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Über die Risiken einer psychotherapeutischen Behandlung ist aufzuklären.
Einer Aufklärung über alternative Therapieansätze bedarf es dann nicht, wenn diese Ansätze gleiche Risiken und Erfolgschancen haben. Haben die Therapien gleiche Erfolgschancen und Risiken, hat der Therapeut die Wahl der Behandlungsmethode. Unter Beücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) in Verbindung mit der Kärungsorientierten Psychotherapie (KOP) eine Methode der Wahl.
Über den Ausbildungsstatus des Therapeuten ist dann nicht aufzukären, wenn der auszubildende Therapeut durch eine regelrechte Supervision begleitet wird.
Der Abbruch einer Therapie ist dann nicht zu beanstanden, wenn der Patient eine freundschaftliche Beziehung zum Therapeuten nachhaltig einfordert und der Therapeut ausreichend Hilfestellung für einen Therapeutenwechsel leistet.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Dezember 2015 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
3Die am 17.01.19## geborene Klägerin hat von der Beklagten wegen vermeintlicher psychotherapeutischer Behandlungsfehler in der Hauptsache die Zahlung eines mit mindestens 35.000,00 € für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes, den Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 1.256,16 € sowie die Feststellung weitergehender Ersatzpflicht begehrt.
4Die Klägerin befand sich in dem Zeitraum vom 1.3.2007 bis zum 12.11.2008 in psychotherapeutischer Behandlung durch die Beklagte. Diese war Diplom-Psychologin und befand sich in der Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin. Entsprechend dem Therapievertrag vom 18.4.2007 fertigte sie von den Sitzungen Tonaufzeichnungen. Diese besprach sie mit ihrem Supervisor. Die Sitzungen fanden unter Supervision in den Räumlichkeiten des Instituts für Psychologische Psychotherapie in C statt. Die Behandlung erfolgte auch unter Anwendung der Klärungsorientierten Psychotherapie (KOP). Ob daneben ebenfalls die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) verwendet wurde, ist streitig.
5Nach ca. einem dreiviertel Jahr kam es aus streitigen Gründen zu einer Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin. Ab der 38. Sitzung im März 2008 reagierte sie mit selbstverletzendem Verhalten und äußerte suizidale Gedanken. In der Zeit vom 11.8.2008 bis zum 2.10.2008 befand sich die Klägerin unter Unterbrechung der hier streitgegenständlichen Therapie zur ambulanten Behandlung in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Gemeinschaftskrankenhauses I -Tagesklinik X -. Im Anschluss daran kam es noch zu mehreren Sitzungen, bis die Beklagte die Behandlung am 12.11.2008 beendete, weil aus ihrer Sicht ein Therapieerfolg nicht mehr zu erzielen war.
6Die Klägerin hat der Beklagten eine Reihe von Behandlungsfehlern und Aufklärungsversäumnissen vorgeworfen. Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob die angewendete KOP mangels Prüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss überhaupt zulässig gewesen sei, oder ob ihre Anwendung jedenfalls im Fall der Klägerin kontraindiziert gewesen sei. Ferner hat Streit darüber bestanden, ob die KOP-Technik fehlerhaft durchgeführt worden sei, insbesondere die begleitende Vermittlung stabilisierender Methoden der Selbsthilfe und Selbstfürsorge unterlassen worden sei, fehlerhaft von der Beklagten Freundschaftssignal an die Klägerin gesendet worden seien, der Behandlungsabbruch ohne vorherige Vorbereitung fehlerhaft und ohne die Gewährung zumindest zweier weiterer Therapiesitzungen zur Folgenbewältigung erfolgt sei. Streit hat auch darüber bestanden, ob die Beschwerden der Klägerin Folge der Behandlung gewesen sind oder Ausdruck eines psychischen Grundleidens.
7Die Parteien haben darüber hinaus darüber gestritten, ob fehlerhaft die Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen unterlassen worden ist, ob eine Aufklärung erfolgt ist über den Ausbildungsstatus der Beklagten und die Eigenschaft des IPP als Ausbildungs- und Forschungsinstitut, die Qualifizierung der KOP als Außenseitermethode und die Weiterleitung der Tonbandaufnahmen an Dritte.
8Das Landgericht hat die Klage nach sachverständiger Begutachtung abgewiesen.
9Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte als Auszubildende überhaupt für eine Haftung in Betracht komme. Denn Behandlungsfehler ließen sich ohnehin nicht feststellen. Die klärungsorientierte Psychotherapie KOP sei eine bloße Therapietechnik, die im Rahmen der anerkannten Kognitiven Verhaltenstherapie KVT angewendet werde, also keine Außenseitermethode. Es ergäben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung außerhalb des medizinischen Standards erfolgt sei, insbesondere nicht, dass die Beklagte auf Selbstverletzungen und suizidale Gedanken nicht adäquat reagiert habe. Der Behandlungsabbruch sei zulässig und nicht überraschend gewesen, weil keine Erfolgsaussicht mehr bestanden habe.
10Aufklärungsmängel bestünden nicht. Zwar sei die schriftliche Dokumentation der Aufklärung unzureichend. Nach der Anhörung der Parteien sei die Kammer aber davon überzeugt, dass die Beklagte über alle wesentlichen Punkte aufgeklärt habe.
11Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die das erstinstanzliche Begehren weiter verfolgt.
12Die KOP-Methode sei nicht zulässig, was sich auch daran zeige, dass sie nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könne. Sie sei auch nicht lediglich im Rahmen der KVT eingesetzt worden, sondern als eigenständige Therapiemethode angewendet worden. Bei der Klägerin sei sie wegen der vorliegenden Depression kontraindiziert gewesen. Die fehlerhafte Anwendung sei auch ursächlich für die Beeinträchtigungen gewesen. Insbesondere habe nicht schon vorher eine für die Beschwerden ursächliche Borderline-Persönlichkeitsstörung bestanden, die ohnehin nie diagnostiziert worden sei, sondern eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und eine Depression.
13Sie rügt weiterhin, dass die Beklagte den Beweis zureichender Aufklärung nicht erbracht habe. Die angewendete KOP sei eine spezifische neue Außenseitermethode ohne Wirksamkeitsnachweis, worüber aufzuklären gewesen wäre. Dasselbe gelte für die Qualifikation des IPP als Ausbildungsinstitut, den Ausbildungsstand der Beklagten und das Vorhandensein von Behandlungsalternativen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft. Die schriftliche Aufklärung sei vielmehr defizitär. Eine mündliche Aufklärung sei nicht bewiesen.
14Die Klägerin beantragt die Einholung eines Gutachtens eines anderen Sachverständigen.
15Die Klägerin beantragt,
16unter Abänderung des am 16.12.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum, Az: I-6 O 361/12, die Beklagte zu verurteilen,
171. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. Der Schmerzensgeldbetrag wird in das Ermessen des Gerichts gestellt,
182. an die Klägerin 1.256,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
193. feststellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 1.3.2007 bis zum 12.11.2008 in der Ambulanz des Instituts für psychologische Psychotherapie (IPP) entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
23Behandlungsfehler seien nicht festzustellen. Insbesondere sei die Anwendung der KOP neben der KVT zulässig gewesen. Eine hinreichende Aufklärung sei durch die knappe Dokumentation eines Gesprächs über „Formales“ bezüglich des Ablaufs der Therapie und die Angaben der Beklagten zur mündlichen Aufklärung bewiesen. Die behaupteten Beeinträchtigungen der Klägerin seien ohnehin ausschließlich Folge der Grunderkrankung.
24Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G . Wegen des Ergebnisses wird das Protokoll des Senatstermins vom 11.11.2016 verwiesen.
25Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26II.
27Die Berufung ist unbegründet.
28Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche stehen ihr auch nach dem Ergebnis der erneuten Beweisaufnahme durch den Senat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
29Der Senat stützt sich insoweit auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den psychologischen Psychotherapeuten Prof. Dr. G, insbesondere aber auch auf die überzeugenden Ausführungen bei seiner Anhörung vor dem Senat. Der Sachverständige hat bei seiner Begutachtung den gesamten Tatsachenstoff vollständig ausgewertet und seine Bewertung mit überzeugender Begründung dem Senat dargelegt. Veranlassung für die weitere Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen gem. § 412 ZPO besteht nicht.
30Auf dieser Basis gilt im Einzelnen:
311.
32Ansprüche ergeben sich insbesondere nicht wegen des Vorliegens von Behandlungsfehlern gemäß den §§ 611, 280, 249 ff., 253 Abs.2 BGB. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagten solche Behandlungsfehler unterlaufen sind.
33a.
34Die Anwendung der KOP war nicht kontraindiziert.
35aa.
36Es hat sich bei der Anwendung der KOP nicht schon deshalb um eine unzulässige Behandlung gehandelt, weil sie durch den wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie und den gemeinsamen Bundesausschuss nicht geprüft und zugelassen worden ist. Der Sachverständige hat dazu bei seiner Anhörung durch den Senat erläutert, dass sich diese Gremien nur mit Methoden und Verfahren befassen. Bloße Techniken werden dagegen nicht geprüft. Eine Zulassung erfolgt nicht und ist auch nicht notwendig. Bei der KOP handelt es sich um eine solche Technik, die zulässigerweise und anerkanntermaßen innerhalb der ihrerseits zugelassenen und anerkannten Methode der KVT Anwendung findet.
37bb.
38Die Anwendung der KOP war auch nicht im konkreten Einzelfall der Klägerin kontraindiziert.
39Der Sachverständige hat dazu erläutert, dass diese Technik bei einer Vielzahl von psychischen Krankheitsbildern Anwendung finden darf. Das gilt auch für das Vorliegen einer von der Klägerin geltend gemachten akuten Depression und/oder Suizidalität. Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass ausweislich eines Zitates aus einer Veröffentlichung des Prof. Dr. T3 als Vertreter der KOP gleichwohl die Technik in einem solchen Fall nicht angewendet werden dürfe. Der gerichtliche Sachverständige hat darauf verwiesen, dass es sich zum einen nur um ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat handelt, und zum anderen Prof. Dr. T3 nur den Fall behandelt, dass nur die KOP angewandt wird. Das Zitat ist danach nicht einschlägig.
40b.
41Es lässt sich nicht feststellen, dass bei der Behandlung der Klägerin Fehler unterlaufen sind.
42Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zur Übernahme der Behandlung nicht geeignet gewesen ist. Sie hatte zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung im Jahr 2007 bereits 2/3 ihrer im Jahr 2003 begonnenen Ausbildung abgeschlossen. Überdies unterstand sie zur Einhaltung des medizinischen Standards der gesetzlich geregelten Supervision. Das entsprach den gesetzlichen und medizinischen Voraussetzungen.
43Die Beklagte hat auch tatsächlich die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen lege artis mit der KVT- Methode unter Verwendung von Anteilen der KOP-Technik behandelt.
44aa.
45Insbesondere hat die Beklagte keine therapiewidrigen Freundschaftssignale an die Klägerin ausgesendet.
46Die Aufnahme einer privaten Beziehung über den professionellen therapeutischen Kontakt hinaus wäre unzulässig und damit fehlerhaft gewesen. Eine solche Verhaltensweise lässt sich jedoch nicht feststellen. Der Sachverständige hat in den Krankenunterlagen dafür keinerlei Anhaltspunkte gefunden. Vielmehr hat die Beklagte unter dem 21.2. 2008 dokumentiert, dass die Klägerin selbst an sie mit dem Wunsch nach Freundschaft herangetreten sei. Zutreffend hat sie sodann auf der Basis der Krankendokumentation eine Überschreitung der insoweit bestehenden therapeutischen Grenzen und damit die Aufnahme einer privaten Freundschaft abgelehnt. Dass der Versuch der Aufnahme einer Freundschaft von der Klägerin gekommen ist, wird auch dadurch belegt, dass diese mit Schriftsatz vom 25.3.2014 (dort S. 59 Bl. 211 d. A.) selbst erklärt hat, dass die Beklagte eine Freundschaft parallel zur Therapie abgelehnt habe. Dass eine solche Aufnahme der Beziehung abgelehnt wurde, wird jedoch erklärlich, wenn zuvor von der Gegenseite, also der Klägerin, ein entsprechender Wunsch geäußert worden ist. Andernfalls hätte keine Veranlassung zu einer solchen Erklärung bestanden.
47Nach den Ausführungen des Sachverständigen lässt sich aus den privaten Aufzeichnungen der Klägerin entnehmen, dass sie selbst das Verhalten der Beklagten als den Wunsch zu einer persönlichen Beziehung mit der Klägerin aufgefasst hat. Das lässt aber nicht den Schluss darauf zu, dass die Beklagte fehlerhaft zumindest einen solchen Eindruck erweckt hat. Denn ein solches Missverständnis kann nach den Ausführungen des Sachverständigen auch dem besten Therapeuten passieren.
48bb.
49Die Beklagte hat therapeutisch lege artis auf suizidales und selbstverletzendes Verhalten reagiert.
50Dass eine derartige Problematik entstanden ist, ist ab dem 6.3.2008 dokumentiert. Die unter dem 6.3. 2008, 13.3.2008, 20.3.2008, 24.4.2008 und 8.5.2008 dokumentierten therapeutischen Reaktionen der Beklagten hat der Sachverständige als regelrechte Reaktion angesehen.
51cc.
52Die Beklagte hat nicht erst verspätet eine Änderung der Therapieform in Betracht gezogen. Zutreffend hat die Beklagte der Klägerin nach der Bewertung durch den Sachverständigen rechtzeitig zu einem Aufenthalt in einer C-er Klinik geraten. Dokumentiert ist dies für den 20.3.2008, 3.4.2008 und 24.4.2008.
53dd.
54Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte bei der Therapie eine fehlerhafte Gewichtung zwischen der KVT- Methode und der KOP-Technik vorgenommen hat. Zum einen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte der KOP-Technik einen zu großen Anteil eingeräumt hat. Bereits vor dem Landgericht hat der Sachverständige dazu angegeben, dass dies allenfalls aus Ex- Post-Sicht zu bedenken wäre, nicht dagegen aus der für die Bewertung als möglichen Behandlungsfehler entscheidenden Ex-Ante-Sicht. Insoweit hat der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat bestätigt, dass sich aus den Unterlagen keine Anhaltspunkte für einen überproportionalen Anteil der KOP-Technik ergeben.
55Zum anderen existieren auch keine Anhaltspunkte dafür, dass zumindest Teile der KVT-Methode zu wenig beachtet worden sind. Der Sachverständige hat nach erneuter Durchsicht der Behandlungsunterlagen im Senatstermin lediglich darauf verwiesen, dass er selbst dem Aktivitätsaufbau einen anderen Schwerpunkt geben würde. Er hat jedoch zugleich darauf verwiesen, dass dies bei anderen anerkannten Methoden nicht, wie von ihm stattdessen bevorzugt, der Fall ist. Die Beklagte hat sich danach aber auch insoweit im Korridor des medizinisch regelgerechten Verhaltens bewegt.
56Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor.
57ee.
58Auch der Abbruch der Therapie durch die Beklagte am 12.11.2008 ist nicht zu beanstanden.
59Maßgeblich für die Fortführung der Therapie war nach den Ausführungen des Sachverständigen schon vor dem Landgericht das Weiterbestehen der Indikation, die fortlaufend geprüft werden musste. Diese war nicht mehr gegeben, nachdem die Klägerin trotz Ablehnung durch die Beklagte eine Beziehung eingefordert hat, die nach den eindeutigen Regelungen in allen Berufsordnungen nicht zulässig gewesen wäre. Insoweit kam es auf die Kostenübernahme durch die Krankenkasse nicht an. Der Abbruch am 12.11.2008 entsprach nach den Erläuterungen des Sachverständigen dem regelgerechten Vorgehen.
60Die Beklagte hat nach der Bewertung durch den Sachverständigen auch ausreichend Hilfestellung für die Zeit nach dem Therapieabbruch gegeben, in dem sie ausweislich der Dokumentation vom 12.11.2008 auf Behandlungsalternativen in Form von vollstationärer Behandlung in C und einen ambulanten Therapeutenwechsel hingewiesen hat.
61ff.
62Es ist unabhängig von dem Zeitpunkt des Stalking-Geschehens (vor oder nach dem Behandlungsende) nicht zu beanstanden, dass die Beklagte gegen die Klägerin den Vorwurf des Stalkings erhoben hat.
63Sie hatte den Wunsch der Klägerin nach Freundschaft bereits während der Therapie mehrfach zurückgewiesen. Das war von der Klägerin nicht akzeptiert worden. Wenn sich die Beklagte von der Klägerin danach bedroht fühlte, stellte eine Anzeige wegen Stalkings auf der Basis der medizinischen Ausführungen des Sachverständigen auch bei juristischer Bewertung keinen haftungsbegründenden Sachverhalt dar.
642.
65Die Beklagte haftet auch nicht etwa gem. den §§ 823, 253 Abs.2, 249 ff. BGB für sämtliche Folgen der Behandlung schon deshalb, weil die Behandlung mangels wirksamer Einwilligung der Kläger insgesamt rechtswidrig gewesen sein könnte.
66Denn die Einwilligung ist wirksam erteilt worden .
67a.
68Eine hinreichende Risikoaufklärung ist erfolgt.
69Der Sachverständige hat die allgemeinen Risiken einer psychotherapeutischen Behandlung für aufklärungspflichtig gehalten, d.h., dass es keine Erfolgsgarantie gebe, die Möglichkeit besteht, dass auch belastende Inhalte zutage kommen, die zu temporären Verschlechterungen der Symptomatik und zu emotionalen Belastungen führen. Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass eine solche Aufklärung auf der Basis der Angaben der Beklagten anzunehmen ist. Insoweit wird auf die landgerichtlichen Entscheidungsgründe verwiesen.
70b.
71Einer Aufklärung über anderweitige Therapieansätze als Behandlungsalternativen bedurfte es nicht.
72Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes/Behandlers. Gibt es allerdings mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. BGH-Urteil v. 15.02.2005 - VI ZR 313/03 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.10).
73Vorliegend stellte nach den Ausführungen des Sachverständigen bei der mündlichen Anhörung vor dem Senat statistisch die KVT-Methode, innerhalb derer hier auch die KOP-Technik angewendet wurde, die Methode mit den größten Erfolgsaussichten dar. Es existieren zwar anderweitige Therapien,die allenfalls gleich guten Erfolg erwarten lassen, jedoch keine besseren Erfolgschancen aufweisen. Auch hinsichtlich der Risiken bestehen zwischen der KVT (in Verbindung mit der KOP) und anderen Therapiemethoden keine Unterschiede. Auf dieser Basis hat bei juristischer Bewertung keine echte Behandlungsalternative bestanden, sodass insoweit eine Aufklärungspflicht nicht bestanden hat. Die Wahl der Methode stand im Ermessen der Beklagten. Es nicht zu beanstanden, wenn sie diejenige Methode gewählt hat, die sie am besten beherrschte.
74c.
75Die Klägerin war nicht darüber aufzuklären, dass eine Außenseitermethode / Neulandmethode zur Anwendung kommen sollte.
76Bei der KVT-Methode und der KOP-Technik handelt es sich um bewährte und anerkannte Vorgehensweisen.
77d.
78Auch der Ausbildungsstatus der Beklagten war nicht aufklärungspflichtig.
79Die Beteiligung eines Anfängers ist in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zur Anfänger-Operation schon nicht aufklärungspflichtig, weil der Patient durch die Supervisionspflicht hinreichend geschützt ist (vgl. dazu Martis Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, Rdn. A 131, A 529). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des Sonderfalls, dass eine Aufklärungspflicht wegen eines anfängerbedingten erhöhten Risikos ausnahmsweise gegeben ist (vgl. Martis Winkhart a.a.O., Rdn.A 132a). Ein solcher hat nicht vorgelegen, weil Fehlentwicklungen schon vor einer eintretenden Schädigung durch die Supervision abgefedert werden konnten, und die Beklagte ihre Ausbildung schon zu 2/3 abgeschlossen hatte, also in 2007/2008 keine Neuanfängerin gewesen ist.
80e.
81Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, dass sie nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass die Tonaufzeichnungen dem Supervisor zugänglich gemacht werden sollten.
82Aus dem Therapievertrag vom 18.4.2007 zu Nr.4 folgt im Umkehrschluss, dass die Aufzeichnungen innerhalb der Ambulanz weitergereicht werden durften. Der Supervisor fällt ersichtlich darunter. Die Klägerin hat diesen Vertrag unterzeichnet, hatte also spätestens ab April 2007 positive Kenntnis von der zukünftigen Vorgehensweise. Für die Zeit ab Unterzeichnung des Therapievertrages war damit eine hinreichende diesbezügliche Aufklärung und eine wirksame Einwilligung gegeben.
83Für die Zeit ab Behandlungsbeginn am 1.3.2007 gilt, dass die Klägerin nach den Angaben der Beklagten zu Behandlungsgbeginn über die Aufzeichnungen informiert worden ist. Ansonsten ist aus der Unterzeichnung des Therapievertrages und seiner Abwicklung bis November 2008 herzuleiten, dass die Verfahrensweise für die Zeit vor der Unterzeichnung des Therapievertrag genehmigt worden ist. Andernfalls wäre eine hypothetische Einwilligung gegeben, weil die Klägerin später in Kenntnis der Weitergabe der Informationen die Therapie fortgeführt hat und damit belegt, dass sie bei frühzeitigere Kenntnis ebenfalls die Therapie hätte durchführen lassen.
84Eine Haftung der Beklagten ist damit insgesamt nicht gegeben. Die die Klage abweisende Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.
85Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 543 ZPO.
86Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.