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1.
Abgrenzung von Art. 1129, 1130 iran. ZGB zu ehevertraglicher Vereinbarung.
2.
Die nach iranischem ZGB an das Scheidungsbegehren der Ehefrau geknüpften besonderen Voraussetzungen führen nicht zur Anwendbarkeit des Art. 6 EGBG. 3. Von einer krassen Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit kann nicht gesprochen werden, wenn vertragliche Scheidungsgründe nach Art. 1119 iran. ZGB zugelassen sind.
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 31.07.2012 gegen den am 02.07.2012 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.500,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die vom Familiengericht mit dem angegriffenen Beschluss ausgesprochene Scheidung seiner Ehe mit der Antragstellerin.
4Die Beteiligten sind iranische Staatsangehörige schiitischen Glaubens. Sie haben am 03.12.1991 in Teheran die dauerhafte Ehe geschlossen. Gleichzeitig vereinbarten sie schriftlich vor dem Heiratsnotariat Bedingungen, unter denen die Ehefrau die Scheidung einreichen kann. Darin heißt es unter anderem wie folgt:
5„B - Beim Abschluss des Ehevertrages gibt der Ehemann seiner Ehefrau die unwiderrufliche Vollmacht, sich in bestimmten Fällen an das Gericht zu wenden, um sich eine gerichtliche Erlaubnis zur Scheidung geben zu lassen...
6Die Fälle, in denen die Ehefrau die Scheidung beim Gericht einreichen kann, sind wie folgt:
71. Wenn der Ehemann sich weigert, die Unterhaltskosten der Ehefrau für sechs Monate, aus welchen Gründen es auch sein mag, zu bezahlen und keine Möglichkeit besteht, ihn hierzu zu zwingen, und auch dann, wenn der Ehemann die sonstigen Rechte der Ehefrau auf 6 Monate nicht achtet und auch hierzu nicht gezwungen werden kann….“
82. Wenn das Benehmen und das Verhalten des Ehemannes unerträglich wird, so dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden kann.
9Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die mit der Antragsschrift in Kopie und Übersetzung vorgelegte notarielle Vereinbarung Bezug genommen.
10Aus ihrer Ehe sind der am 12.12.1993 geborenen Sohn E und der am 21.01. 1998 geborene Sohn F hervorgegangen.
11Die Trennung der Beteiligten erfolgte am 04.09.2009 als die Antragstellerin aus der gemeinsamen Ehewohnung auszog. Die diesbezüglichen Hintergründe sind zwischen den Beteiligten streitig.
12Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, sie könne sowohl nach iranischem Recht als auch aufgrund der vertraglichen Scheidungsvereinbarung die Scheidung beantragen. Hierzu hat sie behauptet, der Antragsgegner habe ihr seit der Trennung jegliche Unterhaltszahlung verweigert, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Ferner ist sie der Ansicht, dass wenn eine Scheidung nach iranischem Recht nicht möglich sein sollte, jedenfalls deutsches Recht nach dem ordre public anzuwenden sei.
13Die Antragstellerin hat beantragt,
14die am 03.12.1991 unter der Eintragungsnummer xx vor dem offiziellen Notariat für die Eintragung von Eheschließungen Nr. ## in Teheran geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden.
15Der Antragsgegner beantragt,
16den Antrag zurückzuweisen.
17Er hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine Scheidung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht seien nicht gegeben, da das iranische Recht keinen Trennungsunterhalt kenne und der Antragstellerin wegen der Verletzung ehelicher Pflichten durch den unbegründeten Auszug kein Unterhaltsanspruch zustehe. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat er erklärt, der Scheidung zustimmen zu wollen, wenn die Antragstellerin sich für die unberechtigten Vorwürfe gegen ihn – Gewaltanwendung im Zuge der Trennung – entschuldige und auf die Morgengabe verzichte.
18Das Familiengericht hat mit dem angegriffenen Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden.
19Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem deutsch-persischen Niederlassungsabkommen vom 17.02.1929 finde materielles iranisches Scheidungsrecht Anwendung. Danach stehe der Antragstellerin nicht das Recht zu, die Scheidung zu beantragen, da die Voraussetzungen des Art. 1129 iran. ZGB bzw. der Scheidungsvereinbarung nicht vorlägen. Beide Regelungen erfassten nicht einen Trennungsunterhaltsanspruch, weshalb ihr nach Art. 1108 iran. ZGB wegen Verletzung der Pflicht zur Versorgung der Familie kein Unterhaltsanspruch zustehe bzw. ein solcher nicht dargelegt sei.
20Das Scheidungsbegehren sei aber unter dem Gesichtspunkt des ordre public gerechtfertigt. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach iranischem Recht die Scheidung nicht beantragen könne, sondern darauf angewiesen sei, dass der Antragsgegner die Scheidung betreibe, verstoße gegen den ordre public des Art. 6 EGBGB. Mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sei es nicht zu vereinbaren, dass es dem Ehemann nach iranischem Recht fast beliebig freistehe, sich von der Ehefrau zu trennen, wohingegen die Ehefrau nur in streng geregelten Einzelfällen die Scheidung beantragen könne. Dieser Umstand sei vorliegend deshalb besonders gravierend, weil der Antragsgegner selbst an der Ehe im Ergebnis nicht mehr festhalten wolle. Dementsprechend sei deutsches materielles Scheidungsrecht anwendbar und der Antrag nach § 1565 Abs. 1 BGB unzweifelhaft begründet.
21Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er - unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages - seinen Zurückweisungsantrag weiter verfolgt.
22Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des Familiengerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages. Darüber hinausgehend ist sie der Ansicht, dass der Scheidungsgrund des Art. 1130 iran. ZGB vorliege, da der Antragsgegner nach seiner Erklärung die Ehe für zerrüttet halte, seine Einwilligung aber an sachwidrige Bedingungen knüpfe.
23II.
24Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat im Ergebnis zutreffend die Ehe der Beteiligten geschieden. Allerdings ist die Ehe nicht nach deutschem Recht, sondern nach den Regelungen des iranischen Rechts zu scheiden. Denn bereits nach iranischem Scheidungsrecht ist vorliegend die Scheidung der Ehe der Beteiligten auszusprechen. Das ergibt sich aus den nachfolgenden Feststellungen und rechtlichen Wertungen des Senats.
251.
26Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den Scheidungsantrag ergibt sich aus der dem § 606a ZPO vorgehenden Verordnung EG VO Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABL Nr. L 338 S. 1 – sog. Verordnung Brüssel IIa -).
27a)
28Auf das vorliegende, von der Antragstellerin am 28.03.2011 eingeleitete Scheidungsverfahren ist die Verordnung Brüssel IIa nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich anzuwenden. Denn diese gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Parteien für alle Verfahren, die nach Inkrafttreten der Verordnung am 01. März 2005 eingeleitet worden sind (Art. 64 Abs. 1, 72 VO Nr. 2201/2003; vgl. auch Rauscher IPRax 2005, 313; Henrich FamRZ 2004, 1958; OLG Koblenz NJW-RR 2009, 1014).
29b)
30Für das Scheidungsverfahren der Beteiligten ergibt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 3 a der Verordnung.
31Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte des Mitgliedstaates zur Entscheidung berufen, in dessen Hoheitsgebiet die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
32Vorliegend haben beide Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
33c)
34Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III). Denn diese seit dem 21.06.2012 in Deutschland geltende Verordnung (vgl. hierzu auch Pietsch NJW 2012, 1768) lässt die Regelungen der Verordnung Brüssel IIa ausdrücklich unberührt, Art. 2 VO.
35Hinsichtlich des Verfahrensrechts wenden die deutschen Gerichte nach dem Grundsatz der lex fori die deutschen Verfahrensnormen an.
362.
37Im Grundsatz zutreffend geht das Familiengericht davon aus, dass sich das anzuwendende Sachrecht nach dem materiellen iranischen Scheidungsrecht richtet.
38Da beide Beteiligte ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, findet das zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien abgeschlossene Niederlassungsabkommen vom 17.02.1929 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll hierzu – die Weitergeltung dieses Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran ist durch das deutsch-iranische Protokoll vom 04.11.1954 (BGBl. 1955 II, 829) ausdrücklich bestätigt worden (vgl. dazu BGH NJW-RR 2005, 81, 82) – Anwendung. Dessen Art. 8 Abs. 3 (abgedruckt bei Staudinger/Mankowski, BGB, Neubearbeitung 2011, Art. 14 EBGBG Rn. 5) verdrängt die Regelung des § 17 Abs. 1 EGBGB. Denn der Staatsvertrag ist vorrangig, weil er uneingeschränkt für alle Fälle gilt, in denen alle Beteiligten dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen (BGH FamRZ 1986, 345, 346; NJW 1990, 636, 637; NJW-RR 2005, 81, 82 f.; Staudinger/Mankowski, a.a.O.).
39Dementsprechend findet hier iranisches Scheidungsrecht Anwendung, da nach Art. 8 Abs. 3 u.a. in Bezug auf das Familienrecht „die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates … den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen“ bleiben.
40Aus der VO Rom III folgt nichts Gegenteiliges. Denn die VO ist auf den vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar, weil sie erst ab dem 21.06.2012 für Trennungs- und Ehescheidungsverfahren anzuwenden ist und nach Art. 19 VO völkerrechtliche Vereinbarungen wie das Niederlassungsabkommen durch die Verordnung unberührt bleiben (vgl. Helms FamRZ 2011, 1765, 1767).
413.
42Das iranische Scheidungsrecht unterscheidet zwischen vertraglichen und gesetzlichen Scheidungsgründen. Vorliegend sind sowohl gesetzliche als auch vertragliche Scheidungsgründe, die den Antrag der Antragstellerin rechtfertigen, gegeben.
43a)
44Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beruft sich die Antragsgegnerin auf die gesetzlichen Scheidungsgründe der Art. 1129 und 1130 iran. ZGB.
45aa)
46Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegen die Voraussetzungen des Scheidungsgrundes des Art. 1129 iran. ZGB, der den Fall des Unvermögens des Ehemannes zu Unterhaltszahlungen erfasst, nicht vor.
47Die Regelung lautet:
48„Im Hinblick auf die Weigerung des Ehemannes, den Unterhalt zu leisten und die Unmöglichkeit, ihn durch Gerichtsurteil hierzu zu zwingen, kann die Ehefrau bei Gericht den Antrag auf Scheidung stellen und das Gericht wird den Ehemann zum Ausspruch der Scheidung zwingen. Sollte dies nicht möglich sein, so kann das Gericht stellvertretend die Scheidung aussprechen. Das Gleiche gilt, wenn der Ehemann nicht im Stande ist, den Unterhalt zu leisten.“
49Seinem Wortlaut nach setzt der Scheidungsgrund in jedem Fall die vorherige gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs voraus (so OLG Koblenz NJW-RR 2009, 1014, 1015 unter Berufung auf eine Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht) und zwar unabhängig davon, ob der Ehemann leistungsfähig ist oder nicht (vgl. dazu auch die Entscheidung des Senats FamRZ 2012, 1497).
50Da eine solche gerichtliche Geltendmachung unstreitig seitens der Antragstellerin nicht erfolgt ist, scheidet Art. 1129 iran. ZGB als Scheidungsgrund aus.
51bb)
52Aus Sicht des Senats greift allerdings der Scheidungsgrund des Art. 1130 iran. ZGB zugunsten der Antragstellerin ein.
53Die Regelung lautet:
54„Für den Fall, dass die Fortführung der Ehe eine schweren Not für die Frau begründen würde, kann sie beim religiösen Richter vorsprechen und die Scheidung beantragen, und sollte die betreffende Notlage vor Gericht bewiesen werden, kann das Gericht den Ehemann zu Scheidung zwingen und falls kein Zwang möglich ist, wird die Ehefrau mit Bewilligung des religiös zuständigen Richters geschieden.“
55Dabei ist davon auszugehen, dass schwere Not als schwere Notlage zu verstehen ist und der religiöse Richter durch das Familiengerichtsgesetz durch den Zivilrichter ersetzt worden ist (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand September 2004, Iran, S. 127 Fn. 84 f.).
56Unproblematisch wäre eine solche schwere Not bei Gewaltanwendung seitens des Antragsgegners anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2003, 3109, 3110). Die Antragstellerin hat ihren diesbezüglichen Vortrag aber bereits erstinstanzlich im Hinblick auf bestehende Beweisschwierigkeiten zurückgezogen.
57Eine schwere Not der Antragstellerin ist aus Sicht des Senats allerdings darin zu sehen, dass der Antragsgegner ausdrücklich erklärt hat, der Scheidung zustimmen zu wollen, wenn sie, die Antragstellerin, sich bei ihm entschuldigt und auf die – bislang noch nicht gezahlte – Morgengabe verzichtet.
58Mit dieser Erklärung macht der Antragsgegner ganz deutlich, dass er selbst die Ehe mit der Antragstellerin nicht mehr fortsetzen will. Dadurch, dass er seine Zustimmung zur Scheidung von Bedingungen abhängig macht, versucht er zudem die Antragsgegnerin zu erpressen. Dabei spielt er seine einseitig nach den iranischen Gesetzen bestehende bessere Rechtsstellung gegenüber der Antragstellerin aus, um eine streitige Ehrverletzung zu beseitigen und sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Unterstrichen wird diese Haltung des Antragsgegners durch seine Stellungnahme vom 19.03.2012, worin er die Antragstellerin auf Art. 1146 iran. ZGB hinsichtlich der Beendigung der Ehe verweist, wenn sie oder ihre Familie ihm Schadensersatz zahlt.
59Dadurch, dass die Antragstellerin aufgrund der Ablehnung der Ehe durch den Antragsgegner nicht mehr in diese Zurückkehren kann, gleichzeitig aber sich das Wohlwollen des Antragsgegners erkaufen soll, stellt aus Sicht des Senats die Fortführung der Ehe eine schwere Notlage im Sinne des Art. 1130 iran. ZGB für die Antragstellerin dar.
60b)
61Unabhängig vom gesetzlichen Scheidungsgrund des Art. 1130 iran. ZGB kann sich die Antragstellerin auch auf zwei vertraglich vereinbarte Scheidungsgründe berufen, nämlich die Nr. 1 und 2 der notariellen Vereinbarung.
62aa)
63Die Ehe der Beteiligten ist nach Nr. 2 der notariellen Vereinbarung zu scheiden, weil „das Benehmen und das Verhältnis des Ehemannes unerträglich wird, so dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden kann.“
64Da der Antragsgegner, wie bereits ausgeführt, das eheliche Zusammenleben gar nicht fortsetzen und die Antragstellerin zu einem bestimmten Verhalten zwingen will, ist das Verhältnis zum Antragsgegner für die Antragstellerin unerträglich, weshalb ihr sowohl subjektiv als auch – aufgrund der Weigerung des Antragsgegners – objektiv die Fortsetzung des Ehelebens nicht mehr möglich ist.
65Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin durch ihren Auszug zunächst das gemeinsame Eheleben beendet hat. Denn da der Antragsgegner die Fortsetzung der Ehe mit der Antragstellerin ausdrücklich ablehnt, besteht für diese gerade nicht die Möglichkeit in den ehelichen Haushalt zur Fortsetzung des Ehelebens zurückzukehren.
66bb)
67Darüber hinaus kann die Antragstellerin ihr Scheidungsbegehren auf die Nr. 1 der notariellen Vereinbarung stützen. Die Voraussetzungen dieses vertraglichen Scheidungsgrundes sind nämlich vorliegend erfüllt. Hierzu im Einzelnen:
68(1)
69Die tatbestandliche Voraussetzung, dass sich der Ehemann über sechs Monate hinweg weigert, die Unterhaltskosten der Ehefrau zu tragen, liegt hier unzweifelhaft vor.
70Unstreitig verweigert der Antragsgegner seit der Trennung der Antragstellerin jegliche Unterhaltsleistungen. Zudem hat er von Anbeginn des vorliegenden Verfahrens entsprechende Leistungen ausdrücklich verweigert.
71(2)
72Auf welchen Gründen die Verweigerung von Unterhaltszahlungen beruht, ist unerheblich. Denn die Formulierung, „aus welchen Gründen es auch sein mag“
73zeigt, dass die Gründe, auf die die Weigerung des Ehemannes beruht, völlig egal sind.
74Entgegen der Ansicht des Familiengerichts und des Antragsgegners steht dem auch die Regelung des Art. 1108 iran. ZGB nicht entgegen, wonach im Rahmen einer analogen Anwendung der Norm die Ehefrau ihren Unterhaltsanspruch verliert, wenn sie den Ehemann nicht in dem sich aus Art. 1104 iran. ZGB ergebenden Umfang unterstützt (Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., S. 49). Denn im Ergebnis ist diese Regelung durch die getroffene ehevertragliche Regelung aufgehoben, da es auf die Gründe für das Unterlassen von Unterhaltszahlungen gerade nicht ankommen soll. Diese Regelung widerspricht offensichtlich auch nicht dem nach Art. 1119 iran. ZGB zulässigen Maß privater Vereinbarungen (vgl. dazu Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., S. 71), da die Regelung unstreitig auf einem offiziellen Vordruck des Justizministeriums über Standardeheschließungsverträge beruht (vgl. dazu auch OLG Koblenz NJW-RR 2009, 1014, 1016). Zudem widerspricht die Regelung auch nicht dem Sinn der Ehe - in diesem Falle wäre die Vereinbarung nach Art. 1119 iran. ZGB unwirksam - da der Ehemann durch die Sicherstellung des Unterhalts für die getrennt lebende Ehefrau den Scheidungsgrund sogar aushebeln kann.
75Aufgrund der weiten Fassung des Scheidungsgrundes kommt auch eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, wie der Antragsgegner sie annimmt, nicht in Betracht.
76(3)
77Entgegen der Auffassung des Antragsgegners verlangt der vertragliche Scheidungsgrund der Nr. 1 nicht die vorherige gerichtliche Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs.
78Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, der – anders als Art. 1129 iran. ZGB - ein vorheriges Gerichtsurteil gerade nicht erwähnt.
79Hieraus folgt, dass das mit dem Ehescheidungsverfahren befasste Gericht feststellen muss, ob der Ehemann zum Zeitpunkt der Erhebung des Scheidungsantrages durch die Ehefrau leistungsfähig war oder nicht und ob er über den im Eheschließungsvertrag bezeichneten Zeitraum Unterhalt gezahlt hat oder nicht. Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis fehlender Leistungsfähigkeit des Ehemannes und stellt es fest, dass auch ein Vollstreckungsurteil in das Vermögen des Ehemannes zu keiner Leistung seinerseits führen würde, weil er sich weigert oder tatsächlich leistungsunfähig ist, kann das Scheidungsgericht direkt über den Scheidungsantrag befinden.
80Dementsprechend hat das international zuständige deutsche Gericht in eigener Beweiswürdigung die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
81(aa)
82Nach deutschem Recht besteht auf Seiten des Antragsgegners keine Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Ehegattenunterhalts, weshalb auch eine Vollstreckung keinen Erfolg verspricht.
83Der Antragsgegner verfügt über ein Nettoeinkommen i.H.v. rd. 1.480,00 € im Monat. Davon ist der Kindesunterhalt für den jüngsten Sohn mit einem Zahlbetrag i.H.v. derzeit 334,00 € in Abzug zu bringen. Nach Abzug des Anreizsiebtels verbleibt dem Antragsgegner ein Betrag (rd. 982,00 €), der unterhalb des eheangemessenen Selbstbehalts liegt.
84(bb)
85Stellt man demgegenüber auf das iranische Familienrecht ab, ergibt sich keine Möglichkeit den Antragsgegner dazu zu zwingen, die „Unterhaltskosten der Ehefrau … zu zahlen“, da nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners das iranische Recht keinen Trennungsunterhalt kennt.
864.
87Nicht gefolgt werden kann dem Familiengericht in der Annahme, Art. 6 EGBGB (ordre public) führe vorliegend zur Anwendbarkeit deutschen materiellen Scheidungsrechts.
88Art. 6 EGBGB sieht vor, dass eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist.
89a)
90In diesem Zusammenhang war umstritten, ob eine Scheidung entgegen dem ausländischen Recht – und damit unter Anwendung deutschen Rechts - aufgrund des ordre public einer Frau zu gewähren ist, wenn diese vom Scheidungsstatut in unbilliger Weise benachteiligt wird.
91Ältere Entscheidungen hatten mehrfach ausgesprochen, es verstieße nicht gegen Art 30 EGBGB a.F., dass nach jüdischem oder islamischem Recht die Frau vom Mann Scheidung nicht verlangen konnte (OLG Frankfurt JW 1929, 3507; LG Darmstadt IPRspr 1931 Nr. 75; LG Berlin I IPRspr 1933 Nr. 45a; OLG Hamburg IPRspr 1934 Nr. 6; siehe auch OLG München OLGE 27 [1914] 211; LG Nürnberg IPRspr 1932 Nr. 81; KG JW 1936, 3574; IPRspr 1934 Nr. 117).
92An dieser Rechtsauffassung wird heute nicht mehr festgehalten, da Art. 6 EGBGB seine entscheidende Wertung aus dem Grundgesetz zieht. Deshalb begründet Art. 6 EGBGB i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG in Fällen krasser Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit eine Sperre gegen ausländisches Recht, welches die Scheidungsfreiheit der Frau im konkreten Fall (BGH FamRZ 2007, 111) in anstößiger Weise beschneidet (bahnbrechend BGHZ 42, 7; außerdem OLG Düsseldorf IPRspr 1996 Nr. 6 S. 10; OLG Rostock FamRZ 2006, 947; Raape, IPR5 283; Staudinger/Mankowski, a.a.O., Art. 17 Rz. 112; MünchKomm/Winkler von Mohrenfels, BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 17 EGBGB Rn. 114).
93b)
94Eine solche krasse Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit, welche die Scheidungsfreiheit der Frau in anstößiger Weise beschneidet, kann jedenfalls im vorliegenden konkreten Fall nicht gesehen werden.
95aa)
96Bereits aus dem deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen lässt sich ableiten, dass der deutsche Staat andere, insbesondere außereuropäische Kulturen, und damit auch deren Rechtskultur, respektiert, von ihnen aber auch den gleichen Respekt gegenüber der deutschen Kultur verlangt. Hiermit steht es aus Sicht des Senats nicht im Einklang, wenn nahezu reflexhaft in jedem Fall, in dem ein religiös muslimisch geprägtes Scheidungsrecht für die Ehefrau höhere Hürden für eine Scheidung aufstellt, als für den Ehemann, auf Art. 6 EGBGB rekurriert wird (so aber Henrich FamRZ 2012, 1497, 1498, der nicht zwischen den Scheidungsrechten verschiedener muslimisch geprägter Staaten differenziert und auf die Besonderheiten des iranischen Scheidungsrechts in keiner Weise eingeht).
97Die Anwendung des ordre public kommt aus Sicht des Senats deshalb nur bei im konkreten Fall gegebener krasser Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit in Betracht, wenn insbesondere die Scheidungsfreiheit der Frau in anstößiger Weise beschnitten wird.
98bb)
99Das iranische ZGB führt – wie dargelegt – nicht dazu, dass sich eine Ehefrau nicht scheiden lassen könnte. Das Scheidungsbegehren der Ehefrau wird zwar an besondere Voraussetzungen geknüpft, die aber im Ergebnis ohne allzu erheblichen Aufwand zu erfüllen sein können (vgl. insoweit die Entscheidung des Senats in FamRZ 2012, 1497, wo die Anwendung des Art. 1129 iran. ZGB daran scheiterte, dass die Ehefrau selbst nach einem entsprechenden Hinweis des Senats kein Unterhaltsverfahren eingeleitet hatte).
100Erst Recht kann von einer krassen Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr gesprochen werden, wenn – wie hier - nach Art. 1119 iran. ZGB von der Möglichkeit der Vereinbarung vertraglicher Scheidungsgründe Gebrauch gemacht wird. Die Ehefrau hat also nach iranischem Gesetz die Möglichkeit, ihre Vorstellungen von den Gründen für eine mögliche Scheidung auch durchzusetzen. Letztlich kann sie im Rahmen der vom iranischen ZGB eingeräumten Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Scheidungsgründe im Ergebnis nahezu eine entsprechende Gleichstellung mit der Stellung des Ehemannes erreichen.
101III.
102Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 113 Abs. 1 FamFG, § 97 ZPO.
103Die Entscheidung ist unanfechtbar, da Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gegeben sind.