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Die Berufungen des Beklagten gegen die am 17.08.2010 und 25.10.2010 verkündeten Urteile des Landgerichts Münster werden zurückgewiesen.
Nach Teilrücknahme der Klage bleibt der Beklagte verurteilt, an den Kläger 41.949,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 36.337,94 € seit dem 05.09.2006 sowie aus weiteren 5.611,81 € seit dem 29.07.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und die Kosten der vor dem 11. Zivilsenat durchgeführten Berufungsverfahren werden dem Beklagten zu 80 %, dem Kläger zu 20 % auferlegt. Die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 90 %, dem Kläger zu 10 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Urteile Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nicht anderes ergibt.
4Gegen das Urteil, mit dem der Klage im Wesentlichen stattgegeben wurde, und gegen das Ergänzungsurteil bezüglich der Kostenentscheidung wendet sich der Beklagte mit den Berufungen.
5Wegen der ursprünglich streitigen Berittkosten hat der Kläger die Klage in Höhe von 4.440 € im Senatstermin vom 03.05.2011 mit Zustimmung des Beklagten teilweise zurückgenommen.
6Der Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft. Zu Unrecht habe das Landgericht das "Weben" des Pferdes als Mangel eingestuft und unter Anwendung der Beweiserleichterung des § 476 BGB festgestellt, dass "Loretto" bereits zum Zeitpunkt der Übergabe gewebt habe. Das habe die Beweisaufnahme gerade nicht ergeben.
7Die Operationsnarbe von Loretto sei nicht als Mangel anzusehen. Sie sei weder wertmindernd noch leistungsbeeinflussend gewesen, auch habe sie kein erhöhtes Krankheitsrisiko begründet. Etwaige Mängelrechte wegen der OP-Narbe seien verjährt. Soweit § 7 des Kaufvertrages eine – unzulässige – Verkürzung der Verjährung auf 3 Monate enthalte, sei die Klausel unter Berücksichtigung der im Vertrag weiter enthaltenen Salvatorischen Klausel nach dem Parteiwillen entsprechend dahin auszulegen, dass die Verjährungsfrist jedenfalls auf ein Jahr abgekürzt werden sollte.
8Einem Aufwendungsersatzanspruch des Klägers stehe § 347 Abs.2 BGB entgegen. Die Wertersatzpflicht des Klägers wegen des Todes des Pferdes sei – entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung – nicht gem. § 346 Abs.2 Nr.2 BGB ausgeschlossen. Soweit der Kläger ggf. wegen § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB vom Wertersatz befreit sei, führe das dazu, dass er, der Beklagte, keinen Verwendungsersatz leisten brauche.
9Zu dem Ergänzungsurteil vertritt der Beklagte die Auffassung, es sei unnötig und deshalb unzulässig. Eine Entscheidungslücke sei nicht gegeben.
10Der Beklagte beantragt,
11abändernd die Klage abzuweisen und die Kosten des Kläger aufzuerlegen.
12Der Kläger beantragt,
13die Berufungen zurückzuweisen.
14Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.
15Er vertritt die Auffassung, das Kaufvertragsformular könne für eine eingeschränkte Haftung des Beklagten nicht herangezogen werden, weil es hinsichtlich eines wesentlichen Vertragsbestandsteils, des Kaufpreises, keine Angabe enthalte und deshalb nicht wirksam vereinbart sei.
16Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von der Kolikoperation des Pferdes gewusst. Er erklärt im Schriftsatz vom 03.05.2011 deshalb die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und begründet damit ergänzend die Klageforderung.
17II.
18Die zulässige Berufung ist unbegründet.
19Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger den Vertrag mit seiner Erklärung vom 03.05.2011 wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat, § 123 BGB. Denn die mit der Klage geltend gemachten und noch zur Entscheidung stehenden Ansprüche stehen dem Kläger jedenfalls zu.
201. Wurde der Kaufvertrag nicht wirksam angefochten steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 35.000,00 € aus den §§ 433, 434, 437 Nr. 2., 323, 326 Abs. 5, 346 Abs. 1, 90a S. 3 BGB zu.
21a) Das Pferd Loretto wies zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB auf, wobei dahinstehen kann, ob ein solcher Sachmangel tatsächlich darin bestand, dass das Pferd webte.
22Denn zu Recht und überzeugend geht das Landgericht unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. T davon aus, dass jedenfalls die unstreitig zum Zeitpunkt der Übergabe bereits erfolgte Vor-Operation nebst Narbe eine negative Abweichung von der Sollbeschaffenheit des Pferdes und damit einen Mangel darstellt. Die Operation eines Pferdes stellt einen wertbildenden Faktor da, mit der der Käufer nicht rechnet. Sie beeinhaltet die Gefahr weiterer Erkrankungen, z.B. Verwachsungen oder Verklebungen. Sie führt zu einem Minderwert des Tieres zwischen jedenfalls 10-30 %, was zusammengefasst eine negative und unübliche Beschaffenheit darstellt.
23An diese Feststellungen sieht sich der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit von der Berufung nicht aufgezeigt werden oder sonst ersichtlich sind. Der Beklagte setzt lediglich seine Bewertung an die Stelle derjenigen des Sachverständigen.
24Eine Fristsetzung war wegen der Unmöglichkeit der Nachbesserung entbehrlich, § 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB. Die Vor-Operation konnte nicht rückgängig gemacht werden.
25b) Gewährleistungsansprüche des Klägers sind nicht verjährt.
26Für die vertraglichen Vereinbarungen ist das Vertragsformular vom 18.03.2006 zugrunde zu legen. Allein die Tatsache, dass die Parteien den Kaufpreis – übereinstimmend – nur mündlich vereinbart und nicht in das Formular eingetragen haben, hindert die Geltung der sonstigen Bestimmungen nicht. Über die essentialia negotii bestand Einigkeit. Der Kaufpreis von 35.000 € ist unstreitig. Die Parteien haben zusätzlich zu dem Formular vereinbart, dass der Kaufpreis gerade nicht eingetragen werden soll. Das unterlag ihrer Disposition und enthält keine Aussage darüber, ob die vertraglichen Vereinbarungen im Übrigen gelten sollen. Dass allerdings bei einer Auslegung der Vereinbarungen der Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, §§ 133, 157 BGB, Einigkeit über die Geltung des Vertrags bestand, ergibt sich aus den beidseitig geleisteten Unterschriften und der Tatsache, dass die Parteien bis zur Berufungserwiderung übereinstimmend von der Geltung der Bestimmungen des vom Kläger mitgebrachten Vertragsformulars ausgegangen sind.
27Soweit der Vertrag aber die Verjährung/den Haftungszeitraum auf drei Monate verkürzt, ist diese Regelung in § 7 des Vertrages gegenüber dem Kläger als Verbraucher unwirksam, § 475 Abs.2 BGB.
28Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel dahingehend, dass die gesetzlich zulässige Jahresfrist gelten soll, ist nicht zulässig (Staudinger/Matuscher-Beckmann (2004), BGB, § 475 Rdnr. 95; Palandt-Weidenkaff, BGB, 76. Auflage, § 475 Rdnr. 13; Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage, § 475 Rdnr.19; a.A. Münch-Komm-Lorenz, BGB, 5. Auflage, § 475 Rdnr. 24. m.w.N.). Das Verbot des 475 Abs. 2 BGB muss als Verbraucherschutzregel uneingeschränkte Geltung haben, um Rechtssicherheit zu gewähren und Missbrauch zu verhindern. Dies wäre aber nicht gewährleistet, wenn – bei zu kurzer Frist – die Jahresfrist des § 475 Abs.2 BGB Geltung haben würde. Denn dann könnte der Unternehmer stets eine sehr kurze Verjährung in der Hoffnung vereinbaren, dass der Käufer sich in Unkenntnis der mangelnden Wirksamkeit an die vertragliche Regelung gebunden fühlt. Die automatische Reduktion könnte mithin zu einem Missbrauch verleiten und den Verbraucherschutz gefährden.
29Anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil der Kläger selbst das Vertragsformular stellte. Der Kläger hat – offenbar ohne weitere Gedanken und ohne Kenntnis der Problematik - das ausweislich seiner Überschrift für Verkäufe eines Unternehmers an einen Verbraucher nicht geltende Formular der FN benutzt. Der Beklagte ist – unstreitig – Unternehmer. Er hätte die Verwendung des ungeeigneten Vertragsmusters und die unzulässige Klausel erkennen können und müssen. Jedenfalls entspricht es nicht dem Sinn und Zweck der Verbrauchervorschriften, dass er bei dieser Sachlage von der unwirksamen Klausel profitiert.
30Da auch nicht erkennbar ist, dass eine solche ergänzende und geltungserhaltende Auslegung dem Willen der Parteien entsprochen hätte, kommt eine Verkürzung der Verjährungsfrist durch die Vereinbarung der Parteien nicht in Betracht, so dass Gewährleistungsansprüche des Klägers wegen der Vor-Operation nicht verjährt sind.
31c. Ein Anspruch des Beklagten auf Wertersatz aus § 346 Abs. 2 BGB kann dem Anspruch des Klägers nicht entgegen gehalten werden. Der Anspruch auf Wertersatz entfällt, weil der Kläger diejenige Sorgfalt beobachtete, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, § 346 Abs. 3 Ziff. 3 BGB. Nach dem Ergebnis seiner persönlichen Anhörung im Termin wurde der Kläger unmittelbar nach dem Auftreten der Kolik bei "Loretto" informiert und beauftragte seinerseits unverzüglich einen Tierarzt. Entsprechend dessen Anweisungen wurde das Pferd behandelt. Die Angaben des Klägers, denen der Beklagte nicht widersprochen hat, sind plausibel und werden durch den Bericht der Tierklinik U vom 4.12.2007 gestützt. Damit hat der Kläger den erforderlichen Sorgfaltsmaßstäben genügt, § 277 BGB.
322. Der Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 6.949,75 € ergibt sich aus §§ 437 Nr. 3, 440, 311a Abs. 2, 284, 275 Abs. 1, 325 BGB, wenn man die mangelfreie Leistung mit Blick auf die Operationsnarbe als von Anfang an unmöglich ansieht, sonst aus Gewährleistungsrecht gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 281, 284, 325 BGB.
33Er ist auch der Höhe nach entweder als Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB oder als Aufwendungsersatzanspruch gem. § 284 BGB, so wie vom Landgericht dargelegt und vom Beklagten mit der Berufung nicht substantiiert angegriffen, begründet.
34Der Anspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Pferd zwischenzeitlich verstorben ist und der Kläger es dem Beklagten nicht zurückgewähren muss.
35Der Anspruch auf Schadens- bzw. Aufwendungsersatz aus den §§ 281, 284 BGB besteht unabhängig von der Regelung des § 347 Abs. 2 BGB (Palandt-Grüneberg, BGB, 76. Auflage, § 347 Rdnr. 3), so dass es auf die Frage, ob die Wertersatzpflicht des Klägers nach § 346 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, für einen Anspruch aus gewährleistungsrechtlichen Vorschriften nicht ankommt.
36Anzurechnen ist dem Kläger allerdings die vom Landgericht unangegriffen festgestellte Nutzungsentschädigung von 5.125 €, so dass nach der Klagerücknahme dem Kläger noch ein Betrag in Höhe von 6.949,75 € zusteht, wobei hinsichtlich der Zinsforderung zu berücksichtigen war, dass ein Teil der Berittkosten in Höhe von 1.280 € bereits mit der Klage, ein weiterer Teil in Höhe von 3.160 € erst mit der Klageerweiterung vom 16.07.2008 geltend gemacht wurde.
373. Der Anspruch des Klägers ist auch in dem dargelegten Umfang begründet, wenn der Kläger von dem Beklagten arglistig getäuscht wurde und der Vertrag wirksam angefochten wurde. Die klägerischen Ansprüche ergäben sich dann aus den §§ 812 Abs. 1 S.1 Alt.1, 818 Abs. 3 BGB i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB bzw. aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
384. Auf die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Ergänzungsurteil des Landgerichts vom 25.10.2010 ist dieses insofern abzuändern, als dass die Kostenentscheidung der nunmehr vom Senat getroffenen Kostenentscheidung folgt.
39Die Berufung gegen das Ergänzungsurteil als selbstständiges Urteil ist zulässig, und zwar – weil das Urteil nur die Kosten betrifft und die Berufung i.ü. zulässig ist – unabhängig vom Beschwerdewert (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. § 321 Rdnr. 11).
40Sie ist – nach der teilweisen Klagerücknahme des Klägers in der zweiten Instanz – teilweise begründet.
41Der Erlass eines Ergänzungsurteils war zulässig, weil das Landgericht über die Kosten des ersten Berufungsverfahrens nicht entschieden hat (Zöller-Vollkommer, a.a.O. § 321 Rdnr. 2). Dem zur Entscheidung berufenen Richter der ersten Instanz war - wie dem bindenden Tatbestand des Ergänzungsurteils vom 25.10.2010 zu entnehmen ist - entgangen, dass auch bzw. noch über die Kosten des 1. Berufungsverfahrens zu entscheiden war.
42In der Sache ist die Kostenentscheidung insofern abzuändern, als aufgrund der vom Kläger in zweiter Instanz erklärte Klagerücknahme vom Senat auch für die erste Instanz in der Sache eine abweichende Kostenentscheidung zu treffen war.
434.
44Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs.1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
45Der Streitwert für die Berufung wird bis zum 03.05.2011 auf 46.389,75 € festgesetzt, danach auf 41.949,75 €.
46Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da weder die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Nr.1 noch Nr. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sache hat als Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung; auch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine revisionsrechtliche Entscheidung nicht erforderlich.