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1. Der unterhaltsberechtigte betreuende Elternteil muss sich nicht auf eine verstärkte Übernahme der Kindesbetreuung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil verweisen lassen, wenn die Ausweitung der Betreuung durch letzteren nicht mit dem Kindeswohl in Einklang steht. Gegen eine erhebliche Ausweitung der Betreuung spricht, dass der unterhaltspflichtige Elternteil nur zu einer schriftlichen Kommunikation mit dem andren Elternteil bereit ist.
2. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet die hälftige Aufteilung des verteilungsfähigen Einkommens, d.h. des Teils der prägenden Einkünfte, der zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung steht. Dabei verstösst es nicht gegen den Halbteilungsgrundsatz, wenn bei Erwerbseinkünften vorab der Erwerbstätigenbonus abgezogen wird.
Auf die Be¬ru¬fung des Klä¬gers wird das am 25.01.2011 ver¬kün¬de¬te Urteil des Amts¬ge¬richts – Fa¬mi¬lien¬ge¬richt – Iser¬lohn unter Zu¬rück¬wei¬sung des wei¬ter-ge¬hen¬den Rechts¬mit¬tels teil¬wei¬se ab¬ge¬än¬dert und wie folgt neu ge¬fasst:
1. Der An¬trag des Klä¬gers auf Ab¬än¬de¬rung des Ver¬gleichs vom 05.07.2005 (14 F 52/05 Amts¬ge¬richt Iser¬lohn) wird zu¬rück¬ge¬wie¬sen.
2. In Ab¬än¬de¬rung des Ver¬bund¬urteils Amts¬ge¬richts – Fa¬mi¬lien¬ge¬richt – Iser-lohn vom 15.08.2006 (14 F 303/05) wird der Klä¬ger ver¬urteilt, an die Be¬klag¬te zu 5. ab dem 22.06.2009 nach¬ehe¬li¬chen Unter¬halt nur noch in fol¬gen¬der Höhe zu zah¬len:
a) vom 22.6.2009 bis zum 31.12.2009 in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.400,00 € mo¬nat¬lich, davon 314,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt,
b) von Ja¬nu¬ar bis April 2010 in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.435,00 €, davon 280,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt,
c) von Mai bis De¬zem¬ber 2010 in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.260,00 €, davon 269,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt,
d) von Ja¬nu¬ar bis Mai 2011 in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.271,00 €, davon 271,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt,
e) von Juni bis Juli 2011 in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.175,00 €, davon 247,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt sowie
f) ab Au¬gust 2011 lau¬fend in mo¬nat¬li¬cher Höhe von 1.132,00 €, davon 236,00 € Al¬ters¬vor¬sor¬ge¬unter¬halt.
Von den Kos¬ten des Ver¬fah¬rens trägt der Klä¬ger die au¬ßer¬ge¬richt¬li¬chen Kos-ten der Be¬klag¬ten zu 1. bis 4. ins¬ge¬samt sowie die au¬ßer¬ge¬richt¬li¬chen Kos¬ten der Be¬klag¬ten zu 5. und die Ge¬richts¬kos¬ten zu je 2/3. Die Be¬klag¬te zu 5. trägt von den Ge¬richts¬kos¬ten sowie den au¬ßer¬ge¬richt¬li¬chen Kos¬ten des Klä¬gers je 1/3. Im Üb¬ri¬gen trägt der Klä¬ger seine au¬ßer¬ge¬richt¬li¬chen Kos¬ten selbst.
Der Streit¬wert für das Ver¬fah¬ren ers¬ter Ins¬tanz wird auf 15.710,00 € (davon 15.385,00 € für die Ab¬än¬de¬rung des Ti¬tels über den nach¬ehe¬li¬chen Unter-halt), der Streit¬wert für die Be¬ru¬fung auf 7.130,00 € (davon 6.805,00 € für die Ab¬än¬de¬rung des Ti¬tels über den nach¬ehe¬li¬chen Unter¬halt) fest¬ge¬setzt.
Das Urteil ist vor¬läu¬fig voll¬streck¬bar.
Gründe:
2I.
3Der Kläger begehrt die Abänderung zweier Titel über Kindes- und Scheidungsunterhalt.
4Der Kläger und die Beklagte zu 5. schlossen im Juni 1995 die Ehe, aus der die Beklagten zu 1. bis 4. hervorgegangen sind. Die Kindeseltern sind seit dem 9.1.2007 rechtskräftig geschieden. Die Beklagten zu 1. bis 4. leben bei der Beklagten zu 5., der durch das Scheidungsurteil auch die alleinige elterliche Sorge übertragen worden ist. Der Kläger hat derzeit regelmäßigen Umgang mit den drei jüngeren Kindern, nicht jedoch mit der ältesten Tochter G, die einen Umgang ablehnt.
5Der Kläger ist Arzt, jedoch bereits seit längerem krankheitsbedingt erwerbsunfähig. Er bezieht entsprechende Renten der Ärzteversorgung, der kirchlichen ZVK und einer privaten Rentenversicherung bei der Q. Er bewohnt die vormalige Eheimmobilie, die nach Durchführung des Zugewinnausgleichs in seinem Alleineigentum steht. Die Immobilie ist noch mit mehreren Krediten belastet. Darlehensschuldner ist inzwischen allein der Kläger. Der Kläger hat eine weitere Tochter aus einer anderen Beziehung – T – der gegenüber er aber nicht mehr unterhaltspflichtig ist.
6Die Beklagte zu 5. ist gelernte Krankenschwester mit einer Zusatzausbildung als Stationsleitung. Vor der Eheschließung arbeitete sie teilweise auch als Stationsleitung, nicht jedoch während der Ehezeit. Nach der Eheschließung war sie noch bis zur Geburt des ersten Kindes im Oktober 1996 als einfache Krankenschwester auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus in J tätig. Nach Beendigung des Erziehungsurlaubs kehrte sie trotz Anfrage des Krankenhauses nicht in ihren Beruf zurück, wobei die näheren Umstände zwischen den Parteien streitig sind. Sie übt zeitweise eine Tätigkeit bei der Fa. "Q2" aus, für die sie telefonisch Verkaufsveranstaltungen organisiert. Aus dieser Tätigkeit erzielt sie durchschnittlich 20,00 € im Monat. Seit April 2010 ist die Beklagte zu 5. als Haushaltshilfe teilschichtig mit 12 Wochenstunden erwerbstätig mit einem Bruttoverdienst von 420,00 €. Sie arbeitet vormittags in der Zeit von 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr.
7Die älteste Tochter, G, besucht die Realschule nunmehr in der 9. Klasse. Diese Schule bietet weder eine Ganztags-noch eine Übermittagbetreuung an, der Schulunterricht endet um 13.10 Uhr. Sohn N besucht das X-Gymnasium. Sohn G2 und Tochter B2 besuchten zum Zeitpunkt der Einleitung des Abänderungsverfahrens noch die Grundschule in I. Diese lag ca. 500 m von der Wohnung der Kindesmutter entfernt und bot im Rahmen der Offenen Ganztagsschule eine Betreuung bis 16.30 Uhr an. Inzwischen sind G2 und zu Beginn des neuen Schuljahres nunmehr auch B2 auf das X-Gymnasium gewechselt. Am Gymnasium findet an drei Tagen Ganztagsunterricht bis 14.55 Uhr statt, an den anderen Tagen endet der Unterricht um 13.10 Uhr.
8Durch Vergleich vom 5.7.2005 (AG Iserlohn 14 F 52/05) verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung von Kindesunterhalt für die Beklagten zu 1. bis 4. in Höhe von jeweils 160 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes. Dem Vergleich lagen folgende Einkommensverhältnisse zugrunde:
9"Einkommen des Beklagten aus Ärzteversorgung 3.250,00 €, aus Versicherung 1.205,00 € und aus Zusatzversorgung 920,00 €, Wohnwert 400,00 €, abzüglich Darlehen 125,00 €, Verbindlichkeiten 88,00 €, Sparkasse 422,00 €, Wfa 94,00 €, Krankenkasse 572,00 € und Unterhalt für T 270,00 € sowie 64,60 € verbrauchsunabhängige Nebenkosten. […]"
10Durch das Verbundurteil vom 15.08.2006 (AG Iserlohn 14 F 303/05) wurde der Kläger ferner zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.821,80 € monatlich verurteilt (Altersvorsorgeunterhalt: 381,80 €, Krankheitsvorsorgeunterhalt: 173,75 €, Pflegevorsorgeunterhalt 21,25 € und Elementarunterhalt 1.245,00 €). Hierbei ging das Amtsgericht von einem unstreitigen, bereits um den Kindesunterhalt bereinigten Einkommen des Klägers in Höhe von 3.074,40 € aus.
11Mit Schreiben vom 26.2.2009 forderte der Kläger die Beklagten auf, einer Herabsetzung des Unterhalts zuzustimmen.
12Das Amtsgericht hat zur Frage des Wohnwerts ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. B in I2 eingeholt. Mit dem am 25.1.2011 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht der Abänderungsklage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Auf Seiten des Klägers sei von einem Renteneinkommen in Höhe von 5.233,34 € und einem Wohnvorteil in Höhe von 595,00 € auszugehen. Hiervon seien lediglich die Kreditzinsen in Abzug zu bringen. Nicht zu berücksichtigen seien die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten sowie die Zahlungen an die M2; hinsichtlich letzterer sei nicht nachgewiesen, dass diese ehebedingt seien. Auf Seiten der Beklagten zu 5. sei das derzeit tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen, dieses allerdings bereits schon für das Jahr 2009. Eine weitergehende Erwerbstätigkeit sei von der Beklagten zu 5. im Hinblick auf Anzahl und Alter der Kinder nicht zu verlangen. Insbesondere sei eine teilweise Übernahme der Betreuung durch den Kläger nicht möglich, da die Kindeseltern erklärtermaßen nicht miteinander sprechen würden.
13Im Übrigen wird gem. § 540 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
14Mit seiner Berufung greift der Kläger das erstinstanzliche Urteil in folgenden Punkten an: Das Urteil verstoße gegen den Halbteilungsgrundsatz, da der Beklagten zu 5. durch die Berücksichtigung des Erwerbsbonus von 1/7 mehr verbleibe als dem Kläger. Im Ergebnis seien sowohl beim Kindes- als auch beim nachehelichen Unterhalt die Tilgungsleistungen zu berücksichtigen, bei letzterem auch unter dem Aspekt einer zusätzlichen Altersvorsorge. Zudem entspreche die Berücksichtigung den Vortiteln. Der Beklagten zu 5. seien höhere eigene Einkünfte fiktiv zuzurechnen. Auch unter Berücksichtigung der Kinderbetreuung sei ihr bereits 2009 eine mehr als halbschichtige Erwerbstätigkeit möglich gewesen, ab 1.1.2011 eine vollschichtige Tätigkeit. Ein gegebenenfalls noch bestehender Anspruch der Beklagten zu 5. auf Aufstockungsunterhalt sei ab Juli 2009 auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und bis zum 31.12.2011 zu befristen. Die Beklagte zu 5. habe die Erträge aus der güterrechtlichen Abfindung bedarfsdeckend einzusetzen. Die Beklagte zu 5. habe nicht nachgewiesen, dass sie tatsächlich den Altersvorsorgeunterhalt für eine Altersvorsorge verwende.
15Der Kläger beantragt,
16abändernd
171. den am 05.07.2005 beim Amtsgericht Iserlohn zu Aktenzeichen 14 F 52/05 geschlossenen Vergleich ab 01.04.2009 dahingehend abzuändern, dass der Kläger den Beklagen zu 1) bis 4) nur noch Kindesunterhalt in Höhe von je 120 % des Mindesbedarfes der jeweiligen Altersstufe abzüglich gemäß §§ 1612 b, 1612 c BGB anzurechnender kindbezogener Leistungen schuldet,
182. das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 15.08.2006 (14 F 303/05) ab 22.06.2009 dahingehend abzuändern, dass der Kläger der Beklagten zu 5) nur noch nachehelichen Unterhalt von monatlich € 1.000,00 schuldet.
19Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung.
20Die Beklagte zu 5. vertritt insbesondere die Auffassung, bereits die jetzt von ihr ausgeübte Tätigkeit sei überobligatorisch. Eine Ausweitung sei mit den Belangen der Kinder nicht zu vereinbaren. Es bestehe auch kein ausreichendes Betreuungsangebot.
21Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
22Der Senat hat den Kläger sowie die Beklagte zu 5. in der mündlichen Verhandlung am 20.07.2011 ergänzend persönlich angehört.
23II.
24Soweit der Kläger mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Kindesunterhalts auf 120 % des Mindestunterhalts abzüglich des jeweils anzurechnenden hälftigen Kindergeldes begehrt, bleibt sein Rechtsmittel ohne Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil bedurfte allerdings insoweit der Korrektur, als das Amtsgericht auf die Abänderungsklage des Klägers den zu leistenden Unterhalt gegenüber dem Vortitel heraufgesetzt hat (dazu 1.). Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts hat die Berufung hingegen teilweise Erfolg und führt gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil zu einer weitergehenden Herabsetzung (dazu unten 2.).
251. Kindesunterhalt
26a) Die Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als das Amtsgericht auf seine Abänderungsklage in der Sache einen höheren Kindesunterhalt zugesprochen hat – 128 % der jeweiligen Altersstufe – als vom Vortitel festgesetzt.
27Nach dem Vortitel schuldet der Kläger Kindesunterhalt in Höhe von 160 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe abzgl. anzurechnender kinderbezogener Leistungen. Der dynamische Vortitel ist für die Zeit ab 1.12008 nach § 36 Nr. 3a EGZPO in einen Prozentsatz vom Mindestkindesunterhalt umzurechnen. Der Bedarf zum Stichtag 31.12.2007 bestimmte sich bei allen vier Kindern nach der 2. Altersstufe (6 bis 11 Jahre) und betrug 392,00 €. Der Mindestunterhalt ab dem 1.1.2008 dieser Altersgruppe betrug 322,00 €. Dies ergibt folgende Umrechnung:
28392 € * 100/322 € = 121,7 %.
29Für die Zeit ab dem 1.4.2009 ergeben sich hieraus folgende Zahlbeträge:
2009 | Mindestkindes-unterhalt | Bedarf | Kindergeld | Zahlbetrag (gerundet) |
G, * 10/1996 | 377,00 € | 458,81 € | -82,00 € | 377,00 € |
N, * 5/1998 | 322,00 € | 391,87 € | -82,00 € | 310,00 € |
G2, *8/1999 | 322,00 € | 391,87 € | -85,00 € | 307,00 € |
B2, * 2/2001 | 322,00 € | 391,87 € | -97,50 € | 294,00 € |
2010 |
G, * 10/1996 | 426,00 € | 518,44 € | -92,00 € | 426,00 € |
N, * 5/1998 | 364,00 € | 442,99 € | -92,00 € | 351,00 € |
ab Mai | 426,00 € | 518,44 € | -92,00 € | 426,00 € |
G2, *8/1999 | 364,00 € | 442,99 € | -95,00 € | 348,00 € |
B2, * 2/2001 | 364,00 € | 442,99 € | -107,50 € | 335,00 € |
2011 |
G, * 10/1996 | 426,00 € | 518,44 € | -92,00 € | 426,00 € |
N, * 5/1998 | 426,00 € | 518,44 € | -92,00 € | 426,00 € |
G2, *8/1999 | 364,00 € | 442,99 € | -95,00 € | 348,00 € |
ab Aug. | 426,00 € | 518,44 € | -95,00 € | 423,00 € |
B2, * 2/2001 | 364,00 € | 442,99 € | -107,50 € | 335,00 € |
b) Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.
40aa) Mit dem ursprünglich gestellten Antrag war die Abänderungsklage bereits unzulässig, da die im ursprünglichen Abänderungsantrag genannten festen Beträge unter den titulierten Unterhaltsbeträgen, bezogen auf April 2009, lagen, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht bestand.
41bb) Soweit der Kläger mit der Berufung nunmehr eine Herabsetzung des Kindesunterhalts auf 120 % des Mindestbedarfs verlangt, ist die Abänderungsklage zwar nach § 323 Abs. 4 ZPO zulässig. Der Kläger kann insoweit als wesentliche Veränderungen der Grundlagen des Vergleichs die seit 2005 erfolgten Erhöhungen der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle geltend machen.
42Die Abänderungsklage ist jedoch nicht begründet. Auch wenn sich die bei Abschluss des Vergleichs maßgebenden Verhältnisse wesentlich verändert haben, wird der vorhandene Titel auf der Grundlage des § 313 BGB nur an die veränderten Verhältnisse angepasst. Eine solche Anpassung ist nur dann gerechtfertigt, wenn dem Abänderungskläger ein Festhalten an der bisherigen Regelung infolge der veränderten Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (Wendl/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 10 Rn. 169). Die vom Kläger angestrebte Herabsetzung um 1,7 % ist indes so geringfügig, dass sie eine Abänderung nicht zu rechtfertigen vermag.
432. Nachehelicher Unterhalt
44Der Beklagten zu 5. steht nach wie vor ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auf der Grundlage von §§ 1570, 1573 Abs. 2 BGB zu, dies allerdings nur noch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
45a) Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs ist auf Seiten der Beklagten zu 5. nicht von den seit dem 1.4.2010 tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen. Vielmehr sind der Beklagten zu 5. für den fraglichen Zeitraum ab Juli 2009 fiktiv Einkünfte aus einer halbschichtigen Tätigkeit im Pflegebereich in Höhe von bereinigt 635,00 € monatlich zuzurechnen.
46aa) Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung des § 1570 BGB den nachehelichen Betreuungsunterhalt grundlegend umgestaltet. Er hat einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann (BT-Drucks. 16/6980 S. 8 f.). Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Obwohl der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB als Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ausgestaltet ist, wird er vor allen Dingen im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Betreuung und Erziehung sicherzustellen (BT-Drucks. 16/6980 S. 9; BGH, FamRZ 2009, 770 Rn. 19; FamRZ 2010, 1880 Rn. 18).
47Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (BGH, FamRZ 2009, 770 Rn. 20; FamRZ 2010, 1880 Rn. 20).
48Zugleich hat der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt. Kind- oder elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus aus Gründen der Billigkeit führen könnten, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH FamRZ 2009, 770 Rn. 23; FamRZ 2008, 1739 Rn. 97).
49Die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln. Nur wenn das betroffene Kind einen Entwicklungsstand erreicht hat, in dem es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zeitweise sich selbst überlassen bleiben kann, kommt es aus kindbezogenen Gründen insoweit nicht mehr auf eine vorrangig zu prüfende Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung an (BGH, FamRZ 2010, 1880 Rn. 22; FamRZ 2009, 1124 Rn. 33).
50Kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Billigkeit entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste Gewicht und sind deswegen stets vorrangig zu prüfen (BT-Drucks. 16/6980 S. 9; BGH FamRZ 2010, 1880 Rn. 23; FamRZ 2009, 1124 Rn. 28; FamRZ 2009, 770 Rn. 24).
51Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts zum 1. Januar 2008 für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres grundsätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe im Sinne von § 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB berufen. Das gilt sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung (BGH, FamRZ 2010, 1880 Rn. 24; FamRZ 2009, 1391 Rn. 22 f.; FamRZ 2009, 770 Rn. 25).
52Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist hingegen Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 Abs. 2 BGB). Die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils darf neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tageseinrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen (BGH, FamRZ 2009, 1391 Rn. 32; FamRZ 2009, 1739 Rn. 103). Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils auch während der Zeit der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist (BGH, FamRZ 2010, 1880; FamRZ 2009, 1124 Rn. 37; FamRZ 2009, 770 Rn. 32).
53bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalles folgende Beurteilung:
54(1) Zum Zeitpunkt der Erhebung der Abänderungsklage im Juni 2009 waren die gemeinsamen Kinder der Parteien 12, 10, 9 und 8 Jahre alt. G und N besuchten bereits die weiterführende Schule, wobei N den Wechsel von der Grundschule auf das Gymnasium gerade hinter sich gebracht hatte. Die beiden jüngeren Kinder gingen noch auf die Grundschule.
55Für die 12jährige G war eine Betreuung in der Schule nur bis mittags gewährleistet. Ausweislich der Bescheinigung der I4-Realschule vom 7.7.2011 endet dort der Unterricht in der Regel um 13.05 Uhr, ein Betreuungsangebot für den Nachmittag existiert nicht. Die Betreuung von N in der Schule war lediglich montags, mittwochs und donnerstags im Rahmen des Ganztagsunterrichts bis 14.55 Uhr sichergestellt, dienstags und freitags endete der Unterricht jedoch bereits um 13.10 Uhr. Lediglich für G2 und B2 wäre eine Ganztagsbetreuung im Rahmen der OGS bis 16.30 Uhr möglich gewesen. Unklar ist insoweit allerdings, ob zum Zeitpunkt des Abänderungsverlangens die beiden Kinder bereits am Offenen Ganztag teilgenommen haben und – falls nicht - ob gegebenenfalls während des laufenden Schuljahres noch eine Aufnahme in den Ganztag möglich gewesen wäre. Das von der Beklagten zu 5. vorgelegte Anmeldeformular legt es nahe, dass eine Anmeldung für den Offenen Ganztag lediglich im Voraus bis zum 15. Mai des laufenden Jahres für das kommende Schuljahr möglich gewesen ist.
56Dies kann jedoch offen bleiben, da bereits die eingeschränkten Betreuungszeiten für N und G einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit der Beklagten zu 5. entgegen gestanden haben. Deren Schulzeiten machten ab der Mittagszeit eine Betreuung und Versorgung durch die Beklagte zu 5. erforderlich, im Falle von G durchgängig von montags bis freitags, im Falle von N zumindest am Dienstag und Freitag. Ein zwölf Jahre altes Kind – und erst Recht ein 10 Jahre altes Kind - kann noch nicht für mehrere Stunden ohne jede Aufsicht sich selbst überlassen bleiben. Insbesondere bedarf ein Kind in diesem Alter hinsichtlich der Erledigung seiner Hausaufgaben zumindest der Anleitung und Beaufsichtigung.
57Bei der weiteren Entwicklung der Betreuungssituation ist zwar in Rechnung zu stellen, dass sich der Betreuungsbedarf bei G mit zunehmendem Alter verringert hat und diese mit inzwischen rund 14 ¾ Jahren nach Schulende durchaus einige Zeit ohne Betreuung durch die Beklagte zu 5. bleiben könnte. Andererseits aber hat sich durch den Wechsel von G2 und nunmehr auch B2 auf das Gymnasium die Betreuungssituation dadurch ungünstiger entwickelt, als die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung in der Grundschule entfallen ist und auch diese Kinder nunmehr an drei Tagen in der Woche ab 15.00 Uhr und an den anderen Tagen ab 13.00 Uhr der Betreuung durch einen Elternteil bedürfen. Insgesamt lassen bereits die Betreuungszeiten in der Schule daher nach wie vor eine vollschichtige Erwerbstätigkeit der Beklagten zu 5. nicht zu.
58(2) Auf eine Ausweitung der Betreuung der Kinder durch den Kläger muss sich die Beklagte zu 5. nicht verweisen lassen, da diese nicht dem Kindeswohl entspricht. Hinsichtlich G folgt dies bereits daraus, dass zwischen ihr und ihrem Vater seit fünf Jahren überhaupt keine Umgangskontakte mehr stattfinden, offenbar, weil G den Kontakt verweigert. In einer solchen Situation müsste ein Umgang zunächst vorsichtig wieder angebahnt werden und könnte jedenfalls nicht ohne längere Übergangszeit die Betreuung durch die Kindesmutter ersetzen. Auch zwischen dem Kläger und B2 ist es nach Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung für die Dauer eines Jahres zu einer Unterbrechung des Umgangs gekommen, auch wenn dieser in der Zwischenzeit wieder aufgenommen ist.
59Unabhängig hiervon aber steht einer erheblichen Ausweitung der Betreuung durch den Kläger, wie das Amtsgericht zu Recht hervorgehoben hat, der Umstand entgegen, dass eine Kommunikation zwischen den Kindeseltern nur schriftlich stattfindet. Noch in der mündlichen Verhandlung hat der Kindesvater auf Nachfrage des Senats spontan geäußert, dass er auf keinen Fall mit der Kindesmutter sprechen wolle. Eine Entlastung der Beklagten zu 5. bei der Versorgung und Betreuung der Kinder, die ihr eine erhebliche Ausweitung der Erwerbstätigkeit ermöglichen würde, setzt voraus, dass der Kläger auch inhaltlich die Betreuung der Kinder in dieser Zeit übernimmt. Dann ist es zur Wahrung des Kindeswohles aber auch notwendig, dass sich die Kindeseltern über die Belange ihrer Kinder austauschen können. Ein solcher Austausch, soll er umfassend und effizient sein, kann nicht lediglich auf schriftlichem Wege erfolgen.
60(3) Bei alldem sind die besonderen Anforderungen seitens des Berufes der Beklagten noch nicht einmal in den Blick genommen. Es ist nach aller Erfahrung davon auszugehen, dass die Beklagte zu 5. jedenfalls bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester – aber auch bei Tätigkeiten in verwandten Bereichen wie der Altenpflege – an einem Schichtdienst teilnehmen müsste. Eine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder in einer Einrichtung, die die Dienstzeiten des Spät- und gegebenenfalls sogar Nachtdienstes (vollständig) abdecken würde, ist nicht ersichtlich. Auf eine andere Tätigkeit außerhalb dieses Bereiches muss sich die Beklagte zu 5. aber nicht verweisen lassen, da von ihr nur eine angemessene Erwerbstätigkeit i.S. des § 1574 Abs. 1 und 2 BGB verlangt werden kann.
61(4) Andererseits vermag der Senat nicht die Einschätzung des Amtsgerichts zu teilen, die Beklagte zu 5. genüge ihrer Erwerbsobliegenheit bereits durch die Tätigkeit als Haushaltshilfe mit einem Tätigkeitsumfang von 12 Wochenstunden. Angesichts der oben beschriebenen Betreuungssituation kann von der Beklagten zu 5. vielmehr eine halbschichtige Erwerbstätigkeit im Pflegebereich verlangt werden. Zwar mag eine Tätigkeit im Krankenhaus im Hinblick auf die Notwendigkeit, auch bei einer nur halbschichtigen Tätigkeit mit ganzen Schichten am Schichtdienst teilzunehmen, ausscheiden. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 5. nicht im Bereich der ambulanten Alten- und Krankenpflege eine Anstellung finden könnte, die ihr eine halbschichtige Tätigkeit vormittags ermöglichen würde.
62Ausgehend von über das Internet allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen erscheint in diesem Bereich ein durchschnittlicher Bruttolohn bei einer vollschichtigen Tätigkeit von rund 1.685,00 € durchaus realistisch. Hiervon ausgehend errechnet sich für eine halbe Stelle bei LSt.-Klasse II/2,0 ein Nettolohn von rund 668,00 €. Bereinigt um fiktive berufsbedingte Aufwendungen von 5% verbleiben gerundet 635,00 € monatlich.
63b) Zinseinkünfte aus dem Kapital, welches ihr aus der güterrechtlichen Abfindung zugeflossen ist, muss sich die Beklagte zu 5. nicht anrechnen lassen. Sie hat glaubhaft dargelegt, dass dieses Kapital für notwendige Neuanschaffungen – Ersatz des alten PKW und Kauf von Einrichtungsgegenständen – aufgebraucht worden ist. Für ein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten ist nichts ersichtlich.
64c) Auf Seiten des Klägers ist von folgenden Einkünften auszugehen:
65aa) Der Kläger bezieht zunächst eine Berufsunfähigkeitsrente der Ärzteversorgung. Für das Jahr 2009 weist der vorgelegte Rentenbescheid eine monatliche Rente von 3.046,50 € aus. Für das Jahr 2011 beläuft sich die monatliche Rente, wie sich aus den Angaben der Klägers in seiner aktuellen PKH-Erklärung ergibt, nunmehr auf 3.061,70 €.
66Des Weiteren erhält der Kläger eine Rente der Kirchlichen ZVK. Aufgrund der Angaben in den PKH-Erklärungen ist für 2009 und 2010 eine monatliche Rentenhöhe von 970,03 € und für 2011 von 979,73 € zugrunde zu legen.
67Aus der Versicherung bei der Q bezog der Kläger in den Jahren 2009 und 2010 eine monatliche Rente von 1.230,09 €, aktuell beläuft sich die Rente auf 1.231,33 € monatlich.
68bb) Diese Einkünfte sind um die vom Kläger zu leistenden Einkommenssteuervorauszahlungen (2009 monatlich 47,00 €, ab 2010 monatlich 44,33 €), die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (2009 und 2010: 641,29 € monatlich, ab 2011 647,83 € monatlich) sowie den Beitrag zur Ärztekammer (6,92 € monatlich) zu bereinigen.
69cc) Dem Kläger weiter als Einkommen zuzurechnen ist die Nutzung des in seinem Alleineigentum stehenden Einfamilienhauses "B-Straße 1". Entsprechend dem Ergebnis des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens ist dieser Wohnvorteil mit 595,00 € zu bewerten.
70Hiervon sind zunächst die monatlichen Zinszahlungen auf die Darlehen bei der Sparkasse I mit den Endziffern -671 (2009: 306,20 €, 2010 und 2011: 299,04 €) und -820 (2009: 16,67 €, 2010 und 2011: 13,46 €), auf den Kredit bei der NRW.Bank (vormals Wfa) (10,44 €, ab Juni 2011: 177,46 €) und die Hypothek bei der Q (224,27 €) in Abzug zu bringen. Nicht zu berücksichtigen sind hingegen die vom Kläger geltend gemachten Nebenkosten, da diese sämtlich umlagefähig sind (vgl. Ziff. 5.2 der Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht).
71Für die Zeit bis einschließlich Mai 2011 errechnet sich hieraus ein geringfügiger positiver Wohnwert von monatlich 37,42 € für 2009 und 47,79 € für 2010 und 2011. Ab Juni 2011 ergibt sich aufgrund der Verzinsung des Darlehens der NRW.Bank ein negativer Wohnwert.
72dd) Abweichend vom Amtsgericht hält der Senat darüber hinaus aber auch die Tilgungsleistungen, die der Kläger auf die Darlehen bei der Sparkasse I und den Kredit bei der NRW.Bank erbringt, als private Altersvorsorge für berücksichtigungsfähig. Der erst 53 Jahre alte Kläger bezieht Rente wegen vollständiger Erwerbsunfähigkeit. Aufgrund dieses Rentenbezugs erwirbt er derzeit keine weiteren Anwartschaften mehr in der gesetzlichen oder betrieblichen Altersversorgung. Da auch keine anderweitigen Altersvorsorgeverträge bestehen, kann er einen Betrag bis maximal 24 % des Bruttojahreseinkommens als Altersvorsorge geltend machen. Der für die Tilgung der o.g. Darlehen aufgebrachte monatliche Betrag von 271,20 € bleibt weit unter dieser Grenze.
73ee) Aus den vorgenannten Zahlen errechnet sich für 2009 ein bereinigtes Einkommen von 4.317,63 €, für 2010 von 4.330,67 €, für Januar bis Mai 2011 von 4.350,27 € und ab Juni 2011 – Beginn der Verzinsung des NRW.Bank-Darlehens – vom 4.183,25 €.
74d) Ausgehend von diesen Zahlen ergibt sich zunächst folgende Berechnung des vorläufigen Elementarunterhalts:
2009 |
Bereinigtes Einkommen Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | ||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.317,63 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.288,00 € | |
3.029,63 € | ||
Differenz: | 2.485,34 € | |
hiervon 1/2 | 1.242,67 € | |
Hiervon ausgehend errechnet sich der Altersvorsorgeunterhalt wie folgt:
Zuschlag nach Bremer Tabelle für 2009 | 27% | 335,52 € |
1.578,19 € | ||
hiervon 19,9 % | 314,06 € | |
Die Beklagte zu 5. hat den Abschluss eines Altersvorsorgevertrags durch Vorlage der Bescheinigung der M AG vom 18.5.2011 hinreichend belegt. Danach besteht der Vertrag seit dem 1.10.2006. Die Beklagte zu 5. hat auch hinreichend dargelegt, dass der Vertrag seit dem 1.8.2009 nur aufgrund der Reduzierung der Unterhaltszahlungen durch den Kläger beitragsfrei gestellt ist.
84Einen Anspruch auf Krankheitsvorsorgeunterhalt hat die Beklagte zu 5. hingegen im Hinblick auf die sie treffende Erwerbsobliegenheit nicht mehr. Bei Ausübung einer entsprechenden halbschichtigen Tätigkeit wäre sie in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.
85Dies ergibt an Elementarunterhalt:
Einkünfte Kläger | 3.029,63 € | |
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -314,06 € | |
2.715,57 € | ||
Differenz der Einkünfte | 2.171,28 € |
hiervon 1/2 | 1.085,64 € |
Der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt beträgt mithin (gerundet) 314,00 €, der Anspruch auf Elementarunterhalt (gerundet) 1.086,00 €.
89Entgegen der Auffassung des Klägers bedürfen diese Werte keiner Korrektur im Hinblick auf den sog. Halbteilungsgrundsatz.
90Nach std. Rspr. des BGH ist bei der Bedarfsbemessung jedem Ehegatten die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens zuzubilligen, weil die Ehegatten grundsätzlich in gleicher Weise an den ehelichen Lebensverhältnissen teilnehmen (BGH, FamRZ 2006, 683; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 359 m.w.N.). Der Halbteilungsgrundsatz gilt in gleicher Weise für den Berechtigten wie für den Verpflichteten (BGH, FamRZ 1981, 442/444). Hälftig aufzuteilen ist aber nur das verteilungsfähige Einkommen, d.h. der Teil der prägenden Einkünfte, der zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung steht. Das prägende Einkommen der Ehegatten ist zur Ermittlung des Bedarfs daher vorher zu bereinigen (BGH, FamRZ 1999, 367/370; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 362 m.w.N.). Zu den hierbei in Abzug zu bringenden Positionen gehören insbesondere berufsbedingte Aufwendungen und Vorsorgeaufwendungen. Bei Erwerbseinkünften ist ferner vorab vom bereinigten Nettoeinkommen bei der Quotierung des Unterhalts der Erwerbstätigenbonus abzuziehen (BGH, FamRZ 1999, 367/370; FamRZ 2004, 1867; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 363 und 372 ff.): Nach der std. Rspr. des BGH muss bei der Bemessung des ehebedingten Unterhaltsbedarfs dem Erwerbstätigen ein die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens maßvoll übersteigender Betrag verbleiben (FamRZ 1989, 842/843; FamRZ 1990, 1090/1091; FamRZ 2004, 1867). Diesen Erwerbstätigenbonus begründet der BGH damit, dass der mit der Erwerbstätigkeit verbundene höhere Aufwand abzugelten und zugleich ein Anreiz für die weitere Erwerbstätigkeit zuzubilligen sei. Dies gilt sowohl für den Unterhaltspflichtigen als auch für den Unterhaltsberechtigten (BGH, FamRZ 1999, 367/370; 2004, 1867). Der Vorababzug des Erwerbstätigenbonus widerspricht mithin gerade nicht dem Halbteilungsgrundsatz (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 373).
91Etwas anderes gilt auch nicht in der vorliegenden Konstellation, in der zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht wird. Denn dieser wird – wie auch die vom Senat als private Altersvorsorge des Klägers berücksichtigten Tilgungsleistungen auf die Immobilienkredite – als Vorsorgeaufwendung vorab vom verteilungsfähigen Einkommen abgezogen, ehe der endgültige Elementarunterhalt nach der Quote bemessen wird (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 379).
92Schließlich sieht der Senat vorliegend auch keinen Grund, warum der Erwerbstätigenbonus auf Seiten der Beklagten zu 5. nicht zusätzlich zu den berufsbedingten Aufwendungen berücksichtigungsfähig sein sollte. Der vom Kläger angeführten Entscheidung des BGH vom 31.1.1990 (FamRZ 1990, 979/981) ist nicht zu entnehmen, dass im Falle des Abzugs pauschaler berufsbedingter Aufwendungen ein Erwerbstätigenbonus nicht mehr zu berücksichtigen sei. Der BGH weist lediglich daraufhin, dass im Einzelfall zu prüfen sein kann, ob der Erwerbstätigenbonus neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen geringer als sonst üblich anzusetzen ist. In dem vom BGH entschiedenen Fall bestand allerdings die Besonderheit, dass das OLG einen pauschalen Abzug für berufsbedingte Aufwendungen vorgenommen hatte, obwohl der Unterhaltspflichtige auch auf Befragen überhaupt keine nennenswerten Aufwendungen angeben konnte. Im vorliegenden Fall können berufsbedingte Aufwendungen hingegen aufgrund der Fiktion nur pauschal berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung des Wohnortes der Beklagten zu 5. und der dort gegebenen eher ländlichen Struktur erscheinen monatliche Fahrtkosten von rund 90,00 € zum Arbeitsplatz nicht übersetzt. Für eine Kürzung des Erwerbstätigenbonus sieht der Senat daher keinen Anlass.
93Für die weiteren Zeiträume errechnet sich der Altersvorsorge- und Elementarunterhalt der Beklagten zu 5. wie folgt:
Jan. bis Apr. 2010 |
Bereinigtes Einkommen Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | |||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.330,67 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.460,00 € | ||
2.870,67 € | |||
Differenz: | 2.326,38 € | ||
hiervon 1/2 | 1.163,19 € | ||
Altersvorsorgeunterhalt | |||
Zuschlag Bremer Tabelle | 21% | 244,27 € | |
1.407,46 € | |||
hiervon 19,9 % (AVU) | 280,09 € | ||
Elementarunterhalt | |||
Einkünfte Kläger | 2.870,67 € | ||
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -280,09 € | ||
2.590,58 € | |||
Differenz: | 2.310,50 € |
hiervon 1/2 (Elementarunterhalt) | 1.155,25 € |
Gerundet beläuft sich für diesen Zeitraum der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt auf 280,00 € und der Anspruch auf Elementarunterhalt auf 1.155,00 €.
ab 5/2010 |
Bereinigtes Einkommen der Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | ||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.330,67 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.535,00 € | |
2.795,67 € | ||
Differenz: | 2.251,38 € | |
hiervon 1/2 | 1.125,69 € | |
Altersvorsorgeunterhalt | ||
Zuschlag Bremer Tabelle | 20% | 225,14 € |
1.350,83 € | ||
hiervon 19,9 % (AVU) | 268,82 € | |
Elementarunterhalt | ||
Einkünfte Kläger | 2.795,67 € | |
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -268,82 € | |
2.526,85 € | ||
Differenz: | 1.982,57 € |
hiervon 1/2 (Elementarunterhalt) | 991,28 € |
Gerundet beläuft sich für diesen Zeitraum der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt auf 269,00 € und der Anspruch auf Elementarunterhalt auf 991,00 €.
Jan-Mai 2011 |
Bereinigtes Einkommen Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | ||||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.350,27 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.535,00 € | |||
2.815,27 € | ||||
Differenz: | 2.270,98 € | |||
hiervon 1/2 | 1.135,49 € | |||
Altersvorsorgeunterhalt | ||||
Zuschlag BT 2009 | 20% | 227,10 € | ||
1.362,59 € | ||||
hiervon 19,9 % (AVU) | 271,16 € | |||
Elementarunterhalt | ||||
Einkünfte Kläger | 2.815,27 € | |||
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -271,16 € | |||
2.544,11 € | ||||
Differenz: | 1.999,83 € |
hiervon 1/2 (Elementarunterhalt) | 999,91 € |
Gerundet beläuft sich für diesen Zeitraum der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt auf 271,00 € und der Anspruch auf Elementarunterhalt auf 1.000,00 €.
Jun. – Jul. 2011 |
Bereinigtes Einkommen Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | ||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.183,25 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.535,00 € | |
2.648,25 € | ||
Differenz: | 2.103,96 € | |
hiervon 1/2 | 1.051,98 € | |
Altersvorsorgeunterhalt | ||
Zuschlag Bremer Tabelle | 18% | 189,36 € |
1.241,34 € | ||
hiervon 19,9 % (AVU) | 247,03 € | |
Elementarunterhalt | ||
Einkünfte Kläger | 2.648,25 € | |
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -247,03 € | |
2.401,22 € | ||
Differenz: | 1.856,94 € |
hiervon 1/2 (Elementarunterhalt) | 928,47 € |
Gerundet beläuft sich für diesen Zeitraum der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt auf 247,00 € und der Anspruch auf Elementarunterhalt auf 928,00 €.
ab Aug. 2011 |
Bereinigtes Einkommen Bekl. zu 5.: | 635,00 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus | -90,71 € |
544,29 € | ||
bereinigte Einkünfte Kläger | 4.183,25 € |
abzgl. Kindesunterhalt | -1.610,00 € | |
2.573,25 € | ||
Differenz: | 2.028,96 € | |
hiervon 1/2 | 1.014,48 € | |
Altersvorsorgeunterhalt | ||
Zuschlag Bremer Tabelle | 17% | 172,46 € |
1.186,94 € | ||
hiervon 19,9 % (AVU) | 236,20 € | |
Elementarunterhalt | ||
Einkünfte Kl. | 2.573,25 € | |
abzgl. Altersvorsorgeunterhalt | -236,20 € | |
2.337,05 € | ||
Differenz: | 1.792,76 € |
hiervon 1/2 (Elementarunterhalt) | 896,38 € |
Aktuell beläuft sich der Anspruch der Beklagte zu 5. auf Altersvorsorgeunterhalt damit auf (gerundet) 236,00 € und der Anspruch auf Elementarunterhalt auf 896,00 €.
134e) Dieser Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 5. ist derzeit weder nach § 1578b Abs. 2 BGB zu befristen noch nach § 1578b Abs. 1 BGB herabzusetzen.
135aa) Eine Befristung scheidet schon deswegen aus, weil der Beklagten zu 5. – entgegen der Auffassung des Klägers – noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu steht. Auch soweit der Unterhaltsanspruch nicht aus § 1570 BGB, sondern aus § 1573 Abs. 2 BGB folgt, kommt eine Befristung nicht in Betracht. Angesichts des Alters des jüngsten Kindes, das gerade erst auf die weiterführende Schule wechselt, ist derzeit nicht absehbar, ab wann die Beklagte zu 5. durch die Kinderbetreuung nicht mehr an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf gehindert ist und wieder vollschichtig arbeiten kann. Es kann daher derzeit auch noch nicht überblickt werden, ob und inwieweit ihr durch die Kinderbetreuung noch - weitere – ehebedingte Nachteile entstehen werden.
136bb) Aus diesem Grund ist auch eine Herabsetzung nicht vorzunehmen.
137Eine Herabsetzung des Unterhalts ist zwar grundsätzlich auch dann möglich, wenn wegen der noch fortdauernden Kindesbetreuung eine Befristung des Betreuungsunterhalts entfällt (BGH, FamRZ 2010, 1880, Tz. 34). Das setzt allerdings einerseits voraus, dass die notwendige Erziehung und Betreuung gemeinsamer Kinder trotz des abgesenkten Unterhaltsbedarfs sichergestellt und das Kindeswohl auch sonst nicht beeinträchtigt ist, andererseits eine fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an den abgeleiteten Lebensverhältnissen während der Ehe unbillig erscheint (BGH, FamRZ 2009, 770, Tz. 44; FamRZ 2009, 1124, Tz. 55). Gegen eine Herabsetzung spricht jedoch – wie vorliegend – regelmäßig, wenn der Umfang eventueller ehebedingter Nachteile noch nicht hinreichend feststeht (BGH, FamRZ 2009, 770, Tz. 44).
138III.
139Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
140Sowohl hinsichtlich seines Abänderungsbegehrens erster Instanz als auch hinsichtlich seines mit der Berufung verfolgten Abänderungsziels beträgt das Obsiegen des Klägers, was den nachehelichen Unterhalt angeht, jeweils rund 1/3. Hinsichtlich des Kindesunterhalts ist die Abänderungsklage in beiden Instanzen vollständig ohne Erfolg geblieben.
141Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.