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Freistellung des verurteilten Heranwachsenden von seinen notwendigen Auslagen. Kostengrundentscheidung verbindlich für das Kostenfestsetzungsverfahren.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Bochum – Rechtspflegerin – zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 2.193,77 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Der frühere Angeklagte und Beschwerdeführer ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Januar 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es wurde gem. § 74 JGG davon abgesehen, dem früheren Angeklagten die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen; die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin hat er hingegen zu tragen.
4Der Verteidiger des früheren Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 30. April 2014 beantragt, die Wahlverteidigergebühren und Auslagen abzüglich der festgesetzten und ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren auf insgesamt 2.193,77 € festzusetzen. Die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum hat mit Beschluss vom 9. Mai 2014 diesen Antrag zurückgewiesen, da in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Januar 2014 die notwendigen Auslagen nicht der Landeskasse auferlegt worden seien.
5Gegen diesen seinem Verteidiger am 14. Mai 2014 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. Mai 2014, eingegangen per Fax am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.
6Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm hält in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme vom 18. Juli 2014 die sofortige Beschwerde für unbegründet. Er schließt sich insoweit den Ausführungen des Brandenburgischen OLG in seinem Beschluss vom 11. Januar 2011 (2 Ws 125/11; juris) mit ergänzenden Ausführungen an.
7II.
81.
9Zur Entscheidung über die gemäß §§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 3 RPflG i.V.m. 464b StPO statthafte sofortige Beschwerde ist der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht gemäß §§ 464b Satz 3 StPO i.V.m. 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH v. 27.11.2002, 2 ARs 239/02, NJW 2003, 763), wonach gemäß § 464b Satz 3 StPO auf das Verfahren und die Vollstreckung der Kostenfestsetzung in Strafsachen die Vorschriften der Zivilprozessordnung lediglich insoweit Anwendung finden, als sie strafprozessualen Prinzipien nicht widersprechen. Demgemäß sind für das Beschwerdeverfahren die §§ 304 ff. StPO und nicht die entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden (BGH, a.a.O.; Senat in ständiger Rechtsprechung, statt aller: Beschluss v. 04.05.2010, 2 Ws 52/10, BeckRS 2010, 12301).
102.
11Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen gilt für die Einlegung der sofortigen Beschwerde die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. Senat, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 464b, Rn. 7 m.w.N.). Diese Frist ist vorliegend eingehalten worden, so dass sich das Rechtsmittel als zulässig erweist, zumal der Beschwerdewert von 200,- € (§ 304 Abs. 3 StPO) überschritten ist.
123.
13Die sofortige Beschwerde hat in der Sache - zumindest vorläufigen - Erfolg.
14Nach der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Januar 2014 ist gemäß § 74 JGG davon abgesehen worden, dem Angeklagten trotz seiner Verurteilung die Kosten des Verfahrens und seine ihm selbst entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Der frühere Angeklagte sollte lediglich mit den der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen belastet werden. Da nach der eindeutigen und nicht anders auslegbaren Kostengrundentscheidung der 3. großen Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Bochum vom 14. Januar 2014 der frühere Angeklagte seine notwendigen Auslagen nicht zu tragen hat, sind mangels eines anderen Kostenschuldners – die Nebenklägerin hat die notwendigen Auslagen des Angeklagten offensichtlich nicht zu tragen – die notwendigen Auslagen des Angeklagten von der Staatskasse zu tragen. Dass dies von der 3. großen Strafkammer mit ihrer Entscheidung auch so gewollt war, ergibt sich zudem aus einem Vermerk der Kammer vom 22. Mai 2014, in dem nochmals dargelegt worden ist, dass mit dem Absehen der Auferlegung von Kosten und Auslagen nach § 74 JGG die notwendigen Auslagen des Angeklagten von der Staatskasse zu tragen seien.
15Dahinstehen kann, ob § 74 JGG grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, davon abzusehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen und diese Auslagen der Staatskasse aufzubürden, oder ob unter „Auslagen“ i.S.d. § 74 JGG allein die Auslagen Dritter zu verstehen sind (vgl. insoweit Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 11. Oktober 2011, 2 Ws 125/11, NStZ-RR 2012, 192; BGH, Beschluss vom 15. November 1988, 4 StR 528/88, NStZ 1989, 239; BGH, Beschluss vom 16. März 2006, 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Dezember 1993, 2 Ws 214/93, GA 1994, 286). Vorliegend ist die Kostengrundentscheidung eindeutig und – mangels Anfechtung – rechtskräftig geworden und somit – unabhängig davon, ob sie zu Recht ergangen ist – bindend für das Kostenfestsetzungsverfahren.
16Demgemäß war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Höhe der festzusetzenden Wahlverteidigergebühren und die Kosten des Beschwerdeverfahrens an die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.