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Eine auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs aus § 648 BGB auf eine Bauhandwerker-Sicherungshypothek gerichtete einstweilige Verfügung ist gem. § 939 ZPO aufzuheben, wenn der Besteller eine ausreichende Sicherheit in Form der Hinterlegung oder einer Bürgschaft stellt, da in diesem Fall zumindest das Erfordernis einer vorläufigen Sicherung beseitigt wird (Anschluss an RG, Urteil v. 28.8.1903, Az. VII 32/03, RGZ 55, 140, 143; OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.2.1984, Az. 23 U 82/83, BauR 1985, 334, 336).
Ausreichend ist eine anderweitige Sicherheit, wenn sie der Sicherungshypothek quantitativ und qualitativ gleichwertig ist, während es nicht darauf ankommt, ob die Grundbucheintragung dem Auftragnehmer eine stärkere Verhandlungsposition verschafft (Anschluss an KG, Urteil v. 29.7.2008, Az. 7 U 230/07, IBR 2010, 335; Abgrenzung zu OLG Hamm, Urteil v. 27.10.1992, Az. 26 U 132/92, BauR 1993, 115, 117).
Die ausreichende anderweitige Sicherung des Bauhandwerkers im Sinne von § 939 ZPO kann sowohl im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gem. § 924 ZPO als auch unter dem Gesichtspunkt veränderter Umstände gem. § 927 ZPO geltend gemacht werden, so dass ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung nicht erforderlich ist; über den Antrag gem. § 939 ZPO ist deshalb auch nach Rücknahme des Widerspruchs zu entscheiden.
Sicherheit im Sinne von § 939 ZPO kann in Form einer Bürgschaft nicht durch Hinterlegung der Bürgschaftsurkunde gestellt werden, weil die Sicherheit erst bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags besteht und dieser den Zugang des Bürgschaftsversprechens beim Gläubiger voraussetzt (Anschluss an BGH, Beschluss v. 10. 4. 2008, Az. I ZB 14/07, NJW 2008, 3220, 3221).
1. Der Antrag der Berufungsklägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem am 4.3.2016 verkündeten Urteil des Landgerichts Essen (17 O 51/16) wird zurückgewiesen.
2. Die Berufungsklägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, da zur einstimmigen Überzeugung des Senats das Berufungsbegehren wegen offensichtlicher Unbegründetheit keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung in dieser Sache nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Eine mündliche Verhandlung ist zur einstimmigen Überzeugung des Senats nicht geboten.
3. Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung – auch aus Kostengründen - zurückgenommen oder weiter durchgeführt werden soll.
Gründe:
2I.
3Die Voraussetzungen einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem mit der Berufung angegriffenen Urteil sind nicht erfüllt.
4Eine Entscheidung gem. §§ 707 I 1, 719 I 1 ZPO setzt eine ausreichende Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsmittels voraus. Bei dessen Aussichtslosigkeit kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht. Außerdem ist der Grundsatz zu beachten, dass regelmäßig kein Anlass zu einer einstweiligen Einstellung gegen Sicherheitsleistung besteht, wenn der Gläubiger ohnehin erst gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann (OLG Rostock, NJOZ 2006, 2053; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 707 Rn. 12).
5Hier fehlt es bereits an einer ausreichenden Erfolgsaussicht der Berufung, die der Senat für offensichtlich unbegründet hält.
6Zudem rechtfertigt auch die Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Parteien einen vorläufigen Vollstreckungsschutz zugunsten der Berufungsklägerin nicht, denn diese ist angesichts der Hinterlegung des Betrags von 70.000 € durch die Berufungsbeklagte in wirtschaftlicher Hinsicht ausreichend gesichert. Die Hinterlegung erfolgte zwar zwecks Schaffung der materiellen Voraussetzung für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und nicht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens, sie bewirkt indes gleichwohl, dass die mit einer Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft für die Berufungsklägerin verbundenen Risiken abgedeckt sind. Diese hätte zudem ihrerseits gem. § 711 ZPO die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung abwenden können.
7II.
8Die zulässige Berufung gegen das im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Urteil stellt sich als nicht begründet dar.
9Gem. § 513 I ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
101.
11Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit des Verfahrens bei der Bescheidung des Antrags gem. § 939 ZPO bestehen nicht. Insbesondere hat die Kammer den Anspruch der Berufungsklägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 GG nicht verletzt.
12a)
13Die Kammer hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antrag sowohl in Verbindung mit einem Widerspruch gem. § 924 ZPO als auch im Verfahren gem. § 927 ZPO gestellt werden kann (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 939 Rn. 2; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 939 Rn. 3; MüKo/Drescher, ZPO, 4. Aufl., § 939 Rn. 3-4), also insbesondere im Hinblick auf das Erbieten zur Sicherheitsleistung.
14Hier hat die Berufungsbeklagte den Aufhebungsantrag gem. § 939 ZPO zunächst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gestellt und den Widerspruch als solchen erst später zurückgenommen. Dieses Vorgehen hinderte die gerichtliche Entscheidung über den zunächst in zulässiger Weise gestellten und ausdrücklich aufrecht erhaltenen Antrag gem. § 939 ZPO anlässlich der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung nicht.
15Insofern kann im Ergebnis nichts anderes gelten als bei einem Anerkenntnis des Anspruchs auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung der Bauhandwerkersicherungshypothek. In einem solchen Fall wäre über den Aufhebungsantrag dennoch zu entscheiden (OLG Köln, NJW 1975, 454). Dem Vorbringen der Berufungsbeklagten war ohne weiteres zu entnehmen, dass sie zwecks Vereinfachung des Verfahrens den Streit auf das Erbieten der Sicherheitsleistung zwecks Aufhebung der einstweiligen Verfügung beschränken wollte und nur deshalb die Rücknahme des Einspruchs erklärte. Vor diesem Hintergrund hätte ggf. eine interessengerechte Auslegung ihrer Erklärung erfolgen müssen.
16Das gewählte Vorgehen des Landgerichts diente in dieser prozessualen Situation der Verfahrensökonomie, ohne dass der Berufungsklägerin dadurch Nachteile erwachsen wären, denn sowohl der Antrag als auch der zu seiner Begründung gehaltene Vortrag aus dem Schriftsatz vom 17.2.2016 waren ihr bekannt, so dass sie bei Erhalt der Terminsladung am 22.2.2016 damit rechnen musste, dass über den Aufhebungsantrag gem. § 939 ZPO verhandelt würde.
17b)
18Selbst wenn insoweit dennoch Verfahrensfehler anzunehmen wären, beruht die Entscheidung darauf jedenfalls nicht. Vielmehr sind solche Mängel geheilt.
19Nachdem die Berufungsbeklagte den Widerspruch zurückgenommen hatte, hat die Berufungsklägerin ausdrücklich zur Zulässigkeit und Begründetheit des Aufhebungsantrags Stellung genommen und am 4.3.2016 zur Sache verhandelt, ohne insoweit Verfahrensrügen zu erheben.
20Hinsichtlich der nunmehr gerügten Nichteinhaltung der Ladungsfrist ist - angesichts des Vortrags der Berufungsklägerin zur Unzulässigkeit des Antrags gem. § 939 ZPO außerhalb des Widerspruchsverfahrens in deren Schriftsatz vom 3.3.2016 - davon auszugehen, dass ihr der Verfahrensmangel bekannt war. Ihre rügelose Einlassung führte dementsprechend gem. § 295 I ZPO jedenfalls zur Heilung eines insofern möglicherweise gegebenen Verfahrensfehlers, denn auf die Einhaltung der Ladungsfrist kann die Partei verzichten, so dass § 295 II ZPO nicht eingreift (BverwG, NJW 1989, 601; Huber in Musielak/Voit, a.a.O., § 295 Rn. 4).
21Mit den gegen den Antrag aus § 939 ZPO vorgebrachten Einwendungen der Berufungsklägerin hat sich die Kammer inhaltlich auseinandergesetzt. Sie hat diese sowohl im Tatbestand des Urteils zusammenfassend wiedergegeben als auch in den Entscheidungsgründen in Bezug auf Zulässigkeit und Begründetheit rechtlich gewürdigt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nicht vor.
222.
23In Bezug auf die rechtlichen Erwägungen der Kammer zur Begründetheit des auf § 939 ZPO gestützten Antrags der Berufungsbeklagten sind Rechtsfehler nicht ersichtlich. Die gem. § 529 I ZPO maßgeblichen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht. Die mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
24Die Voraussetzungen einer Aufhebung gem. § 939 ZPO sind hier erfüllt, denn die Berufungsbeklagte hat als Bauträgerin ein ganz erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, am planmäßigen Vertrieb der Wohneinheiten nicht durch ein dingliches Sicherungsrecht der Berufungsklägerin längerfristig gehindert zu sein, während der Sicherungszweck des § 648 BGB durch die erbotene Sicherheit vollständig befriedigt wird.
25Zwar setzt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gem. § 939 ZPO besondere Umstände voraus, diese liegen jedoch schon dann vor, wenn der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise auch durch Leistung einer Sicherheit vollständig verwirklicht werden kann. Das kommt hauptsächlich in Betracht bei einstweiligen Verfügungen wegen einer Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB; dann genügt auch die Hinterlegung der streitigen Werklohnforderung. Auf Seiten des Antragsgegners müssen nicht zusätzlich besondere Umstände vorliegen (RG, Urteil v. 28.8.1903, Az. VII 32/03, RGZ 55, 140, 142; Huber in Musielak/Voit, a.a.O., § 939 Rn. 2; Schmitz in Kniffka u.a., Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 648 Rn. 51). Die Hinterlegung von Sicherheit im Sinne von § 939 ZPO rechtfertigt regelmäßig die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, wenn die im Austausch gestellte Sicherheit in qualitativer und quantitativer Hinsicht mindestens die gleiche Werthaltigkeit wie die Bauhandwerkersicherungshypothek bietet (Sacher in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 13. Teil Rn. 43). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass die Eintragung einer Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung nur der Sicherung des Anspruchs auf die Hypothek selbst dient und diese vorläufige Sicherung eben auch durch eine anderweitige Sicherheitsleistung erreicht werden kann, die zumindest den Grund für eine vorläufige Sicherung des Gläubigers im Wege der einstweiligen Verfügung als eine eigene Maßnahme entfallen lässt (OLG Düsseldorf, BauR 1985, 334, 336; RG, a.a.O., 143).
26a)
27Diese Anforderungen hat die Berufungsbeklagte erfüllt, indem sie zunächst schriftsätzlich Hinterlegung des maßgeblichen Geldbetrags anbot und inzwischen tatsächlich den Betrag von 70.000 €, der den mit der Vormerkung gesicherten Betrag um mehr als 10.000 € übersteigt, hinterlegt hat. Die Hinterlegung bietet der Berufungsklägerin eine insolvenzfeste Sicherheit. Sie ist dementsprechend als qualitativ und quantitativ mindestens gleichwertig mit der Vormerkung anzusehen, zumal die Berufungsbeklagte glaubhaft gemacht hat, dass die streitgegenständlichen Grundstücke weitgehend mit vorrangigen Grundpfandrechten, die der Sicherung der Finanzierung dienen, belastet sind.
28b)
29Vor diesem Hintergrund ist auch die vom Landgericht getroffene Anordnung der Aufhebung der einstweiligen Verfügung auch gegen Stellung einer Bürgschaft, die in tatsächlicher Hinsicht durch Hinterlegung des Geldbetrags überholt ist, in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
30Gleichwertigkeit ist nämlich auch bei Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines geeigneten Bürgen insbesondere im Verhältnis zu einer nachrangig eingetragenen Bauhandwerker-Sicherungshypothek anzunehmen. Zumeist bietet eine Bürgschaft hinsichtlich des durch § 648 BGB allein gesicherten Anspruchs des Unternehmers auf Werklohn für bereits erbrachte Leistungen sogar eine wirksamere Sicherung als die an hinterer Rangstelle eingetragene Hypothek bzw. eine den Eintragungsanspruch sichernde Vormerkung, denn regelmäßig wird das Baugrundstück bereits bei Baubeginn bis an die Grenze der Beleihungsfähigkeit belastet sein (vgl. dazu BGH NZBau 2010, 495, 497). Unbeachtlich ist hingegen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Hinblick auf den Normzweck des § 648 BGB der Wunsch des Auftragnehmers, durch die Vormerkung Druck auf den am Weiterverkauf interessierten Auftraggeber ausüben zu können, da § 648 BGB nur das Sicherungsbedürfnis und nicht das damit verbundene Druckpotential schützt (KG, IBR 2010, 335; Sacher, a.a.O.; Schmitz, a.a.O., Rn. 52, 55). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob das dingliche Sicherungsmittel dem Werkunternehmer im Verhältnis zum Auftraggeber eine stärkere Position verschafft (so wohl OLG Hamm, BauR 1993, 115, 117).
31Die gem. § 648 BGB zu stellende Sicherheit soll demnach gerade nicht – wie die Berufungsklägerin meint – dem Werkunternehmer ein Druckmittel zur Stärkung seiner Verhandlungsposition verschaffen. Das muss erst Recht für die nur zur Sicherung des Sicherungsinstruments bestimmte Vormerkung gelten, die aufgrund eines einstweiligen Verfügungsverfahrens eingetragen worden ist.
32Im Übrigen sind Ausführungen zur Gleichwertigkeit einer Prozessbürgschaft, bei der keine Gewissheit bestand, ob sie einen Betrag in ausreichender Höhe absicherte (OLG Hamm, a.a.O.), wegen der tatsächlichen Unterschiede ohnehin nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar.
333.
34Soweit das Landgericht der Berufungsbeklagten unter Ziff. II. des Urteilstenors nachgelassen hat, die Stellung der Sicherheit durch Hinterlegung der Bürgschaftsurkunde zu erbringen, findet das – wie die Berufungsklägerin zu Recht rügt – im Gesetz keine Stütze. Es kommt bei einem derartigen Verfahren mangels Zugang des Bürgschaftsversprechens beim Gläubiger nicht zum wirksamen Abschluss eines Bürgschaftsvertrags, so dass die Bürgschaft als Sicherheit rechtlich noch nicht existiert, solange die Urkunde nicht der Berufungsklägerin zugegangen ist (vgl. BGH NJW 2008, 3220, 3221).
35Das verhilft indes der Berufung nicht zum Erfolg, weil das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht.
36Die erstinstanzliche Entscheidung beruht nur dann im Sinne von § 513 ZPO auf einem Rechtsfehler, wenn die richtige Anwendung des materiellen Rechts zu einem für den Berufungsführer günstigeren Ergebnis führt (Zöller/Heßler, a.a.O., § 513 Rn. 5).
37Das ist hier nicht der Fall, denn an dem materiell-rechtlichen Ergebnis, wonach die Voraussetzungen einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen die erbotene Sicherheitsleistung erfüllt sind, ändert sich nichts. Der Berufungsklägerin sind auch keine Nachteile aus der fälschlich getroffenen Anordnung erwachsen, weil tatsächlich nicht Sicherheit durch Hinterlegung einer Bürgschaftsurkunde, sondern des Geldbetrags geleistet worden ist. Damit liegt eine mindestens gleichwertige Sicherheit im Sinne von § 939 ZPO vor, was gem. §§ 927, 936 ZPO zu berücksichtigen ist.