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1.
Die betriebliche Altersversorgung des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters einer GmbH fällt nicht unter das Betriebsrentengesetz und ist daher nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unabhängig von der Leistungsform auszugleichen.
2.
Wird eine solche Altersversorgung durch Ausübung einer Kapitalwahlmöglichkeit dem Versorgungsausgleich entzogen und fällt sie infolge ehevertraglicher Gütertrennung auch nicht in einen Zugewinnausgleich, so liegt hierin eine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsvermögen, wenn keine billigenswerten Motive für die Kapitalwahl gegeben sind.
Infolgedessen ist in demselben wertmäßigen Umfang die Einbeziehung von Versorgungsanwartschaften des anderen Ehegatten in den Versorgungsausgleich grob unbillig gemäß § 27 VersAusglG, ohne dass weitere Umstände wie insbesondere ein wirtschaftliches Ungleichgewicht hinzutreten müssen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Lemgo vom 18.6.2013 teilweise abgeändert.
Die Formel des angefochtenen Beschlusses zu 2 wird wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr. ## ###### S ###) zugunsten des Antragsgegners auf dessen Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers.-Nr. ## ###### W ###) ein Anrecht von 0,2459 Entgeltpunkten, bezogen auf den 31.5.2012, übertragen.
Eine weitergehende Übertragung dieses Anrechts unterbleibt gemäß § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes.
Im übrigen verbleibt es bei dem angefochtenen Beschluss.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Verfahrenswert von 3.510 € gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin des vorliegenden Scheidungsverfahrens, eine 49jährige Arzthelferin, und der Antragsgegner, ein 47jähriger Unternehmer, heirateten im Mai 2000 und trennten sich im August 2011.
4Durch notariellen Ehevertag vom 5.9.2005 hatten sie den Zugewinnausgleich ausgeschlossen.
5Der Antragsgegner verfügte u. a. über eine betriebliche Versorgungsanwartschaft bei dem weiteren Beteiligten zu 3 mit einem ehezeitlichen Ausgleichs-Kapitalwert von 21.743,95 €, welche ursprünglich auf eine Rente gerichtet war, jedoch die Umwandlung in eine Kapitalauszahlung ermöglichte. Von dieser Umwandlungsmöglichkeit machte der Antragsgegner während des erstinstanzlichen Verfahrens Gebrauch.
6Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es die wechselseitigen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen und zwei weitere privatrechtliche Anrechte wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichen. Die betriebliche Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners hat es ebenfalls nicht ausgeglichen, weil sie nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr in den Versorgungsausgleich falle. Die Berufung des Antragsgegners hierauf sei nach bestehender Rechtsprechung nicht treuwidrig, obwohl eine Berücksichtigung im Zugewinn nicht möglich sei.
7Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beruft sich in erster Linie darauf, dass das fragliche Anrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unabhängig von der Kapitalwahl auszugleichen sei, weil es dem Betriebsrentengesetz unterfalle. Der Antragsgegner sei nicht mit dem Inhaber eines Einzelunternehmens vergleichbar und deswegen Arbeitnehmer. Ferner seien Treu und Glauben zu berücksichtigen. Dem Antragsgegner sei zu unterstellen, dass er von vornherein beabsichtigt habe, den ehevertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs in Verbindung mit der Kapitalwahlmöglichkeit dazu auszunutzen, ihr eine Teilhabe an der fraglichen Anwartschaft zu entziehen. Das habe sie beim Abschluss des Ehevertrages nicht erkennen können. Die Kapitalwahl stelle eine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsvermögen dar.
8Die Antragstellerin beantragt,
9den angefochtenen Beschluss abzuändern und
101. den Versorgungsausgleich auch hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei dem weiteren Beteiligten zu 3 durchzuführen,
112. hilfsweise, den Versorgungsausgleich insgesamt gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen.
12Der Antragsgegner beantragt,
13die Beschwerde zurückzuweisen.
14Er verteidigt den Beschluss. Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsrentengesetzes sei er als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nicht. Sein Verhalten sei auch nicht treuwidrig. Die Antragstellerin habe dem Ehevertrag nach anwaltlicher Beratung zugestimmt.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Verhandlungsprotokoll des Amtsgerichts Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Beschwerde hat in der Sache mit dem Hilfsantrag überwiegend Erfolg.
181.
19Der Hauptantrag, auch das Anrecht des Antragsgegners bei dem weiteren Beteiligten zu 3 zum Ausgleich zu bringen, ist unbegründet. Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, unterfällt dieses Anrecht nicht dem Versorgungsausgleich, weil es wegen der ausgeübten Kapitalwahlmöglichkeit nicht – mehr – gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG auf eine Rente gerichtet ist (vgl. BGH FamRZ 2012, 1039). Etwas anderes hätte sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur ergeben, wenn es sich um ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes gehandelt hätte. Das scheitert hier aber daran, dass es sich bei dem Antragsgegner nicht um einen Arbeitnehmer i. S. v. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 17 Abs. 1 BetrAVG handelt. Unbestrittenermaßen ist er Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. B Verwaltungs-GmbH und hält zusammen mit einem weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer eine Beteiligungsmehrheit. Daher leitet er das Unternehmen und kann es „als sein eigenes betrachten“, so dass er nicht den Schutz des Betriebsrentengesetzes genießt (vgl. BGH NJW-RR 1991, 746, Juris-Rn. 9; NJW 1980, 2257, Leits. 2 zu gemeinsamer Beteiligungsmehrheit; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Steinmeyer, 13. Aufl. 2013, Rn. 5, 9, 10 zu § 17).
202.
21Auf den Hilfsbeschwerdeantrag der Antragstellerin ist jedoch der Versorgungsausgleich gemäß § 27 VersAusglG zu ihren Gunsten einzuschränken. In dem gleichem Umfang, wie der Antragsgegner seine eigene Altersversorgung durch Ausübung der Kapitalwahlmöglichkeit dem Versorgungsausgleich entzogen hat, wäre es nämlich grob unbillig, wenn die Antragstellerin ihrerseits ihre Altersversorgung zum Ausgleich bringen müsste. (Hierauf könnte sich die Antragstellerin auch dann noch in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren berufen, wenn sie in erster Instanz einen Vergleichsvorschlag, der einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs beinhaltete, abgelehnt haben sollte, wie der Antragsgegner zuletzt behauptet hat.)
22a)
23Die grobe Unbilligkeit ergibt sich aus der illoyalen Einwirkung des Antragsgegners auf sein Versorgungsvermögen, also einer Verhaltensweise, durch die ein Ehegatte die Versorgungsbilanz ohne zureichenden Grund bewusst zu seinen Gunsten beeinflusst und die daher, wenn sie ohne Korrektur bliebe, zu einem ungerechtfertigten Vorteil bei der Ausgleichsregelung führen würde (vgl. BGH FamRZ 1986, 658, Juris-Rn. 8).
24Die Illoyalität des Verhaltens des Antragsgegners wird dadurch indiziert, dass er die Kapitalumwandlungsmöglichkeit während des bereits laufenden Scheidungsverfahrens ausgeübt hat (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2012, 1880, Juris-Rn. 19; s. ferner Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl. 2013, Rn. 34 zu § 27 VersAusglG; Borth FamRZ 2013, 304). Er hat dies zudem in einem Verfahrensstadium getan, als ihn das Amtsgericht unter dem 18.4.2013 darauf hingewiesen hatte, dass es das Anrecht dem Versorgungsausgleich unterwerfen wolle, sofern kein Kapitalwahlrecht ausgeübt werde. Dass sich aus der Wahlausübung ein gravierender Nachteil für die Antragstellerin ergeben würde, weil das erlangte Kapital wegen der ehevertraglich vereinbarten Gütertrennung auch nicht in einen Zugewinnausgleich fallen würde, musste für ihn auf der Hand liegen.
25Aufgrund dieser Indizien ist von einer illoyalen Einwirkung auszugehen, weil der Antragsgegner sie nicht durch den konkreten Vortrag anderweitiger billigenswerter Motive für seine Wahlrechtsausübung ausgeräumt hat.
26Soweit das OLG Saarbrücken in einem Fall eines ebenfalls ausgeübten Kapitalwahlrechts – allerdings ohne vereinbarte Gütertrennung – für die Anwendung des § 27 VersAusglG zusätzlich ein wirtschaftliches Ungleichgewicht gefordert hat, also eine bereits uneingeschränkte Absicherung des Berechtigten und ein dringendes Angewiesensein des Pflichtigen auf ein Behalten seiner Anrechte (vgl. FamRZ 2013, 958, Juris-Rn. 14), ist dem für die vorliegende Konstellation – mit Gütertrennung – nicht zu folgen. Das illoyale Einwirken auf das Versorgungsvermögen bildet nämlich eine eigenständige Fallgruppe des § 27 VersAusglG (vgl. Palandt/Brudermüller a. a. O.), bei der nicht zusätzlich die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts gegeben sein müssen. Daher steht der Umstand, dass der Antragsgegner noch über ein weiteres Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt und die Antragstellerin an diesem beteiligt wird (Entscheidungsformel des angefochtenen Beschlusses zu 3), dem Unbilligkeitsurteil auch nicht entgegen.
27In seiner Entscheidung FamRZ 2013, 1362 hat im übrigen auch der BGH die Schmälerung eines Versorgungsanrechts durch Ausübung einer Wahlmöglichkeit – dort: bei einer Abgeordnetenversorgung – ausdrücklich als mögliche illoyale Einwirkung nach § 27 VersAusglG beurteilt (a. a. O. Juris-Rn. 9). Als Rechtsfolge hat er dort ebenfalls in Betracht gezogen, dass der benachteiligte Ehegatte von seinen eigenen Anrechten entsprechend weniger auszugleichen habe (a. a. O. Juris-Rn. 10).
28Aus diesem Grund versteht der Senat die Entscheidungspassagen des BGH in FamRZ 2012, 1039, Juris-Rn. 13, und FamRZ 2003, 923, Juris-Rn. 10, dass der durch die Kapitalwahl entstehende Nachteil des anderen Ehegatten letztlich eine Konsequenz des unter notarieller Beratung geschlossenen Ehevertrages sei, nicht so, dass eine Anwendung des § 27 VersAusglG auch dort, wo der benachteiligte Ehegatte seinerseits über ausgleichspflichtige Anrechte verfügt, nicht in Betracht komme.
29Dem Senat erscheint es auch unangemessen, die Antragstellerin auf eine Zugewinnklage (bzw. ‑antrag) zu verweisen, wo sie dann mit erheblichem Verfahrenskostenrisiko die ehevertragliche Gütertrennung zu überwinden suchen müsste. Dazu wäre nämlich ebenso eine Billigkeits- bzw. Treuwidrigkeitsprüfung vorzunehmen. Auch aus logischer Sicht wäre ein Zugewinnverfahren nicht zwingend vorrangig, weil es dabei nur um eine sog. Ausübungskontrolle des als solchen wirksamen Ehevertrages gehen könnte. Eine anfängliche Unwirksamkeit des Ehevertrages käme hingegen nicht ernsthaft in Betracht. Entgegen der Beschwerdebegründung besteht nämlich kein Anlass für eine Unterstellung, dass der Antragsgegner bereits bei seinem Abschluss beabsichtigte, ihn zu einer teilweisen Vereitelung des Versorgungsausgleichs zu nutzen. Der zeitliche Zusammenhang der Kapitalwahl mit dem vorangegangenen Hinweis des Amtsgerichts spricht vielmehr sogar dagegen.
30b)
31Das dem Versorgungsausgleich entzogene Anrecht hätte einen auszugleichenden Kapitalwert von 21.743,95 € gehabt. Das einzige im Versorgungsausgleich zu berücksichtigende Anrecht der Antragstellerin, nämlich dasjenige in der gesetzlichen Rentenversicherung, hat einen Ausgleichswert von 3,6651 Entgeltpunkten und damit einen korrespondierenden Kapitalwert von 23.307,90 € (6.359,4160 € pro Punkt). Ein Kapitalwert von 21.743,95 € entspricht damit 3,4192 Entgeltpunkten, so dass nur noch die Differenz von 0,2459 Entgeltpunkten dem Versorgungsausgleich zu unterwerfen ist.
32Die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 VersAusglG wird damit nicht unterschritten, weil auch der Antragsgegner noch über ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt und es damit nicht gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG auf die Einzelanrechte, sondern gemäß Abs. 1 auf die Differenz ankommt.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 5, 1 FamFG. Für die Wertfestsetzung sind 3 Anrechte berücksichtigt worden, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren.
34Aufgrund der vorstehenden Erwägungen zu a), insbesondere letzte zwei Absätze, hält der Senat eine grundsätzliche Bedeutung der Sache i. S. v. § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG für gegeben und lässt daher die Rechtsbeschwerde zu.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen und muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG Bezug genommen.
37Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
38Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.