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1. Bei dem Verkauf eines Grundstücks, hinsichtlich dessen lediglich die (spekulative) Hoffnung besteht, dass es in Zukunft Bauland werden kann, kann es an der für eine Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB erforderlichen verwerflichen Gesinnung auch dann fehlen, wenn der Kaufpreis nach objektiven Kriterien in einem besonders groben Missverhältnis zum Marktwert des Kaufobjekts steht.
2. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls ist der Verkäufer eines unbebauten Grundstücks im Außenbereich, das nicht Bauland ist, ungefragt nicht verpflichtet darüber aufzuklären, dass das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet liegt.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.08.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund, Aktenzeichen 6 O 87/14, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung eines notariellen Grundstückskaufvertrags der Parteien vom 16.11.2012 sowie Schadensersatz. Bei dem Kaufobjekt handelt es sich um drei unbebaute Grundstücke im rechtlichen Sinne, nämlich um die Flurstücke X, XX91 und XX92 der Flur X der G1 im E-er Süden. Zur Darstellung der örtlichen Verhältnisse wird auf den Auszug aus dem Liegenschaftskataster Bezug genommen, der dem privaten Wertermittlungsgutachten des Sachverständigen T vom 05.05.2006, Anlage B4 zur Klageerwiderung, anhängt (Bl. 77 der Akten). Der dort mit dem Buchstaben „A“ bezeichnete Geländestreifen gehört zum Flurstück X.
4Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass der Beklagte sie arglistig über die zukünftige Bebaubarkeit des Kaufobjekts getäuscht habe. Tatsächlich sei eine Bebauung wegen der (unstreitigen) Lage in einem Landschaftsschutzgebiet dauerhaft nicht möglich. Vor diesem Hintergrund meint die Klägerin, dass der Kaufpreis von 53.000 € für das insgesamt 2.291 m² große Kaufobjekt sittenwidrig überhöht sei, sodass der Kaufvertrag nichtig und daher rückabzuwickeln sei. Hilfsweise, so die Klägerin weiter, folge die Nichtigkeit aus ihrer auf § 123 Abs. 1 BGB gestützten Anfechtungserklärung vom 02.12.2013.
5Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien und weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes festzustellen:
6Die Klägerin bzw. ihre Mutter C, die die Vertragsverhandlungen führte, besichtigte das Kaufobjekt in Begleitung eines Herrn H, der dem Beklagten als „Immobilienfachmann“ oder „Bausachverständiger“ vorgestellt wurde.
7Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.08.2014 ist unstreitig geworden, dass die Klägerin und ihre Mutter vor Vertragsschluss keinen Einblick in das o.g. Wertermittlungsgutachten vom 05.05.2006 hatten, der Beklagte sich jedoch in den Vertragsverhandlungen auf das Ergebnis des Gutachtens – Verkehrswert 51.000 € – berief. Der Beklagte übersandte der Klägerin das Gutachten mit Schreiben vom 19.11.2012, also kurz nach Vertragsschluss.
8Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vollumfänglich abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
9Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge unverändert weiter. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts durch das Landgericht.
10Die Klägerin meint, dass die Annahme eines Spekulationsgeschäfts ohne vorherigen Hinweis eine unzulässige Überraschungsentscheidung des Landgerichts darstelle. Sie behauptet erneut, dass der Beklagte von der – behaupteten – dauernden Unbebaubarkeit des Kaufobjekts gewusst habe. Aufgrund des Wertermittlungsgutachtens vom 05.05.2006 habe der Beklagte gewusst, dass es sich bei der verkauften Fläche überwiegend um „Unland“ handle.
11Die Klägerin behauptet weiterhin, dass eine Bauvoranfrage zum Kaufobjekt mit Bescheid vom 24.04.2008 abschlägig beschieden worden sei und dass der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt habe. Sie meint, dass die negative Bescheidung entgegen den Ausführungen des Landgerichts offenbarungspflichtig gewesen sei. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 07.11.2014 und die Schriftsätze vom 10.12.2014, 15.12.2014, 05.01.2015 und 26.01.2015 Bezug genommen (Bl. 162 ff., 177 ff., 199 ff., 206 f., 217 ff. der Akten).
12Der Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Zurückweisung der Berufung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 27.11.2014 und die weiteren Schriftsätze vom 19.12.2014, 23.12.2014 und 15.01.2015 verwiesen (Bl. 169 ff., 202 f., 204 f., 213 ff. der Akten).
13Wegen des Ergebnisses der Anhörung der im Senatstermin vom 26.02.2015 persönlich angehörten Parteien wird auf den Berichterstattervermerk vom 19.03.2015 Bezug genommen.
14II.
15Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
161. Der Klägerin steht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 53.000 € gegen den Beklagten zu.
17a) Es besteht kein Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion). Der Beklagte hat den Kaufpreis mit Rechtsgrund erlangt, da der Kaufvertrag vom 16.11.2012 wirksam ist.
18aa) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig.
19(1) Ein wucherisches Geschäft gemäß § 138 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass einer der dort genannten Umstände (Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche) in ihrer Person vorgelegen hätte und vom Beklagten ausgebeutet worden wäre. Die Klägerin beschränkt sich auf Ausführungen zu einem (angeblichen) auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
20(2) Der Kaufvertrag stellt auch kein gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtiges wucherähnliches Geschäft dar. Ein solches Geschäft kommt bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Betracht; die zur Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB erforderliche verwerfliche Gesinnung des Begünstigten wird dann grundsätzlich vermutet (Ellenberger in Palandt „BGB“, 74. Aufl. 2015, § 138 Rn. 34a; Armbrüster in „Münchener Kommentar zum BGB“, 6. Aufl. 2012, § 138 Rn. 112, 116). Ein besonders grobes Missverhältnis liegt bei einem Grundstückskaufvertrag bereits dann vor, wenn der Kaufpreis knapp das Doppelte des Marktwertes des Grundstücks beträgt (BGH NJW 2010, 363 Rn. 12; Armbrüster a.a.O. Rn. 114).
21Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Kaufpreis von 53.000 € in einem besonders groben Missverhältnis zum Marktwert des Kaufobjekts steht bzw. stand. Es handelte sich nämlich, wie bereits vom Landgericht ausgeführt, um ein Geschäft mit spekulativem Charakter, das sich einer Beurteilung nach den genannten Grundsätzen des wucherähnlichen Geschäfts entzieht. Beide Parteien wussten bei Vertragsschluss, dass das Kaufobjekt keine Baulandqualität besaß. Dies ergab sich schon aus der Angabe „zur Zeit kein Bauland“ in der Verkaufsanzeige des Beklagten (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 30 der Akten). Die Klägerin erwarb die Fläche allein in der Hoffnung auf eine zukünftige Bebaubarkeit. Wie wahrscheinlich die zukünftige Bebaubarkeit einer Außenbereichsfläche über einen gewissen Zeitraum ist und welchen Preis diese Hoffnung wert ist, hängt in hohem Maße von der persönlichen Einschätzung des Kaufinteressenten und dessen Anlagezielen und ‑alternativen ab. Hier war die Klägerin bereit, einen Preis von 53.000 € zu bezahlen. Auch wenn dieser Preis den objektiven Marktwert – so ein solcher überhaupt feststellbar sein sollte – stark übersteigen sollte, wäre der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten in Anbetracht der dargelegten, ungewöhnlich offenen Bewertungssituation verfehlt (vgl. BGH NJW 2003, 283 (284)).
22In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass der Kaufpreis von 53.000 € entgegen der Darstellung der Klägerin offenkundig nicht anhand eines Quadratmeterpreises von 23,13 € für Bauerwartungsland gemäß der Bodenrichtwertkarte gebildet wurde. Die Bodenrichtwertkarte enthält für den hier fraglichen Bereich keinen Wert für Bauerwartungsland, für solche Flächen gibt es auch keinen allgemeinen Auffangwert. Im Übrigen wäre es ein enormer Zufall, wenn der glatte Betrag von 53.000 € durch die Multiplikation vorgegebener Werte zustande gekommen wäre.
23bb) Die Klägerin hat den Kaufvertrag vom 16.11.2012 bzw. ihre auf den Kaufvertragsschluss gerichtete Willenserklärung auch nicht wirksam angefochten und damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet. Die anwaltliche Anfechtungserklärung der Klägerin vom 02.12.2013 ist mangels eines Anfechtungsgrundes unwirksam.
24(1) Einen etwaigen Irrtum über die Lage des Kaufobjekts im Landschaftsschutzgebiet kann die Klägerin nicht gemäß § 119 Abs. 2 BGB geltend machen, da insoweit das Kaufgewährleistungsrecht als speziellere Regelung vorgeht (vgl. Ellenberger in Palandt „BGB“, § 119 Rn. 28).
25(2) Es besteht und bestand auch kein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch eine arglistige Täuschung zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmt, weder durch aktives Tun – dazu sogleich (a) – noch durch das Unterlassen einer gebotenen Aufklärung – dazu unten (b).
26(a) Der Beklagte hat die Klägerin nicht aktiv arglistig getäuscht.
27(aa) Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Beklagte ihr wider besseres Wissen „einsuggeriert“ habe, dass es sich bei dem Kaufobjekt um Bauerwartungsland handele, während tatsächlich eine Bebauung dauerhaft ausgeschlossen sei. Es kann bereits kein dauerhafter Ausschluss der Bebaubarkeit festgestellt werden.
28Es ist zwar richtig, dass das Kaufgrundstück derzeit aus Rechtsgründen nicht bebaubar ist. Dies folgt zunächst aus der Lage im Außenbereich gemäß § 35 BauGB und der Darstellung als landwirtschaftliche Nutzfläche im Flächennutzungsplan, vgl. § 35 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Hinzu kommt die Lage des Kaufobjekts in einem Landschaftsschutzgebiet. Nach den textlichen Festsetzungen des Landschaftsplans E-Süd ist die Errichtung baulicher Anlagen im Landschaftsschutzgebiet verboten (vgl. auch § 35 Abs. 3 Nr. 2 BauGB).
29Die genannten Hindernisse schließen eine zukünftige Bebauung aber nicht dauerhaft aus, denn die Festsetzung von Landschaftsschutzgebieten in einem Landschaftsplan (§§ 19, 21 LG NRW) ist ebenso veränderlich wie der Inhalt des Flächennutzungsplans. Die Stadt E könnte den Landschaftsplan durch Satzung ändern (§§ 29 Abs. 1, 16 Abs. 2 Satz 1 LG NRW). Gemäß § 29 Abs. 4 LG NRW ist auch eine Überplanung im Wege der Bauleitplanung möglich, wobei die Darstellungen von Landschaftsplänen gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 g) BauGB bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen sind und der Träger der Landschaftsplanung – das ist hier die Stadt E, § 16 Abs. 2 Satz 1 LG NRW – ein Widerspruchsrecht hat. Entscheidend ist letztlich der politische Wille bei der Stadt E.
30In tatsächlicher Hinsicht bietet sich das fragliche Gelände nach Lage, Zuschnitt und Erschließungszustand durchaus für eine zukünftige Ausweisung als Bauland an.
31Ob es sich bei dem Kaufobjekt bereits um „Bauerwartungsland“ i.S.v. § 5 Abs. 2 ImmoWertV handelt (vgl. dazu BGH NJW 2003, 283 (284)), kann dahinstehen, da – auch nach dem Ergebnis der mündlichen Anhörung der Parteien im Senatstermin – nicht feststellbar ist, dass sie den Begriff, wenn er denn bei den Vertragsverhandlungen wörtlich gefallen sein sollte, in diesem rechtstechnischen Sinne verstanden hätten.
32(bb) Nach Darstellung der Klägerin soll der Beklagte in den Vertragsverhandlungen erklärt haben, dass eine Umwandlung in Bauland „in der nächsten Zeit erwartet“ werden könne (S. 2 der Klageschrift). Ob der Beklagte eine derartige Formulierung tatsächlich benutzt hat, kann dahinstehen. Es wäre insoweit nämlich aus verständiger Sicht erkennbar gewesen, dass es sich bloß um eine persönliche Einschätzung bzw. Prognose des Beklagten über eine objektiv ungewisse zukünftige Entwicklung handelte. Subjektive Werturteile und marktschreierische Anpreisungen begründen aber noch kein Anfechtungsrecht (Ellenberger in Palandt „BGB“, § 123 Rn. 3 m.w.N.).
33Eine andere Beurteilung wäre etwa dann angezeigt, wenn der Beklagte wahrheitswidrig erklärt hätte, dass eine Ausweisung als Baugebiet bei der Stadt E bereits angedacht sei oder dass er auf die künftige Entwicklung Einfluss nehmen könne. Derartige konkrete Aussagen zur künftigen Bebaubarkeit behauptet die Klägerin jedoch nicht.
34(cc) Soweit die Klägerin andeutet, dass der Beklagte von Bebauungsmöglichkeiten gemäß § 34 BauGB gesprochen habe (S. 2 der Klageschrift, S. 3 des Schriftsatzes vom 12.08.2014), ist eine arglistige Täuschung ebenfalls nicht feststellbar.
35Zwar befindet sich der Großteil des Kaufobjekts eindeutig nicht „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Aus dem klägerischen Vortrag wird aber schon nicht hinreichend deutlich, ob und wie der Beklagte tatsächlich konkret über § 34 BauGB gesprochen haben soll. Zudem macht die Klägerin nicht geltend, dass sie aufgrund von Äußerungen des Beklagten fälschlich davon ausgegangen wäre, dass tatsächlich Bebauungsmöglichkeiten gemäß § 34 BauGB bestehen. Eine solche Behauptung wäre auch nicht plausibel, da das Kaufobjekt, wenn es § 34 BauGB unterfiele, bereits jetzt Bauland wäre – als solches wurde es aber ausdrücklich nicht verkauft.
36(dd) Der Beklagte hat die Klägerin auch nicht durch die Vorlage des als Anlage 3 zur Klageschrift zur Akte gereichten Plans (Bl. 31 der Akten), der eine mögliche künftige Bebauung des Areals zeigt, getäuscht. Die Klägerin wusste, dass es sich nicht um eine genehmigte Planung handelte. Sie legt auch nicht dar, dass der Plan nicht realisiert werden könnte, wenn das Gelände einmal zu Bauland werden sollte.
37(ee) Die Klägerin meint wohl, dass die vom Beklagten in § 5 des Kaufvertrags abgegebene Versicherung falsch gewesen sei (S. 4 der Klageschrift). Das ist indes nicht erkennbar. Die Klägerin legt nicht dar, dass bei Vertragsschluss „nicht erfüllbare behördliche Auflagen oder Forderungen“ bezüglich des Kaufobjekts bestanden hätten oder dass dem Beklagten „Untersagungsverfügungen, Widerrufe, Rücknahmen oder Beschränkungen zu den ergangenen Bau- und Nutzungsgenehmigungen“ zugegangen wären (es gab ersichtlich überhaupt keine derartigen Genehmigungen).
38(ff) Das Wertermittlungsgutachten des Sachverständigen T vom 05.05.2006 haben die Klägerin und ihre Mutter vor Vertragsschluss unstreitig nicht gesehen. Die Klägerin bestreitet jede Relevanz des Gutachtens für die Preisbildung (S. 2 des Schriftsatzes vom 05.06.2014, Bl. 84 der Akten). Sie sieht sich durch das Gutachten auch nicht getäuscht (S. 1 des Schriftsatzes vom 23.08.2014, Bl. 130 der Akten). Damit kann dahinstehen, ob der Inhalt des Gutachtens geeignet gewesen wäre, die Klägerin zu täuschen.
39(b) Der Beklagte hat die Klägerin auch nicht durch das Unterlassen einer gebotenen Aufklärung arglistig getäuscht.
40Im rechtlichen Ausgangspunkt ist zu beachten, dass bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht besteht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings besteht eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Davon wird insbesondere bei solchen Tatsachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können. Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (zum Ganzen: BGH NJW 2010, 3362 Rn. 21-23).
41Nach diesen Maßstäben ist eine Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten nicht festzustellen:
42(aa) Spätestens im Senatstermin vom 26.02.2015 ist unstreitig geworden, dass der Beklagte wusste, dass sich das Kaufobjekt in einem Landschaftsschutzgebiet befindet. Hierüber musste er die Klägerin jedoch nicht ungefragt aufklären, vielmehr wäre die Klägerin im Rahmen ihrer Eigenverantwortung gehalten gewesen, sich selbst über die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für eine künftige Bebaubarkeit zu informieren. Der Landschaftsplan und der Flächennutzungsplan, in denen das hier betroffene Landschaftsschutzgebiet jeweils eingezeichnet ist, sind öffentlich zugänglich, insbesondere über das Internet (www.e.de). Dass der Beklagte von einer eigenverantwortlichen Information durch die Klägerin selbst ausgehen durfte, folgt auch daraus, dass die Klägerin bzw. deren verhandlungsführende Mutter vor Vertragsschluss von einer sachkundigen Person, nämlich dem Zeugen H, beraten wurde (S. 7 des Schriftsatzes des Beklagten vom 17.04.2014, Bl. 53 der Akten).
43Ob es sich bei der Lage im Landschaftsschutzgebiet überhaupt um eine Tatsache handelte, die für die Willensbildung der Klägerin von ausschlaggebender Bedeutung war, kann nach dem Gesagten dahinstehen. Auch insoweit bestehen allerdings gewisse Zweifel, da der Landschaftsschutz für eine zukünftige Ausweisung als Bauland von untergeordneter Bedeutung sein könnte, zumal praktisch der gesamte Außenbereich des E-er Stadtgebiets Landschaftsschutzgebiet ist und das Kaufobjekt ganz am Rand eines solchen Gebiets liegt (tatsächlich liegt der nordwestliche Teil des Kaufobjekts sogar außerhalb des Landschaftsschutzgebiets; nach dem Flächennutzungsplan verläuft die Grenze in etwa entlang der Grenze zwischen den Flurstücken XX8 und XX9 und weiter entlang der südöstlichen Grenze des Flurstücks XX92).
44(bb) Über die Einordnung des Großteils des Kaufobjekts als „Unland“ durch den Sachverständigen T musste der Beklagte die Klägerin nicht aufklären, da hiermit keine Aussage zur künftigen Bebaubarkeit verbunden war. Der Sachverständige hat den Begriff „Unland“ im Gutachten (dort S. 10, Bl. 67 der Akten) selbst definiert als „Fläche, die einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht zugeführt wird“, was mit der Frage der Bebaubarkeit nichts zu tun hat.
45(cc) Der Beklagte musste die Klägerin auch nicht darüber aufklären, dass in der Vergangenheit wenigstens eine Bauvoranfrage hinsichtlich des Kaufobjekts abschlägig beschieden worden war. Damit kann dahinstehen, wann und unter welchen konkreten Umständen eine oder mehrere Bauvoranfragen gestellt und abgelehnt worden waren, worüber die Darstellungen der Parteien auseinandergehen (die Klägerin behauptet Ablehnungen mit Schreiben der Stadt E vom 31.03.2006 und 24.04.2008, während der Beklagte im Senatstermin erklärt hat, dass er lediglich von einer Bauvoranfrage aus dem Jahr 2002 oder 2003 wisse).
46Die Klägerin wusste, dass es sich bei dem Kaufgrundstück (noch) nicht um Bauland handelte. Sie konnte also nicht annehmen, nach dem Kauf ohne Weiteres bauen zu können, vielmehr musste sie auf eine Änderung der Bauleitplanung zu ihren Gunsten hoffen. Ein Hinweis des Beklagten auf die Ablehnung einer oder mehrerer Bauvoranfragen hätte diese Ausgangslage lediglich bestätigt. Die Klägerin musste auch damit rechnen, dass der Beklagte schon einmal eine Bauvoranfrage oder einen Bauantrag an die Stadt E gerichtet haben würde, da ein solches Vorgehen für einen bauwilligen Grundstückseigentümer auch bei geringer Erfolgsaussicht ausgesprochen nahe liegt. Keinesfalls konnte die Klägerin annehmen, dass eine Bauvoranfrage in der Vergangenheit positiv beantwortet worden sei, denn dann wäre das Grundstück bereits bebaut oder aber als Bauland verkauft worden.
47b) Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 346 Abs. 1 BGB nach Rücktritt. Die Klägerin hat kein Rücktrittsrecht, sodass dahinstehen kann, ob ihre Anfechtungserklärung vom 02.12.2013 als Rücktritt ausgelegt bzw. in eine Rücktrittserklärung umgedeutet werden könnte (vgl. dazu BGH NJW 2010, 2503 Rn. 15 f.).
48aa) Ein Rücktrittsrecht der Klägerin folgt nicht aus den Regeln des Kaufgewährleistungsrechts, §§ 437 Nr. 2, 323 BGB. Es fehlt insoweit bereits an einem Sach- oder Rechtsmangel des Kaufobjekts gemäß den §§ 434 f. BGB. Insbesondere resultiert ein Mangel – in Betracht kommt insoweit allein ein Sachmangel – nicht aus der Lage des Kaufobjekts im Außenbereich gemäß § 35 BauGB, in einem Landschaftsschutzgebiet und in einem Bereich, der im Flächennutzungsplan als landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt ist.
49(1) Die Parteien haben ersichtlich keine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz BGB über die vorgenannten Umstände getroffen.
50(2) Soweit die Beschaffenheit der Kaufsache nicht vereinbart ist, ist die Sache gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB mangelhaft, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Die vertraglich vorausgesetzte Verwendung ist hier die Spekulation auf eine künftige Nutzung als Baugrundstück. Mit diesem Zweck sind die o.g. Umstände vereinbar, da eine entsprechende Änderung der Bauleitplanung möglich ist (s.o.).
51(3) Soweit die Beschaffenheit der Kaufsache nicht vereinbart ist und sie sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet, ist sie gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gehören zur geschuldeten Beschaffenheit grundsätzlich auch die Eigenschaften der Kaufsache, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seiner Gehilfen erwarten kann.
52Die „gewöhnliche Verwendung“ eines Grundstücks ist nicht allgemein festzustellen, da es gänzlich unterschiedliche Verwendungen gibt. Als „Sachen der gleichen Art“ sind hier Grundstücke im Außenbereich der Stadt E anzusehen. Dass ein solches Grundstück im Flächennutzungsplan als landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt ist und in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, ist nicht unüblich, im Gegenteil. Aus der Verkaufsanzeige des Beklagten, die als öffentliche Äußerung des Verkäufers i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zu werten ist, folgt keine weitergehende Beschaffenheitserwartung („zur Zeit kein Bauland“).
53bb) Eine womöglich gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB zum Rücktritt berechtigende Störung der Geschäftsgrundlage ist ebenfalls nicht festzustellen.
54Geschäftsgrundlage sind die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH NJW 2001, 1204).
55Hier kommt die gemeinsame Vorstellung der Parteien, bei dem Kaufobjekt handele es sich um mögliches künftiges Bauland, als Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags vom 16.11.2012 in Betracht. Nach dem oben Gesagten ist nicht feststellbar, dass diese Vorstellung von Beginn an falsch gewesen wäre (§ 313 Abs. 2 BGB), denn die künftige Umwandlung in Bauland war bei Vertragsschluss nicht ausgeschlossen. Insoweit ist in der Zwischenzeit auch keine Veränderung i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten, dieses Risiko läge aber ohnehin bei der Klägerin (vgl. Grüneberg in Palandt „BGB“, § 313 Rn. 37 „Bauerwartungsland“ m.w.N.).
56c) Die Klägerin kann eine Vertragsrückabwicklung auch nicht nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss verlangen (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280, 249 Abs. 1 BGB). Zwar ist zwischen den Parteien durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein vorvertragliches Schuldverhältnis gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entstanden. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Beklagte seine vorvertraglichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt hätte.
57Macht ein Verkäufer vorvertraglich Angaben, die für den Kaufentschluss des anderen Teils von Bedeutung sein können, so müssen diese Angaben richtig sein (BGH NJW 1998, 302). Außerdem muss der Verkäufer – auch ungefragt – über Umstände informieren, über die der Kaufinteressent nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf (Grüneberg in Palandt „BGB“, § 311 Rn. 40).
58Nach diesen Maßstäben kann keine vorvertragliche Pflichtverletzung des Beklagten festgestellt werden, weder durch aktives Tun noch durch Unterlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die oben gemachten Ausführungen zur Anfechtung des Kaufvertrags gemäß § 123 Abs. 1 BGB Bezug genommen.
59Anzumerken ist noch, dass ein Anspruch der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen im Anwendungsbereich des – grundsätzlich vorrangigen – Kaufgewährleistungsrechts eine vorsätzliche vorvertragliche Pflichtverletzung des Beklagten voraussetzen würde (vgl. BGH NJW 2009, 2120; NJW 2010, 858). Das betrifft hier insbesondere die Lage des Kaufobjekts im Landschaftsschutzgebiet, da hierüber eine Beschaffenheitsvereinbarung hätte getroffen werden können.
60d) Ein Anspruch der Klägerin auf Kaufpreisrückzahlung folgt auch nicht aus einer Verletzung von Beratungspflichten des Beklagten. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass den Beklagten derartige Pflichten getroffen hätten.
61Zwischen Verkäufer und Käufer kommt ein Beratungsvertrag zu Stande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt (NJW 2013, 1873 Rn. 7). Aus der Verletzung einer hieraus resultierenden Pflicht des Verkäufers zur korrekten und vollständigen Information des Käufers kann sich ein Anspruch des Käufers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags ergeben, §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 249 BGB (s. etwa BGH BeckRS 2013, 19778).
62Im vorliegenden Fall fehlt es an den Voraussetzungen eines Beratungsvertrags. Der Beklagte hat zwar offenbar – verkäufertypisch – Werbung für den Vertragsschluss gemacht, es ist aber nicht ersichtlich, dass er der Klägerin den Kauf darüber hinaus angeraten hatte.
63e) Schließlich besteht nach den obigen Ausführungen auch kein deliktischer Kaufpreisrückzahlungsanspruch, etwa aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung).
642. Die Klägerin kann keinen Ersatz für verschiedene Aufwendungen i.H.v. insgesamt 4.345,80 € im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb verlangen (504,89 € Notarkosten, 2.650,00 € Grunderwerbsteuer, 38,50 € für einen „Verwaltungsgebührenbescheid“, 73,50 € für die Eintragung einer Vormerkung und 2 x 442,58 € Grundsteuern für 2013 und 2014). Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (Verschulden bei Vertragsverhandlungen, § 826 BGB) sind nicht erfüllt, insoweit gelten die zum Kaufpreisrückzahlungsanspruch gemachten Ausführungen entsprechend.
653. In Ermangelung einer berechtigten Hauptforderung kann die Klägerin auch keine Zinsen seit dem 18.12.2013 beanspruchen.
664. Da der Kaufvertrag vom 16.11.2012 nicht rückabzuwickeln ist, kommt eine Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten gemäß dem Klageantrag zu 2. nicht in Betracht.
675. Schließlich besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.642,20 € (Klageantrag zu 3.). Diesbezügliche Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder § 826 BGB scheiden wiederum aus den genannten Gründen aus.
68III.
69Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
70IV.
71Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
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