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Das Rentenanrecht der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse in Köln und das Rentenanrecht der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe im Tarif "VBL klassik" sind gleichartig i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG.
1.
Auf die Beschwerden der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse L vom 24.11.2015 und der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe vom 16.12.2015 wird der am 06.11.2015 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bottrop in der Folgesache Versorgungsausgleich teilweise abgeändert und die Ziffer 2 der Beschlussformel wie folgt neu gefasst:
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe findet nicht statt.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse L findet nicht statt.
2.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
3.
Der Beschwerdewert wird auf 2.640,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten sind seit Februar 2011 voneinander getrennt lebende Ehegatten. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 03.07.2015 zugestellt worden.
4Während der Ehezeit vom 01.06.19xx bis zum 30.06.2015 hat der Antragsteller bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 51,28 Versorgungspunkten im Tarif VBL klassik erworben. Den Ausgleichswert hat der genannte Versorgungsträger mit 29,21 Versorgungspunkten ermittelt. Der korrespondierender Kapitalwert beläuft sich auf 10.548,50 € vor dem Abzug der Teilungskosten bzw. 10.423,50 € nach dem Abzug der anteiligen Teilungskosten. Während der genannten Ehezeit hat die Antragsgegnerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse in L ein Anrecht in Höhe von 40,19 Versorgungspunkten erworben. Den Ausgleichswert hat der genannte Versorgungsträger mit 17,05 Versorgungspunkten ermittelt. Der korrespondierende Kapitalwert beläuft sich auf 7.627,03 € vor dem Abzug der Teilungskosten bzw. 7.507,96 € nach dem Abzug der anteiligen Teilungskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Versorgungsanrechte und wegen der weiteren, von den Beteiligten erworbenen Rentenanrechte wird auf die in diesem Verfahren erteilten Rentenauskünfte der jeweiligen Versorgungsträger Bezug genommen.
5Mit am 06.11.2015 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bottrop die am 07.06.19xx geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es auch das Anrecht des Antragstellers bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe und das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse in L im Wege der internen Teilung ausgeglichen. Wegen der weiteren Einzelheiten der erteilten Rentenauskünfte und wegen der Berechnung des Familiengerichts in der Folgesache Versorgungsausgleich wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
6Dagegen wenden sich die Kirchliche Zusatzversorgungskasse in L mit ihrer Beschwerde vom 24.11.2015 sowie die VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe mit ihrer Beschwerde vom 16.12.2015.
7Beide Versorgungsträger rügen, dass das Familiengericht hinsichtlich der bei ihnen bestehenden Anrechte nicht von einem Versorgungsausgleich abgesehen hat. Beide Anrechte sein gleichartig; die Differenz der Ausgleichswerte sei gering. Denn der für das Jahr 2015 maßgebliche Grenzwert von 3.402,00 € sei nicht überschritten.
8Mit Verfügung vom 29.12.2015 ist den Beteiligten Gelegenheit gegeben worden, zu dem Beschwerdevorbringen Stellung zu nehmen. Zugleich wurde angekündigt, nach Ablauf der gesetzten Frist nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG im schriftlichen Verfahren entscheiden zu wollen.
9II.
10Die Beschwerden sind nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie sind insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 64 Abs. 1, 2 FamFG).
11Die Beschwerdeführer sind zudem nach den §§ 219 Nr. 2, 3, 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur die Frage, inwieweit der Versorgungsträger mit einem Rechtsmittel eine in der Handhabung des § 18 VersAusglG durch das Familiengericht liegende Beschwer bekämpfen kann, im Einzelfall nicht einheitlich beantwortet (vgl. BGH, FamRZ 2013, 612, 613 Rn. 13ff). Allgemein anerkannt ist jedoch, dass der Versorgungsträger durch die Entscheidung des Familiengerichts, den Wertausgleich durchzuführen, obwohl die Anwendungsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG vorgelegen hätten, in seinen eigenen Rechten betroffen ist (vgl. BGH, FamRZ 2013, 612, 613 Rn. 14 m.w.N.; OLG Bamberg FamRZ 2011, 1232). Diese Betroffenheit erschließt sich bereits aus dem Regelungszweck dieser Vorschrift, der mit der in § 18 VersAusglG eröffneten Möglichkeit zum Ausschluss eines Bagatellausgleiches vornehmlich Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger in den Blick genommen hat (vgl. BGH, FamRZ 2013, 612, 613 Rn. 14 m.w.N.).
12In Versorgungsausgleichssachen kennt das Gesetz zudem keine Mindestbeschwer (vgl. §§ 61 Abs. 1, 228 FamFG; dazu auch: BGH, FamRZ 2013, 612ff, bei juris Langtext Rn 11).
13Die Beschwerdeführer greifen die Entscheidung des Familiengerichts nur an, soweit das jeweils bei ihnen bestehende Anrecht aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes betroffen ist. Nach der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung, der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, ist eine Teilanfechtung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich beschränkt auf die bei einem Versorgungsträger bestehenden Rentenanrechte zulässig (vgl. BGH, FamRZ 2012, 509, 510 Rn 9; BGH, FamRZ 2011, 547; Feskorn, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage 2014, § 65 FamFG Rn 6, § 69 FamFG Rn 2).
14Danach ist hier eine die Überprüfung der weiteren Rentenanrechte der Beteiligten durch den Senat entbehrlich. Einwände gegen die diese Anrechte betreffende erstinstanzliche Entscheidung haben die Beteiligten auch nicht erhoben.
15III.
16Die Beschwerden sind begründet. Denn ein Ausgleich der Anrechte der Beteiligten aus der jeweiligen Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes hat hier wegen Geringfügigkeit der Differenz der Ausgleichswerte zu unterbleiben (vgl. § 18 Abs. 1 VersAusglG).
171.
18Gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Gleichartig im Sinne der Vorschrift sind Anrechte, die sich in Struktur und Wertentwicklung entsprechen, so dass ein Saldenausgleich nach Verrechnung im Wesentlichen zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führt wie ein Hin-und-Her-Ausgleich. Eine Wertidentität ist nicht erforderlich, ausreichend ist eine strukturelle Übereinstimmung in den wesentlichen Fragen, z.B. beim Leistungsspektrum, bei der Finanzierungsart, bei der Anpassung von Anrechten und bei den laufenden Versorgungen (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1636, 1637 Rn. 13; OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11; Breuers, in: juirsPK-BGB, Band 4, 7. Auflage 2014, Stand: 04.01.2016, § 18 VersAusglG Rn 44). Auf dieser Grundlage werden die Anrechte aus den verschiedenen Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes regelmäßig als gleichartig angesehen (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2015, 1502f, bei juris Langtext Rn 11ff; KG, FamRZ 2015, 929f, bei juris Langtext Rn 8ff; OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11; OLG Schleswig, FamRZ 2014, 789, 790, bei juris Langtext Rn 26; OLG Hamm, Beschluss vom 21.08.2013, AZ: 8 UF 126/13, bei juris Langtext Rn 3; OLG Köln, FamRZ 2012, 1806; Breuers, in: juirsPK-BGB, a.a.O., § 18 VersAusglG Rn 52 m.w.N.; Ruland, NJW 2009, 2781, 2783). Denn die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst stellt eine besondere Form eines Anrechts in der betrieblichen Altersversorgung dar, wobei der Gesetzgeber für die Ermittlung des Ehezeitanteils in § 45 Abs. 3 VersAusglG eine Sondervorschrift geschaffen hat (vgl. hierzu: OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11; Holzwarth, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 45 VersAusglG Rn. 69ff). Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ist überwiegend umlagefinanziert (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 641, 642; Holzwarth, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 45 VersAusglG Rn. 92). Bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes werden Versorgungspunkte erworben, zu deren Ermittlung das individuelle Entgelt des Versicherten zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten mittels eines festgesetzten statischen Referenzentgelts ins Verhältnis gesetzt und sodann mit einem Altersfaktor multipliziert wird (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 641, 642). Zwischen den Satzungen der einzelnen Versorgungsträger besteht weitgehend Übereinstimmung (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1302, bei juris Langtext Rn. 11).
19Ein Wertunterschied nach § 18 Abs. 1 VersAusglG zwischen gleichartigen Anrechten ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgebliche Bezugsgröße höchstens 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt (vgl. § 18 Abs. 3 VersAusglG).
202.
21Die vorstehenden Voraussetzungen liegen hier vor:
22Die bei den Beschwerdeführern von den Beteiligten erworbenen Anrechte sind gleichartig.
23Bei beiden Anrechten handelt es sich um solche aus der Pflichtversicherung im Rahmen der Zusatzversorgung des öffentlichen bzw. des kirchlichen Dienstes. Sie basieren auf einer Mustersatzung der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. Die Aufgabe des Vereins besteht gerade darin, auf eine gleichmäßige Durchführung der Altersversorgung hinzuwirken. Beide Anrechte stimmen im Leistungsspektrum überein. Sie beinhalten sowohl eine Altersrente als auch eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl. § 30 der Satzung der KZVK Köln einerseits, § 33 Abs. 1 der VBL-Satzung andererseits). Bei der maßgeblichen Bezugsgröße handelt es sich jeweils um Versorgungspunkte. In Ansehung der Bemessung der Rentenhöhe und der Anpassung von Anrechten und laufenden Versorgungen bestehen keine wesentlichen Unterschiede. So errechnet sich die monatliche Altersrente jeweils im Wege der Multiplikation der bis zum Rentenbeginn erworbenen Versorgungspunkte mit dem Messbetrag von 4 € (§ 33 Abs. 1 der der Satzung der KZVK Köln einerseits, § 35 Abs. 1 der VBL-Satzung andererseits). Auch die Regelungen zur Höhe der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sind deckungsgleich (§ 33 Abs. 2 der Satzung der KZVK Köln einerseits, § 35 Abs. 2 VBL-Satzung andererseits). Weiter wird sowohl die laufende Rente aus der Pflichtversicherung der VBL als auch die laufende Rente aus der Pflichtversicherung der ZVK jeweils zum 1. Juli jeden Jahres um 1 % ihres Betrages erhöht (vgl. § 37 der Satzung der KZVK Köln einerseits, § 39 der VBL-Satzung andererseits). Übereinstimmung besteht außerdem hinsichtlich der Finanzierungsart. Denn sowohl die Pflichtversicherung der ZVK als auch die Pflichtversicherung der VBL sind umlagefinanziert, d.h. die Renten der heutigen Rentenbezieher werden gemäß den §§ 61ff der Satzung der KZVK Köln bzw. gemäß den §§ 60, 61 der VBL-Satzung nach dem Umlageprinzip mit den Beiträgen der derzeitigen Beitragszahler (Arbeitnehmer) finanziert.
24Die Differenz der Ausgleichswerte der Anrechte bei den Beschwerdeführern ist gering. Denn die Differenz der Ausgleichswerte überschreitet den eingangs genannten Grenzwert, der sich zum Ehezeitende auf 3.402,00 € belief nicht. Es errechnet sich eine Differenz der Ausgleichswerte von 2.915,54 € unter Berücksichtigung der Teilungskosten (10.423,50 € ./. 7.507,96 €) bzw. von 2.921,47 € ohne Berücksichtigung der Teilungskosten (10.548,50 € ./. 7.627,03 €). Danach kann hier dahinstehen, ob für die Geringfügigkeit der Differenz der Ausgleichswerte auf den Ausgleichswert vor Abzug der hälftigen Teilungskosten abzustellen ist (vgl. zum Meinungsstreit: OLG Bremen, FamRB 2016, 50 m.w.N.).
25Umstände, die ein Abweichen von der Soll-Vorschrift des § 18 Abs. 1 VersAusglG gebieten könnten, sind weder ersichtlich noch von einem der Beteiligten vorgetragen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin auf den Ausgleich eines Bagatellbetrages dringend angewiesen ist (vgl. dazu: BGH, FamRZ 2015, 2125ff, bei juris Langtext Rn 25 m.w.N.).
26III.
27Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 150 Abs. 1, 81 Abs. 1 FamFG (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, 754, 755f.
28Von der Erhebung der Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren ist abzusehen.
29Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG werden (ebenso wie nach den wortgleichen Vorschriften § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG und § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn ausweislich der Rentenauskünfte der Beschwerdeführer drängte sich eine Prüfung von § 18 Abs. 1 VersAusglG hier auf. In dem angefochtenen Beschluss ist die Prüfung der Geringfügigkeit der Ausgleichsdifferenz unterblieben.
30IV.
31Die Festsetzung des Beschwerdewerts und des Gegenstandswerts für die Vereinbarung beruht auf §§ 40 Abs. 1 S. 1, 50 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 FamGKG.
32Das monatliche Nettoeinkommen der Beteiligten belief sich nach den Feststellungen des Familiengerichts auf insgesamt 4.400,00 €. Das dreifache Nettoeinkommen beträgt danach 13.200,00 €. Für jedes von der Senatsentscheidung betroffene Anrecht – insgesamt 2 Anrechte – ist damit ein Wert von 1.320,00 € maßgebend.