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Die Berufung des Klägers gegen das am 27. März 2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
3I.
4Der am 8.6.1955 geborene Kläger hat von den Beklagten wegen vermeintlicher ärztlicher Behandlungsfehler in der Hauptsache die Zahlung eines mit mindestens 50.000,00 € für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes, den Ersatz materieller Schäden in Höhe von 5.415,94 € (Reise - und Übernachtungskosten sowie Verdienstausfall) und die Feststellung weitergehender Ersatzpflicht begehrt. Darüber hinaus hat er erstinstanzlich weiteren Verdienstausfallschaden in Höhe von 4.512,93 € geltend gemacht, der in der Berufungsinstanz nicht mehr begehrt wird.
5Der Kläger befand sich in dem Zeitraum vom 26. bis 29.4.2011 in stationärer Behandlung im C-Hospital der Beklagten zu 2). Dort wurde wegen eines Prostata-Karzinoms am 27.4.2011 unter Verwendung eines Elektrokauters eine retropubische Prostataektomie durchgeführt. Ob es zu einer Verbrennung im Gesäßbereich gekommen ist, ist streitig. Es bildete sich ein nekrotisierendes Entzündungsgeschehen, das zu erheblichen Beeinträchtigungen führte und unter anderem eine Entfernung von zwei Dritteln des Musculus gluteus maximus erforderte.
6Der Kläger hat behauptet, dass die Lagerung und/oder die Durchführung der Operation fehlerhaft erfolgt seien. Darüber hinaus sei postoperativ nicht rechtzeitig auf die Verletzung reagiert worden.
7Des Weiteren hat er gerügt, nicht gesondert über das Risiko einer intraoperativen Verbrennung aufgeklärt worden zu sein.
8Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch zeugenschaftliche Vernehmung der Ehefrau des Klägers und sachverständige Begutachtung durch den urologischen Sachverständigen Prof. Dr. X abgewiesen.
9Behandlungsfehler bei der Lagerung oder der Operation seien nicht feststellbar. Bei der Schädigung handele es sich um einen schicksalhaften Verlauf. Das verwendete HF-Gerät sei ausweislich der eingereichten Unterlagen fehlerfrei gewesen. Behandlungsfehler bei seiner Anwendung ließen sich auch aus dem Umstand der Schädigung selbst nicht herleiten.
10Auf die Schädigung sei sodann lege artis reagiert worden. Über das Verbrennungsrisiko sei der Kläger ausweislich des Aufklärungsbogens auch hinreichend aufgeklärt worden.
11Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der das erstinstanzliche Begehren weiter verfolgt.
12Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft dem Antrag auf Gewährung einer Schriftsatzfrist nicht stattgegeben, obwohl der Sachverständige Prof. Dr. X in der mündlichen Verhandlung neue und ausführlichere Beurteilungen abgegeben habe.
13Die Entscheidung sei auch materiell fehlerhaft. Zugunsten des Klägers sei nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos, zumindestens nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass die Beklagten für eine fehlerfreie Behandlung darlegungs- und beweisbelastet gewesen seien. Das Landgericht hätte deshalb ohne Beweisaufnahme von einem Lagerungsschaden ausgehen müssen, weil die danach für ihre streitige Schilderung einer ordnungsgemäßen Lagerung beweispflichtigen Beklagten keinen Beweis angetreten hätten. Dasselbe gelte für die streitige Behauptung der Beklagten, dass das eingesetzte HF-Gerät eine Fehlfunktion gemeldet hätte und durch Abschaltung des Stromflusses Schäden vermieden hätte. Wäre die Behauptung zutreffend, hätte es nicht zu der Verletzung kommen können. Aus den zutreffenden Feststellungen der Klinik Y zur Größe der Brandverletzung von ca. 10 x 20 cm lasse sich durch eine erforderliche dermatologische und technische Begutachtung herleiten, dass den Beklagten Sorgfaltsmängel anzulasten seien. Die urologischen Sachverständigen seien insoweit zur Bewertung nicht berufen.
14Der Kläger behauptet nunmehr, dass der bei dem Kläger vorliegende Schaden nur habe entstehen können, weil Fehler bei der Bedienung des Elektrokauters aufgetreten seien. Er bestreitet, dass vor der Operation die Gelmatte auf dem Operationstisch auf Defektfreiheit überprüft worden sei. Er bestreitet, dass die Neutralelektrode intraoperativ richtig appliziert worden ist, die Neutralelektrode sauber und nicht beschädigt gewesen ist, dass das Leitgelee frisch und gleichmäßig auf die neutrale Elektrode vor dem Einsatz des Elektrokauters verteilt worden sei.
15Der Kläger beantragt,
16unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
171.
18die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2011 zu zahlen,
192.
20festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger alle gegenwärtigen und zukünftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 26.4.2011 - 29. 4. 2011 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind,
213.
22die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 5.415,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2011 zu zahlen,
234.
24die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 2.879,80 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2011 zu zahlen.
25Die Beklagten beantragen,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
28Das Landgericht habe keinen Verfahrensfehler begangen. Die Gewährung einer Schriftsatzfrist sei nicht erforderlich gewesen, weil der Sachverständige Prof. Dr. X bei seiner mündlichen Erläuterung keine neuen Bewertungen abgegeben habe.
29Der Kläger sei für das Vorliegen von Behandlungsfehlern beweispflichtig; eine Beweislastumkehr wegen Vorliegens eines voll beherrschbaren Risikos oder ein Beweis des ersten Anscheins komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht. Der Kläger habe den danach ihm obliegenden Beweis von Behandlungsfehlern nicht geführt. Das Landgericht habe auf der Basis des unter Zeugenbeweis gestellten Vorbringens der Beklagten zutreffend entschieden, dass ein Lagerungsschaden, der ohnehin nicht hätte zu Verbrennungen führen können, oder ein Gerätefehler nicht vorgelegen hätten. Ebenso wenig sei ein Rückschluss von der Verbrennung auf einen Behandlungsfehler zulässig, weil der Sachverständige Prof. Dr. X die Möglichkeit eines schicksalhaften nicht beherrschbaren Verlaufs aufgezeigt habe.
30Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen O und Dr. S. Wegen des Ergebnisses wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 6.12.2013, 28.08.2015 und 4.11.2016 verwiesen.
31Der Senat hat überdies Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Urologen Prof. Dr. X und sodann durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Urologen Prof. Dr. N. Darüber hinaus hat der Senat im Termin vom 28.8.2015 beide Sachverständigen mündlich angehört und sodann ein schriftliches elektrophysikalisches Gutachten des Dipl.-Ing E eingeholt, das dieser im Senatstermin vom 4.11.2016 mündlich erläutert hat.
32Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
33II.
34Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Landgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Der Senat macht jedenfalls von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er in der Sache selbst entscheidet.
35Die Berufung ist unbegründet.
36Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche stehen ihm nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
371.
38Ansprüche ergeben sich insbesondere nicht wegen des Vorliegens von Behandlungsfehlern gemäß den §§ 611, 280, 249 ff., 823, 253 Abs.2 BGB. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass haftungsbegründende Behandlungsfehler unterlaufen sind.
39Der Senat stützt sich insoweit auf die Begutachtung durch die beiden urologischen sowie den medizintechnischen Sachverständigen, die den Sachverhalt vollständig ausgeschöpft und einer umfassenden und überzeugenden Bewertung im Rahmen ihres jeweiligen Fachgebietes unterzogen haben.
40Im Einzelnen ist dazu auszuführen:
41a.
42Auf der Basis der Krankenunterlagen und der technischen Unterlagten lässt sich nicht feststellen, dass den Beklagten operative Behandlungsfehler unterlaufen sind.
43aa.
44Der Kläger hat eine fehlerhafte Vorbereitung der Operation, insbesondere fehlerhafte Lagerung nicht bewiesen.
45Die Beklagten haben eine standardgemäße, trockene und isolierte Lagerung sowie auch ansonsten trockene Vorbereitung auf die Operation geschildert. Der Beklagte zu 1) hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht darüber hinaus vertiefend zu den verwendeten Materialien und zur Vorgehensweise vorgetragen. In dem OP-Bericht ist dazu eine "leicht überstreckte Rückenlage" angegeben. Das reicht zur Darlegung einer ordnungsgemäßen Vorgehensweise aus.
46Denn grundsätzlich genügt es, die Lagerung technisch schlagwortartig zu beschreiben, so dass für den Fachmann erkennbar wird, nach welcher Methode gelagert und operiert worden ist. Steht die Art der Lagerung des Patienten während der Operation allgemein fest, ergibt sich die technische Durchführung der Lagerung aus den allgemein anerkannten, dabei einzuhaltenden medizinischen Regeln. Diese brauchen nicht jedesmal schriftlich fixiert zu werden. Anders wäre es nur, wenn im Einzelfall von der Norm abgewichen werden soll oder wenn es während der Operation zu nicht ganz unbedeutenden Korrekturen kommt ((vgl. BGH-Urteil v. 24.01.1984 - VI ZR 203/82 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.8).
47Der Sachverständige Prof. Dr. X hat für den vorliegenden Fall bei seiner Anhörung vor dem Landgericht die dort von dem Beklagten zu 1) geschilderte Vorgehensweise auch als das absolute Standardverfahren bezeichnet . Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. Dr. X bereits in seinem schriftlichen Gutachten für das Landgericht darauf verwiesen, dass sich aus Operationsbericht und Anästhesieprotokoll auch keine Hinweise für Lagerungsbesonderheiten ergeben.
48Auf dieser Basis steht nicht fest, dass eine fehlerhafte Lagerung erfolgt ist.
49Der Kläger hat damit das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht bewiesen. Daran ändert auch nichts der vorgelegte Aufsatz von Pohl, der Anforderungen schildert, aber keinen konkreten Bezug zu dem Fall hat.
50Dem Kläger kommen auch keine Beweiserleichterungen wegen Dokumentationsmängeln zugute.
51Insbesondere kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Beklagten nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Bereichs oder des Anscheinsbeweises die Beweislast für eine ordnungsgemäße Lagerung obliege.
52Ein Anscheinsbeweis begegnet deshalb Bedenken, weil in aller Regel und so auch vorliegend schon wegen der individuellen Verhältnisse des Patienten Bedenken gegen einen als typisch anzusehenden Verlauf bestehen (vgl. Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Auflage Rdn.557) . Das gilt namentlich vorliegend bei atypischer und hier nicht aufklärbarer Schadensursache (dazu unten).
53Auch eine Beweislasterleichterung nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Bereichs ist nicht gerechtfertigt. Denn der Sachverständige Prof. Dr. X verweist darauf, dass es nach dem sterilen Abdecken des Operationsfeldes keine Kontrollmöglichkeit mehr im Hinblick auf Feuchtigkeitsansammlung unter der Abdeckung gibt. Noch während der Operation kann sich leitfähige Feuchtigkeit durch unbemerkt am Körper entlang gelaufenen Spülflüssigkeit oder Schwitzen bilden. Insoweit hat der Operateur nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Chance zu einem Bemerken der Flüssigkeit, so dass es sich insoweit um schicksalhafte und damit nicht voll beherrschbare Abläufe handelt. Auch bei der mündlichen Anhörung vom 6.12.2013 vor dem Senat hat er darauf hingewiesen, dass Flüssigkeit unter dem Patienten erst nach der Operation, und zwar erst durch das Personal bemerkt werden kann, weil der Operateur den Patienten nur abgedeckt sieht. Darüber hinaus hat er im Termin vom 28.08.2015 erneut auf die Möglichkeit von Kontaktbildung durch Schwitzen hingewiesen.
54Dann kommt aber neben Behandlungsfehlern auch nicht beherrschbare Umstände für die Schädigung in Betracht, so dass ein voll beherrschbarer Bereich mit der Folge von Beweiserleichterungen nicht vorliegt.
55bb.
56Es steht auch nicht fest, dass bei der Handhabung des Elektrokauters Fehler unterlaufen sind.
57Der Kläger behauptet zwar insbesondere, dass die Gelmatte fehlerhaft gewesen und auf dem Operationstisch nicht auf Defektfreiheit überprüft worden sei, weiterhin bestreitet er, dass die Neutralelektrode intraoperativ richtig appliziert worden ist, die Neutralelektrode sauber und nicht beschädigt gewesen ist, dass Leitgelee frisch und gleichmäßig auf die neutrale Elektrode vor dem Einsatz des Elektrokauters verteilt wurde.
58Dafür, dass diese Behauptungen zutreffen, gibt es aber aus den Krankenunterlagen keine Anhaltspunkte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X in seinem schriftlichen Gutachten ist die Operation ausführlich und vollständig dokumentiert. Danach ist sie lege artis durchgeführt worden. Insbesondere ergibt der Operationsbericht keine Hinweise auf Komplikationen und Auffälligkeiten. Auch der technische Sachverständige Dipl.-Ing. E hat in seinem schriftlichen Gutachten einen Fehler bei der Anwendung ausgeschlossen, weil sich bei einer fehlerhaft bedienten neutrale Elektrode die Verbrennung direkt unter oder an der Neutralelektrode bildet. Das sei im vorliegenden Fall nach Aktenlage nicht gegeben. Auch ein Defekt der Gelmate erscheint aus technischen Gründen ausgeschlossen, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. E dann ein kleineres Schadensbild zu erwarten gewesen wäre.
59Danach lässt sich ein Fehler bei der Vorbereitung oder Bedienung nicht sicher feststellen.
60cc.
61Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das verwendete Gerät einen Defekt aufgewiesen hat.
62Die Beklagten haben eine Prüfbescheinigung der Firma A vom 19.5.2011 also ca. drei Wochen nach dem Vorfall, vorgelegt, die auf den Geräteeingang am 12.5.2011, also ca. zwei Wochen nach dem Vorfall, verweist. Die demnach zeitnahe Prüfung bezieht sich in der Fehlerbeschreibung gerade auf operative Verbrennungen. Es ist bescheinigt worden, dass das Gerät weitgehend fehlerfrei ist. Lediglich ein Gerätestecker und die Pinzette sind auszutauschen gewesen. Es handelte sich demnach nicht um eine defekte Kontaktelektrode. Das Gerät war danach insoweit technisch in Ordnung.
63b.
64Auch ein Rückschluss von dem entstandenen Beschwerdebild auf das Vorliegen eines operativen Behandlungsfehlers erscheint nicht zulässig.
65Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die Beeinträchtigungen Folge eines Lagerungsschadens oder einer Verbrennung mit dem Elektrokauter sind. Insoweit bewerten die Sachverständigen ihre abweichenden Auffassungen nur als eher wahrscheinlich. Übereinstimmung besteht jedoch darin, dass das Vorliegen der anderen Ursache ebenfalls möglich erscheint.
66Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Beeinträchtigungen schicksalhaft eingetreten sind und nicht auf einem Behandlungsfehler beruhen:
67aa.
68Der Sachverständige Prof. Dr. X hält eine Verbrennung für die wahrscheinlichere Ursache.
69Nach seinen Ausführungen kann es sich allerdings nicht um eine Verbrennung in einem Ausmaß von 10 × 20 cm gehandelt haben, wie sie dokumentiert worden ist. Das entspricht auch der Bewertung durch den technischen Sachverständigen Dipl.-Ing. E, der in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat darauf hingewiesen hat, dass die Schadstelle eine Fläche von nur ca. 3 × 3 cm gehabt haben darf, um Verbrennungen hervorrufen zu können. Das entspricht auch der Erfahrung beider urologischer Sachverständigen, die damit übereinstimmend aus ihrer Erfahrung erklärt haben, dass bei größeren Kontaktstellen überhaupt kein schadenstiftende Strom mehr fließen könne. Eine solche kleine Schadstelle kann nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X schon dadurch entstehen, dass geringste Feuchtigkeitsmengen verdampfen oder ihren Weg dorthin finden. Für diesen Fall einer kleinen Kontaktstelle hat der medizintechnische Sachverständige Dipl.-Ing. E bestätigt, dass es zu einer kleinen Verbrennung ohne Alarm kommen könne. Eine Verursachung des Schadens erscheint demnach unter der Voraussetzungen einer kleinen Kontaktstelle möglich. Sicher ist das aber nicht, weil auch ein Lagerungsschaden in Betracht kommt (siehe unten).
70Auf dieser Basis ist auch nicht festzustellen, dass eine unterstellte Verbrennung auf einem medizinischen Fehler beruhen muss. Denn der urologische Sachverständige Prof. Dr. X hat erläutert, dass derartige Feuchtigkeitsstellen nicht immer bemerkt werden können und müssen. Denn das Operationsgebiet ist während des Eingriffs abgedeckt, sodass eine intraoperative Feuchtigkeitsansammlung nicht erkennbar ist.
71Allerdings hat der Sachverständige Prof. Dr. X weitere Indizien benannt, die aus seiner Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für eine Verbrennung sprächen, nämlich die Blasenbildung auf den Fotos vom ersten postoperativen Tag, die Laborwerte (Temperatur und Leucozyten) und die fulminante nekrotisierende Entwicklung. Er hat jedoch zugleich erklärt, dass der geschehene Ablauf auch als Folge einer Lagerung entstehen könne.
72Auf dieser Basis lässt sich weder sicher feststellen, dass eine Verbrennung stattgefunden hat, noch ausschließen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine schicksalhafte Entwicklung gehandelt haben, sodass ein Behandlungsfehlervorwurf nicht gerechtfertigt ist.
73bb.
74Aus dem Entlassungsbericht des Klinikums Y vom 16.6.2011 lässt sich nicht der sichere Schluss ziehen, dass eine Verbrennung die Schadensursache gewesen ist.
75Die dortige Diagnose einer Verbrennung beruht nach den Angaben des Zeugen Dr. S auf anamnestischen Angaben oder der regelmäßigen Vorab-Information seitens des abgebenden Krankenhauses. Die Annahme der dort benannten nekrotisierenden Fasciitis ist zwar das Ergebnis der klinischen Untersuchung. Maßgeblich erscheinen jedoch die Erkentnisse aus der in die Tiefe gehenden und deshalb gegenüber der klinischen Oberflächenuntersuchung erkenntnisreicheren Operation. Dazu hat der Zeuge Dr. S, der die Revisionsoperation durchgeführt hat, bekundet, dass das Bild einer bakteriellen Infektion nach Verbrennungen und Lagerungsschäden vergleichbar sei. Dementsprechend hat der Zeuge auf der Basis der vorgelegten Fotos der Schadensstelle zwar eine Verbrennung angenommen, einen Lagerungsschaden aber auch nicht ausgeschlossen.
76Die Bekundungen des zeitnah tätig gewordenen Zeugen Dr. S führen damit nicht weiter. Einer Vernehmung des Zeugen Dr. I bedurfte es nicht, weil dieser nur den Entlassungsbrief unterzeichnet hat, an der maßgeblichen aussagekräftigeren Operation jedoch nicht beteiligt gewesen ist.
77cc.
78Der urologische Sachverständige Prof. Dr. N hält eine elektrochirurgische Verbrennung für eher unwahrscheinlich und favorisiert das Vorliegen eines Lagerungsschadens.
79Insoweit verweist er auf die für ein lagerungsbedingtes Kompartmentsyndrom sprechende massive CK-Erhöhung, die bei einer verbrennungsbedingten Fasziitis nicht vorkomme. Darüber hinaus verweist er auf die OP-Dauer, das Übergewicht des Patienten und die Periduralanästhesie. Soweit er allerdings auf die Unwahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens mehrerer Umstände - nämlich Stromschluss und gleichwohl fehlende Warnmeldung des Elektrokauter - abstellt, überzeugt das nicht. Denn der technische Sachverständige hält es bei geringen Kontaktstellen für möglich, dass eine Warnung nicht erfolgt. Auch die von ihm angeführte größere Häufigkeit von Druckschäden besagt für den konkreten Einzelfall wenig. Letztlich hält der Sachverständige einen Lagerungsschaden lediglich für plausibler, schließt aber einen Verbrennungsschaden nicht aus.
80Geht man gleichwohl mit dem Sachverständigen Prof. Dr. N davon aus, dass die Lagerung Ursache des Schadens ist, steht damit aber ebenfalls nicht fest, dass ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass eine fehlerhafte Lagerung tatsächlich stattgefunden hat. Dafür ergeben sich aus den Krankenunterlagen keine Anhaltspunkte.
81dd.
82Die Schadesursache und eine Fehlerbedingtheit bleiben deshalb ungeklärt. Ein dermatologisches Gutachten war dazu nicht einzuholen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die erforderlichen ausreichenden Anknüpfungstatsachen für eine zielführende dermatologische Bewertung gegeben sind.
83c.
84Fehler bei der postoperativen Behandlung sind nicht anzunehmen.
85Der Sachverständige Prof. Dr. X verweist in seinem schriftlichen Gutachten darauf, dass sich aus den Krankenunterlagen der Urologie-Intensivstation für den 27. und 28.4.2011 bis 10:00 Uhr keine Auffälligkeiten ergeben. Dagegen lässt sich nicht feststellen, dass schon am 27.4.2011 ein reaktionspflichtiger Zustand, also Veranlassung zu einem weitergehenden medizinischen Eingreifen, bestanden hat. Denn die Ehefrau des Klägers hat bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht und bei der Vernehmung durch den Senat erklärt, dass sie den Rücken ihres Ehemannes erst am Tag nach der Operation gesehen und Schwellung und Blasenbildung festgestellt hat, nicht dagegen schon am 27.04.2011. Die Indizwirkung der Krankenunterlagen ist damit nicht erschüttert.
86Nach den Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. X in seinem schriftlichen Gutachten ist sodann, nachdem in der Folgezeit die Auffälligkeiten erkannt worden seien, zutreffend reagiert worden. Das nachfolgende Vorgehen ist nach seiner Bewertung eher überdurchschnittlich gut gewesen. Ein negatives Abweichen vom medizinischen Standard ist danach nicht gegeben. Auch der Sachverständige Prof. Dr. N kommt zu einem nicht zu beanstandenden postoperativen Management.
87Insoweit lässt sich ein postoperativer Behandlungsfehler nicht feststellen.
882.
89Die Beklagten haften auch nicht etwa gem. den §§ 823, 253 Abs.2, 249 ff. BGB für sämtliche Folgen der Behandlung schon deshalb, weil sie mangels wirksamer Einwilligung der Kläger insgesamt rechtswidrig gewesen sein könnte.
90Denn die Einwilligung ist wirksam erteilt worden.
91a.
92Der Senat ist davon überzeugt, dass eine hinreichende Risikoaufklärung stattgefunden hat.
93Soweit der Kläger bestreitet, über das Risiko einer intraoperativen Verbrennung gesondert aufgeklärt worden zu sein, steht dem die Indizwirkung des von dem Kläger am 26.4.2011 unterzeichneten Aufklärungsbogens entgegen. Dort findet sich auf Seite 3 oben links der explizite Hinweis auf die Gefahr von Hautschäden durch elektrischen Strom. Bei der Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige Prof. Dr. X bestätigt, dass die schriftliche Aufklärung gerade Verbrennungsschäden meine. Der Sachverständige hat dazu in seinem schriftlichen Gutachten die medizinische Auffassung vertreten, dass diese schriftliche Aufklärung ausreichend sei.
94Dem schließt sich der Senat bei juristischer Bewertung an.
95b.
96Der Kläger meint zu Unrecht, dass eine Aufklärungspflicht bezüglich der monopolaren im Vergleich zur bipolaren Technik bestanden habe.
97Der Sachverständige Prof. Dr. X hat dazu bereits in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass eine weitergehende Aufklärung über Unterschiede der monopolaren und bipolaren Techniken bei Operationen nicht sinnvoll sei, zumal beide Techniken in der Regel parallel zum Einsatz kämen.
98Bei juristischer Bewertung besteht dann insoweit keine Aufklärungspflicht. Die Anwendung der jeweiligen Technik steht danach im Behandlungsermessen des Arztes und ist von den konkreten Notwendigkeiten während der Operation geprägt. Es handelt sich dann schon nicht um Behandlungsalternativen, zwischen denen einer Auswahlmöglichkeit bestehen würde, erst recht nicht um echte Behandlungsalternativen im Sinne der Rechtsprechung.
99c.
100Die Operation ohne HF-Strom stellt dagegen nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X keine echte und damit aufklärungspflichtige Behandlungsalternative dar.
101Nach seiner Bewertung, dass wegen einer längeren Operationsdauer und wegen eines deutlich höheren Blutverlustes die Nachteile in keinem vernünftigen Verhältnis zur HF-Operation stehen, ist eine gleichermaßen indizierte, gleichwertige und damit aufklärungsbedürftige Alternative nicht gegeben.
102Auch die Aufklärung ist damit nicht zu beanstanden.
103Eine Haftung der Beklagten ist damit insgesamt nicht gegeben. Die die Klage abweisende Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.
104Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 543 ZPO.
105Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.