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Oberlandesgericht Hamm, II-8 UF 96/11

Datum:
16.11.2011
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 UF 96/11
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2011:1116.II8UF96.11.00
 
Vorinstanz:
Amtsgericht Lüdinghausen, 14 F 170/09
Schlagworte:
Abänderung einer Jugendamtsurkunde; Volljährigkeit des Berechtigten; Selbstbehalt; Verpflichtung zu künftig steigenden Unterhaltsbeträgen trotz aktuell hierfür nicht ausreichender Leistungsfähigkeit; keine Steigerung der Leistungsfähigkeit entgegen der prognostizierten Erwartung
Normen:
§§ 239, 244 FamFG, 242, 313, 1601 ff. BGB
Leitsätze:

1. Gem. § 239 Abs. 1 FamFG kann bei einer einseitig erstellten Jugendamtsurkunde jeder Teil eine Abänderung beantragen. Dies gilt auch für die Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, da der Unterhaltsanspruch des minderjährigen mit demjenigen des volljährigen Kindes identisch ist, so dass statische Titel über den Kindesunterhalt nach Erreichen der Volljährigkeit bis zu einer eventuellen Abänderung fortbestehen. Für dynamische Titel ist dies inzwischen ausdrücklich in § 244 FamFG geregelt.

2. Fehlt es an einer Vereinbarung der Beteiligten bei der Errrichtung der Jugendamtsurkunde, da diese einseitig erstellt wurde, so kann sich der Unterhaltspflichtige von seiner titulierten Unterhaltspflicht nur dann lösen, wenn sich eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirken. Der Unterhaltspflichtige muss deshalb nicht nur vortragen, dass die bisherige Unterhaltsleistung für ihn wegen Änderung der Verhältnisse nach § 242 BGB unzumutbar geworden ist, sondern auch die seiner damaligen Verpflichtung nach Grund und Höhe zu Grunde liegenden Umstände darlegen.

3. Lag bereits zur Zeit der Errichtung der Jugendamtsurkunden eine Unterschreitung des Selbstbehalts vor, ist der Unterhaltspflichtige hieran auch bei einer Anpassung an die geänderten Verhältnisse festzuhalten.

4. Verpflichtet sich der Unterhaltsschuldner in den Jugendamtsurkunden trotz aktuell nicht ausreichender Leistungsfähigkeit zu künftig steigenden Unterhaltsbeträgen, liegt in diesem Anerkenntnis regelmäßig eine Prognose dahingehend, dass er zur Zahlung der aufgrund der Titulierung zukünftig fälligen Unterhaltsbeträge in der Lage sein werde. Ändern sich jedoch die tatsächlichen Verhältnisse entgegen der prognostizierten Erwartung nicht mit der Folge, dass für zukünftige Zeiträume eingegangene höhere Unterhaltsverpflichtungen nicht geleistet werden können, so erweist sich die Prognose als nicht mehr tragfähig. In einem solchen Fall ist eine Bindungswirkung an die für deutlich erst in der Zukunft liegende Zeiträume eingegangene Unterhaltsverpflichtung nicht mehr gegeben.

 
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin zu 1. wird der am 27. Januar 2011 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Lüdinghausen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung (Beurkundungsregister-Nummer: 27/2006 der Kreisverwaltung D -Jugendamt) wird für die Zeit ab dem 1.2.2009 dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, an die Antragsgegnerin zu 1. Kin-desunterhalt in folgender monatlicher Höhe zu zahlen:

a) Februar 2009 263,00 €,

b) März bis Dezember 2009 230,00 €,

c) Januar bis März 2010 233,00 €,

d) 1. April bis 12. Juli 2010 286,00 €,

e) 13. Juli bis 31. Dezember 2010 187,00 €,

f) ab 1. Januar 2011 176,00 €.

Die Urkunden über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung (Beurkun-dungsregister-Nummern: 26/2006 und 25/2006 der Kreisverwaltung D - Jugendamt) werden für die Zeit ab dem 1.2.2009 bis zum 12.7.2010 dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, an die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. jeweils Kindesunterhalt in folgender monatlicher Höhe zu zahlen:

a) Februar 2009 214,00 €,

b) März bis Dezember 2009 230,00 €,

c) Januar bis März 2010 233,00 €,

d) 01.April bis 12. Juli 2010 286,00 €.

Der weitergehende Abänderungsantrag bleibt zurückgewiesen; die weitergehende Beschwerde sowie die weitergehende Anschlussbe-schwerde werden zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Antragsteller zu 6/10 und die Antragsgegnerinnen zu 4/10.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller 6/10 der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten so-wie der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1., ferner 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. Die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. tragen 1/3 ihrer eigenen außerge¬richtlichen Kosten sowie 1/3 der Gerichtskosten und der außergerichtli¬chen Kosten des Antragstellers - insoweit neben der Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 1. trägt 4/10 ihrer eigenen außergerichtli¬chen Kosten sowie - insoweit neben den Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. - 4/10 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.184,39 € festgesetzt, davon entfallen 7.164,39 € auf die Beschwerde und 1020 € auf die Anschlussbeschwerde.

 
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