Senat in Auftrag gegebene Übersetzung Bl. 92 d. A.). Der schriftliche Ehevertrag enthält u. a. folgende Regelung:
6„Die Parteien genehmigten diesen Ehevertrag und vereinbarten das Brautgeld auf eine Abschrift des heiligen Korans, eine englische Goldlira und fünfzehntausend US-Dollar.
7Morgengabe: Eine Abschrift des heiligen Korans zum segnen und eine englische Goldlira.
8Abendgabe: Nur fünfzehntausend US-Dollar.“
9Aus der Ehe sind die Kinder N E, geb. am xx.xx.2007, O E, geb. am xx.xx.2008, und T E, geb. am xx.xx.2010, hervorgegangen. Seit der Trennung der Beteiligten Anfang Dezember 2013 durch Auszug des Antragsgegners aus der Ehewohnung in C leben die Kinder O und T bei der Antragstellerin und N bei dem Antragsgegner. Beide Elternteile mit den bei ihnen lebenden Töchtern bzw. dem Sohn beziehen Leistungen nach dem SGB II. In den beigezogenen Verfahren 60 F 207/14 und 60 F 253/14, jeweils Amtsgericht – Familiengericht – Bochum, stritten die Beteiligten, einschließlich gerichtlicher Einholung familienpsychologischer Sachverständigengutachten, um das Sorgerecht und das Umgangsrecht bzgl. der drei Kinder. Zudem war unter dem Az. 60 F 264/15 Amtsgericht – Familiengericht – Bochum ein einstweiliges Anordnungsverfahren auf familiengerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Kindesvaters zu einer Reise der Kindesmutter mit O und T in den Libanon in den Herbstferien 2015 anhängig, das im Beschwerdeverfahren II-3 UF 223/156 durch den Senat mit am 26.10.2015 erlassenem Beschluss für erledigt erklärt worden ist. Schließlich waren aufgrund von zwei Strafanzeigen der Kindesmutter – im Ergebnis eingestellte – staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen den Kindesvater wegen behaupteter Vergewaltigung und Körperverletzungen anhängig.
10Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin an einem Sonntag im März 2014 an einer Brücke an der V-Straße in C in Gegenwart der Zeugen E und L1 E die Scheidung nach islamischem Recht ausgesprochen hat, indem er ihr gegenüber dreimal gesagt hat: „Ich verlasse dich.“
11Mit ihrem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und dem Scheidungsantragsentwurf vom 20.11.2014 hat die Antragstellerin am 21.11.2014 das vorliegende Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht eingeleitet. Nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Bewirkung der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags am 09.01.2015 hat die Antragstellerin in erster Instanz mit Schriftsatz vom 22.01.2015 – wörtlich übereinstimmend mit dem Entwurf vom 20.11.2014 - unter Ziffer 1. die Scheidung der Ehe der Beteiligten und unter Ziffer 2. beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie – die Antragstellerin - eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 US-Dollar zu zahlen. Vor dem Familiengericht hat die Antragstellerin-Vertreterin zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 „den Antrag aus dem Schriftsatz vom 20.11.2014, Bl. 4 d. A.“ gestellt und der Antragsgegner-Vertreter hat um „Entscheidung was rechtens ist“ gebeten. Anschließend hat das Familiengericht die Beteiligten gemäß § 128 FamFG zu den Scheidungsvoraussetzungen persönlich angehört, wobei diese übereinstimmend erklärt haben, sich Anfang Dezember 2013 getrennt zu haben. Ein eheliches Zusammenleben habe danach nicht stattgefunden und sei auch nicht beabsichtigt. Anschließend hat das Familiengericht mit den Beteiligten den Versorgungsausgleich, insbesondere die Berechnung der Versorgungsträger – der Deutschen Rentenversicherung Bund für den Antragsgegner mit einem ehezeitlichen Ausgleichswert von 0,1621 Entgeltpunkten und der Deutschen Rentenversicherung Westfalen für die Antragstellerin mit einem ehezeitlichen Ausgleichswert von 4,0520 Entgeltpunkten – erörtert, gegen deren Richtigkeit die Beteiligten keine Einwände erhoben haben. Abschließend hat das Familiengericht zu Protokoll vom 17.11.2015 den Verfahrenswert für die Scheidung, den Versorgungsausgleich und den Anspruch auf Zahlung der Abfindung festgesetzt.
12Mit Beschluss vom 17.11.2015 hat sodann das Familiengericht die am 20.12.2005 in Beirut/Libanon unter der Heiratsregister-Nr. #####/#### geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden, die Durchführung des Versorgungsausgleichs angeordnet und den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin (eine Abfindung aufgrund des Ehevertrages vom 20.12.2005 von) 15.000,00 US-Dollar zu zahlen. Zur Begründung hat das Familiengericht im Wesentlichen ausgeführt, für die Ehescheidung sei gem. Art. 8 der Rom-III-Verordnung deutsches Recht anzuwenden und die Ehe der Beteiligten sei angesichts der Trennung seit Dezember 2013 gem. den §§ 1564, 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB gescheitert. Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs seien die in der Ehezeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2014 erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften jeweils gem. § 10 Abs. 1 VersAusglG hälftig intern zu teilen. Aus dem Ehevertrag habe die Antragstellerin zudem aufgrund der Ehescheidung einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Abfindung von 15.000,00 US-Dollar. Der Fall beurteile sich nach deutschem Sachrecht, da die ehevertragliche Zusage als allgemeine Ehewirkung anzusehen sei, die gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB dem Recht des Staates unterliege, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hätten, vorliegend Deutschland. Gemäß der Vereinbarung in dem Ehevertrag sei die Abfindung ausschließlich durch den Ehemann im Falle der – schuldunabhängigen – Scheidung oder seines – des Antragsgegners - Ablebens zu zahlen. Die Abfindung solle unabhängig davon gezahlt werden, wer die Ehescheidung beantrage. Dies ergebe die Auslegung des Wortlauts. Hinter der Vereinbarung stehe der im Islam verankerte Gedanke der Fürsorge für die Ehefrau im Falle der Scheidung. Zudem bestehe anders als bei der Regelung über eine Brautgabe, in der eine Bezugnahme auf das islamische Recht bestehe, vorliegend bei der vereinbarten Abfindung keine derartige Inbezugnahme. Schließlich genüge der vorliegende Ehevertrag auch den Formerfordernissen des deutschen Rechts.
13Mit seiner am 26.11.2015 beim Familiengericht eingelegten und innerhalb der bis zum 15.02.2016 verlängerten Frist begründeten Beschwerde gegen den seinem Vertreter am 23.11.2015 zugestellten Beschluss strebt der Antragsgegner die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses unter Zurückweisung der Anträge an. Hierzu macht er im Wesentlichen Folgendes geltend:
14=> Das Familiengericht habe die Ehe der Beteiligten zu Unrecht geschieden, da die Voraussetzungen hierfür nicht festgestellt worden seien. Gem. § 1565 Abs. 1 BGB könne eine Ehe nur geschieden werden, wenn sie gescheitert sei. Die Feststellung, dass die Ehegatten seit Dezember 2013 getrennt lebten, sei hierfür jedoch nicht ausreichend. Die unwiderlegliche Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB liege nicht vor, da er - der Antragsgegner – der Ehescheidung nicht zugestimmt habe und noch keine dreijährige Trennung vorliege.
15=> Da die Voraussetzungen der Ehescheidung nicht vorlägen, finde auch kein Versorgungsausgleich statt.
16=> Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung von 15.000,00 $ gegen ihn – den Antragsgegner. Die Antragstellerin habe in der mündlichen Verhandlung nur den Ehescheidungsantrag gestellt und es sei nur hierüber und über den Versorgungsausgleich verhandelt worden. Den ursprünglich schriftsätzlich angekündigten Antrag auf Zahlung von 15.000,00 $ habe die Antragstellerin demgegenüber in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Aus diesem Grunde sei der Beschluss aufzuheben.
17=> Hilfsweise bestreite er – der Antragsgegner – den Abschluss eines Ehevertrages, von dem die Antragstellerin bisher weder das Original noch eine Kopie vorgelegt habe. Das Ausgangsdokument der lediglich vorgelegten angeblichen beglaubigten Abschrift einer Übersetzung aus dem Arabischen ins Deutsche sei ihm – dem Antragsgegner – nicht bekannt. Daher werde die Echtheit des übersetzten Ehevertrages und die Richtigkeit der Übersetzung in die deutsche Sprache bestritten.
18=> Er – der Antragsgegner – könne die arabische Sprache nicht lesen und sei sich nicht bewusst, eine derartige Erklärung bei der Hochzeit im Libanon abgegeben zu haben. Der wirksame Abschluss des Ehevertrages werde bestritten. Ihm – dem Antragsgegner – sei der angebliche Vertrag niemals übersetzt worden, was Voraussetzung für einen wirksamen Vertragsschluss sei. Auch befänden sich keine Unterschriften unter dem vermeintlichen Vertrag bzw. der Übersetzung.
19Der Antragsgegner beantragt,
20den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
21Die Antragstellerin beantragt,
22die Beschwerde zurückzuweisen.
23Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Beschwerdeangriffe des Antragsgegners und macht im Wesentlichen Folgendes geltend:
24=> Gem. § 1565 BGB sei eine Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr bestehe und nicht erwartet werden könne, dass die Eheleute sie wieder herstellten. Lebten die Ehegatten länger als ein Jahr, aber noch keine drei Jahre getrennt, und sei der andere Ehegatte nicht mit der Ehescheidung einverstanden, müsse das Scheitern der Ehe bewiesen werden. Vorliegend habe seit der Trennung Anfang Dezember 2013 ein eheliches Zusammenleben nicht mehr stattgefunden und sei auch nicht beabsichtigt. Ihren – der Antragstellerin – Vortrag hierzu habe der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt bestritten. Zudem sei die Zerrüttung der Ehe dem Familiengericht auch aus diversen weiteren familienrechtlichen Verfahren bekannt.
25=> Der Antrag auf Zahlung von 15.000,00 US-Dollar sei ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 sehr wohl gestellt worden. Der Antrag sei im Schriftsatz vom 20.11.2014, auf welchen das Protokoll Bezug nehme, benannt, sodass es unwesentlich sei, ob es im Protokoll laute „den Antrag“ oder „die Anträge“. Über den Antrag auf Zahlung der 15.000,00 US-Dollar sei auch verhandelt worden.
26=> Der Ehevertrag sei mit Schriftsatz vom 22.01.2015 auch vorgelegt worden. Der Antragsgegner habe im bisherigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, den Vertrag nicht vorliegen zu haben und habe bisher die Echtheit des Vertrages und dessen Abschluss nicht bestritten. Sein jetziges Bestreiten sei zudem unsubstantiiert.
27Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2016 zu den Scheidungsvoraussetzungen nach § 128 FamFG und zum Zustandekommen des Ehevertrages angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 22.04.2016 verwiesen. Auf entsprechende Auflage des Senats hat die Antragstellerin bereits vor dem Senatstermin mit Schriftsatz vom 29.03.2016 die original-arabische beglaubigte Abschrift des Ehevertrages eingereicht (Hülle Bl. 85 d. A.), welche der Senat amtlich hat übersetzen lassen (Bl. 92 d. A.).
28II.
29A.
30Es findet gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das neue Verfahrensrecht Anwendung, weil das zu Grunde liegende Verfahren (nach dem 31.08.2009) erst am 21.11.2014 von der Antragstellerin eingeleitet worden ist.
31B.
32Die Beschwerde ist nach den §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG gemäß § 64 Abs. 1 FamFG beim Amtsgericht Bochum eingelegt und innerhalb der gemäß den §§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, 520 Abs. 2 S. 3 ZPO verlängerten Frist rechtzeitig vor dem Senat begründet worden.
33C.
34In der Sache hat die Beschwerde des Antragsgegners im Ergebnis keinen Erfolg, obwohl sowohl das Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 als auch der angefochtene Beschluss vom selben Tage erhebliche Verfahrens- und inhaltliche Mängel aufweisen.
35I. Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den Scheidungsantrag nebst Folgeanträgen:
361.) Das Amtsgericht und der Senat sind für die Entscheidung über den Ehescheidungsantrag der Antragstellerin international zuständig. Dies stellt der Senat vorliegend trotz des § 65 Abs. 4 FamFG ausdrücklich positiv fest. Soweit nach dieser Regelung an sich eine Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe, gilt dieser Ausschluss der Zuständigkeitsprüfung entgegen dem weiten Wortlaut der Norm nämlich gerade nicht für die internationale Zuständigkeit. Angesichts der Komplexität der Materie, insbesondere der Vielzahl der vorrangigen europäischen Vorschriften und staatsvertraglichen Bestimmungen, unterliegt die internationale Zuständigkeit vielmehr umfänglich der Prüfung des Beschwerdegerichts (vgl. Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 65 Rn. 18a mit Rechtsprechungsnachweisen).
372.) Das Amtsgericht hat sich in der Begründung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich nur mit der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts für die Ehescheidung nach der Rom-III-Verordnung und für den Abfindungsantrag nach Art. 14 EGBGB befasst. Es ist dabei jedoch stillschweigend und im Ergebnis zutreffend von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung über den Scheidungsantrag der Antragstellerin ausgegangen, obwohl ausweislich der Heiratsurkunde die Eheschließung vor einem Scharia-Gericht in Anwendung religiösen (islamisch-sunnitischen) Rechts vollzogen worden ist.
383.) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den Scheidungsantrag bei ausländischen Ehegatten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und ihre Ehe in Anwendung ausländischen religiösen (hier: islamisch-sunnitischen) Rechts geschlossen haben, ergibt sich nicht mehr aus § 606a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO a. F. (vgl. hierzu noch BGH, Urteil vom 06.10.2004, XII ZR 225/01, FamRZ 2004, S. 1952, recherchiert bei juris, Rn. 8 ff.), sondern aus Art. 3 a) der seit dem 01.03.2005 geltenden Verordnung Brüssel IIa (Verordnung EG VO Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung; vgl. zu deren Anwendbarkeit OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2013, 4 UF 172/12, recherchiert bei juris, Rn. 22 ff.; Beschluss vom 07.05.2013, 3 UF 267/12, IPRax 2014, S. 349 ff., auch juris).
394.) Etwas anderes ergibt sich hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit auch nicht aus der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom-III-Verordnung), die seit dem 21.06.2012 in Deutschland gilt (vgl. OLG Hamm, 4 UF 172/12, Rn. 27; IPRax 2014, S. 349 ff., juris Rn. 34). Artikel 2 der Rom-III-Verordnung bestimmt nämlich, dass diese Verordnung die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, also der Brüssel-IIa-Verordnung, unberührt lässt. Für die Frage der internationalen Zuständigkeit des Familiengerichts und des Senats ist es insoweit vorliegend anders als für die Frage des anzuwendenden materiellen Eherechts (siehe dazu unten III.) rechtlich unerheblich, dass die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag am 21.11.2014 – also zeitlich nach dem Inkrafttreten der Rom-III-Verordnung in Deutschland am 21.06.2012 – anhängig gemacht hat. Auf den Wegfall des § 606a ZPO mit dem Inkrafttreten des FamFG zum 01.09.2009 kommt es für die internationale Zuständigkeit ebenso nicht entscheidungserheblich an, denn dieser ist bereits zum 01.03.2005 durch die Brüssel-IIa-Verordnung verdrängt worden.
40II. Aufhebung und Zurückverweisung wegen Entscheidung über einen nicht gestellten Antrag:
41Der Beschwerdesachantrag des Antragsgegners vom 23.11.2015 ist in seiner wörtlichen Formulierung nur auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung der Anträge der Antragstellerin gerichtet, also auf die inhaltliche Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Aus dem Inhalt der Beschwerdebegründung vom 15.02.2016 und aus dem Vortrag des Antragsgegners im Senatstermin vom 22.04.2016 zur Verletzung des Mündlichkeitsprinzips ergibt sich zwar, dass der Antragsgegner die Aufhebung des Beschlusses u. a. deshalb begehrt, weil das Familiengericht mit dem Zuspruch über 15.000,00 US-Dollar über einen in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 nicht gestellten Sachantrag entschieden habe. Einen solchen etwaigen Verstoß gegen die §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 308 Abs. 1 S. 1 ZPO hätte der Senat zwar - auch ohne Rüge - von Amts wegen zu beachten und dieser könnte - trotz Fehlens eines entsprechenden Antrags nach den §§ 69 Abs. 1 S. 3, 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO seitens des Antragsgegners - zur Aufhebung und Zurückverweisung durch den Senat führen. Es ist aber im Ergebnis nicht entscheidungserheblich, ob die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 17.11.2015 den Sachantrag auf Zahlung von 15.000,- US-Dollar nicht wirksam gestellt hat. Denn in jedem Fall wäre ein etwaiger Verstoß gegen die §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 308 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgrund einer nachträglichen Genehmigung der Antragstellerin geheilt. Weil nämlich die Antragstellerin beantragt hat, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen, würde durch die darin liegende Genehmigung der etwaige Mangel geheilt werden, denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung läge eine- noch in der Beschwerdeinstanz mögliche - entsprechende Antragserweiterung (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer, ZPO 31. Aufl., § 308 Rn. 7).
42III. Antrag auf abändernde Zurückweisung des Scheidungsantrages:
431. Anwendbares Scheidungsrecht:
44Der Antrag des Antragsgegners auf abändernde Zurückweisung des Scheidungsantrags der Antragstellerin ist unbegründet, denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend das materielle deutsche Scheidungsrecht zugrunde gelegt und das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen zu Recht bejaht.
45a) Das Amtsgericht hat zu Recht auf die am 21.06.2012 in Deutschland in Kraft getretene Rom-III-Verordnung (Verordnung Nr. 1259/2010/EU) und ihre Auswirkungen auf das vorliegend anzuwendende Scheidungssachrecht abgestellt. Neben vertraglichen Schuldverhältnissen, ungerechtfertigter Bereicherung und Deliktsrecht besteht damit nun auch eine EU-Verordnung bei der Trennung von Ehen bzw. bei der Ehescheidung. Die Verordnung dient der Bestimmung, welches nationale Recht bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden ist (vgl. deren Art. 1 Abs. 1). Früher galten hier als autonomes deutsches internationales Privatrecht die Regelungen des deutschen EGBGB, dessen Kollisionsregelungen vorrangig auf das Recht nach der Staatsangehörigkeit der Beteiligten abstellen. Diese Regelungen werden für den Bereich der Ehescheidung von der Rom-III-Verordnung abgelöst.
46b) Im vorliegenden Fall begründen folgende Gesichtspunkte die vorrangige und ausschließliche Anwendung der Rom-III-Verordnung als Kollisionsregelung für die Ehescheidung der Beteiligten:
47- Die Rom-III-Verordnung ist nach Art. 21 seit dem 21.06.2012 in Kraft getretenes, in Deutschland verbindliches und unmittelbar geltendes Recht.
48- Sie gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 18 Abs. 1 für gerichtliche Verfahren, die ab dem 21.06.2012 eingeleitet worden sind. Das vorliegende Scheidungsverfah- ren ist am 21.11.2014 durch Anhängigkeit des Verfahrenskostenhilfeantrages nebst Entwurf der Antragsschrift vom 20.11.2014 eingeleitet worden, sodass die Rom-III-Verordnung vorliegend uneingeschränkt geltendes Recht ist.
49- Da beide Beteiligten unstreitig während des ehelichen Zusammenlebens ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis zur Trennung sowie auch noch zum Zeitpunkt der Anrufung des Familiengerichts am 21.11.2014 in der Bundesrepublik Deutschland in C gehabt haben, greift im Grundsatz Art. 8 a) Rom-III-Verordnung mit der Möglichkeit einer verdrängenden Rechtswahl nach Art. 5.
50c) Im Ergebnis führt die demnach uneingeschränkte Geltung der Rom-III-Verordnung vorliegend – anders als in dem seinerzeit vom Senat mit Beschluss vom 07.05.2013 in dem Verfahren II-3 UF 267/12 entschiedenen und veröffentlichten Fall einer iranisch-schiitischen Scheidung (OLG Hamm, IPRax 2014, S. 349 ff.) - zur Anwendung des deutschen materiellen Scheidungsrechts. Insoweit ist nach dem Grundsatz in Art. 8 a) der Rom-III-Verordnung regelmäßig nicht mehr die Staatsangehörigkeit entscheidend, sondern der gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, und die Verordnung gilt auch unabhängig davon, ob sie auf die Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates der EU oder auf einen anderen Staat verweist. Es handelt sich um autonomes Kollisionsrecht der EU. Vorliegend hatten und haben die Beteiligten während ihres ehelichen Zusammenlebens, ihrer Trennung und der Anrufung des Amtsgerichts ebenso wie im Beschwerdeverfahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
51d) Anders als in dem o. g. seinerzeit vom Senat entschiedenen Fall haben die Beteiligten in der Heiratsurkunde nicht von der Möglichkeit einer Rechtswahl zugunsten des islamischen Scheidungsrechts Gebrauch gemacht. Neben den zwingenden gesetzlichen Regelungen ist es zwar auch möglich, das anzuwendende Recht frei zu wählen, Art. 5 Rom-III-Verordnung. Eine solche Rechtswahl ist grundsätzlich vorrangig vor der Regelung des Art. 8. Jedoch liegt in dem Inhalt der Heiratsurkunde vom 20.12.2005 keine für das vorliegende Scheidungsverfahren bindende Rechtswahl:
52- Die Beteiligten hatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl nicht beide ausschließlich die libanesische Staatsangehörigkeit, vielmehr war der Antragsgegner ausweislich der Statusangaben in der Heiratsurkunde schon deutscher Staatsangehöriger (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom-III-Verordnung).
53- Eine Vereinbarung der Anwendung des islamischen Scheidungsrechts in der Heiratsurkunde in einer den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 Rom-III-Verordnung entsprechenden Schriftform liegt nicht vor.
54- Insbesondere enthält die Heiratsurkunde keine „bei der Eheschließung vereinbarten Bedingungen“ zu den Voraussetzungen, unter denen auch die Antragstellerin als Ehefrau die Ehescheidung beantragen kann. Vielmehr wird in der Heiratsurkunde nur die Eheschließung protokolliert, während sich in ihr keine Ausführungen zu einer etwaigen Scheidung befinden.
55e) Schließlich kann auch aus der Tatsache, dass die Beteiligten am Tage der Eheschließung einen Ehevertrag vor dem Scharia-Gericht in Beirut abgeschlossen haben, nicht auf eine Rechtswahl des islamisch-sunnitischen Rechts für den Fall der Scheidung geschlossen werden. Allerdings steht nach der Vorlage einer beglaubigten Abschrift des originalen arabischen Ehevertrages vom 20.12.2005 (Hülle Bl. 85 d. A.), in dem die ihn unterzeichnenden Offiziellen, Vertreter und Zeugen dessen Abschluss in Gegenwart der beiden Beteiligten bescheinigen (amtliche Übersetzung Bl. 92 d. A.), sowie der mündlichen Anhörung der Beteiligten zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beteiligten am Tag ihrer Eheschließung in Beirut diesen Ehevertrag geschlossen haben. Da der Antragsgegner zweisprachig aufgewachsen ist, also Arabisch sprechen und verstehen kann, ist aus der Tatsache, dass er die arabische Sprache nicht lesen kann, nicht das Erfordernis einer damaligen Übersetzung für die Wirksamkeit des Ehevertrages zu folgern. Aus dem Inhalt des Ehevertrages selbst kann nicht auf die Wahl des islamisch-sunnitischen Scheidungsrechts geschlossen werden. Die Beteiligten haben zwar zur Überzeugung des Senats ein „Mahr“ - d. h. eine aus Morgengabe bei Eheschließung und Abendgabe bei etwaiger Ehescheidung bestehende Brautgabe – vereinbart (näher dazu unten V.). Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die vorliegend in Streit stehende Abendgabe von dem Antragsgegner nur im Falle einer von ihm ausgehenden islamischen Scheidung durch den dreimaligen Ausspruch des „Talaq“ zu zahlen ist, kann aus der Vereinbarung der Brautgabe jedenfalls nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Beteiligten für den Fall ihrer etwaigen späteren Ehescheidung die Anwendung allein der islamischen Scheidungsregeln vereinbaren wollten. Hiergegen spricht zudem der schon bei der Eheschließung beabsichtigte und anschließend umgesetzte Alltagsaufenthalt der Beteiligten in der Bundesrepublik Deutschland, für den der Antragsgegner zum Zwecke einer Einreiseerlaubnis für die damals noch minderjährige libanesische Antragstellerin nach Deutschland ausweislich des entsprechenden behördlichen Vermerks von 2006 den Ehevertrag nebst Übersetzung vorgelegt hat.
562. Materielle Scheidungsvoraussetzungen:
57Nach deutschem Ehescheidungsrecht liegen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Beteiligten vor, da die Ehe im Sinne des § 1565 Abs. 1 und 2 BGB gescheitert ist.
58a) Im Ansatz zutreffend geht die Beschwerde des Antragsgegners allerdings davon aus, dass die Gründe des angefochtenen Beschlusses zum Ausspruch der Ehescheidung diese Rechtsfolge nicht tragen. Da die Beteiligten noch nicht drei Jahre getrennt leben, reicht der bloße Hinweis in den Beschlussgründen auf die Trennung im Dezember 2013 nicht zur Ausfüllung der Scheidungsvoraussetzungen wegen unwiderleglicher Zerrüttung der Ehe nach den §§ 1564, 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB aus. Der Antragsgegner hat der Ehescheidung nämlich nicht zugestimmt, sondern erstinstanzlich lediglich zu Protokoll beantragt, zu erkennen, was rechtens ist. Der Senat hat die Beteiligten daher ergänzend gem. § 128 Abs. 1 FamFG zu den Scheidungsvoraussetzungen, auch vor dem Hintergrund einer möglichen einseitigen Zerrüttung der Ehe (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1565 Rn. 3) angehört.
59b) Im Ergebnis ist danach von dem Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen auszugehen.
60aa) Die Antragstellerin hat die gerichtliche Scheidung der Ehe gem. § 1564 S. 1 BGB beantragt.
61bb) Unstreitig leben die Beteiligten seit Anfang Dezember 2013, also seit mehr als einem Jahr im Sinne der §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1, 1567 BGB, räumlich getrennt voneinander. Das Trennungsjahr war auch bei Verkündung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung am 17.11.2015 bereits abgelaufen.
62cc) Zwar stimmt der Antragsgegner der Scheidung nicht zu, sondern beantragt im Beschwerdeverfahren die Zurückweisung des Scheidungsantrags der Antragstellerin. Es lässt sich jedoch zur Überzeugung des Senats auf Grund des Inhalts des vorliegenden Verfahrens – jedenfalls aber aufgrund der ergänzenden Anhörung der Beteiligten im Senatstermin vom 22.04.2016 – zur Überzeugung des Senats im Sinne der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 286 ZPO inzwischen nicht nur eine einseitige Zerrüttung der Ehe auf Seiten der Antragstellerin, sondern auch ein beiderseitig akzeptiertes Scheitern der Ehe feststellen, das nach dem Ablauf des Trennungsjahres für eine streitige Scheidung der Beteiligten ausreicht, soweit eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1565 Rn. 3 mit Rechtsprechungsnachweisen). Aus der Anhörung der Beteiligten vor dem Familiengericht und vor dem Senat sowie aus den von den Beteiligten vorgetragenen wesentlichen Inhalten der hochstreitigen familiengerichtlichen Sorgerechts- und Umgangsregelungsverfahren (60 F 207/14, 60 F 253/14 und 60 F 264/15 Amtsgericht – Familiengericht – Bochum) sowie aus dem zwischen den Beteiligten schon vor dem Senat anhängig gewesenen früheren Beschwerdeverfahren II-3 UF 223/15 (erstinstanzlich einstweilige Anordnung auf Zustimmung zur Reise der jüngeren Kinder in den Libanon mit dem Az. 60 F 264/15 Amtsgericht – Familiengericht – Bochum) sowie schließlich aus den von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner eingeleiteten, letztlich erfolglos gebliebenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und mehrfacher Körperverletzungen ergibt sich eine so tiefgreifende, zum endgültigen Scheitern führende Zerrüttung der Ehe der Beteiligten - unter Ausschluss der Möglichkeit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft -, dass die Ehe durch das Familiengericht im Ergebnis zu Recht geschieden worden ist. Insbesondere hat der Antragsgegner schon in der Anhörung vor dem Familiengericht vom 17.11.2015 in Übereinstimmung mit der Antragstellerin bekundet, ein eheliches Zusammenleben habe nach der Trennung nicht mehr stattgefunden und sei auch nicht beabsichtigt. Jedenfalls aber hat der Antragsgegner ausweislich des Inhalts des Berichterstattervermerks vom 22.04.2016 spätestens in der Verhandlung vor dem Senat vom selben Tage ausdrücklich erklärt, dass mittlerweile auch für ihn die Ehe aufgrund des psychischen Drucks der Antragstellerin und des ständigen Streits sowie mangels Vertrauensbasis endgültig gescheitert sei und er sich auch bereits einer anderen Frau zugewandt habe.
63IV. Versorgungsausgleich:
64Das Familiengericht hat im Ergebnis zu Recht den Versorgungsausgleich durchgeführt.
651.) Das Familiengericht hat allerdings nicht begründet, warum insoweit deutsches Sachrecht Anwendung findet. Da die Rom-III-Verordnung keine Regelungen zum Versorgungsausgleich enthält – vielmehr regelt Art. 1 Abs. 2 Rom-III-Verordnung ausdrücklich, dass diese nicht für die Scheidungsfolgen gilt -, greift die Kollisionsnorm des Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB, wonach der Versorgungsausgleich grundsätzlich dem nach der Rom-III-Verordnung auf die Scheidung anzuwendenden Recht unterliegt. Vorliegend ist nach dem oben Festgestellten deutsches Scheidungsrecht anwendbar. Zudem ist der Antragsgegner deutscher Staatsangehöriger (vgl. Art. 17 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. EGBGB), und beide Beteiligten haben in der Ehezeit Anrechte in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung erworben (Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB).
662.) Aufgrund der Anwendbarkeit des deutschen Ehescheidungsrechts ist gem. § 1587 BGB zugleich mit der Scheidung der Ehe der Beteiligten der Versorgungsausgleich nach Maßgabe des VersAusglG durchzuführen, sodass gem. den §§ 1-3 VersAusglG die ehezeitlichen Versorgungsanrechte der Beteiligten jeweils hälftig zu teilen sind. Angesichts der Eheschließung am 20.12.2005 und der Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner am 09.01.2015 läuft die Ehezeit im Sinne des § 3 Abs. 1 VersAusglG vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2014. Die Berechnungen und der Tenor des Familiengerichts zum diesbezüglichen Ausgleich sind nicht zu beanstanden.
67a) Das Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers.-Nr.: ## ###### # ###) beläuft sich nach der Auskunft vom 15.10.2015 auf einen Ehezeitanteil von 8,1040 Entgeltpunkte, von dem die Hälfte von 4,0520 Entgeltpunkten gem. § 10 Abs. 1 VersAusglG intern auf das Rentenversicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr.: ## ###### # ###) zu teilen ist.
68b) Das Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr.: ## ###### # ###) beläuft sich nach der Auskunft vom 14.04.2015 auf einen Ehezeitanteil von 0,3241 Entgeltpunkte, von dem die Hälfte von 0,1621 Entgeltpunkten gem. § 10 Abs. 1 VersAusglG intern auf das Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers.-Nr.: ## ###### # ###) zu teilen ist.
69c) Soweit das Familiengericht keine Bagatellprüfung nach § 18 VersAusglG vorgenommen hat, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar liegt der Kapitalausgleichswert des Anrechts des Antragsgegners bei lediglich 1.067,91 EUR und damit deutlich unter der Bagatellgrenze der §§ 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG, 18 Abs. 1 SGB IV, die zum Ehezeitende am 31.12.2014 bei einem Wert von 3.318,00 EUR lag. Da die Differenz der Kapitalausgleichswerte der beiden gleichartigen Anrechte der Beteiligten im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG jedoch nicht unter der Bagatellgrenze von 3.318,00 EUR liegt (26.694,47 EUR – 1.067,91 EUR = 25.626,56 EUR), findet die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 2 VersAusglG bzgl. der einzelnen Anrechte vorliegend keine Anwendung (vgl. BGH, FamRZ 2012, S. 192 u. S. 277; Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 18 VersAusglG Rn. 4).
70V. Antrag auf abändernde Zurückweisung des Abfindungsantrags:
71Im Ergebnis hat die Beschwerde schließlich auch bzgl. des der Antragstellerin durch das Familiengericht aufgrund des Ehevertrages vom 20.12.2005 zugesprochenen Abfindungsbetrages von 15.000,00 US-Dollar keinen Erfolg.
721. Anzuwendendes Sachrecht:
73Das Familiengericht hat die Anwendung des deutschen Sachrechts auf die im Ehevertrag vom 20.12.2005 vereinbarte „Abfindung“ auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB gestützt. Dem folgt der Senat zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis, auch wenn die eigentliche Eheschließung und die Vereinbarung der „Abfindung“ ursprünglich dem islamisch-sunnitischen Scharia-Recht folgen.
74a) In dem Ehevertrag vom 20.12.2005 haben die Beteiligten zur Überzeugung des Senats entgegen dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners in Gegenwart beider Beteiligten wirksam einen sogenannten „Mahr“ - eine durch den Ehemann zu erbringende, teils bei Eheschließung fällige „Morgengabe“ und teils bei Scheidung als „Abendgabe“ fällige „Brautgabe“ - vereinbart.
75aa) Zwar ist im Ausgangspunkt der Beschwerdeeinwand des Antragsgegners zutreffend, dass die erstinstanzlich allein vorgelegte beglaubigte Abschrift einer deutschen Übersetzung des am 20.12.2005 in Beirut/Libanon geschlossenen Ehevertrages zur familiengerichtlichen Überzeugungsbildung an sich nicht ausreichend war. Auf die Auflage des Senats in der Ladungsverfügung hin hat die Antragstellerin jedoch mit Schriftsatz vom 29.03.2016 die ihr zur Verfügung stehende, in Arabisch verfasste beglaubigte Abschrift des Ehevertrages im Original vorgelegt (Hülle Bl. 85 d. A.). Aus der vom Senat eingeholten Übersetzung ergibt sich, dass in der Ausfertigung/Abschrift des Originals des Ehevertrags - vom sunnitischen Scharia-Richter und dem Leiter der Geschäftsstelle des Gerichts durch Unterschrift beglaubigt – in Gegenwart beider Beteiligten („Er vertritt sich selbst“, „Sie vertritt sich selbst“) sowie von Vertretern und Zeugen Folgendes vereinbart worden ist:
76„Die Parteien genehmigten diesen Ehevertrag und vereinbarten das Brautgeld auf eine Abschrift des heiligen Korans, eine englische Goldlira und fünfzehntausend US-Dollar.
77Morgengabe: Eine Abschrift des heiligen Korans zum segnen und eine englische Goldlira.
78Abendgabe: Nur fünfzehntausend US-Dollar.“
79bb) Soweit der Antragsgegner schriftsätzlich hat vortragen lassen, sich nicht mehr an eine solche Vereinbarung erinnern zu können, läuft dies faktisch auf ein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen im Sinne der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 138 Abs. 4 ZPO hinaus. Auch die Darstellung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, beim Abschluss des Ehevertrages sei nicht eine Abendgabe in Form von 15.000,00 US-Dollar, sondern - neben der Übergabe einer Abschrift des Korans - eine Morgengabe in Gold (zwei Halsketten und drei Armreifen) im Wert von 11.000,00 US-Dollar vereinbart worden, von der er – der Antragsgegner - die Hälfte im Falle der Scheidung habe zurückerhalten und die Antragstellerin die andere Hälfte als Abendgabe habe behalten sollen, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Zum einen ist dieser Vortrag schon in sich widersprüchlich, denn eine erst bei Scheidung der Ehe fällig werdende Abendgabe kann ersichtlich nicht durch eine bei Eheschließung geleistete Morgengabe – schon gar nicht bei etwa vereinbarter hälftiger Rückforderung im Falle der Scheidung – bewirkt werden. Zudem ist der diesbezügliche Vortrag des Antragsgegners von der Antragstellerin im Senatstermin qualifiziert durch die eigene Darstellung des Ablaufs der Ehevertragsverhandlung bestritten worden, wonach der Antragsgegner die zuvor vom Vater der Antragstellerin gar nicht vorgesehene, aber von dem Onkel der Antragstellerin angesprochene Abendgabe selbst mit 15.000,00 US-Dollar vorgeschlagen habe. Einen Beweis für die Richtigkeit seines – nicht plausiblen – Sachvortrags hat der Antragsgegner nicht angetreten. Vielmehr wird durch die Urkunde des Scharia-Gerichts, die angesichts der förmlichen Beglaubigung ebenso wie deutsche Notarverträge eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO darstellt, der volle Beweis des durch den sie ausstellenden Scharia-Richter und den Leiter seiner Geschäftsstelle beurkundeten Vorgangs geführt, also des am selben Tage wie die vor demselben Scharia-Gericht eingegangene Eheschließung erfolgten Abschlusses des Ehevertrages mit dem die Darstellung der Antragstellerin bestätigenden oben dargelegten Inhalt. Dass die vorgelegte Ausfertigung des arabischen Originals ausweislich eines Abgleichs mit den Unterschriften der Beteiligten unter ihren Anwaltsvollmachten/Verfahrenskostenhilfeerklärungen – unstreitig - nicht die Unterschriften der Beteiligten (und auch nicht der Vertreter und Zeugen) trägt, ist unschädlich, denn wie in Deutschland der Notar beglaubigt auch vorliegend der Aussteller der Urkunde, hier der Scharia-Richter und sein Geschäftsstellenleiter, dass das Original die notwendigen Unterschriften trägt. Dabei ist durch die Form des Abschlusses vor dem Scharia-Gericht und die diesbezügliche Beglaubigung entsprechend der zutreffenden Ansicht des Familiengerichts mit der Einhaltung der Vorschriften des Art. 349 a) – e) des libanesisch-sunnitischen Familiengesetzes von 1962 (näher siehe unten cc) auch die notarielle Form des § 1410 BGB in einer vergleichbaren Weise erfüllt worden.
80cc) In rechtlicher Hinsicht gilt insoweit für den Abschluss des Ehevertrages das Recht der sunnitischen Gemeinschaft im Libanon (vgl. Bergmann/Ferid, Libanon, Kapitel IV.), da ausweislich des Inhalts der Heiratsurkunde beide Beteiligten muslimisch-sunnitischer Religion sind. Das im Libanon anwendbare Familienrecht der Sunniten findet sich im ottomanischen Familiengesetz von 1917, geändert durch das Gesetz vom 16.07.1962, das heute noch Geltung hat (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., A. Einführung). Die durch die beglaubigte Abschrift der ins Deutsche übersetzten – und insoweit von dem Antragsgegner nicht angegriffenen – Heiratsurkunde dokumentierten Umstände der Eheschließung erfüllen die Vorschriften der Art. 33 – 37 des FamilienG von 1917, Art. 349 a) – c), e) des ergänzenden Gesetzes von 1962, insbesondere die Gegenwart und Unterschriften der sich die Ehe versprechenden Eheleute sowie die Unterschriften jeweils zweier handlungsfähiger Zeugen und Vertreter der Eheleute sowie des die Eheschließung vornehmenden und registrierenden Scharia-Richters unter der Heiratsurkunde und dem Ehevertrag (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., B. Eherecht, 1. (3) a. Formvorschriften für die Eheschließung). Soweit der Antragsgegner das Unterschreiben des Ehevertrages bestreitet, wird sein Vortrag durch die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde gem. § 415 ZPO widerlegt.
81dd) Die vorliegende Vereinbarung der „Mahr“ in dem Ehevertrag beruht unmittelbar auf Art. 349 d) des Gesetzes von 1962 zur Eheschließung (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, a.a.O.):
82„Art. 349: Die personenstandsrechtliche Schließung der Ehe beinhaltet:
83a) – c) …..
84d) die Höhe der sofortigen bzw. der später zu zahlenden Teile des Mahr und die Höhe des Mahr in Geld oder in Mitgift, das tatsächlich bezahlt wird;.....“.
85Genau einen solchen Mahr – unterfallend in eine sofort zu leistende Morgengabe (eine Abschrift des heiligen Korans und eine englische Goldlira) und eine im Falle der Scheidung zu leistende Abendgabe (15.000,00 US-Dollar) - haben die Beteiligten in ihrem Ehevertrag vereinbart. Materiell wird der Inhalt des Mahr grundsätzlich in den Art. 80 bis 90 und 343 des Gesetzes vom 16.07.1962 geregelt; am ehesten kann er unter die Ehewirkungen klassifiziert werden, denn das Fehlen des Mahr im Ehevertrag führt nicht zur Ungültigkeit der Ehe (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., B. Eherecht, 1. (3) d. Morgengabe). Sinn der Morgengabe ist eine gewisse Absicherung der Ehefrau nach der Scheidung, da der Mann für seine Frau nur drei Monate nachehelichen Unterhalt zu zahlen hat (vgl. www.orientdienst.de „Eheverträge auf Islamisch“).
86b) Trotz der ursprünglich muslimisch-sunnitischem Recht folgenden Eheschließung und Vereinbarung der Brautgabe findet hierauf vor dem gem. Art. 3 a) der Brüssel-IIa-Verordnung zuständigen deutschen Familiengericht bzw. Senat (siehe oben) gleichwohl das deutsche Sachrecht Anwendung.
87aa) Dies ergibt sich allerdings nicht aus Art. 1 ff. der Rom-III-Verordnung, da diese gem. deren § 1 Abs. 2 gerade nicht auf die Ehewirkungen anwendbar ist. Wegen der inhaltlichen Nähe zum Unterhaltsrecht wird vielmehr überwiegend davon ausgegangen, dass für den Anspruch auf eine Brautgabe im Zusammenhang mit der Ehescheidung (Abendgabe) das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (ABl. EU 09 L 331/19, im Folgenden: HUntProt) gelte; während für den Anspruch auf die Morgengabe vor Eingehung der Ehe das Verlöbnisstatut und während des Bestehens der Ehe Art. 14 EGBGB einschlägig sein soll (vgl. BGH, IPRax 2011, S. 85), gilt nach h. M. für den Anspruch auf Brautgabe bei der Ehescheidung aus den o. g. Gründen wegen der sachlichen Nähe zum nachehelichen Unterhalt das HUntProt (vgl. Palandt-Thorn, a.a.O., Rom III Art. 1 Rn. 7; Art. 13 EGBGB Rn. 9, jeweils mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Der Senat schließt sich dieser überzeugenden Differenzierung kraft eigener Prüfung und Meinungsbildung an, da bei der Abendgabe als nur bei Ehescheidung fälligem zweiten Teil der Brautgabe die zeitweise nacheheliche Versorgung der Ehefrau im Vordergrund steht.
88bb) Demnach kann entgegen der Auffassung des Familiengerichts für die Geltung des deutschen Sachrechts nicht auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB abgestellt werden. Nicht überzeugend ist insoweit auch die inhaltliche Subsumtion und Argumentation des Familiengerichts zugunsten der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts, dass vorliegend anders als bei der Regelung über die Brautgabe, bei der eine Bezugnahme auf das islamische Recht bestehe, bei der Vereinbarung der Abfindung eine derartige Inbezugnahme nicht vorgenommen worden sei (S. 6 des angefochtenen Beschlusses). Diese Auslegung des Familiengerichts fußt auf der ihm lediglich vorliegenden, von der Antragstellerin mit der Antragsschrift zu den Akten gereichten Abschrift der insoweit ungenauen deutschen Übersetzung des Ehevertrages vom 20.12.2005, in dem es nach dem Satz über die Brautgabe in Form einer Abschrift des Korans und einer englischen Lira nach islamischem Recht wörtlich heißt: „Die dabei vereinbarte Abfindung (Entgelt im Falle der Scheidung oder auf Ableben des Ehemanns) ist in Höhe von fünfzehntausend US-Dollar.“ Aus der dem Senat vorliegenden, von ihm eingeholten Übersetzung des Ehevertrages ergibt sich demgegenüber eindeutig, dass die Beteiligten das „Brautgeld“ - also den Mahr – auf insgesamt eine Abschrift des heiligen Koran, eine englische Goldlira und fünfzehntausend US-Dollar vereinbart haben, wovon die Abschrift des Korans und die englische Lira die Morgengabe und nur 15.000,00 US-Dollar die Abendgabe darstellen sollten. Dieser Wortlaut lässt keine Zweifel zu, dass es sich um die Gesamtregelung des nach islamisch-sunnitischem Recht, nämlich Art. 349 d) des Gesetzes vom 16.07.1962, teils sofort und teils zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlenden Mahr handeln sollte, sodass der Wortlaut der Heiratsurkunde für die Anwendung des deutschen Sachrechts entgegen der Ansicht des Familiengerichts keine Grundlage bietet.
89cc) Nach dem vielmehr geltenden Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 HUntProt ist, sofern in diesem Protokoll nichts anderes bestimmt ist, für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe, nach der Trennung und bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens in Bochum in der Bundesrepublik Deutschland hatte und hat, ist demnach für den einer Unterhaltsabfindung ähnlichen Anspruch auf Zahlung des Mahr/der Brautgabe grundsätzlich das deutsche Sachrecht anwendbar.
90dd) Eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 HUntProt ergibt sich nicht aus den Art. 5, 6, 7, und 8 HUntProt.
91(1) Eine übereinstimmende Rechtswahl der Beteiligten im Sinne der Art. 7, 8 HUntProt lässt sich schon dem streitigen Vorbringen der Beteiligten nicht entnehmen, zumal zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht beide Beteiligten libanesische Staatsangehörige waren; vielmehr war der Antragsgegner bereits seinerzeit deutscher Staatsangehöriger.
92(2) Ansatzpunkt für eine Anwendung des libanesisch-sunnitischen Sachrechts kann im Ergebnis auch nicht das einseitige Verhalten des Antragsgegners im Verfahren sein, also dessen schriftsätzliches und mündliches Wenden gegen die Beurteilung der Mahr nach dem deutschen Sachrecht. Ein solches einseitiges Wenden dürfte zwar darin liegen, dass der Antragsgegner geltend macht, die Abendgabe sei nach dem islamisch-sunnitischen Recht nur dann zu bezahlen, wenn der Ehemann sich von der Ehe löse und die Ehefrau verstoße.
93(a) Dieses Verhalten des Antragsgegners begründet aber zum einen keine Ausnahme im Sinne des Art. 5 HUntProt, auch wenn der Anspruch auf Zahlung des Mahr am ehesten dem nachehelichen Unterhaltsrecht zuzuordnen ist. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass das islamisch-sunnitische Recht des Staates Libanon zu der Ehe der Beteiligten eine engere Verbindung als das deutsche Sachrecht aufweist. Zwar haben die Beteiligten ihre Ehe in Beirut/Libanon vor dem dortigen Scharia-Gericht geschlossen und in dem Ehevertrag vom selben Tage einen Mahr nach dem dortigen Recht vereinbart. Schon damals hatte allerdings lediglich die Antragstellerin die libanesische Staatsangehörigkeit, während der Antragsgegner bereits seinerzeit im Jahre 2005 – also vor mehr als zehn Jahren - deutscher Staatsangehöriger war. Diese deutsche Staatsangehörigkeit trotz der Geburt im Libanon beruht ersichtlich darauf, dass der Antragsgegner aufgrund der Einwanderung seiner Familie wenige Monate nach seiner Geburt im Jahre 1985 schon rund 20 Jahre vor der Eheschließung in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat. Insbesondere haben die Beteiligten schließlich auch nicht – woran Art. 5 HUntProt maßgeblich anknüpft – ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Libanon gehabt.
94(b) Auch kann der Antragsgegner der Antragstellerin in Bezug auf die letztlich eine nacheheliche Unterhaltsabfindung darstellende Abendgabe nicht mit Erfolg die Verteidigung gem. Art. 6 HUntProt entgegenhalten, dass eine Pflicht zu deren Zahlung für ihn nach dem libanesischen Recht nicht bestehe. Beim Libanon handelt es sich nämlich weder um den Staat, in dem der Antragsgegner als Verpflichteter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, noch haben die Beteiligten gemeinsam die libanesische Staatsangehörigkeit. Es muss daher im Ergebnis bei dem Grundsatz verbleiben, dass die streitige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des Mahr trotz der ursprünglichen Vereinbarung in dem Ehevertrag nach islamisch-sunnitischem Recht gem. Art. 3 Abs. 1 HUntProt letztlich nach den Regeln des deutschen Sachrechts zu beurteilen ist.
952. Materielle Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung des Mahr:
96Das Familiengericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus dem Ehevertrag der Beteiligten auf Zahlung des Mahr besteht.
97a) Nach dem oben bereits Festgestellten ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Beteiligten sich am 20.12.2005 tatsächlich materiell und formwirksam darüber geeinigt haben, dass die Antragstellerin von dem Antragsgegner die Leistung einer Morgengabe im Umfang einer Koranabschrift und einer englischen Goldlira sowie die Zahlung einer Abendgabe von 15.000,00 US-Dollar verlangen kann.
98b) Entscheidende Frage ist daher, ob die islamisch-sunnitischen Regeln für das Auslösen der Brautgabe sinngemäß auf das deutsche Recht übertragen werden müssen. Nach dem islamischen Recht (Art. 80 – 90, 343 des Gesetzes von 1962) hat der Ehemann die Abendgabe anlässlich der Ehescheidung nämlich nur dann zu zahlen, wenn eine von ihm ausgehende Scheidungsverstoßung vorliegt, nicht aber, wenn – wie vorliegend – die Auflösung der Ehe von der Ehefrau oder ihrem Vormund verlangt wird (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., B. Eherecht, 1. (3) d. Morgengabe).
99aa) Diese Einschränkung wäre indes mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Ehescheidungs- und Nachscheidungsunterhaltsrechts nicht zu vereinbaren und muss nach Auffassung des Senats entsprechend dem in den Art. 10, 12 Rom-III-Verordnung für das internationale Scheidungsrecht kodifizierten – und darüber hinaus aufgrund der allgemeinen Grundregel des Art. 6 EGBGB auch für die Ehewirkungen und vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen (vgl. insoweit Palandt-Thorn, a.a.O., Art. 6 EGBGB Rn. 21) geltenden - Prinzip des „Ordre Public“ dazu führen, dass es für die Fälligkeit der Abendgabe auch genügt, wenn nach dem Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht des angerufenen Gerichts – hier nach deutschem Recht - die Ehefrau die Scheidung der Ehe beantragen und – vertraglich vereinbarte – Scheidungsfolgenansprüche einfordern darf. Während nämlich das deutsche Scheidungsrecht schon seit Jahrzehnten kein Verschuldensprinzip mehr kennt, sondern seit dem 01.07.1977 gem. den §§ 1564 ff. BGB das Zerrüttungsprinzip gilt (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., Einf v § 1564 Rn. 2), fußt das islamische Recht der Abendgabe neben dem Versorgungsgedanken zugunsten der Ehefrau auch auf einem mit unserer Rechtsordnung nicht zu vereinbarenden, die Ehefrau einseitig benachteiligenden Verschuldensprinzip. So ist nach dem islamisch-sunnitischen Recht die Abendgabe trotz der Scheidungsverstoßung durch den Ehemann schon dann nicht zu zahlen, wenn das Verhalten der Frau die Auflösung der Ehe verursacht hat (vgl. Bergmann/Ferid, a.a.O., B. Eherecht, 1. (3) d. Morgengabe). Kann der Ehemann plausibel darlegen, dass irgendein nicht gänzlich zu vernachlässigendes Verhalten der Ehefrau ihn zu der Scheidungsverstoßung veranlasst hat, steht die Ehefrau nach dem islamisch-sunnitischen Recht nach der von ihr nicht zu verhindernden, vom Ehemann ohne wesentliche Formvorschriften einfach und schnell zu realisierenden Scheidungsverstoßung ohne jede Versorgung da.
100bb) Nach dem deutschen Recht ist hingegen nachehelicher Unterhalt aus den §§ 1569 ff. BGB grundsätzlich unabhängig von dem Trennungsgrund und verschuldensunabhängig zu leisten, wenn einer der Tatbestände der §§ 1570 ff. BGB erfüllt ist. Lediglich in den eng begrenzten Ausnahmetatbeständen der Verwirkung nach § 1579 BGB – deren Vorliegen hier nicht ansatzweise ersichtlich ist – kann der Gläubigerin des nachehelichen Unterhalts aufgrund eigenen Verschuldens der Unterhalt versagt werden. Für die Ehescheidung selbst regelt Art. 10 Rom-III-Verordnung ausdrücklich, dass das Scheidungsrecht des angerufenen Staates anzuwenden ist, wenn – wie vorliegend – das ausländische (religiöse) Recht einen Ehegatten (nämlich die Ehefrau) gleichheitswidrig unter Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Möglichkeit der Durchsetzung einer Ehescheidung diskriminiert (vgl. Palandt-Thorn, a.a.O., Art. 10 Rom III Rn. 1). Für eine evident gleichheitswidrige Diskriminierung der Ehefrau durch das islamische Recht der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen muss dieser Grundsatz über die allgemeine Regelung des „Ordre Public“ in Art. 6 EGBGB entsprechend gelten.
101cc) Vorliegend ist insoweit zudem in tatsächlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass es der Antragsgegner gewesen ist, der Anfang Dezember 2013 die Trennung der Beteiligten durch seinen Auszug aus der Ehewohnung herbeigeführt hat und er selbst ausweislich seiner Anhörung vor dem Familiengericht vom 17.11.2015 und vor dem Senat vom 22.04.2016 ein eheliches Zusammenleben mit der Antragstellerin ebenfalls nicht mehr beabsichtigt. Von einem einseitigen Fehlverhalten der Antragstellerin oder einer Veranlassung der Ehescheidung allein durch sie kann demnach keine Rede sein, sodass die Fälligkeit der im Ehevertrag vereinbarten Brautgabe bei deren Auslegung nach dem deutschen Recht nicht davon abhängig zu machen ist, dass der Antragsgegner – letztlich zumindest auch aus taktischen Gründen, um nicht die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Brautgabe nach islamisch-sunnitischem Recht zu schaffen – trotz des eigenen Mit-Herbeiführens der deutschen Scheidungsvoraussetzungen durch die durch seinen Auszug verursachte räumliche Trennung bewusst die Antragstellerin den Ehescheidungsantrag hat stellen lassen.
102c) Der Höhe nach ist die Abendgabe in dem Ehevertrag auf 15.000,00 US-Dollar (= nach aktuellem Wechselkurs, Stand 19.04.2016, rund 13.260,00 EUR) festgelegt worden. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin ansonsten nach einer rund neunjährigen Ehe von der Eheschließung am 20.12.2005 bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages am 09.01.2015 und trotz der Betreuung von zwei der drei minderjährigen Kinder nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der Beteiligten keinen nachehelichen Unterhalt erhalten würde – weil nach deutschem Unterhaltsrecht wegen des Vorrangs des Unterhaltsanspruchs der drei minderjährigen Kinder bei der Leistungsfähigkeit nach § 1609 Nr. 1 BGB nachehelicher Unterhalt faktisch ausgeschlossen sein dürfte -, erscheint eine Gesamtsumme von rund 13.260,00 EUR als Abfindung zur mit der Abendgabe intendierten zeitweisen – einkommensunabhängigen - Absicherung der Antragstellerin als auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB nicht zu beanstanden.
103d) Nach alldem kommt es nicht entscheidungserheblich auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage an, ob sich der Antragsgegner von der Antragstellerin an einem Sonntag im März 2014 an der Brücke an der V in C nach islamisch-sunnitischem Recht durch Verstoßung mit dem dreimaligen Ausruf des „Talaq“ („Ich verstoße dich“ bzw. „Ich verlasse dich“) wirksam geschieden hat, sodass es der Vernehmung der Zeugen E und L E durch den Senat nicht bedarf. Allerdings weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass diese etwaige Scheidungsverstoßung durch den Antragsgegner entgegen dessen Vorbringen formwirksam gewesen wäre. Die Auflösung der Ehe durch Verstoßung („talaq“) seitens des Mannes bedarf nach dem libanesischen islamisch-sunnitischen Recht nämlich keiner weiteren besonderen Formerfordernisse. Rechtsgrundlage der Scheidungsverstoßung sind insoweit die Art. 102 – 109 des Familiengesetzes von 1917 in der Form des Gesetzes vom 16.07.1962. Anders als bei einer schiitisch-islamischen Verstoßung sind danach bei einer sunnitisch-islamischen Scheidungsverstoßung keine besonderen Formvorschriften zu beachten: Die Verwendung bestimmter Wortformeln ist nicht erforderlich, es genügt eine eindeutige Bekundung des Mannes, die Ehe nicht mehr fortsetzen zu wollen; zwei Zeugen sind zulässig, aber nicht erforderlich, ebensowenig eine förmliche Beurkundung. Zudem ist das „talaq“ auch im Ausland möglich. Die Mitteilung an das Gericht der Eheschließung im Libanon zur Eintragung im Personenstandsregister ist zwar eine Soll-Vorschrift, aber nicht konstitutiv (vgl. zum Vorstehenden insgesamt Bergmann/Ferid, a.a.O., B. Eherecht, 4. c. Scheidungsverstoßung). Die von der Antragstellerin substantiiert dargelegte dreimalige Ausrufung des Antragsgegners ihr gegenüber „Ich verlasse Dich“ in Gegenwart der beiden genannten Zeugen wäre demnach als formwirksamer „talaq“ zu qualifizieren, der auch nach islamischem Recht die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des zweiten Teils des Mahr = Abendgabe von 15.000,00 US-Dollar mit Rechtskraft der Ehescheidung auslöst. Im Übrigen dürfte schon die Bekundung des Antragsgegners vor dem Senat, die Ehe nicht mehr fortführen zu wollen, den genannten Anforderungen genügen.
104D.
105Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO, die bei erfolglos eingelegtem Rechtsmittel gegen eine Scheidungsverbundentscheidung die Regelung des § 150 FamFG verdrängen; Anhaltspunkte für eine abweichende Bestimmung nach § 150 Abs. 4 FamFG sind nicht ersichtlich (vgl. zum Vorstehenden Weber, in: Keidel, a.a.O., § 150 Rn. 12).
106E.
107Die Festsetzung des Beschwerdeverfahrenswertes beruht auf den §§ 35, 40 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 2, 44 Abs. 1, 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
108Rechtsbehelfsbelehrung:
109Diese Entscheidung ist unanfechtbar.