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Die Berufung des Klägers gegen das am 14.02.2011
verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das vorliegende Berufungsurteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Hinweis:
2Bei dem nachstehenden Urteil des Senats handelt es sich um das 20seitige Originalurteil, das nicht Gegenstand des Beschlusses des BGH vom 10.02.2016 (VII ZR 138/13) war. Den Parteien ist zunächst eine 14seitige Ausfertigung, die nicht mit dem tatsächlich am 10.05.2013 verkündeten und allein von den zuständigen Richtern unterzeichneten 20seitigen Originalurteil übereinstimmt, zugestellt worden. Diese 14seitige Entscheidung ist weiterhin in dieser Datenbank veröffentlicht, weil sie durch Beschluss des BGH vom 10.02.2016 (VII ZR 138/13) aufgehoben worden ist (https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2013/25_U_13_11_Urteil_20130510.html). Nach der Zustellung des nachstehenden Originalurteils vom 10.05.2013 2016 ist gegen das Originalurteil kein Rechtsmittel mehr eingelegt worden. In dieser Sache hat der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm zudem am 27.04.2018 ein weiteres Urteil verkündet. Auch diese Entscheidung ist in dieser Datenbank veröffentlicht (https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2018/25_U_13_11_Urteil_20180427.html).
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G r ü n d e :
6(§ 540 ZPO)
7A.
8Der Kläger nimmt die Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der E GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin oder I1) auf Schadensersatz in Anspruch, gestützt auf den Vorwurf einer mangelhaften Abschlussprüfung der Jahresbilanz der Insolvenzschuldnerin für das Jahr 2005.
9Als große Kapitalgesellschaft gemäß §§ 316 Abs. 1, 267 Abs. 1, 3 und Abs. 4 HGB war die als Spezialunternehmen im Bergbau tätige Insolvenzschuldnerin verpflichtet, einen Jahresabschluss sowie einen Lagebericht zu erstellen und nach §§ 316 ff. HGB prüfen zu lassen. Alleinige Gesellschafterin ist die I2 GmbH, die bis 2008 als I GmbH firmierte (im Folgenden: I1). Beide Firmen gehörten dem nicht mehr existenten I Konzern an.
10Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der I1 bestand seit dem 19.12.1988 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (Anlage K 38, Bl. 962-964 d. A.). Danach hatte die Insolvenzschuldnerin etwaige Gewinne an die I1 abzuführen, während diese im Gegenzug verpflichtet war, Verluste der Insolvenzschuldnerin auszugleichen. Der Vertrag wurde durch die I1 mit Schreiben vom 26.03.2007 auf Grund ihrer angespannten aktuellen Vermögens- und Ertragslage gekündigt.
11Bereits zuvor hatte sich die Ertrags- und Vermögenssituation der I1 erheblich verschlechtert. So wies der Konzernabschluss zum 31.12.2004 einen Konzernjahresfehlbetrag von 18.202.000 € aus. Im Folgejahr erwirtschaftete die I1 einen Verlust von 157.710.980,56 €, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 68.949.684,20 € bedingte.
12Das veranlasste die I1, in Zusammenarbeit mit einer Unternehmensberatungsgesellschaft ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das von der Wirtschaftsprüfergesellschaft S‘s & Partner weiterentwickelt wurde, ergänzt durch Planungsberechnungen für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis zum 31.12.2005. Im Januar 2006 erstellte die Beklagte im Auftrag der I1 als unabhängige Dritte eine gutachterliche Stellungnahme zur Fortführungsfähigkeit der I1-Gruppe. Auf der Grundlage des aktuell gültigen Sanierungskonzepts vom 03.11.2005 sowie einer rechentechnischen Verprobung und Analyse des Sanierungskonzepts beurteilte die Beklagte die Erwartung der Unternehmensleitung, bei entsprechender Umsetzung der geplanten Sanierungsmaßnahmen in Zukunft wieder positive Ergebnisse ausweisen und in erheblichen Maße Arbeitsplätze erhalten zu können, als vertretbar unter der Prämisse der Realisierung der für den Bereich TK Bergbau angestrebten politischen Lösung.
13Mitte 2006 wurde die Beklagte, die auch die Abschlussprüfung der I1 für 2005 durchführte, durch den Aufsichtsratvorsitzenden der Insolvenzschuldnerin beauftragt, den Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin für 2005 zu prüfen.
14Der nach Einsichtnahme in die Jahresabschlüsse der mit der DH verbundenen Unternehmen sowie in die Protokolle der Geschäftsführersitzungen der I1 und sonstigen Geschäftsunterlagen unter dem 27.10.2006 erstellte Prüfungsbericht enthält u.a. folgende Feststellungen:
15- Erwirtschaftet wurde ein durch die I1 auf Grund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auszugleichender Verlust vor Ergebnisabführung in Höhe von 13,6 Mio €, der im Wesentlichen durch einen dramatischen Nachfragerückgang verbunden mit Angebotsüberkapazitäten für Bergbauleistungen verursacht wurde;
16- Es existieren Aktivposten in Höhe von 122,6 Mio € im Wesentlichen in Form von Forderungen gegen verbundene Unternehmen, und zwar u.a. in Höhe von 111,4 Mio € gegenüber der I1 im Rahmen einer Darlehensvereinbarung mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2008, sowie einer weiteren, inzwischen auf die I1 verschmolzene Gesellschaft (DHH);
17- Die Zahlungseingänge auf diese Forderungen werden von der DH benötigt, um die laufenden Pensions- und Deputatverpflichtungen, soweit sie nicht aus dem laufenden Geschäft gedeckt werden konnten, zu erfüllen.
18Der Prüfbericht der Beklagten enthält weiter die Feststellung, dass die positive Beurteilung des Fortbestands und der wesentlichen Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung des Unternehmens im Lagebericht der Geschäftsführung plausibel und folgerichtet abgeleitet seien. Im Rahmen der Darstellung bestandsgefährdende Tatsachen weist die Beklagte darauf hin, dass die Insolvenzschuldnerin für den Fall, dass die von Geschäftsführung geplanten Reaktivierungsmaßnahmen sich nicht realisieren lassen oder die I1 nicht in Lage sei, der Insolvenzschuldnerin die benötigten liquiden Mittel zur Verfügung zu stellen, in ihrem Bestand bedroht sei.
19Im Ergebnis erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk unter Hinweis darauf, dass „ohne die kumulative Umsetzung der zur Sanierung der DH geplanten Einzelmaßnahmen und ohne die weitere finanzielle Unterstützung durch die Muttergesellschaft der Fortbestand der Gesellschaft aufgrund der angespannten Liquiditätslage ernstlich gefährdet“ sei.
20Der zwischen der Insolvenzschuldnerin und der I1 unter dem 16.10.2006 bezüglich der Darlehensforderung von 111,4 Mio € vereinbarte qualifizierte Rangrücktritt in Höhe eines Teilbetrages von 60 Mio € (Bl. 552 d. A.) war von der Beklagten wertneutral berücksichtigt worden.
21Auf Antrag der späteren Insolvenzschuldnerin wurde über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 01.06.1007 - ### IN ##/07 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
22Der Kläger hat behauptet:
23Bei pflichtgemäßer Prüfung hätte die Beklagte keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen dürfen, weil der Fortbestand der Insolvenzschuldnerin bei Testaterteilung am 27.10.2006 stark gefährdet gewesen sei.
24Bereits zu diesen Zeitpunkt sei die Muttergesellschaft, die I1, überschuldet gewesen. Der in 2005 bilanzierte Fehlbetrag von rund 68 Mio € sei nicht durch Eigenkapital, insbesondere nicht durch stille Reserven abgedeckt gewesen. Die ihr gegenüber in Höhe von 111,4 Mio € bestehende Darlehensforderung der Insolvenzschuldnerin sei daher nicht durchsetzbar gewesen. Auf Grund des in Höhe eines Teilbetrages von 60.000 € vereinbarten Rangrücktritts hätte eine Wertberichtigung der Forderung erfolgen müssen. Die Bilanzierung dieser Forderung zum Nennwert sei ein von der Beklagten zu berücksichtigender Verstoß gegen das Niederstwertprinzip. Schließlich hätte die Beklagte erkennen müssen, dass der für die I1 erstellte Sanierungsplan nicht belastbar und nicht plausibel gewesen sei, mit der Folge, dass der Fortbestand der von ihr beherrschten und finanziell im Wesentlichen abhängigen Insolvenzschuldnerin nicht gesichert gewesen sei.
25Infolge der Pflichtverletzung der Beklagten sei der Insolvenzschuldnerin ein Vermögensschaden von mindestens 1 Mio. € entstanden. Dieser resultiere daraus, dass die von der Insolvenzschuldnerin in dem Zeitraum ab Erteilung des uneingeschränkten Testats bis zur Insolvenzantragstellung erwirtschafteten Verluste von insgesamt 9.261.220,46 € zu einem entsprechenden Verlust ihres Eigenkapitals geführt hätten. Zudem seien ihre sonstigen Verbindlichkeiten in diesem Zeitraum um weitere 3.626.581,93 € angestiegen.
26Die Beklagte hat behauptet, die für das I1- Unternehmen unter der Voraussetzung der Umsetzung der geplanten und plausiblen Sanierungsmaßnahmen positiv erstellte Fortführungsprognose sei berechtigt gewesen. Die tatsächliche Entwicklung habe man nicht vorhersehbar können.
27Schließlich hat sie die Schadensdarlegung des Klägers als unsubstantiiert beanstandet.
28Das Landgericht hat die Klage mangels Pflichtverletzung der Beklagten sowie mangels eines kausalen Schadens abgewiesen.
29Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Feststellungen und der rechtlichen Ausführungen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.
30Gegen die Abweisung der Klage wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags seinen Zahlungsantrag weiter verfolgt. Den durch die angebliche Pflichtverletzung der Beklagten entstandenen Schaden stützt er nunmehr darauf, dass sich die Passiva der Insolvenzschuldnerin in dem Zeitraum vom 31.10.2006 bis zur Insolvenzantragstellung von 133.642.019,10 € auf 134.859.190,35 € erhöht und dadurch die Gesamtverbindlichkeiten auf insgesamt 1.217.171,06 € angestiegen seien.
31Die Beklagte verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
32Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
33B.
34Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
35Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus § 323 Abs. 1 HGB wegen fehlerhafter Abschlussprüfung der Jahrensbilanz der Insolvenzschuldnerin für 2005 verneint. Eine Pflichtverletzung der Beklagten in Zusammenhang mit der Prüfung und Bewertung des Jahresabschlusses 2005 sowie des Lageberichts der Geschäftsführung lässt sich nicht feststellen. Die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks verbunden mit dem Hinweis, dass die Unternehmensfortführung ohne die kumulative Durchsetzung der einzelnen geplanten Sanierungsmaßnahmen und der weiteren finanziellen Unterstützung durch die I1 ernstlich gefährdet sei, ist nicht zu beanstanden.
36I.
37Gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung der Buchführung, des Jahresabschlusses und des Lageberichts der Geschäftsführung des zu prüfenden Unternehmens verpflichtet. Danach erfolgt eine Prüfung gewissenhaft, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen so durchgeführt wird, dass ihr Ziel, die Abgabe eines Prüfungsurteils erreicht wird auf der Grundlage der durch das Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. konkretisierten Prüfungsstandards (IDW PS).
38Ein Verstoß der Beklagten gegen diese Verpflichtung liegt vor, wenn das von ihr uneingeschränkt erteilte Testat nicht das Ergebnis einer an den maßgeblichen IDW PS ausgerichteten Prüfung darstellt.
39Nach der insoweit maßgeblichen IDW PS 400 Ziffer 2 Rn. 8 vom 28.10.2005 soll ein Bestätigungsvermerk ein klar und schriftlich zu formulierendes Gesamturteil des Abschlussprüfers über das Ergebnis der pflichtgemäß durchgeführten Prüfung enthalten. Verantwortlich zu beurteilen ist die Übereinstimmung der Buchführung und die Aufstellung des Jahresabschlusses mit den jeweiligen für das geprüfte Unternehmen geltenden Vorschriften des HGB. Ferner hat der Prüfer zu bewerten, ob die wirtschaftliche Lage sowie die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens im Jahresabschluss und im Lagebericht zutreffend abgebildet wurden (Ziffer 2 IDW PS 400 Rn 8). Sein Gesamturteil beruht zwar auf Einzelergebnissen, zu denen er auf Grund eigener Prüfungsfeststellungen gekommen ist und die kritisch durchzusehen und zu werten sind. Seine abschließende Bewertung soll aber nicht lediglich die Summe der Beurteilungen der Teilgebiete des Prüfungsgegenstandes darstellen, sondern erfordert eine Gewichtung der Einzelergebnisses, aus der anschließend ein Gesamturteil abzuleiten ist (Rn 8 IDW PS 400).
40Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk ist zu erteilen, wenn die Abschlussprüfung auf Grund der im Rahmen der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse in den zu prüfenden Punkten zu keinen Einwendungen geführt hat und der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der geprüften Gesellschaft vermittelt (§ 322 Abs. 1 HGB). Dabei hat der Prüfer die Möglichkeit, gemäß § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB auf bestandsgefährdende Risiken hinzuweisen.
41Werden wesentliche Beanstandungen gegen abgrenzbare Teile des Jahresabschlusses oder des Lageberichts erhoben, ist das Gesamturteil aber weiterhin positiv, kommt gemäß § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk in Betracht. Ist eine positive Bewertung insgesamt nicht mehr möglich, hat der Abschlussprüfer gemäß § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB den Bestätigungsvermerk zu versagen.
42II.
43Als Ansatzpunkt einer Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 323 Abs. 1 HGB in Zusammenhang mit der Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks vom 26.10.2006 kommt die von der Beklagten im Rahmen ihrer Prüfungen nicht beanstandete, nach Ansicht des Klägers aber unzutreffende bilanzmäßige Bewertung der Darlehensforderung gegen die I1 mit dem Nennwert von 111,4 Mio € in Betracht.
441.
45Entscheidend ist, ob die Beklagte als Abschlussprüferin auf Grund der ihr zugänglichen Unterlagen den Ansatz der Forderung mit 100 % in der Jahresabschlussbilanz 2005 als nicht vertretbar ansehen musste, weil eine Teilabwertung dieser Forderung zwingend geboten war. In diesem Fall läge in der Bilanzierung der Forderung zum Nennbetrag ein Verstoß der Insolvenzschuldnerin gegen das Niederstwertprinzip des § 253 Abs. 4 HGB, der als Verletzung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung von der Beklagten zwingend zu berücksichtigen und zu bewerten war.
462.
47Gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB in Verbindung mit § 255 Abs. 1 HGB sind Geldforderungen in der Handelsbilanz grundsätzlich mit ihrem Anschaffungspreis, der ihrem Nennwert entspricht, anzusetzen (vgl. BFH-Urteile vom 23.11.1967, IV 123/63, BStBl II 1968, 176; vom 23.04.1975, I R 236/72, BStBl. II 1975, 875; Niedersächsisches FG, Urteil vom 09.12.2004, 11 K 388/03, S. 8). Handelt es sich wie hier um eine Darlehensforderung aus dem Umlaufvermögen, die sich gegen ein Unternehmen richtet, entspricht der Nominalbetrag dem Betrag, auf den der Gläubiger Anspruch hat (BFH I R 2/06, BStBl II 2007, 469; BFH I R 114/84, BStBl II 1990, 117). Dieser Nennwert ist gemäß § 253 Abs. 3 HGB zu berichtigen, sofern sich am Abschlussstichtag ein niedrigerer Börsen- oder Marktpreis ergibt (Satz 1). Kann - wie hier - ein solcher nicht festgestellt werden und kommen die Wahlmöglichkeiten nach § 253 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 HGB nicht zum Tragen, ist gemäß § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzustellen (vgl. Beck`scher Bilanz-Kommen-tar, 8. Aufl., § 253 Anm. 558 ff.).
483.
49Anlass für eine Teilwertberichtigung auf den niedrigeren beizulegenden Wert ist in aller Regel eine schlechte Wirtschaftslage des Schuldners. Er bestimmt sich nach der zum Abschlussstichtag geschätzten Höhe des Betrages, der dem bilanzierenden Unternehmen voraussichtlich zwecks Erfüllung der Forderung zufließen wird (Beck`scher Bilanz-Kommentar, a.a.O., Anm. 576).
50Ob danach eine Teilwertberichtigung vorzunehmen ist, unterliegt der Schätzung des Bilanzierenden. Bloße pessimistische Einschätzungen sind hierbei unbeachtlich. Wesentlicher Anhaltspunkt für eine zweifelhafte Forderung können in der Vergangenheit bereits aufgetretene Forderungsausfälle gegenüber demselben Schuldner sein.
51Da Forderungsausfälle in dieser Form von keiner der Parteien vorgetragen werden, kommen sie als Ansatz für eine Wertberichtigung nicht in Betracht.
524.
53Die von dem Kläger geforderte Teilwertberichtigung der zum Nennbetrag bilanzierten Darlehensforderung war nicht auf Grund der Unverzinslichkeit des Rückzahlungsanspruchs der DH geboten. Der Zinsverzicht begründete noch keine konkreten Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Forderung gegenüber der I1. Er war schon in 2004 vereinbart worden und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die I1 noch keine Negativerträge erwirtschaftet hatte. Zudem hatte er auf die finanzielle Lage sowohl der I1 als auch der Insolvenzschuldnerin, der DH, keine negativen Auswirkungen. Auf Grund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 19.12.1988 (Anlage K 38, Bl. 962 – 964 d. A.) hatte die I1 als beherrschendes Unternehmen die sich ohne die Zinseinnahmen vergrößernden Verluste der Insolvenzschuldnerin zu übernehmen, die der ursprünglich vereinbarten Zinsverpflichtung im Zweifel entsprachen, so dass im Ergebnis bei beiden Unternehmen keine zusätzlichen Belastungen entstanden.
545.
55Danach blieb für die Beklagte zu prüfen, ob in dem Zeitraum zwischen dem Jahresabschlussstichtag, dem 31.12.2005 und dem Datum des Bestätigungsvermerks, dem 27.10.2006, sonstige sog. werterhellende Umstände aufgetreten waren, die eine Abwertung der Darlehensforderung auf den niedrigeren beizulegenden Wert als notwendig erscheinen ließen.
56a)
57So kann der Forderungswert nach den Umständen des Einzelfalls nicht nur durch schleppende Zahlungseingänge oder durch die Einleitung von Zwangsmaßnahmen gegen den Schuldner gemindert sein (Vgl. BFH-Urteil vom 29.05.2001, VIII R 10/00, Tz. 54, zitiert nach juris). Derartige Umstände sind nicht vorgetragen und daher nicht zu prüfen.
58b)
59Darüber hinaus begründen nicht zuletzt eine signifikante Überschuldung und die damit verbundene Insolvenzgefahr den Anscheinsbeweis für eine Minderung der Gläubigeransprüche (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.1994, II ZR 60/93, BGHZ 125, 141).
60Ob bei der DH tatsächlich eine für die Beklagte erkennbare Überschuldung vorlag oder ob diese aufgrund des Vorhandenseins stiller Reserven ungeachtet des bei der I1 erwirtschafteten Fehlbetrages zu verneinen war, kann im Ergebnis dahinstehen, weil die Beklagte – wie unter 7. ausgeführt – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erwarteten Geschehensablaufes dargetan hat. Ihrem durch den Kläger nicht widerlegten Vorbringen lässt sich nämlich entnehmen, dass sie das für die I1 entwickelte und ständig fortgeschriebene Sanierungskonzept zu Recht als tragfähig angesehen hat.
616.
62Ansatz für eine Wertberichtigung der Darlehensforderung gemäß § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB bot weiterhin der unter dem 16.10.2006 mit der I1 in Höhe eines Teilbetrages von 60.000 € vereinbarten Rangrücktritt. Die Rücktrittsvereinbarung, die angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Problemsituation der I1 zur Sicherung der Unternehmensfortführung getroffen worden war, beinhaltete ein pactum non petendo, das die Rückforderung der 60.000 € während der Dauer der wirtschaftlichen Krise ausschloss und damit einem statuarischen Eigenkapitalersatz gleichkam (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2001 – II ZR 88/99, Rn. 17, zitiert nach juris, NJW 2001, 1280 – 1284). Dadurch waren die Realisierbarkeit und Werthaltigkeit der Forderung eng verknüpft mit dem Fortbestand des Schuldnerunternehmens, der im Wesentlichen von einer erfolgreichen Durchführung der seit 2005 in Angriff genommenen Sanierungsmaßnahmen abhing. Nur bei einer realistischen positiven Fortführungsprognose konnte die Werthaltigkeit des zunächst in Höhe von 60.000 € ausgesetzten Darlehensrückzahlungsanspruchs in vollem Umfang angenommen werden.
637.
64Die Beklagte ist von einer zu Recht von einer positiven Fortführungspgrognose für die I1ausgegangen. Die im Lagebericht der Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin grundsätzlich positiv beurteilten Fortführungschancen der Muttergesellschaft sind von der Beklagten in ihrem Prüfungsbericht zu Recht nicht beanstandet worden.
65Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zukunft der I1, die für die Lagebeurteilung der Insolvenzschuldnerin, insbesondere in Zusammenhang mit der Werthaltigkeit ihrer Forderung gegen die I1 von wesentlicher Bedeutung war, oblag es nicht der Beklagten, die für die I1 erarbeiteten Sanierungsmaßnahmen einer eigenen Risikoanalyse zu unterziehen und alle Einzelheiten dieser Planungen zu hinterfragen (vgl. Kajüter, Prüfung der Risikoberichterstattung im Lagebericht, II. 3. m.w.N. in Fn. 16, BB 2002, 243-249). Ihre Prüfungspflicht beschränkte sich auf eine Plausibilitätsprüfung der angedachten unternehmerischen Maßnahmen sowie auf eine Überprüfung des Erfolgs der am 27.10.2006 bereits in Angriffe genommenen und durchgeführten Einzelaktionen.
66Danach ergaben sich für die Beklagte bei Erstellung ihres Testats keine konkreten Anhaltspunkte für ein voraussichtliches Scheitern der auf einen längeren Zeitraum geplanten Restrukturierungs- und sonstigen Sanierungsmaßnahmen im Bereich des I1-Konzerns. Die einzelnen Maßnahmen waren unter der Ägide einer kompetenten und renommierten Unternehmensberatung unter Mitwirkung der Geschäftsführung der I1 erarbeitet worden und unterlagen fortlaufend der Kontrolle durch diese Gremien. Die Beklagte durfte aus diesem Grund im Grundsatz davon ausgehen, dass der Maßnahmenkatalog die Gewähr für eine nachhaltige und erfolgversprechende Sanierung bot. Hinzu kommt, dass die im Hause der Beklagten durch ihre hausinterne Sanierungsberatung durchgeführte Prüfung und Begleitung des Sanierungsprojekts dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten zufolge weder unrealistische Maßnahmen, marktferne Erwartungen oder andere Unstimmigkeiten festgestellt hat.
67Tatsächlich erwies sich das Sanierungskonzept hinsichtlich seiner Vielzahl von Einzelmaßnahmen bis zur Erstellung des Testats am 27.10.2006 als realistisch und belastbar. Bis zu diesem Zeitpunkt waren große Teile der Restrukturierungsmaßnahmen bereits erfolgreich durchgeführt, die als werterhellende Faktoren bei der Bewertung der zukünftigen Entwicklung der I1 zum Tragen kamen. So war die im Rahmen der Restrukturierung geplante Schließung oder das „Downsizing“ defizitärer Tochtergesellschaften, die Strukturanpassung der Hauptverwaltung sowie die Verkäufe der Tochtergesellschaften S1 und S2 weitestgehend ausgeführt.
68- Im Oktober/November 2005 waren zu den im defizitären Geschäftsbereich „Schlüsselfertigbau“ zu schließenden Standorten (Berlin, Hamburg München etc.) sämtliche Sozialpläne und Interessenausgleiche abgeschlossen worden unter Einschluss der notwendigen Kündigungen von insgesamt 186 Mitarbeitern.
69- Das Beton- und Fertigteilwerk X war geschlossen worden. Die Interessenausgleiche und Sozialpläne waren mit dem Ausspruch notwendiger Kündigungen im November und Dezember 2005 vollständig umgesetzt.
70- Der Verkauf des Beton- und Fertigteilwerks in E stand kurz bevor;
71er wurde im April 2007 durchgeführt.
72- In Umsetzung des Schließungsbeschlusses für die Tochtergesellschaft I4-D2 Consult waren Anfang 2006 die Verhandlungen über die Sozialpläne abgeschlossen und 11 Mitarbeiter der insgesamt 21-köpfigen Belegschaft gekündigt.
73- Die Schließung der weiteren Tochtergesellschaft I-Systembau war umgesetzt. Die Sozialpläne waren abgeschlossen, 32 Mitarbeiter waren entlassen, weitere 10 waren transferiert worden.
74- Im Geschäftsbereich Bergbau war das Personal um 237 Arbeiter und 43 Angestellte abgebaut worden.
75- Der Verkauf der U GmbH wurde in der Form eines asset deals realisiert mit einem Erlös von 18 Mio €.
76- Von dem neu hinzutretenden Finanzinvestor Dr. I3 wurden nach Neugründung einer Holding von ihm hiervon über die B GmbH 51 % erworben mit einer Einlageverpflichtung von 70,89 Mio €. Durch den späteren Erwerb der restlichen 49 % wurden dem I1-Konzern weitere liquide Geldmittel zugeführt, was sich Ende Oktober 2006 bereits abzeichnete.
77- Nach Umgestaltung der Hauptverwaltung der I1 in Herne in eine Finanz-Holding war die geplante Reduzierung der Mitarbeiterzahl Ende Oktober 2006 in wesentlichem Umfang bereits durchgeführt.
78Hinzu kam, dass die in 2005 ermittelte Liquiditätslücke bei der I1 durch die finanzierenden Banken durch langfristige Bankendarlehen mit einem Volumen vom 25 Mio € und einer Laufzeit bis zum 30.12.2017 und einem frühesten Tilgungsbeginn am 30.06.2010 geschlossen wurde. Dieser Umstand bestärkte auch für einen Drittbeobachter die Überzeugungskraft der Sanierungspläne der I1. Zudem gelangte die Beklagte im Rahmen der Plausibilisierung der im November/Dezember 2005 für 2006 geplanten Liquiditätsentwicklung auf Grund der im Mai 2006 für 2006 vorgesehenen Liquidität zu dem Ergebnis, dass sich die Liquiditätssituation gegenüber der im Sanierungskonzept geplanten Liquidität um rund 5 Mio € verbessern würde.
79Waren die Sanierungspläne der I1, die der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung angepasst und fortgeschrieben wurden, danach plausibel und belastbar, bestand für die Beklagte keine Veranlassung, die von der Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin nach Prüfung der aktuellen Finanzpläne der I1 unter dem 16.10.2006 bestätigte Werthaltigkeit der gegenüber der I1 bestehenden Forderung anzuzweifeln und die Bilanzierung der Forderung zum Nennwert zu beanstanden.
80Der Hinweis des Klägers auf die sehr eingeschränkte Fortführungsprognose der Beklagten in ihrer „Gutachterlichen Stellungnahme“ vom Januar 2006 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Diese Stellungnahme bezog sich auf das ursprüngliche Restrukturierungskonzept, das Ende Oktober 2006 überarbeitet und fortlaufend in Absprache sowie unter Mitwirkung der Geschäftsleitung ergänzt worden war. Sie erwies sich nicht zuletzt auf Grund der zwischenzeitlich angelaufenen und in wesentlichen Teilen realisierten Sanierungsmaßnahmen in ihren sachlichen Feststellungen bei Testatserteilung Ende Oktober 2006 auf Grund des Zeitablaufs und zwischenzeitlich angelaufenen und in wesentlichem Umfang realisierten Restrukturierungsmaßnahmen mit dem Ziel einer nachhaltigen Sanierung des I1-Konzerns in ihren sachlichen Feststellungen als überholt und damit als nicht mehr maßgeblich.
81III.
82Pflichtverletzungen der Beklagten in Zusammenhang mit der Prüfung und Bewertung des Lageberichts der Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin sind auch ansonsten nicht festzustellen.
831.
84In Betracht kommt eine fehlerhafte Bewertung der positiven Fortführungs-prognose für das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin.
85Gemäß IDW PS 350 hat der Abschlussprüfer den Risikobericht der Geschäftsleitung nach denselben Grundsätzen zu prüfen wie den Jahresabschluss. Es gelten auch hier die Grundsätze der Vollständigkeit, Richtigkeit und Klarheit (vgl. Kajüter, a.a.O., Ziffer II. 2 a m.w.N. in Fn. 12). Grundlage der Prüfung sind die bei der Abschlussprüfung gewonnenen Erkenntnisse, die mit dem Geschäftsmanagement geführten Gespräche sowie das eigene Branchen-Know-how des Prüfers mit dem Ziel, sich auf dieser Grundlage ein eigenständiges Urteil über die Risikodarstellung der Unternehmensleitung zu bilden. Nicht erforderlich ist – wie bereits oben ausgeführt wurde - eine eigene Risikoanalyse oder die Überprüfung aller Einzelheiten der Unternehmensplanung (Kajüter, a.a.O.). Geschuldet ist lediglich eine Plausibilitätsprüfung.
862.
87Gemessen daran ergaben sich aus den der Beklagten zugänglichen Bilanzen, Geschäftsunterlagen und Sitzungsprotokollen der Geschäftsleitungen keine Unstimmigkeiten mit der Lageeinschätzung der Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin im Lagebericht 2005, insbesondere hinsichtlich der Darstellung der Risiken der künftigen Entwicklung.
88Grundlage der Riskoeinschätzung der Geschäftsleitung war das zur Wiedererlangung einer ausreichenden wirtschaftlichen Stabilität erstellte Sanierungskonzept. Im Rahmen der Gesamtsanierung des I1-Konzerns waren für den Unternehmensbereich der Insolvenzschuldnerin im Wesentlichen drei Maßnahmen vorgesehen:
89(1) Die Anpassung bestehender Strukturen an das künftig zu erwartende Beschäftigungsniveau,
90(2) die Senkung der Arbeitskosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau durch Öffnungsklausel/Haustarifvertrag und
91(3) eine dauerhafte Entlastung von Altlasten in Form von Pensions- und Deputatverpflichtungen.
92Im Rahmen ihrer Abschlussprüfung hatte die Beklagte feststellen können, dass diese Sanierungsmaßnahmen in wesentlichem Umfang bereits realisiert bzw. in Angriff genommen worden waren. Mit Hilfe der Betriebsvereinbarung vom 15.08.2006 wurden erhebliche Lohneinsparungen realisiert (Anlage K 25, Bl. 608 – 614 d. A.).Durch den Sondertarifvertrag vom 29.09.2006 wurden Personalkosteneinsparungen von 21,9 % möglich. Die mit Wirkung für 2006 getroffene Betriebsvereinbarung vom 13.10.2006 hob den Arbeitnehmeranspruch auf Weihnachtsgeld auf. Zusätzlich wurde der Anspruch der Arbeitnehmer auf persönliche Freischichten ab dem 01.09.2006 aufgehoben. Dadurch ergaben sich auch für die Zukunft weitere erhebliche Einsparungen.
93Über die Deputatverpflichtungen hatten Gespräche mit der RAG Deutsche Steinkohle und dem Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein a.G. (PSV) stattgefunden mit dem Ziel der Einbeziehung dieser Verpflichtungen in die Stiftungslösung der RAG. Seit Juni 2006 existierte seitens der RAG eine Zusicherung der Einbeziehung der Deputatverpflichtungen in die Stiftungslösung, die durch den damaligen Bundesminister für Arbeit und Soziales bestätigt wurde. Dass diese Zusagen tatsächlich nicht eingehalten wurden, war am 27.10.2006 nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch nicht erkennbar.
94Ferner liefen Verhandlungen mit der RAG über die Zahlung eines Schichtpreises für 2007 von 360 €/Tag für 650 Schichten/Tag, durch den die Deputatverpflichtung der Insolvenzschuldnerin hinreichend gedeckt gewesen wäre.
95Aus den von der I1 und der Unternehmensberatung S‘s + Partner zur Verfügung gestellten Dokumenten konnte die Beklagte entnehmen, dass mit dem PSV Verhandlungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG über die Übernahme der Pensionsverpflichtungen geführt wurden, die ausweislich der Korrenspondenz der Beteiligten als konstruktiv und erfolgversprechend zu beurteilen waren.
963.
97Konkrete Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel an dieser Einschätzung ergaben sich danach für die Beklagte, die über sämtliche dieser Maßnahme informiert war, für den Zeitpunkt der Testaterteilung am 27.10.2006 nicht.
98Die von dem Kläger vorgelegten Betriebsergebnisse der Insolvenzschuldnerin für den Monat Oktober 2006, die entgegen der für September und Oktober 2006 geplanten Auslastung im Bergbau von 500 Mannschichten pro Arbeitstag für September 2006 lediglich eine Auslastung von 300 Mannschichten und für Oktober 2006 nur von 235 Mannschichten je Arbeitstag belegen, waren für die Prüfungstätigkeit der Beklagten irrelevant. Diese Aufstellungen lagen der Beklagten ihrem unbestrittenen Vortrag zufolge bei Testatserteilung nicht vor, da sie frühestens Anfang November 2006 erstellt wurden.
994.
100Ob die Beklagte verpflichtet war, vor Erteilung ihres Testats Auskünfte über den aktuellen Stand der Auslastung für September und Oktober 2006 einzuholen, um den Fortgang der Sanierungsplanungen zu bewerten, kann offen bleiben.
101Es lässt sich nicht feststellen, dass allein die planwidrige niedrigere Arbeitsauslastung im Bergbaubereich das gesamte Sanierungskonzept für den I1-Konzern, das auch die Insolvenzschuldnerin einbezog, zum Scheitern verurteilt gewesen wäre und damit die Voraussetzungen für die Erteilung eines uneingeschränkten Testats nicht mehr gegeben waren.
1025.
103Schließlich kommt der in der Geschäftsführersitzung vom 21.08.2006 thematisierten Absicht, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EAV) fristlos zu kündigen, entgegen der Ansicht des Klägers für die Einschätzung der Fortführungsprognose keine essentielle Bedeutung zu. Dieses Thema diente, wie dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen ist, zum damaligen Zeitpunkt firmenstrategischen Zwecken, um den Abschluss eines Haustarifvertrags mit der Arbeitnehmervertretung zu forcieren (vgl. Anlage K 14, Bl. 251 d.A.).
104Die Zustimmung des Aufsichtsrats der I1 in der Sitzung vom 06.09.2006 zur fristlosen Kündigung des als Steuersparinstrument ausgelegten EAV (K 14, Bl. 268 a.E./269 d. A.) erfolgte ausweislich Seite 17 des Sitzungsprotokolls (K 14, Bl. 269 d. A.) zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation der I1 unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass dadurch die Stützung des Bergbaus und damit der späteren Insolvenzschuldnerin nicht in Frage gestellt würde (K!4, Bl.269 d.A.).
105Diese Zustimmung kam tatsächlich nicht zum Tragen. Die fristlose Kündigung wurde erst im Folgejahr unter dem 26.03.2007 (Bl. 125 d. A.) nach Zustimmung durch den Aufsichtsrat in der Sitzung vom 20.03.2007 erklärt.
106Angesichts der Gesamtumstände bestand für die Beklagte keine Veranlassung, die Erklärung vom 26.10.2006, in der die Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin in Hinblick auf die ihr bekannte mittelfristige Unternehmensplanung der I1 für 2006 bis 2009 klarstellte, dass die Werthaltigkeit der Forderung gegen die I1 trotz des Rangrücktritts nicht angezweifelt werde, sachlich in Frage zu stellen.
107Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass dieser Erklärung für die Beurteilung der weiteren Zukunft der Insolvenzschuldnerin erhebliches Gewicht zukam. Der unterzeichnende Geschäftsführer war zugleich Mitglied der Geschäftsführung der Muttergesellschaft und in dieser Funktion über den Stand und den Fortgang der für das weitere wirtschaftliche Schicksal der Tochtergesellschaft maßgeblichen einzelnen Sanierungsmaßnahmen aus erster Hand informiert. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die von dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin mitgetragenen Vollständigkeitserklärung in Hinblick auf seinen Informationsstand und Sachverstand auf der zutreffenden Beurteilung konkreter Fakten beruhte.
108IV.
109Ungeachtet einer letztlich zu verneinenden kausalen Pflichverletzung der Beklagten rechtfertigt auch der Klagervortrag zur Schadenshöhe keine Abänderung des angefochtenen Urteils zu seinen Gunsten.
110Es fehlt weiterhin eine schlüssige Schadensberechnung auf der Grundlage eines Gesamtvermögensvergleichs gemäß § 249 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, NJW 2004, 444; NJW-RR 2001, 1450; BGHZ 133, 246 = NJW 1996, 2652). Ausgehend von der tatsächlichen Dauer des Eröffnungsverfahrens vom 16.04.2007 bis zum 01.06.2007, das sind rund sechs Wochen, wäre bei Nichterteilung des Testats (Zugang bei der Insolvenzschuldnerin am 09.11.2006) das Insolvenzverfahren im Falle einer Antragstellung im November 2007 frühestens zum 15.01.2007 eröffnet worden. Zur Schadensberechnung müssten die tatsächlich bei Insolvenzeröffnung am 16.04.2007 vorhandenen Aktiva und Passiva der Insolvenzschuldnerin den Aktiva und Passiva gegenüber gestellt werden, die bei einer Insolvenzeröffnung am 15.01.2007 vorhanden gewesen wären. Daran fehlt es auch nach entsprechenden rechtlichen Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2013. Die ergänzte Schadensberechnung im Schriftsatz vom 31.03.2012 enthält lediglich eine Auflistung der ab Januar 2006 bis zur Insolvenzeröffnung angewachsenen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin. Zur schlüssigen Schadensdarlegung wäre die Gegenüberstellung der am 15.01.2007 gegebenen Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin mit der tatsächlichen Vermögenslage, die bei Insolvenzeröffnung am 16.04.2007 bestand, gegenüber zu stellen. Die bloße Auflistung der ab 31.01.2007 bis zur Insolvenzeröffnung aufgelaufenen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin trägt dem nicht Rechnung.
111V.
112Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
113VI.
114Der Senat hat die Revision nicht nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert.