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Oberlandesgericht Hamm, II-8 UF 46/11

Datum:
06.06.2011
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 UF 46/11
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2011:0606.II8UF46.11.00
 
Vorinstanz:
Amtsgericht Steinfurt, 30 F 66/10
Schlagworte:
Gefährdung des Kindeswohls; Entziehung der elterlichen Sorge; Verbleibensanordnung; Beteiligung des Kindesvaters
Normen:
§§ 1632 Abs. 4, 1666, 1666a, 1680 Abs. 2 S. 2 BGB, Art 6 Abs. 2 S. 1 GG, Art 8 EMRK
Leitsätze:

1. Bei der Auslegung des Begriffs des Kindeswohls gem. §§ 1666, 1666a BGB ist, wie sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergibt, ein Vorrang des Erziehungsrechts der Eltern zu berücksichtigen, in das der Staat nur im Rahmen seines Wächteramtes und nur unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - insbesondere wenn es um die Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern geht - eingreifen darf. Vor diesem Hintergrund muss das elterliche Fehlverhalten oder Versagen gegenüber dem Kindeswohl eine gewisse Evidenz aufweisen.

2. Insbesondere gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen; vielmehr gehören die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Das Kind hat keinen Anspruch auf "Idealeltern" und eine optimale Förderung und Erziehung, so dass sich das staatliche Wächteramt auf die Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl beschränkt.

3. Einer Gefährdung des Kindeswohls durch einen Wechsel des Kindes aus dem Haushalt seiner Pflegeeltern in den Haushalt der Kindesmutter wird hinreichend durch eine zu befristende Verbleibensanordnung gem. § 1632 Abs. 4 BGB entgegengewirkt.

4. Bei der Einschätzung, ob das Kindeswohl eines 4jährigen Kindes gefährdet wird, kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Kindesmutter bisher ihr am 2.8.2010 geborenes weiteres Kind betreut und versorgt hat und das Jugendamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, dass es insoweit ein Eingreifen nicht für erforderlich halte.

5. Zur Beteiligung des leiblichen Vaters des Kindes an dem Verfahren.

 
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (Kindesmutter) wird der am 20. De-zember 2010 erlassene Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht-Steinfurt abgeändert.

Der Antrag des antragstellenden Kreisjugendamtes T, der Kindesmutter die elterliche Sorge für den am 1.4.2007 geborenen N M zu entziehen, wird zurückgewiesen.

Es wird angeordnet, dass das betroffene Kind bis zum 30.6.2013 in seiner jet-zigen Pflegefamilie verbleibt.

Gerichtskosten werden für beide Instanzen nicht erhoben.

Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000 € festgesetzt.

 
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