Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Die Berufung ist nach diesem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.
2Gründe
3Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
4I.
5Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil dem Kläger aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag ein Entschädigungsanspruch iHd geltend gemachten Nettoreparaturkosten zusteht.
6Dies ergibt sich sowohl aus Ziffer A.2.3.3 der vorgelegten AKB als auch aus Ziffer A.2.3.2, weil sich die Lackschäden am versicherten Fahrzeug nicht nur als Ergebnis einer mut- oder böswilligen Handlung Dritter darstellen, sondern zugleich als Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen.
7Dabei steht der Senat auf dem Standpunkt, dass dem Versicherungsnehmer weder für den Versicherungsfall des Unfalls noch für das Bestehen eines Vandalismusschadens Beweiserleichterungen zustehen, wie sie die Rechtsprechung für den Versicherungsfall Diebstahl in der Teilkaskoversicherung entwickelt hat (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG 29. Aufl. 2015, A.2.3 AKB 2008, Rn. 2, 17; so aber für den Vandalismusschaden Stiefel/Mayer/Stadler aaO, Rn. 83, mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.1995 – 4 U 146/94 – juris). Ob nämlich ein Fahrzeug durch ein plötzlich von außen mechanisch wirkendes Ereignis oder durch eine mut- oder böswillige Handlung Dritter beschädigt wird, entzieht sich nicht typischerweise der Wahrnehmung des Versicherungsnehmers und ist regelmäßig schon durch das Schadensbild nachweisbar, so dass es insoweit keiner aus dem Versicherungsversprechen abzuleitender Beweiserleichterungen bedarf (BGH, Urteil vom 25.06.1997 – IV ZR 245/96 – Rn. 6). Ebenso wenig stehen deshalb dem Versicherer Beweiserleichterungen für die von ihm zu beweisenden Fragen der Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer (und nicht durch einen Dritten) zu, wie sie sich aus § 81 VVG und Ziffer A.2.3.3 AKB ergeben (BGH aaO, Rn. 7; ebenso zur Beweislast des Versicherers OLG Köln, Urteil vom 03.06.2008 – 9 U 35/07 – Rn. 7, juris; Urteil vom 13.12.2011 – 9 U 83/11 – Rn. 12, juris).
8Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes:
91.
10Dass der geltend gemachte Schaden zunächhst vorbehaltlich der Frage der Täterschaft als bedingungsgemäßer Vandalismusschaden zu werten ist, ergibt sich schon aus dem Schadenbild, welches offenbar auf eine gezielte und damit vorsätzliche Beschädigung des Fahrzeugs hindeutet. Dies genügt für die Annahme einer mut- oder böswilligen Beschädigung, denn eine solche liegt vor, wenn der Vorsatz des Täters auf eine Beschädigung des Wagens gerichtet ist (Stiefel/Mayer/Stadler, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB A Rn. 77). Dass die Lackschäden am Wagen des Klägers nicht auf versehentlichen Kollisionen beruhen, ist offensichtlich und steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Ob das Motiv des Täters eine bloße sinnlose Beschädigungslust war und er damit mutwillig handelte, oder ob er aus feindlicher Haltung dem Fahrzeugeigentümer gegenüber und damit böswillig tätig wurde, ist dabei unerheblich (vgl. Stiefel/Mayer/Stadler aaO, Rn. 78). Der Beweis eines Vandalismusschadens ist hier nicht dadurch in Frage gestellt, dass es dem Täter mit der Beschädigung sämtlicher Bauteile offenbar darauf ankam, einen möglichst hohen Schaden herbeizuführen. Nach Wertung des Senats ist es vielmehr kennzeichnend für eine böswillige Beschädigung, dass der Täter gezielte Schäden verursacht, statt wahllos und unüberlegt vorzugehen (so aber OLG Köln, Urteil vom 13.12.2011 – 9 U 83/11 – Rn. 14). Schließlich kann es gerade einem aus Neid oder feindlicher Gesinnung und damit böswillig vorgehenden Täter darauf ankommen, eine möglichst umfängliche Beschädigung herbeizuführen. Dass sich Vandalismusschäden häufig, ggf. sogar typischerweise als das Ergebnis spontaner bzw. unüberlegter (und damit eher mutwilliger) Handlungen darstellen und damit weniger schadensträchtig sind als der Schaden am Fahrzeug des Klägers, ist damit ohne Belang und nicht im Wege einer sachverständigen Begutachtung näher aufzuklären. Das Versicherungsversprechen bezieht sich nicht nur auf aus Sicht der Beklagten typische Vandalismusschäden von Randalierern und damit auf mutwillig herbeigeführte Schäden, sondern ausdrücklich auf sämtliche Schäden auch aufgrund böswilliger Handlungen, die von einem Dritten begangen wurden.
11Im Übrigen ist nach dem aus den vorgelegten Photos ersichtlichen Schadenbild nicht auszuschließen, dass die Schäden in relativ kurzer Zeit und ohne größere Überlegungen (und damit von einem mutwillig handelnden Täter) angebracht wurden. Es handelt sich schließlich durchweg um schmale Kratzer, die schnell in den Lack gezogen werden können. Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die im mittleren und unteren Karosseriebereich ersichtlichen Schäden auch darauf beruhen könne, dass der Täter sich hinter dem Auto bückte, um nicht entdeckt zu werden. Ein kompliziertes Beschädigungsmuster, welches einem ggf. spontan handelnden Randalierer nicht zuzutrauen wäre, ist damit nicht gegeben.
12Maßgeblich ist damit, ob der Beklagten mit dem Verweis auf das aus ihrer Sicht untypische Schadenbild der Beweis dafür gelingen kann, dass nicht ein Dritter die Schäden herbeigeführt hat, sondern der Kläger selber bzw. eine von ihm beauftragte Person. Dies ist aus Sicht des Senats zu verneinen. Die Beweislast liegt bei der Beklagten (vgl. nur Knappmann, aaO, Rn. 17 und 19 m.w.N.)
13Zwar mag das Schadenbild, insbesondere die Beschädigung sämtlicher Bauteile und der damit einhergehende hohe Reparaturaufwand indiziell dafür sprechen, dass der Kläger ein eigenes Interesse an der Beschädigung haben könnte, um eine (möglichst hohe) Entschädigungsleistung von der Beklagten zu erlangen. Allerdings sind die Schäden hier auch in Bereichen angebracht, die nicht erst bei näherem Hinsehen auffallen, sondern auch im täglichen Gebrauch des Fahrzeugs ins Auge springen und den Fahrzeugnutzer so erheblich stören können (Seitenspiegel, Tankdeckel, Dach). Es ist auch nicht dargetan, dass der Kläger diese Beeinträchtigungen zwischenzeitlich im Wege einer sog. „Billigreparatur“ hat beseitigen lassen und so kaum spürbare Nachteile durch die Schäden hat.
14Dass der Kläger den Reparaturbetrag an die Werkstatt seines Schwagers überweisen lassen wollte, spricht ebenso wenig dafür, dass ihm die Schäden zuzurechnen sind. Es ist vielmehr nahe liegend, dass er die Schäden in dieser Werkstatt beheben lassen wollte, in der für ihn die notwendigen Arbeiten zuverlässig und ggf. sogar günstiger erledigt werden konnten als anderswo.
15Auch seine Eigenschaft als Finanzberater ist in diesem Zusammenhang nicht dahin zu deuten, dass der Kläger den Schaden initiiert hat. Seine Kenntnis von den ihm zustehenden Ansprüchen und von den für ihn günstigsten Regulierungsmöglichkeiten gerät dem Kläger nicht zum Nachteil.
16Soweit die Beklagte in den Angaben des Klägers zum Schadenort bei der Polizei bzw. in der erst am 02.01.2014 erstatteten Strafanzeige Belege für eine Verantwortlichkeit des Klägers sieht, vermag der Senat dieser Wertung nicht beizutreten. Insofern hat schon das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angabe des Wohnortes als Schadenort nach dem Inhalt der Ermittlungsakte offenbar darauf beruhte, dass der Kläger sich nicht sicher war, wo der Wagen beschädigt wurde, weil er ihn bei der Fahrt am Silvesterabend nach X nicht besonders untersucht hatte. Dies ist durch die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau im Termin vor dem Landgericht auch bestätigt worden. Dass die Strafanzeige erst am Tag nach Entdeckung der Schäden erfolgte, beruhte zudem offenbar darauf, dass der 01.01.2014 ein Feiertag war. Widersprüchliche Angaben des Klägers und seiner Ehefrau dazu sieht der Senat nicht, weil der Kläger und seine Ehefrau vor dem Landgericht übereinstimmend angegeben haben, dass am Nachmittag des 01.01.2014 nur der Schwager kontaktiert wurde. Dass der Kläger erst am Folgetag die Polizei informierte, hat seine Ehefrau nachvollziehbar damit erklärt, dass am 01.01.2014 ein Feiertag war. Im Übrigen ist das von der Beklagten angeführte Motiv für eine absichtliche Verzögerung der Strafanzeige schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kläger nach ihrem Vortrag widersprüchliche Angaben zum Schadenort machte. Dies wäre nicht zu erwarten, wenn der Kläger die Strafanzeige erst nach genauer Planung des weiteren Vorgehens erstattet hätte.
17Schließlich vermag die Beklagte auch mit dem pauschalen Verweis auf „mehrere“ in der Vergangenheit von ihr regulierte Schadenereignisse des Klägers kein Indiz vorzuweisen, welches für sich genommen oder in der Gesamtschau zu belegen vermag, dass die Schäden vom Kläger zu verantworten sind.
182.
19Unabhängig davon steht dem Kläger auch deshalb ein Entschädigungsanspruch aus der Vollkaskoversicherung zu, weil die geltend gemachten Schäden an seinem Fahrzeug einen versicherten Unfallschaden iSd Ziffer A.2.3.3 AKB darstellen. Die Lackkratzer sind die Folge einer von außen auf das Fahrzeug einwirkenden mechanischen Gewalt. Dass sie offenbar willentlich angebracht worden sind, schließt die Annahme eines bedingungsgemäßen Unfalls nicht aus (vgl. BGH aaO, Rn. 10). Damit ist der Versicherungsfall Unfall gegeben. Den Versicherer trifft die Beweislast, dass der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten den Versicherungsfall iSd § 81 Abs. 1 VVG herbeigeführt haben (s. o.). Diesen Beweis hat die Beklagte nach den vorstehenden Erörterungen nicht geführt.
20II.
21Auf die Gebührenreduktion für den Fall einer Berufungsrücknahme wird hingewiesen (KV-Nr. 1222).