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Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 24.06.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegen - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - in seinem Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Ziffer III.) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.045,00 € (832,00 € Elementarunterhalt zuzüglich 213,00 € Altersvorsorgeunterhalt) für die Zeit vom 03.11.2009 bis zum 31.12.2009 und in Höhe von monatlich 1.260,00 € (993,00 € Elementarunterhalt zuzüglich 267,00 € Altersvorsorgeunterhalt) ab dem 01.01.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Auch die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3In dem vorliegenden Berufungsverfahren streiten die Parteien nur noch über den nachehelichen Unterhalt, den der Antragsteller an die Antragsgegnerin zahlen soll. Der Scheidungsausspruch, der Versorgungsausgleich und die Entscheidung des Amtsgerichts zum Zugewinnausgleich in dem Verbundurteil vom 24.06.2009 sind am 03.11.2009 rechtskräftig geworden.
4Der am 18.03.1957 geborene Antragsteller und die am 11.03.1958 geborene Antragsgegnerin haben am 07.10.1983 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen. Die Parteien haben sich zum Ende des Jahres 2004 getrennt. Seinerzeit ist die Antragsgegnerin aus dem - im Alleineigentum des Antragstellers stehenden - Haus G-Straße in T ausgezogen, wo der Antragsteller heute noch wohnt und wo inzwischen auch seine neue Partnerin eingezogen ist.
5Der Antragsteller arbeitet schon seit langem als Verkäufer von Mercedes Benz LKW und Nutzfahrzeugen bei der Firma B. Die Antragsgegnerin hat nach ihrem Hauptschulabschluss den Beruf der Friseurin erlernt. Bis zur Geburt des ersten Kindes Anfang 1984 hat sie in diesem Beruf gearbeitet. Von April 1999 bis Juli 2005 war sie dann wieder mit geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigungen erwerbstätig. Seit März 2005 ist sie in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung wegen einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom.
6Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich die Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 2.054,88 € verlangt. Dazu hat sie u.a. behauptet, sie sei wegen ihrer psychischen Erkrankung erwerbsunfähig.
7Das Amtsgericht hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und ihr Krankenunterhalt in Höhe von monatlich 1.329,00 € zugesprochen. Es hat auf der Grundlage des Gutachtens die Feststellung getroffen, dass die Antragsgegnerin zurzeit erwerbsunfähig erkrankt sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie sich nicht ausreichend der notwendigen Therapie unterziehe, so dass eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht eingetreten sei. Wegen der unsicheren Zukunftsprognose in Bezug auf ihr Einkommen komme eine Begrenzung oder Befristung des Anspruchs jedenfalls zurzeit nicht in Betracht.
8Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung.
9Er beanstandet zur Höhe des Anspruchs die Berechnung einzelner Positionen durch das Amtsgericht. Weiter wiederholt und vertieft er seine bereits erstinstanzlich vorgetragenen Angriffe gegen das Sachverständigengutachten.
10Er beantragt,
11unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden ist, ab Rechtskraft der Ehescheidung einen nachehelichen Unterhalt von mehr als 600,70 € monatlich zu zahlen,
12sowie den nachehelichen Unterhalt bis zum 30.12.2011 zu befristen.
13Die Antragstellerin beantragt,
14die Berufung des Antragstellers zurückzuweisen
15und - im Wege der Anschlussberufung - den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Ehescheidung einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 1.182,00 € Elementarunterhalt zuzüglich monatlich
16341,00 € Altersvorsorgeunterhalt, zusammen monatlich 1.523,00 €, zu zahlen.
17Der Antragsteller beantragt ferner,
18die Anschlussberufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
19Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil und macht mit der Anschlussberufung auch Altersvorsorgeunterhalt geltend, was zu einer Erhöhung des Gesamtunterhalts führt.
20II.
21Die zulässige Berufung des Antragstellers ist zum Teil begründet. Er schuldet der Antragsgegnerin geringeren Unterhalt als vom Amtsgericht errechnet. Eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs kommt aber derzeit nicht in Betracht. Die Anschlussberufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
221.
23Die Antragsgegnerin hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Krankenunterhalt gem. § 1572 BGB.
24a)
25Wegen einer Krankheit kann von ihr derzeit eine Erwerbstätigkeit, auch eine teilschichtige Erwerbstätigkeit, nicht erwartet werden.
26Davon ist das Amtsgericht nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Arbeitsmediziners Dr. E vom 02.10.2007 ausgegangen. Diese Feststellung ist zwar von dem Kläger angegriffen worden. Und obwohl das Argument, dass Dr. E kein Facharzt für psychische Erkrankungen ist, bereits erstinstanzlich vorgebracht worden war, hat das Amtsgericht es versäumt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens sowie zur Klärung der Frage, inwieweit er über die fachliche Kompetenz zur Begutachtung psychischer Erkrankungen verfügt, zum Verhandlungstermin zu laden. Auf die Nachholung der Anhörung des Sachverständigen durch den Senat hat der Antragsteller im Termin vom 11.01.2010 aber ausdrücklich verzichtet.
27Es ergeben sich daneben keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der tatsächlichen Feststellung des Amtsgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
28Der Sachverständige ist dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. Dort hat er als Arbeits- und Sozialmediziner seine grundsätzliche Kompetenz zur Beurteilung auch psychischer Erkrankungen bereits gezeigt und erläutert, dass er bei schwierigen Fragen auf diesem Sachgebiet fachärztliche gutachterliche Hilfe zu Rate ziehen würde. Dass er das auf der Grundlage auch der diversen fachärztlichen Atteste, die er ausgewertet hat, in diesem Fall nicht getan hat, ist für den Senat nachvollziehbar.
29Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Antragsgegnerin aufgrund der depressiven Erkrankung mit Somatisierungssyndrom, sozialer Phobie und Panikattacken aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht in der Lage sei, regelmäßige Erwerbstätigkeit jeder Art, auch stundenweise, auszuüben und sie einer langwierigen Psychotherapie bedürfe, die schätzungsweise einen Zeitraum von ca. 3 Jahren beanspruchen werde. Danach (also ca. ab Anfang 2011) sei eine volle Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit für ihren Beruf als Frisörin oder andere leichte bis mittelschwere rückengerechte Tätigkeiten zu erwarten. Dass sich an dieser Prognose der zeitlichen Dauer einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin irgendetwas insofern geändert hätte, dass sie früher wieder erwerbsfähig sein könnte, ist in keiner Weise ersichtlich.
30Soweit der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin unterziehe sich nicht der notwendigen Therapie zur Wiederherstellung ihrer Erwerbsfähigkeit, ist das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht relevant. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin jedenfalls bis Ende 2010 erwerbsunfähig ist, auch wenn sie die von dem Sachverständigen für erforderlich gehaltene Therapie macht. Demnach kann bis Ende 2010 – unabhängig von den durchgeführten Therapiemaßnahmen – die Prognose der Erwerbsunfähigkeit gestellt werden.
31b)
32Das Maß des Unterhalts richtet sich gem. § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
33aa)
34Diese waren zunächst von dem Erwerbseinkommen des Antragstellers geprägt, das sich im Jahr 2009 auf 20.927,58 € netto belief, wie sich aus den Jahreszahlen in der Verdienstbescheinigung für Dezember 2009 ergibt. Das durchschnittliche, monatliche Nettoeinkommen betrug danach 1.743,97 €.
35Dieses Nettoeinkommen ist auch der Unterhaltsberechnung für die Zeit vom 03.11.2009 bis zum 31.12.2009 zugrunde zu legen. Denn im Jahr 2009 war der Antragsteller noch nicht gehalten, den Realsplittingvorteil aus der Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen. Bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB ist nämlich grundsätzlich von den tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen. Im Regelfall ist deswegen auch die Steuerlast in ihrer jeweils realen Höhe maßgebend, unabhängig davon, worauf sie im konkreten Fall beruht. Berichtigungen der tatsächlichen, durch Steuerbescheid oder Lohnabrechnung nachgewiesenen Nettoeinkünfte sind nur in besonders liegenden Fällen vorzunehmen, etwa dann, wenn erreichbare Steuervorteile entgegen einer insoweit bestehenden Obliegenheit nicht in Anspruch genommen worden sind. Entsprechend trifft den Unterhaltspflichtigen grundsätzlich auch eine Obliegenheit, mögliche Steuervorteile im Wege des Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu realisieren, soweit dadurch nicht eigene Interessen verletzt werden. Die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile aus dem Realsplitting geht allerdings nur so weit, wie seine Unterhaltspflicht aus einem Anerkenntnis oder einer rechtskräftigen Verurteilung folgt oder freiwillig erfüllt wird. Denn die steuerlichen Voraussetzungen des Realsplittings erfordern eine tatsächliche Unterhaltszahlung in dem jeweiligen Steuerjahr (BGH, Urteil vom 28.02.2007, XII ZR 37/05, FamRZ 2007, 793).
36Der Antragsteller führt die Berufung zwar nur, soweit er über den Betrag von monatlich 600,70 € zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verurteilt worden ist und hat dies auch bereits in der Berufungsbegründung vom 28.09.2009 erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war der nacheheliche Unterhalt aber noch nicht fällig, denn der Scheidungsausspruch ist erst am 03.11.2009 rechtskräftig geworden. Der Senat ist der Ansicht, dass dem Antragsteller keine unterhaltsrechtliche Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden kann, wenn er in dieser Situation von der nur bis zum 30.11. des jeweiligen Steuerjahrs bestehenden Möglichkeit, einen Freibetrag eintragen zu lassen, keinen Gebrauch mehr gemacht hat, zumal unklar ist, wann er Kenntnis von der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs erlangt hat und ob bzw. in welcher Höhe er vom 03.11.2009 bis zum 31.12.2009 überhaupt Ehegattenunterhalt gezahlt hat.
37Für den Unterhaltszeitraum ab Januar 2010 ist aber eine andere Beurteilung gerechtfertigt. Mangels anderer Anhaltspunkte schreibt der Senat zwar das von dem Antragsteller im Jahr 2009 erzielte Bruttoeinkommen in Höhe von 35.126,24 € fort, errechnet das Nettoeinkommen aber unter Berücksichtigung eines jährlichen Freibetrags von 13.805,00 €, des Höchstbetrags gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn mit Verkündung des vorliegenden Urteils am 1.02.2010 steht die Unterhaltspflicht des Antragstellers fest. Er kann dann umgehend den Freibetrag auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen, so dass dieser schon für das ab März 2010 auszuzahlende Gehalt berücksichtigt werden kann. Es ist auch davon auszugehen, dass etwaige Nachzahlungen auf den Unterhalt für Januar und Februar 2010 im Laufe des Jahres 2010 noch erfolgen werden.
38Dann beträgt das Nettoeinkommen, das der Antragsteller im Jahr 2010 erzielen kann 26.074,00 €, monatlich rund 2.173,00 € (vgl. Gehaltsrechner im Internet: www.x.de).
39bb)
40Die ehelichen Lebensverhältnisse waren weiter geprägt von der Steuererstattung, die sich nach dem Steuerbescheid für 2007 vom 09.03.2009 monatsanteilig auf 210,02 € belief.
41cc)
42Das Erwerbseinkommen des Antragstellers ist jedoch zu bereinigen um die berufsbedingten Fahrtkosten, die das Amtsgericht für seine Fahrten von T nach P mit 236,50 € (21,5 km einfache Entfernung) angesetzt hat. Die Antragsgegnerin hatte im Berufungsverfahren zunächst behauptet, dass der Antragsteller seit Rechtskraft der Ehescheidung wieder dauerhaft in der Siegener Niederlassung der B GmbH arbeite. Auf die Erklärung des Antragstellers im Senatstermin vom 11.01.2010, dass er weiterhin in der Niederlassung in P eingesetzt sei, hat sie ihren diesbezüglichen Vortrag aber nicht weiter verfolgt.
43dd)
44Der Senat berücksichtigt die Tilgung des Hypothekendarlehens bei der M Bank, das der Antragsteller monatlich mit 488 € (Zins und Tilgung) bedient, in Höhe von 4% seines Bruttoeinkommens als ergänzende Altersvorsorge (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2008, XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963 sowie Ziffer 5.4 der Leitlinien zum Unterhaltsrecht des Oberlandesgerichts Hamm, Stand: 01.01.2010). Dadurch rechtfertigt sich ein weiterer Abzug vom Erwerbseinkommen des Antragstellers in Höhe von monatlich 117,00 €.
45ee)
46Eheprägend ist weiter der geldwerte Vorteil, den der Antragsteller daraus zieht, dass er mietfrei im eigenen Haus wohnt.
47Dabei kommt nach Auffassung des Senats aber als Ausgangspunkt der Ermittlung des objektiven Wohnwerts nicht der Mietwert von 736,10 € in Betracht, den das Amtsgericht offenbar dem Sachverständigengutachten zum Verkehrswert des Hauses G-Straße in T entnommen hat. Denn dieses Gutachten ist nur im Verfahren über den Zugewinnausgleich und nicht im Unterhaltsverfahren eingeholt worden. Außerdem ging es dort nur um die Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstücks und nicht um die sachverständige Feststellung des Mietwerts. Darüber hinaus hatten die Parteien im Termin vom 29.06.2007 vor dem Amtsgericht den objektiven Mietwert mit 5,00 € für 118 m² Wohnfläche, also mit 590,00 €, unstreitig gestellt. Es ist kein Umstand ersichtlich, der eine Partei berechtigt hätte, später von dieser Erklärung wieder abzuweichen.
48Der Wohnwert ist um die Zinsbelastung aus dem Hypothekendarlehen bei der M Bank zu bereinigen, die im Jahr 2008 monatsdurchschnittlich 89,33 € betrug. Genaue Feststellungen dazu, wie hoch die reine Zinsbelastung im Jahr 2009 war und ab dem Jahr 2010 sein wird, sind entbehrlich. Sie beträgt sicherlich mehr als monatlich 40,00 €, so dass der von dem Antragsteller selbst vorgerechnete Wohnvorteil von monatlich 550,00 € der Entscheidung des Senats zugrundegelegt werden kann.
49ff)
50Das Zusammenleben in einer häuslichen Gemeinschaft kann unter dem Gesichtspunkt ersparter Wohn- und Haushaltskosten nach den Umständen des Einzelfalls - bei Leistungsfähigkeit des Partners - die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten steigern (Ziffer 6.2 der Leitlinien zum Unterhaltsrecht des Oberlandesgerichts Hamm). Dieser geldwerte Vorteil hat die ehelichen Lebensverhältnisse aber nicht geprägt und bleibt deshalb bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin außer Betracht.
51gg)
52Nebeneinkünfte des Antragstellers aus dem Verkauf von Holz hat die Antragsgegnerin pauschal behauptet, aber nicht der Höhe nach konkretisiert. Da sie ihren diesbezüglichen Vortrag nicht weiter verfolgt hat, nachdem der Antragsteller im Senatstermin die Erklärung abgegeben hat, daraus kein Einkommen zu erzielen, sind auf seiner Seite keine weiteren Einkünfte zu berücksichtigen.
53hh)
54Die Antragsgegnerin verfügt zwar - krankheitsbedingt - nicht über Erwerbseinkünfte. Die erzielbaren Zinseinkünfte aus dem Zugewinnausgleich stellen aber prägendes Einkommen dar(vgl. Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 7. Auflage 2008, § 1 Rn 395 m.w.N.). Der Senat unterstellt, dass sie die knapp 30.000,00 € zu 3% anlegen könnte. Dann ist ihr ein Einkommen von monatlich 75,00 € zuzurechnen (30.000,00 € x 3% = 900,00 € : 12).
55ii)
56Die Antragsgegnerin kann von dem Antragsteller neben dem Elementarunterhalt auch Altersvorsorgeunterhalt verlangen, weil die Kosten einer angemessenen Altersvorsorge gem. § 1578 Abs. 2 BGB zu ihrem Lebensbedarf gehören.
57Der Vorsorgeunterhalt beinhaltet die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Nach dem Zweck der Regelung sollen mit dem Vorsorgeunterhalt mit unterhaltsrechtlichen Mitteln Nachteile ausgeglichen werden, die dem Berechtigten aus einer ehebedingten Behinderung seiner Erwerbstätigkeit erwachsen. Diese Beurteilung rechtfertigt es, den Vorsorgeunterhalt auf der Grundlage des Elementarunterhalts zu berechnen, wie wenn der Berechtigte aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen in Höhe des Elementarunterhalts hätte. Es wird ein Einkommen in Höhe des Elementarunterhalts aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit fingiert. Vorsorgeunterhalt wird zusätzlich zum Elementarunterhalt geschuldet. Er ist ein unselbstständiger Bestandteil des einheitlichen Lebensbedarfs. Die Antragsgegnerin muss keine konkreten Angaben über Art und Weise der von ihr beabsichtigten Vorsorge machen. Zur Substantiierung ihres Anspruchs reicht deshalb die Erklärung aus, dass und in welcher Höhe sie Vorsorgeunterhalt verlangt.
58In welcher Weise der Vorsorgeunterhalt zu berechnen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Nach gefestigter Rechtsprechung ist aber - entsprechend dem Zweck des Vorsorgeunterhalts - für die Berechnung an den Elementarunterhalt anzuknüpfen, wie er ohne Vorsorgeunterhalt zu leisten wäre. Deshalb ist zunächst – als erster Rechenschritt – der Elementarunterhalt festzustellen, der ohne Vorsorgeunterhalt geschuldet wäre. Dann ist – in einem zweiten Rechenschritt – dieser vorläufige Elementarunterhalt entsprechend dem Verfahren nach § 14 Abs. 2 SGB IV (Umrechnung sogenannter Nettovereinbarungen) wie ein Nettoarbeitsentgelt zum sozialversicherungsrechtlichen Bruttolohn hochzurechnen. Dies geschieht in der Praxis nach der Bremer Tabelle. In einem dritten Rechenschritt wird aus dieser Bruttobemessungsgrundlage mit dem jeweils geltenden Beitragssatz gemäß §§ 157 f. SGB VI der Vorsorgeunterhalt berechnet. Der Beitragssatz beträgt seit 01.01.2007 19,9%. Schließlich ist der Elementarunterhalt nach Vorabzug des Vorsorgeunterhalts vom Einkommen des Verpflichteten endgültig zu berechnen (Wendl/Gutdeutsch, Unterhaltsrecht, 7. Auflage 2008, § 4 Rn 449 ff.).
59c)
60Daraus ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:
61aa)
62Für die Zeit vom 03.11.2009 bis zum 31.12.2009:
| Erwerbseinkommen des Antragstellers (netto) | 1.743,97 € |
| zuzüglich Steuererstattung | 210,02 € |
| abzüglich Fahrtkosten | - 236,50 € |
| abzüglich ergänzende Altersvorsorge | - 117,00 € |
| 1.600,49 € | |
| abzüglich Anreizsiebtel | - 228,64 € |
| 1.371,85 € | |
| zuzüglich Wohnvorteil | 550,00 € |
| 1.921,85 € | |
| ./. Einkommen der Antragsgegnerin | - 75,00 € |
| Einkommensdifferenz | 1.846,85 € |
| davon ½ als Quotenunterhalt | 923,43 € |
Altersvorsorgeunterhalt
| vorläufiger Elementarunterhalt | 923,43 € |
| 16 % Zuschlag zur Berechnung der Bruttobemessungsgrundlage nach Bremer Tabelle | 147,75 € |
| Bruttobemessungsgrundlage | 1.071,18 € |
| davon 19,9 % Rentenversicherungsbeitrag als Altersvorsorgeunterhalt | 213,16 € |
Neuberechnung des Unterhalts:
| Erwerbseinkommen des Antragstellers (netto) | 1.743,97 € |
| zuzüglich Steuererstattung | 210,02 € |
| abzüglich Fahrtkosten | - 236,50 € |
| abzüglich ergänzende Altersvorsorge | - 117,00 € |
| abzüglich Altersvorsorgeunterhalt | - 213,16 € |
| 1.387,33 € | |
| abzüglich Anreizsiebtel | - 198,19 € |
| 1.189,14 € | |
| zuzüglich Wohnvorteil | 550,00 € |
| 1.739,14 € | |
| ./. Einkommen der Antragsgegnerin | - 75,00 € |
| Einkommensdifferenz | 1.664,14 € |
| davon ½ als endgültiger Elementarunterhalt | 832,07 € |
| zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt | 213,16 € |
| Gesamtunterhalt | 1.045,23 € |
Die Höhe des Unterhalts ist nicht durch eine - geringere - Leistungsfähigkeit des Antragstellers begrenzt. Unter Wahrung des billigen Selbstbehalts von 1.000,00 € bleibt ihm bereits von dem eheprägenden Einkommen ein Betrag von 921,85 (1.921,85 € ./. 1.000,00 €) übrig. Seine Leistungsfähigkeit erhöht sich aber um die Vorteile aus dem Zusammenleben und dem gemeinsamen Wirtschaften mit der neuen Partnerin (Ziffer 6.2 der Leitlinien zum Unterhaltsrecht des Oberlandesgerichts Hamm). Diese hat das Amtsgericht mit monatlich 130,00 € angesetzt. Dagegen hat der Antragsteller keinen Berufungsangriff vorgebracht. Er hat sich lediglich gegen die Berücksichtigung des Vorteils aus dem Zusammenleben bei dem eheprägenden Einkommen gewehrt (s.o.). Dann ist der Antragsteller insgesamt in Höhe von 1.051,85 € (921,85 € + 130,00 €) leistungsfähig. Der geschuldete Unterhalt beläuft sich aber nur auf 1.045,23 €.
69bb)
70Ab Januar 2010:
| Erwerbseinkommen des Antragstellers (netto) | 2.173,00 € |
| zuzüglich Steuererstattung | 210,02 € |
| abzüglich Fahrtkosten | - 236,50 € |
| abzüglich ergänzende Altersvorsorge | - 117,00 € |
| 2.029,52 € | |
| abzüglich Anreizsiebtel | - 289,93 € |
| 1.739,59 € | |
| zuzüglich Wohnvorteil | 550,00 € |
| 2.289,59 € | |
| ./. Einkommen der Antragsgegnerin | - 75,00 € |
| Einkommensdifferenz | 2.214,59 € |
| davon ½ als Quotenunterhalt | 1.107,29 € |
Altersvorsorgeunterhalt
| vorläufiger Elementarunterhalt | 1.107,29 € |
| 21 % Zuschlag zur Berechnung der Bruttobemessungsgrundlage nach Bremer Tabelle | 232,53 € |
| Bruttobemessungsgrundlage | 1.339,82 € |
| davon 19,9 % Rentenversicherungsbeitrag als Altersvorsorgeunterhalt | 266,62 € |
Neuberechnung des Unterhalts:
| Erwerbseinkommen des Antragstellers (netto) | 2.173,00 € |
| zuzüglich Steuererstattung | 210,02 € |
| abzüglich Fahrtkosten | - 236,50 € |
| abzüglich ergänzende Altersvorsorge | - 117,00 € |
| abzüglich Altersvorsorgeunterhalt | - 266,62 € |
| 1.762,90 € | |
| abzüglich Anreizsiebtel | - 251,84 € |
| 1.511,06 € | |
| zuzüglich Wohnvorteil | 550,00 € |
| 2.061,06 € | |
| ./. Einkommen der Antragsgegnerin | - 75,00 € |
| Einkommensdifferenz | 1.986,06 € |
| davon ½ als endgültiger Elementarunterhalt | 993,03 € |
| zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt | 266,62 € |
| Gesamtunterhalt | 1.259,65 € |
Auch hier ist die Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht tangiert. Unter Wahrung des billigen Selbstbehalts von 1.000,00 € bleibt ihm schon von dem eheprägenden Einkommen ein Betrag von 1.289,59 € (2.289,59 € ./. 1.000,00 €) übrig, so dass es ab Januar 2010 auf die Vorteile aus dem Zusammenleben mit der neuen Partnerin nicht mehr ankommt.
77Für den Urteilstenor sind die errechneten Unterhaltsbeträge auf volle Euro auf- bzw. abgerundet worden.
78d)
79Der Unterhaltsanspruch ist noch nicht gem. § 1578 b BGB zu begrenzen oder zu befristen. Denn nach dem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten ist davon auszugehen, dass die Erkrankung der Antragsgegnerin vorübergehender Natur ist und ihre Erwerbsfähigkeit bis zum Beginn des Jahres 2011 wieder voll hergestellt werden kann. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dann noch ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht, kann derzeit nicht verlässlich beurteilt werden.
80Aber selbst wenn feststünde, dass die Antragsgegnerin auch über das Jahresende 2010 hinaus Ehegattenunterhalt verlangen könnte und außerdem keine ehebedingten Nachteile vorlägen, würde der Senat eine kürzere Befristung als bis zum Ende des Jahres 2010 oder auch eine höhenmäßige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs - noch - nicht in Betracht ziehen, weil gerade beim sog. Krankenunterhalt gem. § 1572 BGB der nachehelichen Solidarität im Rahmen der Billigkeitsabwägung gem. § 1578 b BGB besonderes Gewicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.2008, XII ZR 131/07, FamRZ 2009, 406 und Urteil vom 27.05.2009, XII ZR 111/08, FamRZ 2009, 1207). Danach ist die Zahlung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen geschuldeten Unterhalts jedenfalls für einen Zeitraum von gut einem Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung nicht unbillig im Sinne von § 1578 b BGB.
813.
82Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.