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1.
Die vertragliche Vereinbarung einer über die Vorgaben des § 8 Abs.1 EEG (2012) hinausgehenden, den Vorbehalt des § 11 EEG ausschließenden Abnahmepflicht des Netzbetreibers ist gemäß § 4 Abs.2 S.1 EEG unwirksam.
2.
Der Entschädigungsanspruch des Anlagenbetreibers nach § 12 Abs.1 EEG (2012) setzt keine ferngesteuerte Reduktion der Einspeisung voraus. Auch eine Drosselung der Anlage durch vom Netzbetreiber zur Vermeidung der Gefahr von Netzengpässen verbindlich vorgegebene Einstellungen an den Sicherheitseinrichtungen der Anlage (Wechselrichter/Q/U-Schutzschalter) kann eine Reduzierung der Einspeisung im Sinne des § 12 EEG (2012) bewirken.
3.
Der Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs.1 EEG (2012) setzt nicht das Bestehen einer Netzausbaupflicht im Sinne des § 9 EEG (2012) voraus.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.05.2014 verkündete Teil- und Grundurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2A.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr.8 EGZPO abgesehen.
4B.
5Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach besteht. Zwar kann der Anspruch nach Auffassung des Senats nicht unabhängig von den Voraussetzungen des § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) aus § 280 Abs.1 BGB hergeleitet werden. Denn die vom Landgericht angenommene vertragliche Vereinbarung einer über die Vorgaben des § 8 Abs.1 EEG hinausgehenden unbeschränkten Abnahmepflicht wäre gemäß § 4 Abs.2 S.1 EEG (2012) unwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind jedoch die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs aus § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) erfüllt, weshalb die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis richtig ist und nicht auf einer Rechtsverletzung beruht.
6Nach § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) haben Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien einen Entschädigungsanspruch gegen den Netzbetreiber, wenn die Einspeisung von Strom aus der Anlage wegen eines Netzengpasses im Sinne des § 11 EEG (2012) reduziert worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt.
7I.
8Der Kläger ist Betreiber der an das Netz der Beklagten angeschlossenen Photovoltaikanlage.
9II.
10Die Einspeisung von Strom aus der Anlage des Klägers ist im streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2012 bis einschließlich August 2013 mehrfach wegen Netzengpässen im Sinne des § 11 EEG (2012) reduziert worden.
111.
12Eine Reduzierung der Einspeisung liegt vor, wenn der Anlagenbetreiber aufgrund einer vom Netzbetreiber veranlassten Drosselung der Anlage keinen oder weniger Strom ins Netz einspeisen konnte, als die Anlage zu diesem Zeitpunkt ohne die Maßnahme eingespeist hätte (vgl. etwa Hoppenbrock in Altrock/Oschmann/ Theobald, 4. Aufl., § 12 EEG, Rn.33 f.; Schäfermeier in Resthöft/Schäfermeier, 4. Aufl., § 12 EEG Rn.9). Diese Reduzierung muss wegen des Vorliegens oder der Gefahr des Eintritts eines Netzengpasses i.S.d. § 11 Abs.1 EEG (2012) erfolgt sein. Der Begriff des Netzengpasses ist hierbei gesetzlich nicht definiert. In der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass Netzengpässe bestehen, wenn die Spannungsbänder nicht eingehalten werden können oder die Strombelastbarkeit der Leitungen überschritten wird (Wustlich/Hoppenbrock in Altrock/ Oschmann/Theobald, 4. Aufl., § 11 EEG Rn.34 mit Nachweis der Fundstelle in BR-Drs.). Für das Verteilernetz definiert der „Distribution Code 2007“ das Vorliegen eines Netzengpasses, wenn „im ungestörten Betrieb die Betriebsmittel überlastet werden, das Netz nicht in der Lage ist, die einspeise- oder entnahmeseitig gewünschten Energieflüsse zu führen oder dies eine Gefährdung bzw. Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit beinhaltet (vgl. Wustlich/Hoppenbrock in Altrock/ Oschmann/Theobald, 4. Aufl., § 11 EEG Rn.34 ).
132.
14Nach dieser Maßgabe ist hier auf der Grundlage des unstreitigen Sachvortrags der Parteien eine Reduzierung der Einspeisung aufgrund von Netzengpässen im Sinne des § 11 Abs.1 EEG (2012) dem Grunde nach festzustellen.
15Die von dem Kläger geltend gemachten Ausfälle der klägerischen Anlage beruhen – wie die Beklagte schon in der mündlichen Verhandlung erster Instanz unstreitig gestellt und im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Senat erneut bestätigt hat - zumindest zum Teil auf Abschaltungen der Anlage nach Überschreitung des von der Beklagten errechneten Spannungsschwellwerts von 104,7 % im Netz, also auf Netzüberlastungen im oben dargestellten Sinne. Die Abschaltungen erfolgten automatisch aufgrund der von der Beklagten verbindlich vorgegebenen Einstellungen an den Sicherheitseinrichtungen (Wechselrichter; Q/U-Schutzschalter) der Anlage des Klägers (vgl. Ziff. 11 der in der Anschlussgenehmigung als verbindlich vorgegebenen Eckpunkte und Richtlinien). Die Drosselung der Anlage ist damit zum Zweck der Vermeidung von Netzengpässen durch die Beklagte veranlasst worden.
16Dass die Drosselung der Anlage nicht im Wege einer ferngesteuerten Reduktion i.S.d. §§ 11 Abs.1, 6 Abs.1 Nr.1 EEG (2012) erfolgt ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für den Anspruch aus § 12 Abs.1 EEG (2012) unerheblich. Denn anders als in seiner alten Fassung im EEG 2009 ist der Entschädigungsanspruch gerade nicht mehr auf den Fall beschränkt, dass alle Voraussetzungen des § 11 EEG vorliegen; nach § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) ist vielmehr ausreichend, dass wegen des Vorliegens oder der Gefahr eines Netzengpasses die Einspeisung reduziert worden ist (vgl. Hoppenbrock in Altrock/Oschmann/Theobald, § 12 EEG Rn.23 und Rn.35 ff. m.w.N.).
17III.
18Weitere Voraussetzungen für das Entstehen des Entschädigungsanspruchs sind in § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) nicht normiert. Insbesondere kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit nicht darauf an, ob die Beklagte bezogen auf den Netzverknüpfungspunkt, an den die Anlage angeschlossen ist, zu einem Netzausbau im Sinne des § 9 Abs.1 EEG (2012) verpflichtet ist.
19Die Annahme der Beklagten, ein Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) könne nur bestehen, wenn alle Voraussetzungen des § 11 EEG (2012) vorliegen, was wiederum das Bestehen einer Netzausbaupflicht im Sinne des § 9 EEG (2012) voraussetze, trifft nach Auffassung des Senats in mehrfacher Hinsicht nicht zu. Denn zum einen ist der Entschädigungsanspruch aus § 12 Abs.1 S.1 EEG (2012) – wie gezeigt - nach der Neufassung des EEG gerade nicht mehr auf den Fall beschränkt, dass alle Voraussetzungen des § 11 EEG (2012) vorliegen. Zum anderen ist die in der alten Fassung des § 11 Abs.1 S.2 EEG (2009) noch enthaltene rechtliche Verknüpfung des Einspeisemanagements mit Maßnahmen zum Netzausbau aufgrund der Neufassung des EEG gerade entfallen. Das belegen nach Auffassung des Senats sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck der Neufassung des § 11 EEG (2012) (vgl. hierzu etwa Wustlich/Hoppenbrock in Altrock/Oschmann/Theobald, 4. Aufl., § 11 EEG Rn. 63 ff.; Reshöft/Schäfermeier, 4. Aufl., § 11 EEG Rn. 12; Salje, 6. Aufl., § 11 EEG Rn.18; a.A. nur Altrock/ Vollprecht in ZNER 2011, 231, 235). Dem in § 11 Abs.1 S.1 EEG (2012) enthaltenen Zusatz „unbeschadet ihrer Pflicht nach § 9“ kommt danach lediglich die klarstellende Bedeutung zu, dass die Anwendung des Einspeisemanagements den Netzbetreiber nicht von einer etwaigen Pflicht zur Erweiterung der Netzkapazitäten befreit. Eine darüberhinausgehende Rechtswirkung hat der Zusatz nicht, insbesondere kann hieraus nicht die Voraussetzung abgeleitet werden, dass das Einspeisemanagement nur angewendet werden darf, wenn auch eine Pflicht zur Kapazitätserweiterung besteht (so ausdrücklich: Wustlich/Hoppenbrock in Altrock/Oschmann/Theobald, 4. Aufl., § 11 EEG Rn.64 und 65; Resthöft/Schäfermeier a.a.O.).
20Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der für den Anschluss gewählte Netzverknüpfungspunkt „C“ der gesetzliche Netzverknüpfungspunkt ist, und ob der Ausbau des Netzes an dieser Stelle nach § 9 Abs. 1 EEG (2012) geschuldet oder überobligatorisch ist, für die Entscheidung dieses Rechtsstreits unerheblich. Auch braucht die ebenfalls streitige Frage, ob die Beklagte den Kläger von Anfang an darauf hingewiesen hat, dass gesetzlicher Verknüpfungspunkt nicht der Verknüpfungspunkt „C“, sondern der Verknüpfungspunkt „D“ sei, nicht aufgeklärt zu werden.
21IV.
22Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt der Kläger schließlich nicht etwa treuwidrig, wenn er die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung wegen der Drosselung seiner Anlage verlangt, obwohl ihn die Beklagte bereits vor dem Anschluss der Anlage darauf hingewiesen hat, dass die Netzkapazität am Anschlusspunkt „C“ begrenzt sei und sie die Übernahme des hieraus resultierenden wirtschaftlichen Risikos ablehne. Hierzu gilt, dass das Gesetz es den Anlagen- und Netzbetreibern zwar in § 8 Abs.3 EEG (2012) ermöglicht, zur besseren Integration der Anlage in das Netz ausnahmsweise vertraglich zu vereinbaren, vom Abnahmevorrang gemäß § 8 Abs.1 EEG (2012) abzuweichen. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur unbeschadet des § 12 EEG (2012). Die Bestrebungen der Beklagten, sich einer Entschädigungspflicht nach § 12 EEG (2012) durch Hinweise an die Anlagenbetreiber oder durch die Vereinbarung von Haftungsausschlüssen zu entziehen, müssen daher jedenfalls an dem Verbot nachteiliger abweichender Vereinbarungen gemäß § 4 Abs.2 EEG (2012) scheitern. Wenn die Beklagte dem Kläger die Genehmigung für den Anschluss seiner Anlage am Netzverknüpfungspunkt „C“ erteilt und dort durch Vorgabe von Schwellenwerten oder auch durch ferngesteuerte Regelung der Anlagen ein Einspeisemangement betreibt, kann sie sich der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung nach § 12 EEG (2012) nicht durch einseitige Hinweise oder vertragliche Regelungen entziehen.
23C.
24Nach alledem war die Berufung gegen das Teil- und Grundurteil zurückzuweisen. Der Rechtsstreit ist nun im Betragsverfahren vor dem Landgericht fortzuführen.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S.1, 713 ZPO.