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Einer Gerichtsstandbestimmung bedarf es nicht, wenn eine Partei einen Versicherungsvermittler und die Versicherung im Gerichtsstand des § 215 VVG verklagt, der Versicherungsvermittler zudem als Anlageberater mit der Anlagegesellschaft gemäß § 29c ZPO in Anspruch genommen wird und die sich aus den Vorschriften ergebenden besonderen Gerichtsstände identisch sind.
Der Senat lehnt die Zuständigkeitsbestimmung ab.
Soweit im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren Kosten entstanden sind, trägt diese der Kläger.
Der Gegenstandswert des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens wird auf 4.160 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Kläger hat beim Landgericht Arnsberg Klage wegen einer behaupteten Falschberatung in Versicherungsangelegenheiten erhoben und beantragt hierfür die Bestimmung des zuständigen Gerichts. Zur Begründung der Klage trägt er wie folgt vor:
4Die in M wohnhafte Beklagte zu 1. sei als im Versicherungsbereich gebundene Vermittlerin für die Beklagte zu 2. (Sitz in Köln) und als Vermögensberaterin für die Beklagte zu 3. (Sitz in Frankfurt am Main) tätig. Die Beklagte zu 1. habe ihn und seine Ehefrau im November 2012 zuhause aufgesucht und empfohlen, eine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen und stattdessen bei der Beklagten zu 2. einen Vermögensaufbau und Sicherheitsplan mit einer entsprechenden Arbeitskraftabsicherung (Berufsunfähigkeitsrente) abzuschließen. Ob zuvor eine telefonische Bestellung durch den Kläger erfolgt sei, lasse sich nicht mehr aufklären. Die Beklagte zu 1. habe im Gespräch mit dem Kläger den Gesundheitsfragebogen ausgefüllt. Dabei habe sie, obwohl der Kläger im Gespräch auf bereits jahrelang bestehende erhebliche Rücken- und Schulterbeschwerden hingewiesen habe, die entsprechenden Gesundheitsfragen verneint. Eine Durchschrift des ausgefüllten Fragebogens habe sie dem Kläger nicht ausgehändigt. Als er das Risiko erkannt habe, keinen Versicherungsschutz bei Rücken- und Schulterbeschwerden zu haben, habe er die Versicherung bei der Beklagten zu 2. gekündigt, die Kündigung aber auf Veranlassung der Beklagten zu 1. wieder zurückgenommen. Wenige Monate später sei die Beklagte zu 2. wegen fehlerhafter Erklärungen zum Gesundheitszustand des Klägers von der Arbeitskraftabsicherung zurückgetreten.
5Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 1. ihn falsch beraten habe, als sie ihm zur Kündigung der bestehenden Absicherung geraten habe, obwohl nicht klar gewesen sei, ob der Kläger ohne Einschränkung über die Beklagte zu 2. versichert werden könne. Einem der Klage beigefügten Anwaltsschreiben an die Beklagte zu 3. vom 27.11.2015 ist zu entnehmen, dass diese vorprozessual aufgefordert wurde, Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung im vollen Umfang anzuerkennen; zur Begründung wird angeführt, dass der Kläger „von Frau Y <…> - Regionalstelle für Deutsche Vermögensberatung“ umfassend beraten worden sei, insbesondere auch in versicherungsrechtlichen Fragen. Da nicht bekannt sei, inwieweit die Beklagte zu 1. als selbständige Beraterin, als Vermittlerin o ä für die Beklagte zu 3. tätig sei, wende sich der Kläger nunmehr auch an diese. Im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren hat der Kläger ausgeführt, dass die Beklagte zu 1. als Vertreterin der Beklagte zu 3. aufgetreten sei; zumindest habe sie diesen Eindruck vermittelt, als sie eine Visitenkarte vorgelegt habe mit dem Aufdruck „Regionalgeschäftsstelle für Deutsche Vermögensberatung“. Die Beklagte zu 3. müsse sich das Verschulden der Beklagten zu 1. zurechnen lassen.
6Die Beklagten zu 1. und 3. haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen, da die Voraussetzungen der Zuständigkeitsbestimmung nicht vorlägen. Zwischen den Beklagten zu 1. und 3. auf der einen und der Beklagte zu 2. auf der anderen Seite liege keine Streitgenossenschaft vor, da etwaige Ansprüche gegen erstere nicht schlüssig seien. Die Beklagte zu 2. hat im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.
7II.
8Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Zwar haben die Beklagten bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand und hat die Klägerin sie als Streitgenossinnen verklagt; es besteht aber für alle Beklagten ein gemeinsamer Gerichtsstand beim Landgericht Arnsberg.
9Soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 2. richtet und hinsichtlich der Beklagten zu 1. darauf stützt, dass diese als deren Vermittlerin aufgetreten sei, ist das Landgericht Arnsberg gem. § 215 VVG örtlich zuständig, da der klagende Versicherungsnehmer dort (in C) bei Vertragsschluss seinen Wohnsitz hatte. Diese Norm gilt auch für Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden sowohl gegen die Versicherung als auch gegen Versicherungsvermittler und –berater (Prölss/Martin/Klimke, 29. Aufl., 2015, § 215 VVG, Rn. 4, 6 ff.).
10Soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 3. richtet, und hinsichtlich des Vorwurfs gegen die Beklagte zu 1., insoweit als deren Vertreterin aufgetreten zu sein, besteht ein besonderer Gerichtsstand gem. § 29c ZPO a.F. dort, wo der Verbraucher zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz hatte. Die aktuelle Fassung des § 29c ZPO ist vorliegend nicht anzuwenden, da sie gem. Art. 229 § 32 EGBGB nur dann gilt, wenn der Vertrag, der Gegenstand der Klage ist, ab dem 13.06.2014 geschlossen wurde.
11Es liegt ein Haustürgeschäft im Sinne von § 312 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 BGB a.F. vor, da der Kläger nach seinem Vortrag durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung bestimmt wurde. Auch im materiellen Recht sind die aktuellen Vorschriften gem. Art. 229 § 32 EGBGB nicht anzuwenden. Der Kläger wohnte ausweislich des Klagerubrums weiterhin in C, so dass auch hier das Landgericht Arnsberg örtlich zuständig ist. Dem Gerichtsstand gem. § 29c ZPO a.F. i.V.m. § 312 BGB a.F. steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag des Klägers nicht zu klären ist, ob er ggf. telefonisch um einen Besuch durch die Beklagte zu 1. gebeten hat. Entsprechend seinem Normzweck, dem Verbraucherschutz, ist § 29c ZPO a.F. weit auszulegen. Er greift bei jeder Streitigkeit, die wegen einer Vereinbarung geführt wird, die unter den besonderen Bedingungen des § 312 Abs. 1 BGB a.F. geschlossen wurde, also auch bei Haustürgeschäften, bei denen kein Widerrufs- oder Rückgaberecht gem. § 312 Abs. 3 BGB a.F. besteht (vgl. nur Musielak/Heinrich, 10. Aufl. 2013, § 29c ZPO Rn. 7).
12Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ergeht im Falle der Antragszurückweisung eine Kostenentscheidung auch dann, wenn zwischenzeitlich Klage erhoben wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass zumindest den Beklagten durch das Bestimmungsverfahren Kosten entstanden sind. Bei der Wertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, dass dem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung regelmäßig das Kosteninteresse zugrunde liegt, kein isoliertes neues Verfahren gegen die weiteren Beklagten führen zu müssen. Ausgehend davon wird ein geschätzter Ansatz von 20 % der Hauptsache für angemessen erachtet.