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Die fehlende Kenntnis des Verurteilten von der Verlängerung der Bewährungszeit bei der Begehung der zum Widerruf führenden neuen Straftat hindert den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11.06.2014 gegen den Beschluss der 92. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund bei dem Amtsgericht Castrop-Rauxel vom 30.05.2014 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.07.2014
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerde-führers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Zusatz:
2Der Verurteilte wendet sich gegen den Widerruf der Reststrafenaussetzung zur Bewährung wegen einer Straftat, die er kurz nach der zweiten Verlängerung der Bewährungszeit begangen hat. Ergänzend zum angefochtenen Beschluss merkt der Senat an:
31.
4Die erkennende Strafvollstreckungskammer war für die Entscheidung zuständig, nachdem der Verurteilte früher einmal in der JVA D eingesessen hat und die Strafvollstreckungskammer noch bevor der Verurteilte erneut Strafhaft in der JVA X bzw. JVA C verbüßt hat, mit der Sache aufgrund der Mitteilung der neuen Anklage im Juli 2013 befasst worden ist.
52.
6a) Der Senat hat keine Anhaltspunkte für von der Verteidigung vorgebrachten Zweifel daran, dass der Verurteilte von der Verlängerung der Bewährungszeit Kenntnis hatte. Beide Verlängerungsbeschlüsse sind ihm ordnungsgemäß zugestellt worden.
7b) Im Übrigen würde die fehlende Kenntnis von der Verlängerung der Bewährungs-zeit bei Begehung der neuen Straftat auch nicht hindern (so auch: ; OLG Hamburg, Beschl. v. 26.07.2005 – 2 Ws 146/05 = BeckRS 2005, 30360396; OLG München NStZ 1999, 638; Schönke/Schröder – Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 56f Rdn. 5; a.A.: Groß in: Münch-Komm-StGB, 2. Aufl., § 56f Rdn. 19). Der Gesetzeswortlaut verlangt nur die Begehung einer neuen Straftat „in der Bewährungszeit“, nicht aber auch, dass der Verurteilte von einer etwaigen Verlängerung derselben Kenntnis hat. Auch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine solche Einschränkung nicht. Beim Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB geht es nicht darum, den Verurteilten für ein in der Begehung der neuen Straftat liegendes Verhalten zusätzlich zu bestrafen, sondern darum, eine frühere Legalprognose zu korrigieren, die sich als falsch erwiesen hat. Auch ohne Kenntnis von der Verlän-gerung einer Bewährungszeit kann sich aber erweisen, dass der Verurteilte sich nicht schon die Verurteilung zur Warnung hat diesen lassen, sondern tatsächlich der Einwirkung des Strafvollzugs bedarf (vgl. § 56 Abs. 1 StGB; OLG Hamburg, Beschl. v. 26.07.2005 – 2 Ws 146/05 = BeckRS 2005, 30360396). Bei Kenntnis des Verur-teilten von einem nur wenige Tage zuvor ergangenen Verlängerungsbeschluss würde die anfängliche Prognose in zwar noch deutlicherer Form widerlegt sein; konstitutive Widerrufsvoraussetzung ist eine solche Kenntnis aber nicht. Auch die systematische Auslegung spricht gegen die von der Verteidigung gewünschte zu-sätzliche Voraussetzung der Kenntnis von der Verlängerung der Bewährungszeit i.S. einer besonderen Form des Ungehorsams, denn anders als § 56f Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB beinhaltet Nr. 1 StGB eine subjektive Komponente, wie sie den Formulierun-gen von „gröblich“ oder „beharrlich“ innewohnt, nicht.
8c) Auch eventuell in Betracht kommende Vertrauensschutzgesichtspunkte (vgl. OLG München a.a.O.) hindern den Widerruf nicht. Selbst wenn der Verurteilte vom Ver-längerungsbeschluss keine Kenntnis hatte, so musste er angesichts der zuvor er-folgten Anhörung zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft mit einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung rechnen.