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Ein privates Unternehmen der Daseinsvorsorge, das durch die öffentliche Hand beherrscht wird, kann gem. § 4 des nordrhein-westfälischen Landespressegesetzes verpflichtet sein, einem Journalisten Auskunft über den Abschluss und die Abwicklung von Verträgen mit Dienstleistern zu erteilen, auch wenn durch die Auskunft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens bekannt zu geben sind.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. November 2013
verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Essen unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu
geben,
welche Aufträge die Streithelferin der Beklagten ab dem Jahre 2009 für die Beklagte erbracht hat unter der jeweiligen Nennung des Datums der Auftragserteilung, des Datums der Rechnungsstellung, der erbrachten Leistung und der Höhe der Rechnungssumme;
wie hoch die Beratungsleistungen der Q
mbH (Herr G), C-Allee, ###### B, für die Beklagte
dotiert waren unter Nennung des jeweiligen Datums der Auftragserteilung
und Rechnungsstellung sowie Höhe der Rechnungssumme;
welche Aufträge Herr T.de, P-Straße ##
##### E, für die Beklagte erbracht hat unter der
jeweiligen Nennung des Datums der Auftragserteilung und Rechnungs-
stellung, sowie der genau erbrachten Leistungen und Höhen der
Rechnungssummen;
wie die Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem
Institut XX (I.xxx), N-Straße, ##### O, jeweils dotiert waren;
welche Dienstleistungen das Institut XX (I.xxx), N-Straße, ##### O,
für die Beklagte im Detail erbracht hat und derzeit erbringt unter der
jeweiligen Nennung des Datums der Auftragserteilung nach 2008, des
Datums der Rechnungsstellung, der erbrachten Leistung und Höhe der
Rechnungssumme.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger
10 % und die Beklagte 90 %; ausgenommen hiervon sind die außer-
gerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten beider Instanzen,
welche der Kläger zu 10 % und im Übrigen die Streithelferin selbst zu
tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils
andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
3I.
4Der Kläger, ein Journalist, verlangt von dem beklagten Unternehmen, welches im Bereich Trinkwasser- und Energieversorgung sowie Abwasserentsorgung tätig ist, behördliche Auskunft nach dem LPresseG NW über den Inhalt und die Vergütung von Verträgen, welche die Beklagte mit den in den Klageanträgen genannten Dienstleistern und Dienstleistungsunternehmen geschlossen hat. Er macht geltend, dass die Dienstleister bzw. die hinter den Dienstleistungsunternehmen stehenden Personen in Wahlkampfzeiten für die Internet‑Blogs „X-Blog“ und „xxxxblog“ tätig geworden seien. Der Kläger begründet sein Auskunftsverlangen mit einem bei ihm durch verschiedene Presseveröffentlichungen entstandenen Verdacht, dass die Beklagte über die von ihr mit den Dienstleistern geschlossenen Verträge die Blogs indirekt finanziell unterstützt habe.
5Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund ihrer Beherrschung durch Kommunen und ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge als Behörde im Sinne des Presserechts anzusehen sei. Gleichwohl sei sie zur Erteilung der begehrten Auskünfte nicht verpflichtet, weil diese nicht der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienen würden. Zwar gehe es nicht an, die Zwecke, welche der Kläger verfolge, dahin zu beurteilen, ob sein Rechercheziel anzuerkennen sei. Jedoch seien die verlangten Auskünfte für die von ihm angestrebte Berichterstattung über die Finanzierung des Wahlkampfes der T3 und der beiden Blogs nicht erforderlich. Vielmehr habe die Beklagte den Verdacht der finanziellen Unterstützung der Blogs überzeugend entkräftet, indem sie eine eidesstattliche Versicherung des für sie tätigen T, wonach die Beklagte nicht zu den Geldgebern des „xxxxblog“ gehöre, vorgelegt habe. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Erklärung bestünden nicht, während die vom Kläger für sein Auskunftsverlangen herangezogenen Presseberichte keinen ausreichenden Verdacht für eine entsprechende Verbindung der Beklagten zu dem Blog begründen würden. Hinsichtlich der Unterstützung des „X-Blogs“ habe die Beklagte überzeugend dargelegt, dass die Vervielfältigung geheimer Unterlagen der D in ihrem Hause ohne ihre Kenntnis habe erfolgen können. Daraus wie aus der Zusammenarbeit im Jahre 2010 mit G, Geschäftsführer der Q2 GmbH, lasse sich kein Verdachtsmoment für eine finanzielle Unterstützung des Blogs durch die Beklagte ableiten. Im Übrigen habe die Beklagte bereits durch Darlegung von Umfang, Aufgabenstellung und Zeitrahmen der jeweiligen Verträge mit den Auftragnehmern Auskunft erteilt, dass sie den Wahlkampf der T3 nicht indirekt finanziert habe. Ohnehin sei nicht erkennbar, welche weiteren Erkenntnisse der Kläger durch die Beantwortung der klagegegenständlichen Fragen gewinnen könne, zumal die Beklagte zur Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen Auskünfte über die Zahl der abgerechneten Stunden oder der Vertragsbedingungen nicht geben müsse. Die Tätigkeit des Herrn T sei zur Pressearbeit zum Thema Fracking und zur Frage einer Stadtwerkebeteiligung in C erfolgt, weshalb der Kläger auch insofern keine weiteren Erkenntnisse zur Frage der Wahlkampffinanzierung erwarten könne. Gleiches gelte bezüglich des I.xxx, welches für die Beklagte Kundenbefragungen und die Organisation einer Blindwasserverkostung im Rahmen einer Langzeitstudie vorgenommen habe.
7Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Darstellung, dass ihm die Auskünfte, die ihm die Beklagte bisher erteilt habe, keine Beurteilung einer verdeckten Wahlkampffinanzierung durch „Scheinaufträge“ zuließen, weshalb er sein Auskunftsbegehren weiter verfolgt. Es sei üblich und entspreche bekanntgewordenen Praktiken, illegale Geldflüsse durch angebliche Beraterverträge oder Studienaufträge zu verschleiern. So sei die während des Wahlkampfes 2010 vorgelegte Studie zum Geschmack von Trinkwasser von der Firma I.xxx inhaltsleer gewesen. Nur durch genaue Kenntnis von Auftragsvergaben und –inhalten sei eine Beurteilung möglich, ob Arbeitsaufwand und Bezahlung miteinander korrespondieren. Das Landgericht habe unzulässigerweise eine Beurteilung getroffen, welchen Informationswert die begehrten Auskünfte besäßen, und damit seine – des Klägers – Recherchefreiheit verletzt. Der bei ihm vorhandene Verdacht gründe auf der Personenidentität der Beteiligten an den beiden Blogs und den Vertragspartnern der Beklagten und sei nicht durch einfache Verneinung eines Zusammenhangs auszuräumen.
8Der Kläger beantragt,
9unter Abänderung des am 14.11.2013 verkündeten Urteils
10der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen die
11Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu geben,
12welche Aufträge die E2-GmbH, N-Straße
13xx, xxxxx O, für die Beklagte erbracht hat, unter der
14jeweiligen Nennung des Datums der Auftragserteilung nach
152001, des Datums der Rechnungsstellung, der erbrachten
16Leistung und der Höhe der Rechnungssumme;
17wie hoch die Beratungsleistungen der Q2 Beratungs-
18gesellschaft mbH (Herr G), C-Allee,
19##### B, für die Beklagte dotiert waren unter
20Nennung des jeweiligen Datums der Auftragserteilung und
21Rechnungsstellung sowie Höhe der Rechnungssumme;
22welche Aufträge Herr T2.de,
23P-Straße, ##### E2, für die Beklagte
24erbracht hat unter der jeweiligen Nennung des Datums der
25Auftragserteilung und Rechnungsstellung, sowie der genau
26erbrachten Leistungen und Höhen der Rechnungssummen;
27wie die Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und
28dem Institut für F XX (I.xxx), N-Straße, ##### O,
29jeweils dotiert waren;
30welche Dienstleistungen das Institut für F XX (I.xxx), N-Straße,
31##### O, für die Beklagte im Detail erbracht hat und
32derzeit erbringt unter der jeweiligen Nennung des Datums
33der Auftragserteilung nach 2008, des Datums der Rechnungs-
34stellung, der erbrachten Leistung und Höhe der Rechnungs-
35summe.
36Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen und wiederholt und vertieft ihre Rechtsauffassung, keine auskunftspflichtige Behörde im Sinne des Presserechts zu sein.
39Die Streithelferin der Beklagten macht geltend, dass das Auskunftsbegehren des Klägers lediglich den Zweck verfolge, ihr und ihrem früheren Geschäftsführer Dr. Q zu schaden.
40Der Senat hat die Beteiligten angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 27.02.2015 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
41II.
42Die zulässige Berufung hat weitgehend Erfolg.
43Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erteilung der von ihm verlangten Auskünfte in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang gemäß
44§ 4 Abs. 1 LPresseG NW zu.
451.
46a) Als Journalist ist der Kläger anspruchsberechtigt.
47b) Die Beklagte, obwohl sie als Aktiengesellschaft organisiert ist und als solche privatrechtlich tätig wird, ist eine Behörde im Sinne des LPresseG und daher passivlegitimiert.
48Bereits das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Behördeneigenschaft der Beklagten nicht von ihrer Organisationsform abhängt. Vielmehr hat bereits der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10.02.2005 (NJW 2005, Seite 1720; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 22.05.2012 zu 27 K 6.09, veröffentlicht bei juris) überzeugend ausgeführt, dass dem LandesPresseG ein eigenständiger Behördenbegriff zugrunde liegt, dem auch juristische Personen des Privatrechts unterfallen, wenn sich die öffentliche Hand ihrer zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient. Dabei ist nicht erforderlich, dass sich die private Gesellschaft vollständig - unmittelbar oder mittelbar – in öffentlicher (kommunaler) Hand befindet. Vielmehr reicht es aus, dass die Gesellschaft von der öffentlichen Hand beherrscht wird. Der Behördenbegriff ist funktionell-teleologisch zu begreifen. Sinn und Zweck des § 4 LPresseG NW ist es, der Presse die ihr durch Artikel 5 Abs. 1 GG zugewiesene Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihr so zu ermöglichen, ihre Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten. Deshalb besteht ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Presse und der Öffentlichkeit dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, wobei es ohne Bedeutung ist, ob sich ein Hoheitsträger zur Wahrnehmung seiner öffentlichen Aufgabe im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisationsform bedient.
49Als eine der Wasser- und Energieversorgung und Abwasserentsorgung dienende Gesellschaft erfüllt die Beklagte Aufgaben der Daseinsvorsorge. Hierunter fallen alle zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger erforderlichen Leistungen der Verwaltung. Traditionell gehören gerade die Strom-, Gas- und Wasserversorgung zu den typischen kommunalen Aufgaben.
50Als Aktiengesellschaft besitzt die Beklagte zwar eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist rechtlich, organisatorisch und rechnungsmäßig gegenüber den sie tragenden Kommunen verselbstständigt. Gleichwohl wird sie praktisch von der öffentlichen Hand beherrscht. 92,9 % ihrer Aktienanteile werden von der X1 und H GmbH gehalten. Die Anteile an der X1 und H GmbH wiederum werden zu jeweils 50 % von den Stadtwerken C3 und E2 gehalten. Weitere 5,8 % der Aktien sind in Besitz weiterer Kommunalaktionäre und nur der verbleibende relativ geringe Anteil von 1,3 % der Aktien im Besitz anderer Aktionäre als Kommunen. Der bestimmende Einfluss der öffentlichen Hand wird u. a. an der Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Beklagten deutlich, dessen Mitglieder überwiegend Personen sind, die zugleich politische Ämter in den die Beteiligungen haltenden Kommunen bekleiden.
51Somit ist auch der Einwand der Beklagten nicht gerechtfertigt, dass die von dem BGH in der o.g. Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf sie nicht übertragbar seien, weil sie nicht als GmbH, sondern als Aktiengesellschaft organisiert sei. Zu Recht und mit zutreffenden Argumenten hat bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Regelungen des Aktiengesetzes einen bestimmenden Einfluss der an der Beklagten mittelbar beteiligten Kommunen auf die Geschäftsführung und die personelle Besetzung der Führungspositionen zulassen und daher keine maßgeblichen Unterschiede gegenüber den Einwirkungsmöglichkeiten der GmbH-Gesellschafter auf eine GmbH bestehen.
52Unberechtigt ist des Weiteren der Einwand der Beklagten, dass ihr Aufgabenbereich nicht der Daseinsvorsorge zuzuordnen sei, weil sie im Wettbewerb mit privaten Unternehmen im Auftrag und gegen Entgelt Leistungen der Energie- und Wasserversorgung für Drittkommunen erbringe, zu denen keine gesellschaftsrechtlichen Verbindungen bestünden, die zu einer Beherrschung führen könnten. Allein durch diese Ausweitung des Aufgabengebietes entfällt nicht die Einbindung der Beklagten in die kommunale Aufgabenstellung. So wenig, wie ein Hoheitsträger durch eine Übertragung seiner hoheitlichen Aufgaben in eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft sich seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen entziehen kann, so wenig ist es möglich, dies durch eine Ausweitung des Aufgabenfeldes der Gesellschaft auf weitere Kommunen zu erreichen. Eine Lösung der Beklagten von ihren öffentlichen Aufgaben wird ohnehin durch § 107 GO NW ausgeschlossen.
53Weiterhin geht der Hinweis der Beklagten auf die fehlende Behördeneigenschaft der E AG (vgl. OVG Münster, AFP 2008, S. 656) fehl. Diese Gesellschaft unterliegt anderen Beurteilungsmaßstäben, nachdem ihr Aufgabenbereich durch die Postreform aus der Daseinsvorsorge herausgenommen wurde.
542.
55Die mit der Klage verlangten Informationen dienen mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse.
56Die öffentliche Aufgabe der Presse liegt gemäß § 3 LPresseG NW darin, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt. Die gesetzliche Beschränkung der Auskunftspflicht auf Auskünfte zur Erfüllung dieser Aufgabe schließt daher einen Anspruch auf solche Informationen aus, die nicht der publizistischen Auswertung zu dienen bestimmt sind. Insofern geht es im Wesentlichen um die Befriedigung bloßer privater Neugier oder um mögliche Missbrauchsfälle, in denen ein Anspruchsteller nur etwa die eigenen wettbewerblichen Chancen verbessern will (vgl. VG Berlin, a.a.O.).
57Das Auskunftsbegehren des Klägers unterfällt weitgehend dem durch § 3 LPresseG NW geschützten Interesse. Bei der Beurteilung, ob ein Begehren zu den öffentlichen Aufgaben der Presse zählt, ist zu berücksichtigen, dass es zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist. Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert und dass es Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen (vgl. BVerfGE 101, S. 361; NJW 2001, S. 503 ff). Eine Prüfung und Bewertung, ob hinsichtlich bestimmter Fragen ein öffentliches Interesse an der Auskunftserteilung besteht, würde die Gefahr einer durch Artikel 5 Abs. 1 S. 3 GG verbotenen Zensur mit sich bringen. Die ordnungsgemäße journalistische Verwendung und Verarbeitung der erteilten Auskünfte in eigener redaktioneller Verantwortung untersteht allein dem selbstständigen Zuständigkeitsbereich der Presse, die im Fall einer rechtswidrigen journalistischen Verarbeitung, für deren künftigen Eintritt im vorliegenden Fall keine objektiven Anhaltspunkte erkennbar sind, Gegendarstellungs- Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen ausgesetzt wäre. Dem jeweiligen Presseorgan obliegt die selbstständige und eigenverantwortliche Prüfung, ob und wie – im Rahmen der Wahrheitspflicht – die durch die Auskunft erlangten Informationen verwertet werden (vgl. VG Dresden, AfP 2009, S. 296; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., Kap. 19 Rdnr. 2 m. w. N.).
58Aus diesem Grunde verbietet es sich für den erkennenden Senat, eine Prüfung vorzunehmen, ob die begehrte Auskunft „erforderlich“ ist, wie es das Landgericht unzulässigerweise getan hat. Die Gründe, wegen derer eine Behörde eine abverlangte Auskunft berechtigterweise verweigern kann, sind vielmehr in § 4 Abs. 2 LPresseG NW aufgeführt. Eine weitere Begrenzung des Anspruchs durch weitere, vom Gesetz nicht vorgesehene Kriterien, stellt einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Pressefreiheit dar.
59Das Begehren des Klägers, der wissen will, ob die Beklagte Zahlungen an gewisse Dienstleister erbracht hat, um überprüfen zu können, ob diese nicht durch Dienstleistungen an die Beklagte gerechtfertigt werden, sondern der verdeckten Finanzierung von Blogs im Wahlkampf dienen können, unterfällt demnach dem Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 1 GG und wird daher vom Auskunftsanspruch des § 4 Abs. 1 LPresseG NW erfasst. Angesichts der Umstände, dass sich aus der Berichterstattung durch T3-online vom ##.##.2013 ein Verdacht dafür entnehmen lässt, dass fünf Unternehmer, „die vorerst anonym bleiben wollen“, den zur Unterstützung des Wahlkampfes des seinerzeitigen T3-Kanzlerkandidaten Q2 T3 dienenden „####blog“ finanziert haben, die Verantwortlichen bei der Beklagten jedenfalls seinerzeit zumindest überwiegend der T3 nahe gestanden haben und die Beklagte mehrere Dienstverträge gerade mit solchen Personen und Unternehmen abgeschlossen hat, die bzw. deren leitende Personen zugleich als Betreiber und Dienstleister sowohl bei dem „X-Blog“ als auch dem „xxxxblog“ bekannt geworden sind, fehlt ein Grund für die Annahme, dass der Kläger ohne jegliche Verdachtsgrundlage recherchieren und etwa lediglich private Interessen verfolgen oder aus Neugier handeln würde. Der durch die genannten Umstände entstandene Verdacht ist nicht durch das bloße Abstreiten einer indirekten Finanzierung der Blogs durch die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der – ggf. an einer Verschleierung interessierten – beteiligten Dienstleister in ausreichendem Maße zu entkräften. Erst die wahrheitsgemäße Bekanntgabe von Auftragsinhalten, erbrachten Leistungen und der dafür erhaltenen Vergütung kann eine journalistische Bewertung zulassen, ob der Verdacht des Klägers berechtigt ist oder nicht.
60Daher gehen die von der Beklagten und ihrer Streithelferin erhobenen Einwände gegen die Berechtigung des Auskunftsverlangens ins Leere. Der Kläger ist nicht gehalten, zur Rechtfertigung seines Auskunftsverlangens einen Nachweis für die Richtigkeit seines Verdachts zu erbringen. Die von ihm erbetene behördliche Auskunft steht am Beginn der Recherche und macht diese erst möglich, weshalb ein Nachweis für die Berechtigung des erhobenen Verdachts nicht möglich ist und nicht als Voraussetzung für den Auskunftsanspruch verlangt werden darf. Etwaige persönliche oder politische Absichten, die der Kläger über sein journalistisches Interesse hinaus mit seiner Recherche verfolgen könnte, sind jedenfalls solange unerheblich, solange sich sein Begehren im Rahmen einer zulässigen journalistischen Recherche bewegt.
61Daher hat die Beklagte dem Kläger über ihre Geschäftsbeziehungen zur Q mbH, deren Geschäftsführer G ist, zu Herrn T und zu dem Institut XX (I.xxx), hinter dem Herr Dr. Q3 steht, in vollem Umfang Auskunft zu erteilen. Hinsichtlich aller genannter Dienstleister hat der Kläger einen nicht von vornherein haltlos erscheinenden Verdacht einer unzulässigen indirekten Parteienfinanzierung mit öffentlichen Mitteln geäußert. Hinsichtlich der Herren G und T ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Artikel aus T-online vom ##.##.2013, dass beide maßgeblich an den Blogs beteiligt gewesen sein sollen. Gleiches gilt auch für den hinter der Firma I.xxx stehenden Dr. Q, der bis zum 23.09.2011 als Geschäftsführer bei der Streithelferin tätig war und offensichtlich auch weiter in anderer Funktion tätig ist. Der Kläger hat weiter dargelegt, dass eine Verbindung von Dr. Q zum „X-Blog“ besteht, indem unter einer auf Dr. Q registrierten Software Dokumente abgespeichert und sodann in den Blog hochgeladen wurden. Eine weitere Fotodatei lässt als Herkunft eine Facebook-Seite erkennen, die auf das angebliche Facebook-Mitglied U Q zurückzuführen ist. Auch wenn es sich hierbei nicht um einen Menschen, sondern um einen Hund handelt, so ist gleichwohl der vom Kläger geäußerte Verdacht, dass Herr Dr. Q unter Benutzung des Facebook-Accounts seiner Tochter tätig wurde, nicht von vornherein haltlos. Auf die weitere Frage, ob eine frühere Zusammenarbeit der Herren Dr. Q und X an einem Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität E4 und die Mitgliedschaft von X bei den „H3“ sowie seine Beteiligung an der strategischen Analyse von Wahlkämpfen ein weiteres Verdachtsmoment zu begründen vermag, kommt es nicht an.
62Ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung ist vom Kläger lediglich nicht ausreichend dargelegt worden, soweit er Auskunft über die Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten und der Streithelferin in den Jahren 2001 bis 2008 verlangt. Der Verdacht des Klägers einer verdeckten Wahlkampffinanzierung bezieht sich auf Blogs im Landtagswahlkampf 2010 und im Bundestagswahlkampf 2013. Beide Blogs waren nur in diesen Jahren geschaltet. Damit ist nicht nachvollziehbar, welche Informationen der Kläger durch die Bekanntgabe von Vertragsverhältnissen aus den vorangegangenen Jahren für die Bestätigung oder Entkräftung seines Verdachts erhalten möchte. Die Annahme, dass die Beklagte und die Streithelferin schon 2001 oder zu einem späteren, von der Landtagswahl 2010 noch weit entfernten Zeitpunkt übereingekommen sein sollten, durch nur zum Schein erteilte Aufträge eine finanzielle Grundlage für eine spätere Wahlkampfunterstützung durch die Streithelferin zu schaffen, wird weder vom Kläger geäußert, noch ist dies dem Artikel von T3-online vom 03.02.2013 zu entnehmen. Auch auf Hinweis des Senats vermochte der Kläger nicht schlüssig darzustellen, welchen Wert die Informationen aus den Jahren 2001 bis 2008 für die Bestätigung oder Entkräftung seines Verdachts haben sollten. Aus diesem Grunde musste die Berufung wegen der Auskunftserteilung aus den Jahren 2001 bis 2008 in Bezug auf die Streithelferin unbegründet bleiben. Hingegen bestand ab dem Jahre 2009 eine so hinreichende zeitliche Nähe zu dem Landtagswahlkampf 2010, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich durch die vom Kläger verlangten Informationen Rückschlüsse auf die Berechtigung des von ihm geäußerten Verdachts ziehen lassen.
633.
64Die Beklagte ist nicht berechtigt, die vom Kläger erlangten Auskünfte gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 LPresseG NW zu verweigern. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Auskunft nicht, sofern Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde.
65Insofern berufen sich die Beklagte und die Streithelferin ohne Erfolg darauf, dass sie durch die verlangte Auskunft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bekanntgeben müssten, weil insbesondere Dritte aufgrund der verlangten Auskünfte die Kalkulation der beteiligten Dienstleistungsunternehmen erfahren und ihnen Nachteile bei künftigen Auftragsvergaben zufügen könnten.
66Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (vgl. BVerfG, NVwZ, 2006, S. 1041).
67Die Auskünfte, die der Kläger verlangt, bringen die Bekanntgabe von Vertragskonditionen und Kalkulationen mit sich und sind daher grundsätzlich dem Bereich der Geschäftsgeheimnisse zuzuordnen. Indes kann ihrem Schutz kein genereller Vorrang vor den hier maßgeblichen Informationsrechten des Klägers eingeräumt werden. Denn § 4 Abs. 2 LPresseG NW ist unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter auszulegen. Der Auskunftsanspruch ist Ausfluss der verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Freiheit der Presse. Bei der Auslegung einer einfach rechtlichen Norm wie des § 4 Abs. 2 LPresseG NW ist die grundsätzliche Wertentscheidung zu berücksichtigen. Daher bedarf es – sowohl hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der privaten Interessen als auch des Überwiegens der öffentlichen Interessen – einer Abwägung der jeweils zu berücksichtigenden Belange im Einzelfall. Das Interesse der Presse an Offenlegung ist den gegenläufigen Interessen am Unterbleiben der Auskunft gegenüber zu stellen. Ist mit der Auskunft nur ein geringfügiger Eingriff in das Recht eines Privaten verbunden, so bedarf es keines zeitgeschichtlichen Interesses an der Information, um dieses als gerechtfertigt anzusehen. Demgegenüber muss das von der Presse verfolgte Interesse um so gewichtiger sein, um eine Auskunft zu legitimieren, je sensibler der Bereich ist, über den informiert wird und je detaillierter und weitergehend die begehrte Auskunft ist (vgl. OVG Münster, DVBL 2012, Seite 1113; DVBL 2014, Seite 464; VG Berlin, a. a. O.). Ein genereller Aus-
68schluss von Geschäftsgeheimnissen vom Presseauskunftsanspruch wie eine Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses kommt nicht in Betracht (vgl. BVerwG, NVwZ 2015, S. 1388).
69Im Rahmen der daher gebotenen Abwägung kommt den Interessen des Klägers ein größeres Gewicht zu als denjenigen der Beklagten und der betroffenen Dienstleistungsunternehmen einschließlich der Streithelferin. Der Verdacht einer indirekten Parteien- oder Wahlkampffinanzierung betrifft öffentliche Interessen von erheblichem Gewicht. Der Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 LPresseG NW würde ausgehöhlt, wenn es ein insoweit in Verdacht geratenes öffentlich beherrschtes Unternehmen generell in der Hand hätte, durch Verweis auf Geschäftsgeheimnisse eine konkrete Überprüfung des Verdachts von vornherein zu verhindern.
70Demgegenüber erscheinen die von der Beklagten und der Streithelferin angeführten Einwände wenig konkret. So erscheint es lediglich als Spekulation, dass die Beklagte bei künftigen Auftragsvergaben Nachteile erleiden sollte, wenn sie die Einzelheiten der mit den in den Klageanträgen genannten Dienstleistern abgeschlossenen Verträge einschließlich der gezahlten Vergütung offenlegen müsste. Im Hinblick auf die Q2 GmbH und Herrn T, die jeweils über einen begrenzten Zeitraum Beratungsleistungen erbracht haben sollen und deren Verträge mit der Beklagten ausgelaufen sind, fehlt es schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte in Zukunft vergleichbare Dienstleistungen zu beziehen beabsichtigt. Dem Vortrag der Beklagten und der Streithelferin ist zudem nicht schlüssig zu entnehmen, dass die Beauftragung der Dienstleister das Ergebnis eines Preisvergleichs war, bei denen zwischen mehreren vergleichbaren Angeboten abgewogen wurde. Vielmehr hat die Beklagte selbst geltend gemacht, dass sie die Herren G und T aufgrund ihrer Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert habe, um im Falle des Herrn G Pressearbeit angesichts der Presseberichterstattung über in ihrem Hause gescannte D-Unterlagen zur verrichten, oder im Falle des Herrn T Kenntnisse der regionalen und nationalen Medien zu nutzen, um sich zum Thema Fracking zu positionieren. Darüber hinaus hat die Beklagte behauptet, alle Leistungen zu marktüblichen Konditionen vergütet zu haben, so dass ein Nachteil bei künftigen Vertragsabschlüssen zu etwaigen anderen Beratungsgegenständen nicht nahe liegt.
71Aber auch soweit hinsichtlich der Streithelferin und des I.xxx von einer weiter andauernden Geschäftsbeziehung und einem fortbestehenden Interesse an der Geschäftstätigkeit seitens der Beklagten auszugehen ist, erscheinen die vorgetragenen Besorgnisse hinsichtlich bestehender Nachteile der Beklagten bei späteren Auftragsvergaben eher theoretischer Natur. Zwar machen sie geltend, dass ihre Dienstleister erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz erleiden würden, wenn Leistungsinhalte und Vergütungen hierfür bekannt würden. Gleichwohl erscheint es auf der Basis ihrer Darlegungen nicht nachvollziehbar, weshalb diese Informationen für die Konkurrenzunternehmen von so großem Gewicht sein sollen, dass ihre Bekanntgabe für die Streithelferin und die Firma I.xxx geradezu existenzgefährdend seien. Überdies besteht kein Anspruch der betroffenen Dienstleister darauf, ihre Leistungen zu unveränderten Konditionen weiter erbringen zu können, wenn dieselbe Leistung durch andere Unternehmen preisgünstiger erbracht werden kann.
72Soweit die Streitverkündete schließlich einwendet, mit seinem Auskunftsverlangen ginge es dem Kläger lediglich darum, der Beklagten und ihr zu schaden, besteht hierfür kein objektiver Anhaltspunkt.
734.
74Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
75Die Revision war gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Der Rechtsstreit wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, zu denen der Bundesgerichtshof bisher nicht Stellung genommen hat, insbesondere zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die befürchtete Verletzung von Geschäftsgeheimnissen einen Ausschluss des Informationsanspruchs aus § 4 Abs. 1 LPresseG NW (wie auch anderer inhaltsgleicher Landespressegesetze) rechtfertigt.