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Die Berufung des Klägers gegen das am 27.01.2011 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das am 27.01.2011 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger, der von der Beklagten seit August 2005 mit Strom beliefert wird, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Androhung und Durchführung der Unterbrechung der Stromversorgung. Die Beklagte erhöhte jeweils zum Anfang der Jahre 2006, 2007 und 2008 ihre Preise. Am 03.09.2008 stellte die Beklagte die Forderung für den Zeitraum vom 28.09.2006 bis zum 18.09.2007in Höhe von 620,50 € in Rechnung; am 23.10.2008 zahlte der Kläger einen Betrag von 620,50 € an die Beklagte.
4Auf die Jahresrechnung der Beklagten vom 07.11.2008 für den Zeitraum vom 19.09.2007 bis zum 29.09.2008 (Bl. 12. d.A.), die mit einem Zahlungsbetrag von 1.311,98 € abschloss, leistete der Kläger zunächst keine Zahlungen. Die Beklagte mahnte daraufhin mehrfach den Zahlungsrückstand unter gleichzeitiger Androhung der Unterbrechung der Stromversorgung an, bevor sie am 20.04.2009 die Unterbrechung durchführte. In der Zwischenzeit hatte der Kläger im Februar und im April Zahlungen in Höhe von 400 € und von 300 € geleistet. Nach der Unterbrechung der Stromversorgung erhob der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.04.2009 die "Einrede des § 315 BGB" und bestritt zudem die Richtigkeit der Jahresabrechnung.
5Aufgrund einstweiliger Verfügung des Landgerichts musste die Beklagte für die Dauer von zwei Monaten die Stromzufuhr aufrecht erhalten und beliefert den Kläger bis zum heutigen Tag mit Strom. Der Kläger hat seit April 2009 keine Zahlung an die Beklagte geleistet.
6Die Forderung, derentwegen die Androhung und Durchführung der Unterbrechung der Stromversorgung erfolgte, ist von der Beklagten mittlerweile eingeklagt worden; ein zu ihren Gunsten ergangenes Urteil ist noch nicht rechtkräftig.
7Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Preiserhöhungen der Beklagten in der Vergangenheit unbillig gewesen seien. Er habe bereits in einem Telefonat mit der Beklagten nach Erhalt der Abrechnung vom 07.11.2008 die Unbilligkeit der Preiserhöhung gerügt. Ohnehin sei die Vorschrift des § 19 Stromgrundversorgungsverordnung aus dem Grunde nicht anwendbar, da er sogenannter Sonderkunde sei. Ferner hat der Kläger die Richtigkeit der Messergebnisse bestritten sowie weitere Zahlungen auf Rechnungen geltend gemacht.
8Der Kläger hat beantragt,
9festzustellen, dass die Androhung und Durchführung der Einstellung der Stromversorgung durch die Beklagte für das von ihm unter der Anschrift C-Straße in ##### C betriebene Geschäft unter der bei der Beklagten geführten Kundennummer rechtswidrig ist,
10hilfsweise
11festzustellen, dass die Androhung und Durchführung der Einstellung der Stromversorgung für das von ihm unter dem vorgenannten Anschrift betriebene Geschäft unter der bei der Beklagten geführten Kundennummer rechtswidrig ist, solange die Beklagte ihm keinen Nachweis über die Angemessenheit ihres Preises durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen erbringt.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat geltend gemacht, dass die Voraussetzungen des § 19 StromGVV vorgelegen hätten. Die Stromgrundversorgungsverordnung sei anwendbar, da der Kläger im Rahmen der Grundversorgung beliefert werde.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 I ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
16Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Androhung und Durchführung der Stromsperre vom 20.04.2009 nicht rechtswidrig gewesen sei, eine solche auch derzeit und auch in der Zukunft nicht rechtswidrig sei. Entgegen der Ansicht des Klägers sei dieser Tarifkunde im Sinne des § 10 ENWG a.F., so dass die Vorschriften der StromGVV anwendbar seien.
17Die Voraussetzung für eine Sperre der Energiezufuhr nach § 19 Abs. 2 StromGVV hätten vorgelegen. Die Entgeltforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger habe sich auf zumindest 817,73 Euro belaufen. Bei der Berechnung des Zahlungsrückstandes sei nur derjenige Teil der Forderung nicht zu berücksichtigen, welcher sich aus der Preiserhöhung der Beklagten zum 01.01.2008 ergeben würde, da der Kläger dieser Preiserhöhung innerhalb angemessener Frist den Einwand der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB entgegengehalten habe.
18Der Forderung habe auch nicht § 17 Abs. 2 StromGVV entgegen gestanden. Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht dargelegt, dass die in der Vergangenheit vertretenen Abrechnungsschwierigkeiten weiterhin bestünden und zu Abrechnungsfehlern geführt hätten.
19Die Klage sei auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Die Androhung und Durchführung der Stromversorgungsunterbrechung sei nicht deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte keinen Nachweis für die Angemessenheit ihrer Preisänderungen erbracht habe. Der Unbilligkeitseinwand des Klägers betreffe nur Preiserhöhungen der Beklagten zum 01.01.2008 und später. Der Kläger habe nicht dargelegt, schon vor dem 21.04.2009 – dem Zeitpunkt der Sperre – einen Unbilligkeitseinwand erhoben zu haben. Sein Vorbringen hierzu sei zu pauschal.
20Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
21Gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet sich die Berufung des Klägers, nachdem er mit seiner Berufungsbegründung seinen Haupt- und Hilfsantrag zunächst weiter verfolgt hat. Ihm ist hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist.
22Er hat im Berufungsverfahren klargestellt, dass Gegenstand seiner Feststellungsklage ausschließlich die Androhung und Einstellung der Stromversorgung am 20.04.2009 und nicht eine gegenwärtige oder zukünftige sein soll.
23Er rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Landgerichts. Er sei kein Tarif-, sondern ein Sonderkunde, so dass die Vorschriften der Stromgrundversorgungsverordnung auf sein Vertragsverhältnis mit der Beklagten nicht anwendbar seien. Seine Stellung als Sonderkunde ergebe sich daraus, dass er den Strom zu günstigen Konditionen erhalte, welche nicht jedem Kunden zur Verfügung stünden. An seinem Tarif seien weitere Voraussetzungen geknüpft; er sei daher gegenüber anderen Kunden privilegiert.
24Unabhängig hiervon hätten die Voraussetzungen des § 19 StromGVV nicht vorgelegen. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten mit Zahlungen in Verzug befunden. Zum einen habe die Beklagte seine Zahlung vom 23.10.2008 in Höhe von 620,50 Euro nicht berücksichtigt. Zudem habe sie ihm gegenüber den Nachweis der Billigkeit der Preiserhöhungen nicht geführt, so dass die Preiserhöhungen unwirksam seien. Er habe in einem Telefonat mit der Beklagten nach Erhalt der Jahresabrechnung vom 07.11.2008 die Einrede der Unbilligkeit der Preiserhöhungen erhoben und darauf hingewiesen, dass er seine Zahlungen unter Vorbehalt erbracht habe. In diesem Telefonat habe er zudem darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Beklagten nicht richtig sein könne, da sich hiernach sein Stromverbrauch erhöht haben solle, obwohl er Stromsparmaßnahmen eingeleitet habe.
25Da die Beklagte eine Monopolstellung auf dem Gaslieferungssektor innehabe, sei in analoger Anwendung des § 315 BGB nicht nur die Preiserhöhung, sondern auch der „Preissockel“ einer gerichtlichen Prüfung zugänglich. Die in den Abrechnungen der Beklagten ausgewiesene Forderung sei daher insgesamt nicht fällig, da er bis zum Nachweis der Billigkeit durch die Beklagte auch nicht den sogenannten „Preissockel“ schulde. Selbst wenn dieser aber einer Billigkeitskontrolle entzogen sei, wäre die Forderung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht fällig, da in der Abrechnung fehlerhafte Preise abgerechnet worden seien.
26Der Kläger beantragt,
27unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Androhung und Durchführung der Einstellung der Stromversorgung durch die Beklagte für das von ihm unter der Anschrift C-Straße in ##### C betriebene Geschäft unter der bei der Beklagten geführten Kundennummer rechtswidrig ist.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
31Entgegen der Darstellung des Klägers sei sein Tarif ein Grundtarif. Der von dem Kläger für sich reklamierte „Bestpreistarif“ sei von ihr erst Jahre nach der hier in Rede stehenden Versorgungsunterbrechung angeboten worden und bewege sich ohnehin im Rahmen der Grundversorgung. Soweit der Kläger weitere Zahlungen behaupte, vergesse er zu erwähnen, dass er diese auf vorherige Jahresrechnungen geleistet habe. Das Vorbringen des Klägers zum angeblich telefonisch erhobenen Einwand der Unbilligkeit und Unrichtigkeit der Abrechnung sei nach wie vor unsubstantiiert; sein diesbezüglicher Beweisantritt auf Parteivernehmung verspätet. Entgegen der Ansicht des Klägers gebe es auch keine Unrichtigkeiten in den Abrechnungen. Er vergesse bei dem Verbrauchsvergleich, dass die Rechnungen unterschiedliche Jahreszeiträume beinhalteten.
32Ungeachtet dessen, dass eine analoge Anwendung von § 315 BGB auf den sog. Sockelbetrag ohnehin nicht in Betracht komme, halte sie entgegen der im Übrigen verspäteten Darstellung des Klägers keine Monopolstellung inne.
33Selbst wenn die Preiserhöhungen unwirksam seien, wäre die Androhung und Einstellung der Stromversorgung rechtmäßig gewesen, da aufgrund der Abrechnung jedenfalls der Teil der Forderung fällig sei, der sich unter Zugrundelegung des sogenannten „Preissockels“ ergebe.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35II.
36Die Berufung des Klägers, welche sich nur noch gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet, ist unbegründet.
37Die in der Berufungsinstanz noch anhängige zulässige Klage ist unbegründet.
38A.
39Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken mehr, nachdem der Kläger im Berufungsrechtszug klargestellt hat, dass Gegenstand der Klage ausschließlich die am 20.04.2009 erfolgte Sperre der Energieversorgung und der vorherigen Androhung sein soll.
401.
41Die Feststellungsklage hat ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand. Unter einem Rechtsverhältnis fallen auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen. Vorliegend geht es um die Berechtigung der Beklagten, aufgrund des zum Zeitpunkt der Unterbrechung am 20.04.2009 bestehenden Zahlungsrückstandes des Klägers nach den §§ 17, 19 StromGVV die Grundversorgung unterbrechen zu lassen. Hierbei handelt es sich um ein Recht der Beklagten und nicht lediglich um ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses.
42Da sich aus diesem Recht der Beklagten zur Unterbrechung der Grundversorgung weitere Rechtsfolgen ergeben, die in die Gegenwart und Zukunft hinein wirken, so unter anderem ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 21 StromGVV, bestehen auch unter dem Gesichtspunkt, dass Gegenstand der Feststellungsklage grundsätzlich ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis sein muss, keine Bedenken mehr. Darauf, dass die Auslegung des Klageantrags durch das Landgericht, wonach sich die Feststellungsklage auch darauf beziehen soll, dass eine Androhung und Durchführung einer Versorgungsunterbrechung auch zukünftig rechtswidrig ist, zur Unzulässigkeit der Feststellungsklage führen würde, kommt es nach der Klarstellung des Klägers im Berufungsverfahren nicht mehr an.
432.
44Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den Zahlungsrückstand, welcher zur Androhung und Einstellung der Stromversorgung am 20.04.2009 geführt hat, in einem anderen Rechtsstreit einklagt. Aufgrund dessen ist das Feststellungsinteresse des Klägers nicht entfallen. Die Frage, ob und in welcher Höhe der Zahlungsrückstand des Klägers tatsächlich besteht, ist im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage lediglich eine Voraussetzung von mehreren, die über die Berechtigung zur Androhung der Unterbrechung und zur Unterbrechung nach der Stromgrundversorgungsversorgung entscheiden.
45B.
46Die Feststellungsklage ist indes unbegründet.
47Sowohl die am 20.04.2009 erfolgte Unterbrechung der Stromversorgung durch die Beklagte als auch die vorherige Ankündigungen waren nach § 19 Abs. 2 StromGVV rechtmäßig.
481.
49Die Vorschriften der Stromgrundversorgungsordnung und somit auch § 19 StromGVV sind entgegen der Ansicht des Klägers auf seinen Vertrag mit der Beklagten anwendbar. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger Haushaltskunde im Sinne von § 1 StromGVV ist. Der Kläger macht demgegenüber vergeblich geltend, dass er Sonderkunde sei.
50Er hat weder die Voraussetzungen für einen von Beginn des Versorgungsverhältnisses an bestehenden Sonderkundenvertrag noch diejenigen für eine nachträgliche Vertragsänderung dahin, dass er nunmehr außerhalb der Grundversorgung beliefert werden sollte, dargelegt.
51Für die Auslegung, ob es sich bei einem Stromlieferungsvertrag um einen Tarif- oder um einen Sonderkundenvertrag handelt, kommt es gemäß §§ 133, 157 BGB auf die ausdrücklichen oder konkludent abgegebenen Vertragserklärungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers an (vgl. BGH in NJW 2011, S. 1342 ff). Wenn der Versorger aus Sicht des Kunden im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit Sondertarife und damit von vornherein außerhalb des sachlichen Geltungsbereiches der Stromgrundversorgungsverordnung und somit außerhalb der allgemeinen gesetzlichen Grundversorgungspflicht anbietet, liegt ein Sonderkundenvertrag vor.
52Gleiches gilt dann, wenn das Versorgungsunternehmen nachträglich dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen.
53Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass ein Grundversorgungsvertrag zustande gekommen ist und dieser auch nicht nachträglich im Sinne einen Sonderkundenvertrags abgeändert wurde.
54Der Vertragsschluss ist durch die Entnahme des von der Beklagten bereitgestellten Stroms zustande gekommen. Hiermit hat der Kläger die in der Vorhaltung des Stroms liegende Realofferte der Beklagten auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrags konkludent angenommen. Bei einem Vertragsschluss durch Entnahme von Strom kommt ein Grundversorgungs- und kein Sonderkundenvertrag zustande, § 1 II StromGVV (vgl. auch Hartmann in Danner/Theobald, Kommentar zum Energierecht, § 2 StromGVV, Rd. 16 f). Die Stromgrundversorgungsverordnung gilt dann auch ohne Kenntnis des Kunden von den Bedingungen.
55Unmissverständlich und auch vom Kläger nicht anders zu verstehen gewesen spricht zudem das „Begrüßungsschreiben“ der Beklagten wenige Monate nach dem Beginn der Stromlieferung (Bl. 317), mit welchem sie ihrer Verpflichtung aus § 2 I 2 StromGVV nachgekommen ist, für die Qualifizierung des hier in Rede stehenden Vertrags als Grundversorgungsvertrag. In diesem Schreiben ist als Tarif ausdrücklich „Business classic gemäß § 10 ENWG nach allgemeinem Tarif“ aufgeführt. Der Kläger hat dieses Schreiben widerspruchslos hingenommen. Soweit er in der Berufungsinstanz erstmals bestreitet, dass die Beklagte den Vertragsschluss „konkret bestätigt“ habe, ist dieses Bestreiten nach § 531 I ZPO ausgeschlossen. Ausnahmen nach Abs. 2 liegen nicht vor.
56Entgegen der Darstellung des Klägers ergibt sich ein - anfänglich vereinbarter oder nachträglich abgeänderter - Sonderkundenvertrag auch nicht aus den veröffentlichten Preisblättern (Bl. 183,185, 455).
57Der Kläger verkennt insofern, dass auch im Rahmen der Grundversorgung mehrere Tarife von dem Versorger angeboten werden können. Es gibt nicht lediglich einen „allgemeinen“ Tarif und – außer ihm – nur „Sondertarife“. Auch im Rahmen der Grundversorgung steht es dem Energieversorgungsunternehmen frei, verschiedene Tarife anzubieten (vgl. BGH in NJW 2011, 2736, Rz. 32). Dabei kommt es bei der Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif- oder Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 EnWG handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet.
58Auf das Preisblatt (Bl. 455 d.A.), mit welchem die Preise mit Wirkung zum 01.09.2009 bekannt gegeben wurden, kommt es dabei bereits aus dem Grunde nicht an, weil die in Rede stehende Androhung und Durchführung der Unterbrechung der Stromversorgung im April 2009 geraume Zeit vorher erfolgte und von einer etwaigen Vertragsumstellung auf einen Sondertarif ohnehin nicht betroffen wäre. Unabhängig hiervon ergibt sich aus sämtlichen von dem Kläger eingereichten Informations- und Preisblättern das Vorliegen eines Grundversorgungsvertrags und somit das Gegenteil der Behauptung des Klägers. In sämtlichen Blättern ist ausdrücklich die Rede davon, dass die Preise für die „Grund- und Ersatzversorgung“ gelten und die Bedingungen der StromGVV gelten (Bl. 455) bzw. dass die Preise „der Grund- und Ersatzverordnung“ geändert werden (183 ff). Es wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beklagte „neben der Grund- und Ersatzversorgung“ neue Stromprodukte, also Sondertarife, anbietet.
59Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich auch aus dem Umstand, dass die veröffentlichten Tarife nur bis zu einer Abnahmemenge von 10.000 kWh gelten und daher nicht für "jedermann zugänglich" sind, nicht der Schluss ziehen, dass sein Tarif als Sondertarif zu werten ist. Diese Begrenzung folgt lediglich den gesetzlichen Vorgaben für einen Grundversorgungsvertrag. Nach § 3 Nr.22 EnWG sind Haushaltskunden Privatverbraucher oder gewerbliche Verbraucher, die einen 10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch haben. Gewerbliche Verbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 10.000 kWh können und dürfen daher nicht im Rahmen der Grundversorgung versorgt werden; mit ihnen sind zwingend Sonderverträge abzuschließen (Hartmann in Danner/Theobald, Kommentar zum Energierecht, Bd,2, § 1 StromGVV, Rd. 22). Dem entspricht es im Übrigen auch, dass die Beklagte in der Veröffentlichung nur die gewerblichen Tarife, nicht aber den „Haushaltsbedarf“, auf eine Höchstmenge von 10.000 kWh beschränkt hat.
60Auch der Hinweis des Klägers auf die sogenannte „Bestpreisabrechnung“ verfängt nicht. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass die Darstellung des Klägers, der Tarif stehe nicht jedermann zur Verfügung, mithin eine Privilegierung darstelle, unrichtig ist. Der Kläger muss nämlich entgegen seiner Behauptung nicht eine bestimmte Verbrauchsmenge unterschreiten, um "privilegiert" zu werden.
61Die "Bestpreisabrechnung" der Beklagten erfolgt vielmehr nach dem jeweils günstigsten Tarif, welcher allein vom jeweiligen Verbrauch abhängig ist. Jeder Kunde innerhalb eines bestimmten Tarifs wird „automatisch“ (deswegen Bestpreis) in die – bei Vertragsschluss bereits festgelegte - günstigste Preisgruppe eingeordnet, die sich nach seinem Verbrauch richtet. Eine Privilegierung ist hiermit nicht verbunden (vgl. auch Senatsurteil vom 15.02.2011, abrufbar unter BeckRS 2011, 05897). Es handelt sich nicht um einen Tarif, der an eine bestimmte Abnahmemenge gebunden ist und nur den Kunden mit dieser Mindestabnahmemenge angeboten wird.
62Auch der Umstand, dass für die Stromversorgung des Klägers und seinen Tarif zwei Preise (Schwachlast und „Normallast“) zur Anwendung kommen, die nur über zwei Zähler und ein spezielles Messverfahren abgelesen werden können, spricht entgegen seiner Ansicht des Klägers nicht für einen Sondertarif. Die Notwendigkeit einer speziellen, mit besonderen Installationskosten verbundenen Messeinrichtung ist durch die Beklagte unwidersprochen damit erklärt worden, dass diese mit der Einrichtung eines Schwachlastpreises ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gesetzlichen Verpflichtung nach der bis zum 30.06.2007 geltenden Vorschrift des § 9 BTOElt, welche nur für Allgemeinkunden Gültigkeit hatte, nachgekommen ist.
63Schließlich ergibt sich auch aus den vorgelegten Rechnungen, in denen auf dem Preis „nach allgemeinen Tarif“ bzw. „gemäß Grundversorgungstarif hingewiesen wird, eindeutig die Einordnung des Tarifs des Klägers als Grundversorgungstarif.
642.
65Die Voraussetzungen des demnach anwendbaren § 19 Abs. 2 StromGVV lagen zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Versorgung am 20.04.2009 vor.
66a)
67Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Versorgung am 20.04.2009 mit erheblichen Zahlungspflichten im Rückstand. Der Rückstand betrug zu diesem Zeitpunkt mindestens 605,48 Euro, wobei noch nicht einmal die von der Beklagten geltend gemachten Inkassokosten und Mahngebühren berücksichtigt sind.
68aa)
69Dieser Betrag ergibt sich daraus, dass der Kläger aus der Jahresrechnung der Beklagten vom 07.11.2008 für den Zeitraum vom 19.09.2007 bis zum 29.09.2008 einen Betrag von zumindest 1.005,48 Euro schuldete. Zudem befand er sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Stromversorgung mit vier monatlichen Abschlägen von 75,-- Euro, insgesamt also mit 300,-- Euro in Verzug. Von dem Gesamtrückstand in Abzug zu bringen sind lediglich die am 03.02.2009 gezahlten 400,-- Euro und am 02.04.2009 gezahlten 300,-- Euro
70aaa)
71Aufgrund der Jahresabrechnung der Beklagten vom 07.11.2008 schuldete der Kläger zumindest einen Betrag von 1.005,48 Euro,
72(a)
73Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass die Rechnung unrichtig ist. Nach § 19 Abs. 2 Satz 5 StromGVV bleiben bei der Berechnung der Höhe des Rückstandes diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht, welche der Kunde form- und fristgerecht sowie schlüssig begründet beanstandet hat. Eine solche schlüssige Beanstandung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV liegt jedoch nicht vor. Der Kläger hat die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers nicht ansatzweise dargelegt. Er wiederholt mit seiner Berufung lediglich pauschal sein erstinstanzliches Vorbringen, ohne auf die überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil einzugehen, wonach die Beklagte die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers überzeugend ausgeräumt hat. Wenn der Kläger gleichwohl weiterhin pauschal behauptet, dass der in der Jahresabrechnung ausgewiesene Stromverbrauch trotz Energiesparmaßnahmen angestiegen sei, genügt dies nicht ansatzweise für die Darlegung der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers. Ein solcher liegt nur bei eindeutigen Ablese- oder Rechenfehlern vor. Die Rechnung muss auf dem ersten Blick Fehler erkennen lassen; es darf objektiv kein vernünftiger Zweifel über den Fehler vorhanden sein (vgl. Urteil des Senats in NJW-RR 2007, Seite 852 ff.). Hiervon kann vorliegend keine Rede sein, nachdem die Beklagte nach den anfänglichen Problemen mit den Zählern an der Verbrauchsstelle eine richtige Zuordnung vorgenommen hat und mit der Jahresabrechnung vom 07.11.2008 sämtliche Unklarheiten beseitigt hat.
74Das Bestreiten der Richtigkeit der Zählerablesung durch den Kläger ist ebenfalls dermaßen pauschal, dass ihm nicht weiter nachzugehen ist. Es ist nicht geeignet, die Möglichkeit eines Fehlers zu begründen.
75(b)
76Der Beklagten stand ein Entgelt für die verbrauchten Strommengen jedenfalls auf der Grundlage der zwischen ihr und dem Kläger bei Vertragsschluss vereinbarten Preise zu. Mit dem Vertragsschluss durch die Entnahme von Strom hat der Kläger die zu diesem Zeitpunkt gültigen Preise der Beklagten als wirksamen Vertragsbestandteil akzeptiert. Zu diesem Zeitpunkt betrug, wie sich aus der Korrektur-Jahresabrechnung vom 03.09.2008 (Bl. 233 ff. d. A.) ergibt, der Verrechnungspreis 72,-- Euro pro Jahr, der feste Leistungspreis Gewerbe 120,-- Euro im Jahr, der Verbrauchspreis Haupttarif 14,49 ct pro Kilowattstunde und der Verbrauchspreis nach Tarif 9,69 ct pro Kilowattstunde( jeweils netto).
77Unter Zugrundelegung dieser Preise und der Zeiträume und der Verbrauchsmengen, wie sie sich aus der hier in Rede stehenden Jahresabrechnung vom 07.11.2008 (Bl. 12 ff. d. A.) ergeben, ergibt sich der geschuldete Betrag von insgesamt 1.005,48 Euro:
78Zeitraum: | Verbrauch | Preis | Betrag | |
HAT | ||||
19.09.2007 bis 31.12.2007 | 1180 | 0,1449 | 170,98 | |
01.01.20008 bis 29.09.2008 | 3105 | 0,1449 | 449,91 | |
NT | ||||
19.09.2007 bis 31.12.2007 | 74 | 0,0969 | 7,17 | |
01.01.20008 bis 29.09.2008 | 197 | 0,0969 | 19,09 | |
zzgl. Verrechnungspreis | ||||
72 € x (=104+272)/365 | 74,17 | |||
zzgl. fester Leistungspreis | ||||
120 € x (=104+272)/365 | 123,62 | |||
Insgesamt netto | 844,94 | |||
brutto: | 1005,48 |
(c)
80Es ist daher unerheblich, dass der Kläger mit Schreiben vom 21.04.2009 die Jahresabrechnung der Beklagten vom 07.11.2008 und die hierin enthaltene Preiserhöhung zum 01.01.2008 nach § 315 BGB beanstandet hat. Dieser Einwand konnte sich allenfalls auf die nach Vertragsschluss erfolgten Preiserhöhungen, nicht aber auf den vereinbarten Preis auswirken. Dabei kann auch dahingestellt bleiben, ob aufgrund des Verlangens des Klägers nach einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nur diejenigen Preiserhöhungen erfasst sind, welche in angemessener Zeit beanstandet wurden (vgl. BGH in NJW 2011, Seite 2800 ff.) oder ob aufgrund der mittlerweile aufgekommenen Zweifel an der Vereinbarkeit des gesetzlichen Preisanpassungsrechts nach § 5 Abs. 2 StromGVV mit dem Gemeinschaftsrecht (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des BGH vom 29.06.2011 in NJW 2011, Seite 3096 ff.) sämtliche Preisanpassungen der Beklagten unwirksam sind und somit auch nicht aufgrund des widerspruchslosen Bezugs von Strom durch den Kläger nach einer einseitigen Preiserhöhung wirksam vertraglich vereinbart werden konnten (vgl. hierzu BGH in NJW 2011, Seite 2800 ff). Selbst wenn man sämtliche Preiserhöhungen der Beklagten nach Vertragsschluss bei der Berechnung des Zahlungsrückstandes im Sinne des § 19 StromGVV unberücksichtigt lässt, verbleibt auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Preise ein ganz erheblicher Zahlungsrückstand.
81Der Einwand des Klägers, dass aufgrund seines Begehrens nach § 315 BGB nicht nur die Preiserhöhung, sondern auch der sogenannte „Preissockel“ und damit der gesamte Preis der Billigkeitskontrolle in analoger Anwendung von § 315 BGB unterliege, da die Beklagte eine marktbeherrschende Stellung habe, geht fehl. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u. a. in NJW 2011, Seite 2800 ff.), welcher sich der Senat uneingeschränkt anschließt, findet bei Energieversorgungsverträgen, zumindest im Bereich der Elektrizitäts- und Gasversorgung auch dann keine umfassenden Billigkeitskontrolle in einer analogen Anwendung des § 315 BGB statt, wenn der Versorger eine Monopolstellung inne hat. Eine solche umfassende, auch den zwischen den Parteien bei Vertragsschluss vereinbarten Preis umfassende Billigkeitskontrolle widerspricht der Intention des Gesetzgebers, welche eine statische Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat.
82Die Argumentation des Klägers würde letztlich dazu führen, dass dieser über Jahre hinweg Strom beziehen könnte, ohne hierauf Zahlungen zu leisten. Es bedarf nach Ansicht des Senats keiner näheren Ausführungen dazu, dass dieses Ergebnis auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht richtig ist. Zudem steht dem die eindeutige Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV entgegen, wonach Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig sind. Auch unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV, wonach § 315 BGB unberührt bleibt, würde die Vorschrift, welche dem Stromversorger als Korrelat für den ihm auferlegten Kontrahierungszwang und seine grundsätzliche Vorleistungspflicht ein zügiges Inkasso ermöglichen und den Kunden auf einen Rückforderungsprozess verweisen soll, in ihr Gegenteil verkehrt.
83Darauf, dass der Kläger erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.04.2009, mithin erst mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss im Jahr 2005 eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB somit nicht innerhalb einer angemessenen Zeit begehrt hat – einen vorherigen Widerspruch des Klägers hat dieser mit seiner Berufungsbegründung trotz der Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, wonach das Vorbringen unsubstantiiert ist, weiterhin lediglich pauschal vorgetragen – kommt es daher ebenfalls nicht an.
84Eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bedurfte es entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Da aus den obengenannten Gründen bereits auf Grundlage des wirksam vereinbarten Anfangspreises ein ganz erheblicher Zahlungsrückstand besteht, welcher die Androhung und Durchführung der Unterbrechung der Stromversorgung rechtfertigte, kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Preisanpassungsklausel von § 5 Abs. 2 StromGVV mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.06.2011, NJW 2011, S. 3096 ff).
85(d)
86Die Forderung der Beklagten in Höhe von zumindest 1.005,48 € ist nicht in Höhe eines weiteren Betrags von 620,50 Euro durch Erfüllung iSd § 362 BGB erloschen. Sofern der Kläger in der Berufungsinstanz weiterhin geltend macht, dass die Beklagte seine Zahlung vom 23.10.2008 in Höhe von 620,50 Euro hätte berücksichtigen müssen, liegt dieser Einwand neben der Sache. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass diese Zahlung nicht auf die Jahresabrechnung vom 07.11.2008 anzurechnen ist. Der Zahlungsbetrag entspricht centgenau dem Betrag, wie er sich aus der Jahresabrechnung der Beklagten vom 03.09.2008 für den Vorjahreszeitraum ergibt. Indem der Kläger eben diesen Betrag gezahlt hat, hat er hiermit konkludent eine Tilgungsbestimmung im Sinne der §§ 366, 367 BGB abgegeben. Anders kann dieses Verhalten bei objektiver Betrachtungsweise aus Sicht der Klägerin nicht ausgelegt werden.
87Wenn er in 2. Instanz trotz der Ausführungen in dem Urteil unreflektiert seinen Vortrag wiederholt, dass die Beklagte diese Zahlung als Vorauszahlung in der nächsten Rechnung hätte berücksichtigen müssen, kann dies nicht nachvollzogen werden. Sollte er hiermit konkludent bestreiten wollen, dass mit dieser Zahlung die sich aus der Jahresabrechnung vom 03.09.2008 ergebende Forderung getilgt werden sollte, wäre dieses Bestreiten unerheblich, da er konkret nicht dargelegt hat, woraus die Klägerin hätte entnehmen sollen, dass mit der Zahlung nicht die Forderung aus der Rechnung vom 03.09.2009 getilgt werden sollte.
88bb)
89Die Forderung war auch nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BGB fällig.
90Auch insofern kann dahingestellt bleiben, ob die in der Jahresabrechnung vom 07.11.2008 enthaltenen Preiserhöhungen von dem 01.01.2006 an aufgrund der Zweifel an der Vereinbarkeit der Preisanpassungsklausel des § 5 Abs. 2 StromGVV mit Gemeinschaftsrecht unwirksam sind. Dies hätte nämlich nicht zur Folge, dass der gesamte in der Rechnung ausgewiesene Rechnungsbetrag nicht fällig wäre. Der Senat schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 19.05.2011, veröffentlicht in Beck RS 2012, 15054) uneingeschränkt an, wonach die Fälligkeit einer aus einer Abrechnung folgenden Forderung lediglich voraussetzt, dass die Rechnung den formellen Anforderungen entspricht, welche – hier nach § 16 Abs. 1 StromGVV – an sie nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen gestellt werden. Nach § 16 Abs. 1 StromGVV müssen Vordrucke für Rechnungen und Abschläge einfach verständlich sein; die für die Forderungen maßgeblichen Berechnungsfaktoren sind vollständig und in allgemein verständlicher Form auszuweisen. Dem genügt die Rechnung der Beklagten, was auch von dem Kläger nicht in Frage gestellt wird. Er konnte anhand der Rechnung sowohl die Verbrauchsmengen als auch die zugrunde gelegten Grund- und Arbeitspreise erkennen und auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüfen. Sofern der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.02.2011 (NJW 2011, S. 1342 ff. Rz. 48) die Rechtsauffassung zu entnehmen sein sollte, dass Endabrechnungen, die aufgrund von unwirksamen Preisanpassungen fehlerhafte Preise ausweisen grundsätzlich insgesamt nicht fällig werden, vermag der Senat dem zumindest bei einem Energielieferungsvertrag im Rahmen der Grundversorgung nicht in dieser Allgemeinheit zu folgen.Nach § 16 StromGVV müssen Rechnungen einfach verständlich sein und die Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BGB werden Rechnungen grundsätzlich zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen berechtigen im Falle der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers nur zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, soweit die Möglichkeit eines solchen Fehlers besteht. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere aber auch aus dem Wortlaut von § 17 I Satz 1 StromGVV („soweit“), wird nach Ansicht des Senats deutlich, dass Fehler in einer Rechnung die Fälligkeit der Forderung nur in dem Umfang hemmen, in welchem sich dieser Fehler auswirkt. Gleiches gilt, wenn es wie hier um vermeintlich unwirksame Preiserhöhungen geht. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV bleibt § 315 BGB von Satz 2 unberührt; auch nach § 19 Abs. 2 StromGVV bleibt bei der Unterbrechung der Versorgung derjenige Zahlungsrückstand außer Betracht, welcher aus einer streitigen und doch nicht rechtskräftig entschiedenen Preiserhöhung des Grundversorgers resultiert. Aus diesen Regelungen ergibt sich nach Ansicht des Senats, dass eine Rechnung, welche eine streitige oder auch unwirksame Preiserhöhung beinhaltet, nur insofern nicht fällig wird und bei der Unterbrechung der Versorgung außer Betracht zu bleiben hat, soweit sich die Forderung durch die streitige Preiserhöhung erhöht hat. Der von den streitigen oder unwirksamen Preiserhöhungen nicht erfasste Teil der Forderung wird ungeachtet dessen fällig.
91cc)
92Der Kläger hat sich zum Zeitpunkt der Androhung und Unterbrechung der Stromversorgung auch in Verzug mit dem obengenannten Zahlungsrückstand befunden.
93Unerheblich ist insofern, ob, wenn man der Argumentation des Klägers folgen und sämtliche seit Vertragsschluss erfolgten Preissteigerungen nicht berücksichtigen wollte, eine sogenannte Zuvielmahnung vorliegt. Die Forderung eines zu hohen Betrages stellt nämlich dann eine wirksame Mahnung dar, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistungen verstehen musste und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (vgl. Grüneberg in Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Aufl., § 286, Rdnr. 20). Für den Kläger musste klar sein, dass die Beklagte mit ihrer Rechnung jedenfalls den Betrag erhalten wollte, welcher sich auf der Grundlage des vereinbarten Anfangspreises ergab. Dies ergibt sich daraus, dass sämtliche Preiserhöhungen in den Jahren 2006, 2007 und 2008 im Verhältnis zur Gesamtforderung einem Anteil von nur ca. 10 % ausmachten. Die Rechnung wies ohne Abschlagszahlungen und sonstige Kosten eine Forderung aus Stromlieferungen von 1.101,38 Euro aus, während sich auf der Grundlage des vereinbarten Anfangspreises eine Forderung von 1.005,48 Euro ergab.
94Da sämtliche Berechnungsfaktoren in der Rechnung vollständig und verständlich ausgewiesen waren, wäre es dem Kläger schließlich auch ohne erwähnenswerten Aufwand möglich gewesen, den zumindest geschuldeten Betrag zu errechnen. Er hätte lediglich die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden und somit mit der Beklagten vertraglich vereinbarten Preise, welche ihm nicht zuletzt aus der Abrechnung für das Jahr 2005 bekannt waren, zur Berechnungsgrundlage machen müssen.
95b)
96Die übrigen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 StromGVV liegen vor. Insbesondere war die Unterbrechung nicht unverhältnismäßig im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 2 StromGVV. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Unterbrechung für den Kunden in der Regel einen schwerwiegenden Eingriff darstellt, erfolgte diese angesichts des ganz erheblichen Zahlungsrückstandes und auch der hartnäckigen Weigerung des Klägers zu Recht. Der Zahlungsrückstand belief sich aus den obengenannten Gründen zumindest auf 605,48 Euro, wobei sämtliche übrigen geltend gemachten Inkasso- und Mahnkosten sowie sämtliche Beträge, die aus den seit Vertragsbeginn erfolgten Preissteigerungen resultierten, nicht berücksichtigt sind. Der Zahlungsrückstand überschreitet den Betrag von 100,00 Euro, welcher die unterste Schwelle für die Zulässigkeit einer Unterbrechung darstellt, § 19 Abs. 2 Satz 4 StromGVV, um ein Vielfaches. Die Schwere der Verfehlung des Klägers im Hinblick auf seine Zahlungsrückstände ist schwerwiegend. Er hat sich nicht nur geweigert, die angeblich von ihm beanstandeten Preiserhebungen zu zahlen, sondern sogar die Zahlung des Betrages, wie er sich aus den mit der Beklagten vereinbarten Anfangspreises ergibt, hartnäckig verweigert. Insofern kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er meinte, selbst der Preissockel unterliege der sog. Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Es ist von ihm mit keinem Wort dargelegt und auch ansonsten nicht ersichtlich, dass er zum Zeitpunkt der Einstellung der Zahlungen tatsächlich meinte, dass auch der sog. Anfangspreis nicht geschuldet sei. Bezeichnenderweise hat er diese Auffassung erst während des Rechtsstreits durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Selbst in seinem vorprozessualen Schreiben vom 21.04.2009 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers dies nicht geltend gemacht.
97Angesichts der hartnäckigen Zahlungsverweigerung besteht auch keine hinreichende Aussicht, dass der Kläger seinen Verpflichtungen nachkommt (§ 19 Abs. 2 Satz 3 zweite Alternative StromGVV). Der Kläger bezieht seit Jahren Strom, ohne auch nur einen Cent hierfür zu bezahlen. Seine letzte Teilzahlung in Höhe von 300,00 Euro erfolgte Anfang April 2009. Seitdem hat er weder Abschläge gezahlt noch die Folgerechnungen beglichen.
983.
99Auch die Androhung der Unterbrechung erfolgte zu Recht. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die letzte Androhung der Unterbrechung der Stromversorgung durch die Beklagte vom 06.04.2009 an, welche nicht innerhalb der Vierwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 1 StromGVV erfolgte. Die Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 18.12.2008, vom 19.01.2009 und vom 19.02.2009 die Zahlung des Rechnungsbetrages angemahnt und die Unterbrechung der Versorgung angedroht. Der Umstand, dass hierbei unter anderem die Zahlung von Abschlägen angefordert wurde, welche nachträglich und rückwirkend gesenkt wurden, kann angesichts des Betrages von 1.005,48 Euro, wie er sich auf Grundlage des vereinbarten Anfangspreises aus der Rechnung vom 07.11.2008 ergab, außer Acht gelassen werden. Gleiches gilt dafür, dass der Kläger nach den ersten beiden Mahnungen einen Betrag von 400,00 Euro und nach der weiteren Mahnung vom 19.02.2009 weitere 300,00 Euro gezahlt hat. Gleichwohl bestand nämlich aus den obengenannten Gründen ein ganz erheblicher, die Unterbrechung nach § 19 Abs. 2 StromGVV rechtfertigender Zahlungsrückstand.
100Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, dass lediglich die nicht innerhalb der Vierwochenfrist erfolgte Androhung der Unterbrechung vom 06.04.2009 formell ordnungsgemäß im Sinne von § 19 Abs. 2 StromGVV erfolgte, würde dies der Feststellungsklage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kläger hat nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der bereits durch Zeitablauf erledigten Androhung vom 06.04.2009. Die Rechtmäßigkeit der Unterbrechung der Stromversorgung wird dadurch, dass die Androhung nicht innerhalb einer Vierwochenfrist erfolgt, hiervon nicht berührt.
101C.
102Nach alledem war die Berufung mit den sich aus den §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO ergebenden prozessualen Nebenentscheidungen zurückzuweisen.
103Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
104Der Senat setzt sich mit seiner Auffassung, wonach Forderungen aus einer Endabrechnung eines Energieversorgers, die teilweise auf streitigen oder auch unwirksamen Preisanpassungen beruhen, zumindest hinsichtlich des Teils fällig werden, welcher sich auf der Grundlage eines vertraglich vereinbarten Anfangspreises ergibt, zu den Ausführungen in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.02.2011 (VIII ZR 295/09, NJW 2011, S. 1342 ff, Rz. 48) in Widerspruch, wonach eine Endabrechnung eines Energieversorgers insgesamt nicht fällig wird, wenn in ihr aufgrund von unwirksamen Preisanpassungen fehlerhafte Preise enthalten sind.
105Die vom Oberlandesgericht Koblenz mit seinem Urteil vom 19.05.2011 (U 710/KART, Beck RS 2012, 15054) zugelassene Revision hat keine Klärung herbeigeführt, da der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil vom 06.06.2012 (NJW 2012, 2659 ff) die Frage, ob eine eine Preiserhöhung enthaltende Rechnung insgesamt oder nur teilweise nicht fällig wird, mangels Zulässigkeit der Klage nicht zu entscheiden hatte.