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Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. März 2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
2I.
3Mit schriftlichem Vertrag vom 29.6.2010 erwarb die Klägerin zu einem Kaufpreis von 19.500 € den vierjährigen Wallach „Y“. Im Juli 2010 gab sie das Pferd in den Vollberitt in den Reitstall des Beklagten in P. Der Vollberitt beinhaltete den Beritt des Pferdes, dessen Dressurausbildung, die Ausbildung der Reiterin und die Gewähr einer artgerechten Bewegung. Hierzu war die freie Bewegung des Pferdes in der Reithalle vorgesehen. Dementsprechend erhielt der Wallach mit Zustimmung der Klägerin regelmäßig und mehrmals wöchentlich in der Reithalle des Beklagten Freilauf unter Aufsicht.
4Die Reithalle, in welcher der Freilauf erfolgte (Halle 2 am A), hat eine Größe von 15 x 35 m. Sie verfügt nicht über eine „klassisch“ hohe Reitbande, sondern über eine etwa 80 cm hohe umlaufende Barriere (Holzsockel). Diese verläuft vor den das Hallendach tragenden Stahlstützen, zwischen denen in einer Höhe von etwa 1 m verbindende Rundhölzer angebracht sind. In den durch die umlaufende Barriere abgetrennten Innenbereich der Halle, den sog. Bewegungsbereich, ragen keine Bauteile oder sonstige Gegenstände hinein.
5Am 2.12.2010 wurde das Pferd durch eine Praktikantin des Beklagten in der Reithalle frei laufen gelassen. Es kam zu einem Unfall, bei dem das Pferd mit dem Kopf gegen eine der Stahlstützen stieß und sich eine Schädelverletzung im Bereich der Stirn zuzog. Die Verletzung wurde in der Tierarztpraxis Dr. X in Z behandelt. Von Mitte Januar 2011 bis April 2012 war das Pferd wieder im Beritt beim Beklagten.
6Am 17.6.2012 verbrachte die Klägerin das Pferd in einen Reitstall nach B. Am 3.8.2012 stellte sie das Pferd gemäß Klinikbericht vom 14.8.2012 in der Tierklinik F zur stationären Untersuchung vor. Am 21.8.2012 sowie vom 29.8. bis 29.9.2012 erfolgte in der Pferdeklinik K eine orthopädische Untersuchung. Hierüber verhält sich der Bericht der Klinik vom 4.10.2012.
7Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten nunmehr auf Schadensersatz wegen des Unfallgeschehens vom 2.12.2010 in Anspruch.
8Die Klägerin hat behauptet, dass das Pferd bei dem Unfall in der Reithalle eine so erhebliche Schädelverletzung erlitten habe, dass es heute nicht mehr geritten werden könne. Die Schwere der Verletzung sei erstmalig nach dem Wechsel zum Reitstall in B festgestellt worden. Auf den Hinweis eines dort tätigen Reitlehrers sei der Tierarzt Dr. X hinzugezogen und eine Untersuchung in der Tierklinik F veranlasst worden. In den folgenden Tagen sei das Pferd fast nicht mehr zu führen gewesen. Es sei deshalb eine weitere Untersuchung in der Pferdeklinik K erforderlich gewesen. Die dort schließlich gestellte Diagnose laute auf „Gehirnparenthymveränderungen als Spätfolge einer abgeheilten Verletzung im Bereich der Stirn mit knöcherner Zubildung nach innen an der Schädelkarlotte“. Ursache sei die in der Reithalle des Beklagten erlittene Schädelverletzung des Pferdes. Wegen verletzungsbedingt eingetretener Gleichgewichtsprobleme könne das Pferd nicht mehr geritten werden.
9Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, die ihm obliegenden Obhutspflichten bei der Unterbringung und Ausbildung des Pferdes verletzt zu haben. Die Reithalle sei für einen gefahrfreien Reitbetrieb nicht geeignet. Denn sie werde den baulichen Anforderungen nicht gerecht. Die vorhandenen Stahlstützen des Hallendachs stellten eine erkennbare Gefahrenquelle dar. Erforderlich sei eine abgeschrägte umlaufende Bande, die verhindere, dass Pferde mit den Stahlstützen in Berührung kommen können und sich dadurch verletzen. Der lediglich vorhandene Holzsockel von 80 cm Höhe werde dem nicht gerecht. Darüber hinaus habe der Beklagte das Pferd nicht lediglich von einer Praktikantin beaufsichtigen und auch nicht frei laufen lassen dürfen, ohne dass es zuvor longiert oder geritten wurde.
10Den ihr entstandenen Schaden hat die Klägerin unter Einschluss des Kaufpreises für das Pferd nebst Kosten der Ankaufsuntersuchung, der Kosten der ärztlichen Behandlungen im Anschluss an das Unfallgeschehen und der Ausbildungskosten im Reitstall des Beklagten mit insgesamt 40.396,10 € beziffert. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte in dieser Höhe auf Schadensersatz hafte.
11Der Beklagte hat vorgetragen, dass es zur artgerechten Haltung gehöre, den natürlichen Bewegungsdrang eines Pferdes nicht zu unterdrücken. Das gelte insbesondere für junge Pferde, mithin für den Wallach der Klägerin. Er habe deshalb dafür sorgen müssen, dass sich das Tier in der Reithalle möglichst frei bewegen kann. Eine umlaufende Reitbande in einer Reithalle habe die Funktion, die Dressurarbeit des Pferdes unter dem Reiter zu erleichtern. Sie diene indes nicht dem Schutz des Pferdes vor Verletzungen durch Hallenbauelemente. Das könne eine Reitbande auch nicht vollständig leisten, was der hier in Rede stehende Unfall zeige. Denn das Pferd laufe mit dem Kopf in einer Höhe von wenigstens 2,40 m, d.h. auch oberhalb einer klassischen Reitbande.
12Eine Verkleidung der Stahlstützen sei nicht geboten. Die Reithalle sei vor etwa 35 Jahren errichtet und nachfolgend umfangreich und ständig genutzt worden. Es sei noch nie zu einem derartigen Unfall gekommen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen worden, dass das freie Bewegen des Pferdes nicht ganz ohne Gefahren einhergehe. Die Klägerin habe ausdrücklich ihre Zustimmung dazu erteilt, dass das Pferd in der Bewegungshalle frei laufen kann. Die Örtlichkeiten seien ihr bekannt gewesen. Auch habe sie aufgrund zahlreicher Turnierteilnahmen durchaus das damit verbundene Risiko einschätzen können. Den Freilauf habe sie überdies teilweise selbst vorgenommen und überwacht.
13Die Schwere der Verletzung des Pferdes hat der Beklagte in Abrede gestellt. Zwar habe das Tier am Unfalltag tierärztlich versorgt werden müssen. Eine Verletzung des Schädelknochens werde jedoch mit Nichtwissen bestritten. Die von der Klägerin behaupteten Spätfolgen seien nicht nachvollziehbar. Im Allgemeinen verheilten Verletzungen am Schädel ohne zurückbleibende Folgen. Andernfalls müsse ein schwerer Behandlungsfehler des Tierarztes vorliegen. Die behaupteten Spätfolgen seien den vorgelegten Klinikberichten nicht zu entnehmen. Auch lasse sich dies nicht damit in Einklang bringen, dass das Pferd noch in der Zeit vom 3.6.2011 bis zum 2.6.2012 an immerhin 12 Turnierstarts teilgenommen habe.
14Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 6.3.2014 abgewiesen.
15Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Beklagten hinsichtlich der baulichen Verhältnisse der Freilaufhalle ein objektiver Pflichtverstoß nicht vorzuwerfen sei. Entscheidend sei, dass die Klägerin selbst die örtlichen Verhältnisse gekannt und dem Freilauf ausdrücklich zugestimmt sowie den Freilauf teilweise auch selbst vorgenommen habe. Für sie als fachkundige Nutzerin sei eine etwaige Gefahrenlage erkennbar gewesen. Ein mit den baulichen Verhältnissen zusammenhängendes Risiko habe sie bewusst in Kauf genommen. Sonstige dem Beklagten vorzuwerfende Umstände seien nicht ersichtlich. Das weitere Vorbringen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 12.2.2014, das Pferd sei vor dem Freilauf nicht longiert oder geritten worden, sei verspätet und damit unbeachtlich. Gleiches gelte für die ebenfalls in dem Schriftsatz vom 12.2.2014 beanstandete Beaufsichtigung des Freilaufs durch eine Praktikantin. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Freilauf auch schon zuvor mehrfach in Kenntnis der Klägerin von einer Praktikantin ausgeführt worden sei.
16Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie begehrt abändernd die Zuerkennung ihres erstinstanzlichen Klageantrags, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
17Die Klägerin beanstandet die Nichtberücksichtigung ihrer weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 12.2.2014 als fehlerhaft. In der Sache hält sie daran fest, dass dem Beklagten eine schuldhafte Verletzung seiner Verkehrssicherungs- und Obhutspflichten vorzuwerfen sei. Den an eine Reitanlage zu stellenden baulichen Anforderungen werde die Freilaufhalle nicht gerecht. Die Gefahrenquelle sei für den Beklagten als staatlich geprüfter Pferdewirtschaftsmeister und Vorsitzender der Bundesvereinigung der Berufsreiter ohne weiteres ersichtlich. Das Unfallgeschehen sei für ihn deshalb vorhersehbar und damit auch vermeidbar gewesen. Kenntnisse der Klägerin von den örtlichen Verhältnissen seien allenfalls bei der Frage eines Mitverschuldens berücksichtigungsfähig. Die Gefahrenlage sei der Klägerin indes nicht bewusst gewesen. Sie habe darauf vertraut und auch damit rechnen dürfen, dass ein professioneller Betreiber eines Pferdepensionsbetriebes technisch einwandfreie Anlagen bereithält.
18Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er hält daran fest, dass ihm kein objektiver Pflichtverstoß vorzuwerfen sei. Durch die umlaufende Barriere und durch das vorhandene Holzgeländer sei sichergestellt, dass Pferde nicht zwischen die Stahlstützen des Hallendachs geraten und sich dadurch verletzen können. Einen Zusammenstoß in Höhe des Kopfes in 2-2,5 m Höhe könne eine Reitbande ohnehin nicht verhindern. Eine Verpflichtung zur Verkleidung der Stahlstützen bestehe nicht. Die Halle werde seit Inbetriebnahme vor etwa 35 Jahren genutzt, ohne dass es jemals zu einem solchen Unfall gekommen ist. Ferner falle der Klägerin ein anspruchsausschließendes Mitverschulden zur Last. Die Örtlichkeiten seien ihr seit Juli 2010 bekannt gewesen. Die Gefahren des Freilaufs habe die durchaus selbst sachkundige Klägerin bewusst in Kauf genommen.
19Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 5.11.2014 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. T vom 5.2.2015. Im Termin am 25.11.2015 hat der Senat die Zeugin C mit dem sich aus dem Berichterstattervermerk zum Sitzungsprotokoll ergebenden Inhalt vernommen.
20II.
21Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
221. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 278 S. 1, 90a S. 1 BGB steht der Klägerin nicht zu. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte ihm obliegende vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem am 1.7.2010 geschlossenen Vertrag nicht verletzt.
23a. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Beklagten ergibt sich nicht bereits aus den baulichen Verhältnissen der Freilaufhalle, namentlich der Ausgestaltung der Reitbande und den vorhandenen Stahlstützen des Hallendachs.
24aa. Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die hiernach gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
25Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch und eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr deshalb erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden.
26Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist sodann genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Zu treffen sind die Sicherheitsvorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. hierzu etwa: BGH NJW 2008, 3775, juris Tz. 9; 2006, 610, juris Tz. 9 f.; 2006, 2326, juris Tz. 6 f.).
27bb. Dass durch den Betrieb einer Reithalle zum Zwecke des Freilaufs von Pferden eine abstrakte Gefahrenlage mit der naheliegenden Möglichkeit einer Schädigung verbunden ist, ist nicht zweifelhaft. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Reithalle des Beklagten aber grundsätzlich für den Freilauf von Pferden geeignet.
28In seinem schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige dargelegt, dass für den Reithallenbau eine Bandenhöhe von 1,60 m empfohlen wird und aus baulicher Sicht sicherzustellen ist, dass von darüber liegenden Bauteilen keine Verletzungsgefahr für Reiter oder Pferde ausgehen kann. Die in der Reithalle des Beklagten vorhandene Bande von 68 cm Höhe nebst einer Stangenumschließung in 1,13 m Höhe genügt dem nicht vollständig. Nach den Angaben des Sachverständigen sollte die Stangenumschließung um etwa 10 cm angehoben werden.
29Von der baulichen Konstruktion, bei der die Stahlstützen des Hallendachs das umlaufende Absicherungssystem alle fünf Meter unterbrechen, geht indes eine Gefahr in erster Linie für Reiter aus. Hierzu hat der Sachverständige im Einzelnen dargelegt, dass Pferde ein besonders ausgeprägtes Sensorium dafür haben, Körperkontakten, insbesondere ihres Kopfes, mit festen Hindernissen auszuweichen. Eine Gefährdung bestehe deshalb nur dann, wenn beim Freilauf ein „Kaltstart“ erfolge. Erforderlich sei, dass das Pferd zunächst ein paar Minuten geführt wird, es nicht sofort in hoher Gangart losgeschickt, es nicht herumgejagt und nicht aus schneller Bewegung heraus plötzlich zu einem Handwechsel aufgefordert wird. Die Reithalle des Beklagten sei für das Freilaufenlassen von Pferden unbedenklich, wenn die Pferde für den Freilauf angemessen vorbereitet werden und die Aktionen der betreuenden Person kompetent erfolgen.
30cc. Bedenken gegen die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen liegen nicht vor. Der Sachverständige hat sich eingehend mit den vorgefundenen baulichen Verhältnissen und den aus dem spezifischen Tierverhalten sich ergebenden Gefahren befasst. Dabei hat er zutreffend den im Zeitpunkt des Schadensereignisses am 2.12.2010 maßgeblichen Zustand der Reithalle untersucht.
31Den bei der Begutachtung am 15.1.2015 angetroffenen Zustand der Reithalle geben die vom Sachverständigen gefertigten Fotos wieder (A 2). Der frühere Zustand der Halle ergibt sich aus dem Foto A 3, das den in der Akte befindlichen Fotos (Bl. 323 d.A.) entnommen worden ist. Hiernach ist das ursprüngliche Bandenprofil durch ein Bandenprofil mit stärkerer Neigung ersetzt worden. Die Höhe von 68 cm ist jedoch unverändert geblieben.
32Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 2.2.2015 beanstandeten weiteren baulichen Veränderungen der Reithalle hat der Sachverständige erkennbar beachtet. Auf dem Foto zum Ursprungszustand der Halle (A 3), das der Sachverständige zugrunde gelegt hat, lässt sich zwar nicht erkennen, dass das ursprüngliche Fehlen von Rundhölzern auf den Stahlstützen berücksichtigt worden ist. Der Sachverständige hat aber ausgeführt, dass die Stahlstützen das Absicherungssystem alle fünf Meter unterbrechen. Er ist mithin nicht von einem geschlossenen umlaufenden Absicherungssystem ausgegangen, sondern hat den Ursprungszustand der Reithalle beachtet. Der ursprünglich fehlende weiße Farbanstrich der Stahlstützen ist auf dem Foto A 3 zu erkennen. Da der Sachverständige den sich daraus ergebenden Ursprungszustand der Reithalle zugrunde gelegt hat, hat er mithin den späteren Farbanstrich zutreffend nicht in seine Bewertung einbezogen.
33b. Eine Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten ergibt sich vorliegend nicht aus dem baulichen Zustand der Reithalle in Verbindung mit der tatsächlichen Vorbereitung und Ausführung des Freilaufs.
34aa. Der bauliche Zustand der Reithalle begründet nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Gefahrenlage nur dann, wenn beim Freilauf nicht sachgerecht vorgegangen wird. Erforderlich ist grundsätzlich ein vorheriges Reiten, Longieren oder Führen des Pferdes. Plötzliche Handwechsel und insbesondere ein Herumjagen des Pferdes sind zu vermeiden. Von diesen aus der technischen Ausstattung der Reithalle folgenden besonderen Anforderungen ist der Senat ausgegangen. Eine ergänzende mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen war deshalb nicht geboten.
35bb. Den Vorwurf, das Pferd sei am Unfalltag mit der Peitsche herumgejagt worden, hat die Klägerin im Senatstermin am 25.11.2015 ausdrücklich nicht aufrechterhalten. Ein sachwidriges Vorgehen bei der Ausführung des Freilaufs ist insoweit nicht gegeben.
36cc. Der Beklagte hat im Senatstermin eingeräumt, dass das Pferd am Unfalltag vor dem Freilauf nicht geritten oder longiert worden ist. Allein hierauf ist eine objektive Pflichtverletzung aber nicht zu stützen. Denn unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten entsprach die Vorbereitung des Freilaufs den aus dem baulichen Zustand der Reithalle folgenden Anforderungen an eine sachgerechte Vorgehensweise.
37Bei dem am Unfalltag vierjährigen Wallach der Klägerin handelte es sich um ein in der Dressurausbildung befindliches junges Pferd, das die Zeugin C als ausgeglichen und für die Dressurarbeit charakterlich geeignet beschrieben hat. Es habe die erforderliche Sensibilität für die Dressur gehabt, sei leicht zu reiten gewesen und habe weder zum Buckeln noch zum Ausbrechen geneigt. Weiter hat die Zeugen ausgeführt, dass das Pferd, wenn es aus der Box kam, sich stets unauffällig verhalten habe. Es sei keine über das übliche Maß hinausgehende Vorbereitung des Freilaufs veranlasst gewesen. Die Vorbereitung des Freilaufs hat die Zeugin dahin beschrieben, dass das Pferd teilweise zunächst in die Führanlage oder in den Paddock gebracht worden sei. Unabhängig davon sei es in der Halle immer erst geführt worden. Das sei die im Reitstall des Beklagten übliche Vorgehensweise gewesen und sowohl von ihr als auch von der Klägerin selbst so gehandhabt worden.
38Die Zeugin hat ihre Erfahrungen mit dem Pferd der Klägerin sowie die im Reitstall des Beklagten übliche Vorbereitung des Freilaufs nachvollziehbar dargelegt und insgesamt glaubhaft beschrieben. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen nicht. Hiernach ist auch unter Berücksichtigung gesteigerter Anforderungen eine sachgerechte Vorbereitung des Freilaufs erfolgt.
39c. Der Klägerin kommt in dem Zusammenhang keine Beweislastumkehr wie beim Verwahrungsvertrag zugute. Dort ist der Verwahrer gemäß § 695 BGB verpflichtet, die in seine Obhut gegebene Sache ordnungsgemäß wieder herauszugeben. Es gelten damit die Grundsätze der Haftung nach Gefahren- bzw. Verantwortungsbereichen mit der Folge, dass eine Beweislastumkehr eintritt und den Verwahrer die Beweislast dafür trifft, dass der eingetretene Zustand nicht auf einer ihm zurechenbaren Pflichtverletzung beruht (vgl. etwa: OLG Oldenburg MDR 2011, 473, juris Tz. 12).
40Bei dem zwischen den Parteien am 1.7.2010 geschlossenen Vollberittvertrag handelt es sich indes um einen dem Dienstvertragsrecht unterfallenden Vertrag.
41Der Vertrag beinhaltete neben der Einstellung sowie Pflege und Versorgung auch den Beritt des Pferdes, dessen Ausbildung, die Ausbildung der Reiterin und die Gewähr einer artgerechten Bewegung. Nach dem Inhalt der vom Beklagten zu erbringenden Leistungen handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, der miet-, verwahrungs- und dienstvertragliche und daneben auch werkvertragliche Elemente aufweist. Auf einen solchen Vertrag wendet der BGH die Schwerpunkttheorie an. Danach ist ein typengemischter Vertrag grundsätzlich nach einem einzigen Vertragsrecht zu beurteilen, nämlich nach demjenigen, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrages liegt (vgl. BGH NJW 2005, 2008, juris Tz. 11).
42Vorliegend geht es nicht in erster Linie um die Miete der Einstellbox. Auch eine Verwahrung, bei der vertragstypische Leistung die Aufbewahrung einer beweglichen Sache durch Gewährung von Raum und Obhut ist (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 688 Rn. 1), steht hier nicht im Vordergrund. Denn bei dem Pferd handelt es sich um ein Turnierpferd, welches die Klägerin selbst als „hoffnungsvolles Nachwuchspferd“ bezeichnet hat. Der Beklagte schuldete nicht vorrangig Unterstellung und Pflege im Sinne eines Tierpensions- bzw. Einstellungsvertrags (Verwahrung). Vielmehr sollte er mit dem Pferd arbeiten, d.h. es für die Dressur ausbilden. Im Schwerpunkt geht es um diese Ausbildungsleistung, zu der Unterbringung, Pflege und Versorgung als Nebenleistungen gehören. Die Ausbildung des Pferdes ist dienstvertragliche Leistung, denn geschuldet ist kein bestimmter Leistungserfolg.
43Bei Anwendung von Dienstvertragsrecht geht es nicht um eine vertragliche Hauptleistungspflicht, wie sie Gegenstand eines Verwahrungsvertrags ist, der die Erhaltung der verwahrten Sache und deren Schutz vor Beschädigungen umfasst. Es kommt deshalb nicht zu einer Beweislastumkehr wie beim Verwahrungsvertrag.
442. Im Übrigen fehlt es bei Annahme einer objektiven Pflichtverletzung des Beklagten aber auch an dem erforderlichen Verschulden. Die aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB insoweit folgende Vermutung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Senats widerlegt.
45Nach den Darlegungen der Zeugin C bestanden für eine im Temperament und Charakter des Pferdes liegende Gefahrenlage keine Anhaltspunkte. Hiernach war nicht bereits aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Pferdes eine gesteigerte Vorbereitung und Beaufsichtigung des Freilaufs veranlasst.
46Der Beklagte musste sich nicht im Hinblick auf den baulichen Zustand der Reithalle hierzu in gesteigertem Maße veranlasst sehen. Denn nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben wird die Halle bereits seit dem Jahr 1973 für den Freilauf von Pferden genutzt, anfangs mit 16 Pferden, später mit 20-30 und seit etwa 20 Jahren mit 90 Pferden. In dieser Zeit ist es nach den Schilderungen des Beklagten nicht zu nennenswerten Schadensereignissen gekommen, insbesondere nicht zu Verletzungen von Pferden an den Stahlstützen des Hallendaches. Zwar soll es schon mal zu einer Hüftverletzung eines Pferdes gekommen sein. Das konnte die Klägerin indes nicht näher darlegen.
473. Ihr Klagebegehren kann die Klägerin schließlich auch nicht mit Erfolg auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 S. 1 BGB stützen.
48a. Eine Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 90a S. 1 BGB liegt vor. Die am 2.12.2010 erlittene Schädelverletzung des Pferdes steht nicht im Streit. Ein (schuldhafter) Verstoß gegen die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten oder sonstigen Schutz- und Sorgfaltspflichten ist dem Beklagten aus den genannten Gründen indes nicht vorzuwerfen.
49b. Im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung des Freilaufs durch eine Praktikantin kommt auch eine Haftung des Beklagten nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB nicht in Betracht. Denn die als seine Verrichtungsgehilfin tätig gewordene Praktikantin hat nicht feststellbar rechtswidrig gehandelt.
50Dass sie nicht zur sachgerechten Vorbereitung und Beaufsichtigung des Freilaufs geeignet und sie deshalb fachlich oder persönlich von vorneherein gar nicht dazu in der Lage war, den Freilauf vorzubereiten und zu beaufsichtigen, steht nicht im Raum. Ein pflichtwidriges und damit indiziell rechtswidriges Handeln wird von der Klägerin nicht behauptet und lässt sich auch nicht feststellen. Den Vorwurf, dass das Pferd mit der Peitsche gejagt worden sei, hat die Klägerin ausdrücklich nicht aufrechterhalten. Pflichtwidriges Unterlassen der erforderlichen Vorbereitung des Freilaufs ist aus den genannten Gründen nicht gegeben.
51III.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
53Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor.