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Der Auskunftsanspruch zwischen unterhaltspflichtigen Eltern zur Ermittlung ihrer Haftungsquote nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB ist eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 FamFG.
Ist im Rahmen einer Familienstreitsache, auf die nach § 113 Abs. 1 FamFG die Kostenvorschriften der §§ 91 ff. ZPO Anwendung finden, streitig, ob die Kosten nach einem sofortigen Anerkenntnis gem. § 93 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen sind, weil der Antragsgegner zur Einleitung des Verfahrens durch sein Verhalten keine Veranlassung gegeben hat, so hat dieser darzulegen und zu beweisen, dass ihm das vorgerichtliche Aufforderungsschreiben des Antragstellers nicht zugegangen ist. Dem Antragsteller obliegt als sekundäre Darlegungslast lediglich, substantiiert darzulegen, dass das Aufforderungsschreiben abgesandt wurde.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 01.06.2015 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hagen abgeändert.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 600,- € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten um die Kostenverteilung nach übereinstimmender Erledigungserklärung.
4Die Beteiligten sind die Eltern des am ##.##.1997 geborenen Kindes C. Mit Schriftsatz vom 21.04.2015 hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin Auskunft über ihre Einkünfte in der Zeit vom 01.03.2014 bis 28.02.2015 sowie die Vorlage von entsprechenden Belegen verlangt. Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift vorgetragen, dass er die Antragsgegnerin vorprozessual mit Einschreiben vom 03.03.2015 aufgefordert habe, die begehrte Auskunft zu erteilen. Er hat als Anlage einen Einlieferungsbeleg vom 03.03.2015 für ein Einwurf-Einschreiben vorgelegt. Das Einschreiben sei – so der Antragsteller – gemäß Auskunft der Deutschen Post am 04.03.2015 zugestellt worden; insoweit hat er auf eine Bestätigung des Zugangs der Deutschen Post verwiesen.
5Das Amtsgericht hat das schriftliche Verfahren gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 276 ZPO angeordnet. Mit Schriftsatz vom 12.05.2015 hat die Antragsgegnerin ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt. Mit Schriftsatz vom 28.05.2015 hat sie den Anspruch des Antragstellers als „begründet“ anerkannt, Auskunft erteilt und zum Nachweis ihrer Einkünfte Gehaltsbescheinigungen für den geltend gemachten Zeitraum vorgelegt.
6Die Beteiligten haben in der Folgezeit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig den Antrag gestellt, die Kosten des Verfahrens der Gegenseite aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe entsprechend § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Sie habe ein Einwurf-Einschreiben, in dem sie zur Auskunft aufgefordert worden sei, vor Einleitung des Verfahrens nicht erhalten. Aus den Belegen der Deutschen Post gehe nicht hervor, welchen Inhalt das Einschreiben gehabt habe. Der Zugang einer vorgerichtlichen Aufforderung werde daher weder durch den Einlieferungsbeleg noch durch die vorgelegte Sendungsbestätigung der Deutschen Post nachgewiesen.
7Mit Beschluss vom 01.07.2015 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Hagen die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin den Auskunfts- und Beleganspruch im Sinne des § 93 ZPO sofort anerkannt habe. Die Antragsgegnerin habe auch keinen Anlass für das Verfahren gegeben, da der Antragsteller nicht bewiesen habe, dass der Antragsgegnerin das Aufforderungsschreiben vom 03.03.2015 tatsächlich zugegangen sei. Bei einem Einwurf-Einschreiben bestehe bei Vorlage des Einlieferungs- und Auslieferungsbeleges sowie eines Sendestatus kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung beim Empfänger. Dem Antragsteller hätte es offen gestanden, sein Schreiben als Einschreiben mit Rückschein zu versenden.
8Gegen den am 06.07.2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und behauptet ergänzend, die Antragsgegnerin sei nochmals mit Anwaltsschreiben vom 20.04.2015 angeschrieben worden, mit welchem ein als "Mahnung" bezeichnetes Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.03.2015 zurückgewiesen worden sei. Auch auf dieses Schreiben habe die Antragsgegnerin nicht reagiert.
9Der Antragsteller beantragt,
10unter Abänderung des Beschlusses vom 01.07.2015 die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
11Die Antragsgegnerin beantragt,
12die Beschwerde zurückzuweisen.
13Die Antragsgegnerin behauptet zunächst, dass ihr weder das Schreiben vom 03.03.2015 noch das Schreiben vom 20.04.2015 zugegangen sei. Sie räumt später ein, das Schreiben vom 20.04.2015 erhalten zu haben; es handele sich – was unstreitig ist – bei diesem Schreiben aber nicht um ein Auskunftsverlangen des Antragstellers.
14Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
15II.
16Gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ist gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91a Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet. Die nach § 567 Abs. 2 ZPO erforderliche Kostenbeschwer von über 200,- € wird erreicht, da der Antragsteller begehrt, die gesamten Kosten erster Instanz der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
17Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz hat nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91a Abs. 1 ZPO die Antragsgegnerin zu tragen.
181.
19Entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts waren die Kosten des Verfahrens nicht nach § 243 FamFG zu verteilen, da es sich bei dem vorliegenden Verfahren nicht um eine Unterhaltssache im Sinne des § 231 Abs. 1, 2 FamFG handelt. Der Antragsteller hat weder von der Antragsgegnerin Auskunft zur Geltendmachung eigener Unterhaltsansprüche verlangt, noch hat die Antragsgegnerin namens und mit Vollmacht ihrer unterhaltsberechtigten Tochter Auskunft erteilt. Das Verhältnis der Beteiligten wurde ausschließlich dadurch bestimmt, dass beide ihrer nunmehr volljährigen Tochter nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig unterhaltsverpflichtet sind. Der Antragsteller begehrte zur Ermittlung seines Haftungsanteils Auskunft von der Antragsgegnerin. Dieser Anspruch auf Auskunft ergibt sich nicht aus §§ 1580, 1605 BGB, sondern aufgrund der besonderen Rechtsbeziehungen der Eltern, die gegenüber gemeinschaftlichen Kindern gleichrangig unterhaltspflichtig sind, aus § 242 BGB (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1027 f.; FamRZ 2003, 1836 ff.; FamRZ 1988, 390 f.; Dose in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 1161 mwN). Es handelt sich damit um eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 FamFG, so dass für die zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die §§ 91 ff. ZPO anwendbar waren.
202.
21Gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91a Abs. 1 ZPO war nach Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
22a) Die Antragsgegnerin hat den Anspruch des Antragstellers ausdrücklich als „begründet“ anerkannt und gleichzeitig den geltend gemachten Anspruch erfüllt. Begibt sich ein Beteiligter durch sein vollzogenes Anerkenntnis in die Rolle des Unterlegenen, so rechtfertigt dieser Umstand es, ihm auch die Kosten des Verfahrens aufzulegen, wenn – wie hier – das Prozessverhalten keinen anderen Grund hat als den, dass der Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten im Ergebnis hingenommen wird (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 688 f.). Darüber hinaus hätte der Antragsteller auch bei streitiger Fortführung des Verfahrens obsiegt, da ihm ein Anspruch auf Auskunft gegen die Antragsgegnerin aus § 242 BGB zugestanden hat (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1027 f.; FamRZ 2003, 1836 ff.; FamRZ 1988, 390 f.; Dose in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 1161 mwN). Entsprechend der Regelung des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO entspricht es billigem Ermessen, die Antragsgegnerin als unterlegene Beteiligte mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.
23b) Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich nicht aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, der eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung des § 91 Abs. 1 ZPO enthält und im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO herangezogen werden kann (vgl. KG Berlin, NJW-RR 2012, 446 f.; Oberlandesgericht des landen Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.04.2012, 10 W 25/12, zit. nach juris; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 91a Rn. 25). Die Antragsgegnerin hat schon nicht bewiesen, dass entsprechend § 93 ZPO eine mutwillige Verfahrenseinleitung durch den Antragsteller vorlag.
24Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis streitig, ob der in Anspruch genommene Beteiligte Veranlassung zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben hat, so trifft den in Anspruch genommenen Beteiligten die Beweislast für die fehlende Veranlassung. Denn nach den allgemeinen Beweislastregeln muss der Beteiligte, der sich auf einen Ausnahmetatbestand zu seinen Gunsten beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und ggf. beweisen (vgl. BGH, MDR 2007, 1162 f. mwN). Diese für § 93 ZPO gefestigte Rechtsprechung gilt nach Ansicht des Senats auch für den Fall, dass der unterlegene Beteiligte im Rahmen des § 91a Abs. 1 ZPO die Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO einwendet, um eine für ihn günstigere Kostenentscheidung herbeizuführen. Denn objektive Gründe, die im Rahmen des § 91a Abs. 1 ZPO eine andere Beweislastverteilung als bei direkter Anwendung des § 93 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar (a.A. OLG Hamm, MDR 2011, 1319 f.). Insbesondere ist es der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen nicht unmöglich, den Nichtzugang einer Auskunftsaufforderung zu beweisen (vgl. OLG Hamm, MDR 2011, 1319 f.).
25Bei der Ausgestaltung der die Antragsgegnerin treffenden Darlegungs- und Beweislast ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von der Antragsgegnerin dazulegenden und zu beweisenden Umstand – kein Zugang des Aufforderungsschreibens vom 03.03.2015 – um eine negative Tatsache handelt. Dies führt nach ständiger Rechtsprechung zu einer sekundären Darlegungslast des Antragstellers; der Antragsteller ist ausnahmsweise verpflichtet, dem einfachen Bestreiten der Antragsgegnerin mit qualifiziertem Vortrag entgegenzutreten. Auf den Zugang des Schreibens vom 03.03.2015 bezogen bedeutet dies, dass der Antragsteller gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen. Eine weitergehende Verpflichtung des Antragstellers – etwa dahingehend, dass er besondere Versendungsformen zu wählen habe, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichen – wird aufgrund der sekundären Darlegungslast nicht begründet (BGH, MDR 2007, 1162 f.; a.A. OLG Hamm, MDR 2011, 1319 f.).
26Der Antragsteller hat substantiiert dargetan, dass er am 03.03.2015 das Aufforderungsschreiben vom selben Tag als Einwurf-Einschreiben zur Post gegeben hat; er hat zudem einen Einlieferungsbeleg der Deutschen Post für das Einwurf-Einschreiben mit der Nr. ###### vorgelegt. Der Antragsteller hat ferner eine Bestätigung der Deutschen Post zu den Akten gereicht, wonach die Sendung mit der Nummer ###### am 04.03.2015 zugestellt worden ist. Die Antragsgegnerin hat sich trotz des konkretisierten Vortrags des Antragstellers darauf beschränkt, den Zugang des Schreibens zu leugnen. Sie hat weder Zeugen für den fehlenden Zugang des Aufforderungsschreiben vom 03.03.2015 benannt, noch hat sie zu dem Inhalt der ihr nach der Bestätigung der Deutschen Post am 04.03.2015 zugestellten Sendung vorgetragen. Angesichts dessen, dass die Antragsgegnerin für ihre Behauptung, das Verfahren nicht veranlasst zu haben, beweisfällig geblieben ist, hat es bei der allgemeinen Regel zu verbleiben, wonach die Antragsgegnerin als die unterlegene Beteiligte entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten zu tragen hat (vgl. BGH, MDR 2007, 1162 f.).
27Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91 Abs. 1, 3 ZPO.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist nicht eröffnet.