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Wechselnder und teilweise widersprüchlicher Vortrag des Versicherungsnehmers kann die Redlichkeitsvermutung entfallen lassen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.07.2015 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 5.768,62 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht wegen einer behaupteten Entwendung mehrerer Fahrzeugteile Entschädigungsansprüche aus einer Kaskoversicherung geltend.
4Der Kläger meldete am 15.06.2013 gegen 8:30 Uhr bei der Polizeiwache B die Entwendung u.a. eines kombinierten Navigations-/Informationssystems aus der Mittelkonsole des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs. Laut Strafanzeige gab er an, das Fahrzeug um 0:00 Uhr gegenüber seines Hauses V C 2 in H in der dortigen Parkbucht abgestellt zu haben. Am Morgen des 15.06.2013 befand sich der PKW in der geschilderten Parkbucht mit geöffnetem Schiebedach. Die Armaturen rechts neben dem Lenkrad waren offen gelegt. Die ermittelnden Polizeibeamten konnten keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen in das Fahrzeug oder Hineinklettern durch das Schiebedach feststellen.
5Der Kläger hat den Ersatz eines Betrages in Höhe von 5.768,62 € begehrt. Er hat behauptet, er habe das Fahrzeug verschlossen abgestellt, auch das Schiebedach sei geschlossen gewesen.
6Die Beklagte hat dies bestritten.
7Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen X und E abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe nicht bewiesen, dass es in der angeblichen Tatzeit zu einem Diebstahl von Teilen aus dem versicherten Fahrzeug gekommen sei. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe den wegen der sonst drohenden Entwertung des Versicherungsschutzes in der Regel ausreichenden Minimalsachverhalt zwar vorgetragen, jedoch nicht bewiesen. Er habe unterschiedliche Angaben zur Abstellzeit gemacht, insbesondere stünden seine Angaben zum Abstellort in Widerspruch zu den glaubhaften Angaben der Zeugin X.
8Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
9Er rügt die Wertung, dass nach der Beweisaufnahme die Minimaltatsachen nicht bewiesen sein sollen. Weiter erkenne er keinerlei Widersprüche in seinen Angaben zu der Aussage der Zeugin X. Auf etwaige Widersprüche sei er nicht hingewiesen worden, so dass es sich um eine Überraschungsentscheidung handele. Weiter bestätige die Zeugin X nunmehr, dass die Parkbucht gegenüber des Hauses des Klägers der Abstellort gewesen sei, den sie in der Vernehmung bezeichnet habe.
10Der Kläger beantragt,
11das Urteil des LG Münster vom 30.07.2015 (Az. 115 O 31/14) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.768,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2013 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.
15Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
18Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der Entwendung des Navigationssystems und der Beschädigung des Fahrzeugs infolge der Entwendung gem. § 1 VVG i.V.m. A.2.2.2 AKB.
19Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein Versicherungsfall gemäß A. 2.1 AKB vorliegt.
20Zwar sind an den Nachweis einer Entwendung von Teilen des versicherten Fahrzeugs keine strengen Anforderungen zu stellen, um den Versicherungsschutz nicht zu entwerten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt es daher, dass Tatsachen feststehen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lässt (vergleiche BGH, NJW 1996, S. 993 ff.; BGH, Versicherungsrecht 1984, S. 29 ff.). Diese Beweisregelung gilt entsprechend für die Entwendung von Teilen des abgestellten Fahrzeugs (OLG Hamm, Urteil v. 08.02.2012, 20 U 172/11- juris-). Der Versicherungsnehmer muss zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO nachweisen, dass er das Fahrzeug mit den vom ihm als entwendet behaupteten Fahrzeugteilen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit unbeschädigt und verschlossen abgestellt und später an diesem Ort ohne diese wieder aufgefunden hat (OLG Hamm, Urteil v. 20.07.2015, 20 U 114/15 –juris-).
21Soweit der Kläger Zeugen dafür benannt hat, dass er das Fahrzeug unbeschädigt und verschlossen am Abend in einer Parkbucht gegenüber von seinem Haus abgestellt hat, so konnte dies weder vom Zeugen E noch von der Zeugin X bestätigt werden.
22Der Zeuge E hat ausgesagt, dass er gesehen habe, dass der Kläger, nachdem er mit diesem zu seinem Haus gefahren sei, das Fahrzeug halb schräg, mit dem Heck noch auf der Straße stehend, abgestellt habe. Er, der Zeuge, sei nur ganz kurz geblieben und dann wieder in sein Auto eingestiegen und nach Hause gefahren. Der Zeuge konnte weder etwas dazu aussagen, dass der Kläger das Fahrzeug dann –wie vom Kläger selbst vorgetragen - neben sein Haus gefahren hat, wo es von der Zeugin X besichtigt wurde, noch dazu, dass der Kläger, wie dieser behauptet, dass Fahrzeug dann wieder in die Parkbucht vor seinem Haus zurückgefahren und dort unversehrt abgestellt hat.
23Auch die Zeugin X konnte im Termin vor dem Senat, ebenso wie im Termin vor dem Landgericht, nur dazu aussagen, dass der Kläger zunächst sein Fahrzeug kurz in der Parkbucht gegenüber seinem Haus abgestellt hatte, nachdem er mit dem Zeugen E angekommen war und dass der Kläger den PKW dann, gegen 18.00 Uhr -18.30 Uhr auf die Auffahrt neben seinem Haus gefahren hat und dass sie, die Zeugin, den PKW dort besichtigt hat. Die Zeugin X konnte sich jedoch auch in dem Termin vor dem Senat nicht daran erinnern, gesehen zu haben, dass der Kläger das Fahrzeug dann wieder zurück in die Parkbucht vor seinem Haus gestellt hat. Sie konnte auch nicht bestätigen, das Fahrzeug dort abgestellt gesehen zu haben.
24Erst recht konnte sie nicht - wie in der Berufung vorgetragen - bestätigen, dass das Fahrzeug des Klägers in der Parkbucht vor dem Haus von ihr besichtigt wurde. Dies hat jedoch auch der Kläger persönlich im Termin vor dem Senat nicht mehr vorgetragen.
25Anhand der Zeugenaussagen hat der Kläger somit den von ihm behaupteten Minimalsachverhalt, das Abstellen des unbeschädigten Fahrzeugs in der Parkbucht vor seinem Haus am fraglichen Abend, nicht bewiesen.
26Das Mindestmaß an Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild einer bedingungsgemäß versicherten Fahrzeugentwendung erschließen lässt, kann grundsätzlich auch dadurch bewiesen werden, dass das Gericht allein den Angaben des klagenden Versicherungsnehmers, gegebenenfalls nach seiner Anhörung nach § 141 ZPO, Glauben schenkt und sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO die Überzeugung von einer tatsächlichen Fahrzeugentwendung verschafft.
27Dabei gilt eine Vermutung für die Redlichkeit des Versicherungsnehmers.
28Vom Regelfall des redlichen Versicherungsnehmers kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, aufgrund derer sich schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen aufdrängen.
29Entsprechende Tatsachen, die solche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers begründen, sind im hier vorliegenden Fall aufgrund des wechselnden, teilweise widersprüchlichen Tatsachenvortrags des Klägers gegeben.
30Dabei ist berücksichtigt, dass nicht jede Divergenz zwischen den die Tatzeit und den Abstellort des Fahrzeugs betreffenden Angaben Widerlegung der Vermutung der Redlichkeit des Versicherungsnehmers rechtfertigen, sondern dass entsprechende Divergenzen auch auf einen ungenauen mündlichen Sprachgebrauch oder nachvollziehbar Irrtümer zurückzuführen sein können.
31Der Kläger hat hier jedoch zu der von ihm geschilderten Abstellsituation – die er grundsätzlich unter Zeugenbeweis gestellt hat - mehrfach unzutreffend vorgetragen.
32Er hat zunächst im Rahmen der Klageschrift angegeben, er habe das Fahrzeug in
33der Nacht vom 14. auf den 15. Juni 2013 gegen 0.00 Uhr gegenüber von seinem Haus in der dort gelegenen Parkbucht abgestellt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in der Klageschrift genannte Uhrzeit die nach eigenen Angaben des Klägers unzutreffend ist versehentlich in der Klageschrift aufgenommen wurde, so hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich erklärt, er habe das Auto ganz sicher so gegen 18.00 Uhr abgestellt und danach nicht mehr bewegt. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Termin vor dem Senat hat er das Fahrzeug jedoch zuerst in der Einfahrt geparkt und nachträglich in die Parkbucht versetzt. Der Kläger müsste das Fahrzeug somit unter Berücksichtigung seiner eigenen Angaben und der Aussagen der Zeugen X und E deutlich später als 18.00 Uhr, gegen 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr in der Parkbucht, in der es dann geöffnet aufgefunden wurde, abgestellt haben.
34Bereits diese wechselnden Angaben des Klägers führen dazu, dass der Senat sich hier keine ausreichende Überzeugung davon bilden kann, zu welchem Zeitpunkt das Fahrzeug abgestellt wurde. Dies ist jedoch der vom Kläger zu beweisende Minimalsachverhalt.
35Es kommt somit nicht mehr darauf an, dass der Kläger mit der Berufung vorgetragen hat, die Zeugin X könne bestätigen, dass sie das Fahrzeug nicht in seiner Auffahrt, sondern in der fraglichen Parkbucht – die in den der Berufung beigefügten Lichtbildern sogar farblich markiert war besichtigt und abgestellt gesehen - hat.
36Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.