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Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 15.09.2015 wird der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 26.08.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 02.09.2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts Werl vom 19.08.2014 abgeändert und zugunsten der Beteiligten zu 1) für die der Rechtssuchenden aufgrund der Beratungshilfebewilligung vom 19.02.2014 gewährte Beratungshilfe über den bereits durch Festsetzungen vom 14.05.2014 und 06.06.2014 festgesetzten Betrag von 359,98 EUR hinaus ein weiterer Betrag i.H.v. 41,95 EUR als aus der Landeskasse zu zahlende Beratungshilfevergütung gem. § 44 RVG festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf dem Antrag vom 21.05.2014.
Die weitergehende weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist kraft Zulassung nach §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 33 Abs. 6 RVG zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
3I.
4Die Beantwortung der Frage, in welchem Umfange dem Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt Gebührenansprüche erwachsen, hängt von der Auslegung des Begriffes der „Angelegenheiten“ in § 2 Abs. 2 BerHG ab.
51.
6Das Gebührenrecht des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes regelt unmittelbar nur die Höhe einer einzelnen Gebühr und deren Abgeltungsumfang.
7Nach § 44 S. 1 RVG erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung von der Staatskasse in Höhe der nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Anlage 1, Teil 2, Abschnitt 5 VV RVG (Nr. 2500 bis 2508) vorgesehenen Gebühr. Die Gebühr ist in den vorgenannten Vorschriften als Pauschalbetrag, unabhängig vom Wert des bzw. der Gegenstände der Beratung, geregelt. Nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 RVG entgilt die nur einmal anfallende Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung in einer bestimmten Angelegenheit.
82.
9Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist die Erteilung eines Berechtigungsscheins außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in einer Angelegenheit i. S. von § 2 Abs. 2 BerHG. Damit bildet der beratungshilferechtliche Begriff der Angelegenheit die Grundlage für den Vergütungsanspruch des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts; er erhält pro Angelegenheit i. S. von § 2 Abs. 2 BerHG die gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühren.
103.
11Das Beratungshilfegesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zum Begriff der Angelegenheit i. S. von § 2 Abs. 2 BerHG. Für die Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beratungshilfe aber auf Erkenntnisse zum gleichlautenden gebührenrechtlichen Begriff im RVG zurückgegriffen werden. Zwar ist auch der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt, für seine Auslegung bestehen jedoch weitere Anknüpfungspunkte. Dies betrifft insbesondere den Sinn der Begriffsbestimmung. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörigen Tätigkeitsbereichs, den eine Gebühr i. S. von § 15 Abs. 1 RVG abdecken soll. Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks ist davon auszugehen, dass für die Zuordnung einzelner Gegenstände zu einer Angelegenheit jedenfalls regelmäßig ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegen muss (vgl. Hartmann, KostG, 42. Aufl. 2012, § 15 RVG Rn. 9 ff., insbes. 14 m. w. N.). Insoweit kommt es jedoch nicht auf den u.U. auch bei mehreren verschiedenen Angelegenheiten einheitlichen Anlass der Beauftragung, d. h. den Auslöser des Beratungsbedarfs, oder auf die - u.U. mehr oder weniger willkürliche - Zusammenfassung von Gegenständen in einem Auftrag an, sondern allein darauf, ob sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen von anderen Sachverhalten abgrenzbaren Lebensvorgang bezieht und eine eigenständige anwaltliche Leistung erfordert (vgl. auch OLG Rostock, Beschluss v. 25.11.2010, 10 WF 124/10 - zitiert nach juris). Zudem hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 16 bis 19 RVG beispielhafte Aufzählungen vorgenommen, welche eine einfachere Ermittlung ermöglichen sollen, ob bei verschiedenen - allerdings überwiegend allein im Rahmen von gerichtlichen Verfahren ausgeübten - Tätigkeiten eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen (krit. dazu Hartmann, a. a. O., § 16 RVG Rn. 1 f.).
124.
13Im Rahmen der Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit ist aber schließlich auch zu berücksichtigen, ob dadurch u.U. eine derartige Vergütungsbegrenzung bewirkt wird, dass sie dem Rechtsanwalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 31.10.2001, 1 BvR 1720/01, FuR 2002, 187; OLG Dresden, a. a. O. - in juris Tz. 8 f.). Denn der Rechtsanwalt wird für die Beratungshilfe von Gesetzes wegen in die Pflicht genommen und kann sich dem Auftrag grundsätzlich nicht entziehen. Der gegen die Staatskasse gerichtete Gebührenanspruch für eine Angelegenheit ist äußerst niedrig und pauschal, d. h. unabhängig vom Wert der Gegenstände der Beratung bemessen, was u.U., je nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit bzw. nach den mit der Beratung verbundenen, eventuell auch erheblichen Haftungsrisiken zu unzumutbaren Belastungen des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts führen kann.
14II.
15Die Auslegung nach diesen Maßstäben führt hier dazu, dass die aufgrund der Gewährung von Beratungshilfe in „Trennung und Folgesachen“ erfolgte Beratung/Vertretung durch die Beteiligte zu 1) in 5 „Angelegenheiten“ i. S. von § 2 Abs. 2 BerHG erfolgt ist.
161.
17Grundsätzlich ist die Beurteilung, ob die Gewährung von Beratungshilfe in einer familienrechtlichen Auseinandersetzung, die mehrere der in § 111 FamFG aufgeführten Arten von Familiensachen beinhaltet, eine Angelegenheit i. S. von § 2 Abs. 2 BerHG darstellt oder mehrere Angelegenheiten, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung ist jedoch (unter gleichzeitiger Berücksichtigung der oben genannten unzumutbaren Vergütungsbegrenzung des beratenden Rechtsanwalts aus Praktikabilitätserwägungen heraus eine typisierende Betrachtung geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall eventuell zu erzielen wäre, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob eine Zusammenfassung verschiedener Beratungsgegenstände in Betracht kommt oder nicht (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 28.03.2013, 2 W 25/13, juris).
182.
19Ausgehend von den im Rahmen der Gewährung der Beratung zu berücksichtigenden jeweiligen Lebenssachverhalten, deren Abgrenzbarkeit untereinander und den jeweils angesprochenen Tätigkeitsfeldern des Anwalts wird dürfte es im Regelfall angemessen sein, zwischen folgenden, bis zu sechs verschiedenen beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe zu unterscheiden (OLG Naumburg, aaO):
20 Ehesachen i. S. von §§ 111 Nr. 1, 121 FamFG,
21 Kindschaftssachen i. S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i. V. m. 266 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG),
22 Ehewohnungs- und Haushaltssachen i. S. von §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG,
23 Versorgungsausgleichssachen i. S. von §§ 111 Nr. 7, 217 FamFG,
24 Unterhaltssachen i. S. von §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG (d. h. sowohl Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie
25 Güterrecht i. S. von §§ 111 Nr. 9, 261 FamFG und sonstige Vermögensauseinandersetzungen (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i. V. m. 266 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG).
26a.
27Die Differenzierung der familienrechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe in Ehesachen, Kindschaftssachen und Unterhaltssachen entspricht inzwischen der zumindest überwiegenden Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 09.02.2009, Wx 252/08, FamRZ 2009,1345; OLG Rostock, Beschluss v. 25.11.2010, 10 WF 124/10; OLG Nürnberg, Beschluss v. 29.03.2011, 11 WF 1590/10, MDR 2011, 759; OLG Celle, Beschluss v. 14.07.2011, 2 W 141/11, NJW 2011, 3109; OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.10. 2012, 8 W 379/11, RPfl 2013, 101).
28Soweit zum Teil (OLG Köln aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2012, 3 Wx 189/12, juris) weiter zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt differenziert wird, ist diese Unterscheidung bei der grundsätzlich gebotenen typisierenden Betrachtung nicht erforderlich. Denn die Beratung in beiden Arten von Unterhaltssachen bezieht sich hinsichtlich des Bedarfs der Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit einschließlich Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten regelmäßig auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt; in den hier häufig vorkommenden Fällen der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit sind beide Gegenstände zusätzlich miteinander verbunden (ebenso OLG Naumburg, aaO, m.w.Nachw..; OLG Koblenz, Beschluss v. 23.11.2011, 4 W 554/11, JurBüro 2012, 419).
29b.
30Ebenso entspricht es inzwischen der vorherrschenden Rechtsprechung, die Ehewohnungs- und Hausratssachen als eigenständige Angelegenheit im Rahmen der Auseinandersetzungen bei Beendigung der Ehe anzusehen (vgl. OLG Naumburg aaO, m.w.Nachw.).
31c.
32In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden die weiteren finanziellen Auswirkungen der Beendigung der Ehe uneinheitlich behandelt; wohl überwiegend werden Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Versorgungsausgleich u.ä. als eine Angelegenheit angesehen (so OLG Nürnberg aaO; OLG Celle aaO; OLG Stuttgart, aaO; OLG Schleswig, Beschluss vom 25.04.2013, 9 W 41/13, juris; OLG München, Beschluss vom 26.02.2015, 11 WF 1738/14; juris), teilweise erfolgt allerdings eine weitergehende Differenzierung (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.).
33Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 04.03.2014, 25 W 305/13, nicht veröffentlicht) ist es jedenfalls als sachgerecht anzusehen, zum einen die Beratung in Unterhaltssachen als eine eigenständige anwaltliche Tätigkeit mit spezifischen tatsächlichen Grundlagen und u.U. auch spezifischen Haftungsrisiken zu bewerten. In gleicher Weise gilt dies zum anderen auch die Beratungen betreffend den Versorgungsausgleich, die sich hinsichtlich der Zielrichtung der erforderlichen Sachaufklärung und der erforderlichen rechtlichen Beurteilungen deutlich von den allgemeinen Vermögensauseinandersetzungen zwischen Geschiedenen, insbesondere im Rahmen des Güterrechts abheben, was im Regelfall eine Bewertung als eigenständige Angelegenheit rechtfertigt. Dies mag nur bei besonders einfach gelagerten Fällen anders zu bewerten sein.
34III.
35Die von der Beteiligten zu 1) geltend gemachten Beratungsleistungen sind unter Berücksichtigung der vorgenannten Fallgruppen damit in 5 verschiedenen Angelegenheiten erbracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine von der typisierenden Betrachtung abweichende Beurteilung im Einzelfall geboten sein könnte, liegen nicht vor:
361. Beratung im Hinblick auf Scheidung (Ehesachen i. S. von §§ 111 Nr. 1, 121 FamFG).
372. Beratung/Vertretung in Kindschaftssachen (i. S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG).
38Soweit die Beteiligte zu 1) die Beratungshilfeberechtigte im Hinblick auf die Geltendmachung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und der Einräumung eines Besuchsrechtes für den Ehemann sowie der Herausgabe der Krankenversicherungskarte und des Personalausweises des Kindes vertreten hat und diese im Hinblick auf das Sorgerecht bzw. die Anmeldung des Kindes beim Einwohnermeldeamt beraten hat, betreffen diese Tätigkeiten sämtlich den Komplex der elterlichen Sorge bzw. des Umgangsrechtes und werden insgesamt von der Angelegenheit „Kindschaftssachen“ i. S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG umfasst. Eine weitere Differenzierung als jeweils gesonderte Angelegenheiten sieht der Senat insbesondere im Hinblick auf den Aufwand und das Haftungsrisiko der Beteiligten zu 1) nicht als gerechtfertigt an.
393. Beratung/Vertretung in Unterhaltssachen (i. S. von §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG).
40Die Beratung und Vertretung im Hinblick auf die Geltendmachung von Kindes- und Trennungsunterhalt wird aus oben ausgeführten Gründen insgesamt von der Angelegenheit „Unterhaltsachen“ erfasst. Aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise eine andere Betrachtung gerechtfertigt wäre.
414. Beratung im Hinblick auf den Hausrat (Ehewohnungs- und Haushaltssachen i. S. von §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG).
425. Beratung im Hinblick auf den Versorgungsausgleich (i. S. von §§ 111 Nr. 7, 217 FamFG).
43Da die Beteiligte zu 1) für ihre Tätigkeit in den Angelegenheiten zu Ziff. 1) – 4) bereits die ihr zustehende Vergütung erhalten hat, war ihr danach lediglich für die Tätigkeit zu Ziff. 5) eine weitere Beratungsgebühr gem. Ziff. 2501 VV RVG zzgl. Mehrwertsteuer i.H.v. brutto 41,65 € zuzusprechen.
44C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.