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1) Eine inhaltlich unrichtige Rechtsmittelbelehrung löst gegenüber einem Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten keinen Vertrauensschutz aus, wenn die Belehrung offensichtlich falsch ist.
2) Offensichtlich unrichtig in diesem Sinne ist der Hinweis in einer nach dem Verfahrensrecht des FamFG ergangenen Entscheidung, die Beschwerde könne auch bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden.
Die Gegenvorstellung wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
2Die Gegenvorstellung ist – ihre Zulässigkeit unterstellt – in der Sache unbegründet.
3Der Senat war nicht gehalten, der anwaltlich vertretenen Beteiligten gemäß § 18 Abs. 3 S. 3 FamFG ohne einen dahingehenden Antrag hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Entgegen der Ansicht der Beteiligten war ein hinreichender Wiedereinsetzungsgrund nicht aktenkundig.
4Zutreffend ist allerdings, dass die in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts vom 30.11.2012 erteilte Rechtsmittelbelehrung, die ergänzend auf die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels bei dem Oberlandesgericht hinwies, insoweit unrichtig war. Hierauf ist der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten bereits durch das Schreiben des Vorsitzenden des Senats 10.01.2013 hingewiesen worden. Allein die fehlerhafte amtsgerichtliche Rechtsmittelbelehrung stellte entgegen der Ansicht der Beteiligten aber noch keinen ausreichenden Wiedereinsetzungsgrund dar.
5Zwar wird im Falle einer unterbliebenen oder fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung ein Fehlen des Verschuldens an der Fristüberschreitung gemäß § 17 Abs. 2 FamFG vermutet. Diese Vorschrift dient aber in erster Linie dem Schutz des rechtsunkundigen Beteiligten, während bei anwaltlich vertretenen Beteiligten ein geringeres Schutzbedürfnis besteht (BGH FamRZ 2010, 1425; BGH FamRZ 2012, 367; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.01.2013, 6 WF 182/12, zitiert nach juris, Rn. 8). Außerdem hebt § 17 Abs. 2 FamFG das Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis nicht auf (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 17, Rn. 37; OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2011, 8 UF 249/10, zitiert nach juris, Rn. 8; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 2011). Vor diesem Hintergrund ist es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es in der Regel an der Ursächlichkeit zwischen dem Fehlen oder der Unvollständigkeit einer Rechtsmittelbelehrung und der Fristversäumnis fehlt und dementsprechend eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt, wenn der Beteiligte anwaltlich vertreten ist, da von einem Rechtsanwalt erwartet werden kann, dass er selbst die Voraussetzungen für die Einlegung eines Rechtsmittels kennt (BGH FamRZ 2010, 1425; BGH FamRZ 2012, 367; BGH FamRZ 2012, 1287; BGH, Beschluss vom 27.02.2013, XII ZB 6/13, zitiert nach juris, Rn. 7).
6Auch wenn diese Rechtsprechung nicht uneingeschränkt auf den – hier vorliegenden – Fall einer inhaltlich unrichtigen Rechtsmittelbelehrung übertragen werden kann, muss von einem Rechtsanwalt gleichwohl erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt; dementsprechend kann ein Rechtsanwalt das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat; auch in den Fällen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kann es jedenfalls dann an der Ursächlichkeit zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis fehlen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch war (BGH FamRZ 2012, 1287; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.01.2013, 6 WF 182/12, zitiert nach juris, Rn. 8; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.11.2012, 6 UF 390/12, zitiert nach juris, Rn. 10; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2011, 233, OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 2011, OLG Frankfurt NJW 2012, 3250 und Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 07.09.2011, 9 WF 239/11, zitiert nach juris).
7Im vorliegenden Fall war die amtsgerichtliche Rechtsbehelfsbelehrung offensichtlich falsch, so dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten hierauf nicht vertrauen durfte. Bereits die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs als „sofortige“ Beschwerde war fehlerhaft. Der Hinweis, dass das Rechtsmittel auch bei dem Oberlandesgericht Hamm als Beschwerdegericht eingelegt werden könne, widersprach offensichtlich § 64 Abs. 1 FamFG. Da das vorliegende, mit dem Erbscheinsantrag vom 30.07.2012 eingeleitete Verfahren unzweifelhaft dem bereits am 01.09.2009 in Kraft getretenen FamFG unterfiel, dieses im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses (30.11.2012) schon mehr als drei Jahre in Kraft war und auch keine ungewöhnliche verfahrensrechtliche Situation vorlag, hätte sich dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten die Unrichtigkeit der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung aufdrängen müssen. Entgegen der in der Gegenvorstellung anklingenden Rechtsansicht ist es nach dem oben Gesagten für einen Rechtsanwalt nicht von vornherein unzumutbar, die gerichtliche Rechtsbehelfsbelehrung zu überprüfen. Auch die Einführung der obligatorischen Rechtsbehelfsbelehrung in Verfahren nach dem FamFG (vgl. § 39 FamFG) hat nichts daran geändert, dass es zu den allgemeinen Pflichten des Rechtsanwalts gehört, Fehlleistungen des Gerichts zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken (BGH FamRZ 2012, 1287; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.11.2012, 6 UF 390/12, zitiert nach juris, Rn. 9).
8Nach alledem lag hier kein Wiedereinsetzungsgrund vor. Erst recht war ein – von der Beteiligten bis zur Entscheidung des Senats nicht geltend gemachter – Wiedereinsetzungsgrund nicht aktenkundig.
9Durch die aus formellen Gründen erfolgte Zurückweisung des Erbscheinsantrags vom 30.07.2012 und durch die Zurückweisung der Beschwerde ist die Beteiligte mangels materieller Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung im Übrigen nicht daran gehindert, unter Beachtung der formellen Anforderungen der §§ 2354, 2356 BGB einen neuen Erbscheinsantrag zu stellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beteiligte zum Nachweis des Vorversterbens ihrer Halbgeschwister K und L bisher keine öffentlichen Urkunden, sondern nur einfache Kopien aus dem Sterberegister vorgelegt hat. Geburtsurkunden ihrer Halbschwestern X, N und M hat sie ebenfalls nicht vorgelegt; es ist auch nicht erkennbar, dass sie sich um die Beibringung dieser Geburtsurkunden bemüht hätte. Nach den §§ 2357 Abs. 1 S. 2, 2356 Abs. 1 S. 1, 2354 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat derjenige Beteiligte, der einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, selbst diejenigen öffentlichen Urkunden zu beschaffen und dem Gericht vorzulegen, die zum Nachweis der Verwandtschaftsverhältnisse der weiteren Miterben erforderlich sind, auf denen das gesetzliche Erbrecht beruht, das in dem Erbschein bezeugt werden soll.