Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Widerbeklagten werden verteilt, an die Widerkläger eine Notwegrente von monatlich 50,- € ab dem 01.05.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Widerbeklagten verpflichtet sind, sich an den Kosten der Unterhaltung des den Widerklägern gehörenden Abschnitts der X in Dortmund mit 50 % zu beteiligen.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen, soweit über sie noch nicht entschieden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Kläger 1/5 und die Beklagten 4/5.
Von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Kläger 1/6 und die Beklagten 5/6.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger 1/10 und die Beklagten 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Widerkläger sind Eigentümer des Grundstücks "X 2" (Flurstück 93) in Dortmund. Die Widerbeklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstückes "X-Straße 4" (Flurstück 92). Daneben befindet sich das Grundstück "G Straße 46 (Flurstück 94). Eine Privatstraße führt über den nordöstlichen Teil dieser Grundstücke zu einer öffentlichen Straße. Die Privatstraße gehört insoweit den jeweiligen Grundstückseigentümer, als sie auf ihrem Grundstück verläuft.
4Die Widerkläger verlangten zunächst im Wesentlichen von den Widerbeklagten die Unterlassung der Benutzung des Teils der Privatstraße, der sich auf ihrem Grundstück befindet, hilfsweise die Verurteilung der Widerbeklagten zu einer monatlichen Notwegerente in Höhe von 200,- €. Nachdem der Senat mit Schlussurteil vom 16.04.2007 die Widerbeklagten entsprechend dem Unterlassensbegehren antragsgemäß verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen hatte, hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der Widerbeklagten mit Teilurteil und Urteil vom 12.12.2008 das Urteil des Senats vom 16.04.2007 insoweit aufgehoben, als die Widerbeklagten verurteilt worden sind, es zu unterlassen, den im Nordwesten vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der X-Straße in E zum Gehen, Fahren und in sonstiger Weise zu benutzen und in diesem Umfang die Berufung der Widerkläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 28.06.2006 zurückgewiesen. Wegen des zweiten auf Zahlung einer Notwegrente gerichteten Hilfsantrags der Widerkläger hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zur Ermittlung der Höhe der Notwegrente zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass ein Wegerecht der Beklagten nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB bestehe, die Widerbeklagten aber nicht verlangen könnten, dass ihnen die Benutzung des den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitts entschädigungslos gestattet werde. Vielmehr müssten sie zum einen die Kosten der Unterhaltung dieses Straßenteils anteilig tragen und zum anderen an die Widerkläger nach § 917 Abs. 2 BGB eine Geldrente zahlen.
5Die Widerkläger sind der Auffassung, dass in Anbetracht der auf dem Straßengrundstück liegenden Kostenlast und der im Straßengrundstück verlegten Versorgungsleitungen eine monatliche Notwegerente in Höhe von 100,- € monatlich angemessen sei, nachdem sie zuvor im Form eines Hilfsantrages im Schriftsatz vom 12.10.2006 zunächst 200,- € monatlich begehrt hatten. Sie sind weiterhin der Auffassung, dass das Notwegerecht nur dem dort wohnenden Eigentümer, nicht aber den Mietern zustünde, da für die Mieter ausreiche, wenn sie das Grundstück als Fußgänger oder Radfahrer über die südöstliche Gartenseite erreichen könnten. Da der den Widerklägern gehörende Straßenteil sowohl von den Widerklägern als auch von dem Widerbeklagten genutzt wird, sei eine Kostenverteilung hinsichtlich der Unterhaltungskosten des im Eigentum der Widerkläger stehenden Straßenanteils im Verhältnis 50 : 50 angemessen.
6Die Widerkläger beantragen:
71. Die Widerbeklagten werden verurteilt, an die Widerkläger eine Rente von monatlich 100,- € ab dem 01.05.2004 zu zahlen.
82. Die Widerbeklagten werden verurteilt, sich an den Kosten der Unterhaltung des den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitts mit jeweils 50 % zu beteiligen,
9hilfsweise festzustellen, dass die Widerbeklagten verpflichtet sind, sich an den Kosten der Unterhaltung des den Widerklägern gehöhrenden Straßenabschnitts mit jeweils 50 % zu beteiligen.
103. Es wird festgestellt, dass die Mieter der Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitt zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu benutzen.
11Die Widerbeklagten beantragen,
12die Anträge abzuweisen.
13Die Widerbeklagten sind angesichts der geringen Nutzung durch die Widerbeklagten und ihre Mieter der 100 qm umfassenden X der Auffassung, dass eine monatliche Notwegerente in Höhe von 50,- € angemessen sei.
14II.
15Die Widerklage ist im zuerkannten Maße begründet, im Übrigen unbegründet.
16A. Die Widerkläger haben gegen die Widerbeklagten einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Notwegrente in Höhe von 50,- € aus § 917 Abs. 2 BGB
171. Die Höhe der Rente richtet sich nicht nach dem Vorteil des Wegs für den Berechtigten, sondern nach dem Nachteil für das Verbindungsgrundstück, also den Umfang des für den duldungspflichtigen Eigentümer entstehenden Verlustes. Dieser bemisst sich nach der Minderung des Verkehrswertes des gesamten belasteten Grundstückes, wobei alle Umstände des Einzelfalles mit zu berücksichtigen sind (BGHZ 113, 32 - 47; OLG Hamm SchAZtg 2002, 79 – 84; Säcker, in: MüKo, § 917 Rn. 40; Roth, in: Staudinger, § 917 Rn. 52). Von Bedeutung sein können hiernach namentlich Größe, Lage, Nutzungsart, Zuschnitt des belasteten Grundstücks insgesamt ebenso wie der durch den Notweg beanspruchten Teilfläche sowie Art und Intensität der Nutzung des Wegs. Es ist davon auszugehen, dass der Notweg meist zu einer Wertminderung des belasteten Grundstücks führen wird, die im Einzelfall auch erheblich sein kann. Andererseits kann eine Rentenpflicht auch ganz entfallen, wenn im Einzelfall eine Beeinträchtigung oder Wertminderung des belasteten Grundstücks nicht feststellbar ist (OLG Frankfurt, OLG Report 1999, 266).
182. Bei der X-Straße handelt es sich um einen Privatweg, dessen Funktion sich auf die eines Verkehrsweges beschränkt. Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und der Tatsachen, dass die Nutzungsfrequenz durch Eigentümer und Mieter nur sehr gering ist, die in Anspruch genommene Fläche mit maximal 100 qm relativ klein ist und zudem auch durch den Eigentümer des belasteten Grundstückes als Verkehrsweg genutzt wird, ist die Rente auch unter Berücksichtigung der in dem belastete Grundstück verlegten Leitungen (Wasserzuleitung, Abwasserleitung, Stromleitungen, Telefonkabel und TV Kabel) auf 50,- €/mtl. festzusetzen, zumal das Notwegerecht lediglich einen Randbereich des Grundstücks der Widerkläger betrifft, so dass die Nutzungsmöglichkeit des übrigen Grundstückes durch das Notwegerecht nicht beeinträchtigt wird.
193. Die von den Widerklägern angeführten Kosten des belasteten Grundstück (Grundsteuer, Kosten der Flächenentwässerung, Haftpflichtversicherung, Reinigungskosten im gesamten Jahresverlauf, Eis- und Schneedienst im Winter) können bei der Festsetzung des Wertes schon deswegen keine Berücksichtigung finden, da die Widerkläger nicht substantiiert vorgetragen haben, dass diese der Höhe nach nicht näher dargelegten Kosten durch das Notwegerecht verursacht wurden. Zudem handelt es sich – zumindest überwiegend - um allgemeine Kosten der Grundstücksunterhaltung und Bewirtschaftung, die keinen Bezug zu einer durch das Notwegerecht verursachte Minderung des Verkehrswertes aufweisen.
204. Der Rentenanspruch besteht seit dem geltend gemachten Zeitpunkt, dem 01.05.2004. Der Rentenanspruch gemäß § 917 Abs. 2 BGB entsteht mit dem Wegerecht (Saller, in: Praxis Handbuch Nachbarrecht, 4. Teil, Rn. 60 f.; Roth, in: Staudinger, § 917 Rn. 50). Voraussetzung ist insoweit das Verlangen der Duldung des Wegs durch den Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks. Auf die tatsächliche Benutzung des Notweges kommt es demgegenüber nicht an. Aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Widerkläger vom 06.11.2003 ergibt sich, dass die Parteien über die Berechtigung der Widerbeklagten zur Nutzung des streitgegenständlichen Privatweges bereits vor diesem Zeitpunkt gestritten und dementsprechend die Widerbeklagten die Duldung zuvor begehrt hatten.
21B. Die Anträge zu 2. und 3. sowie der zum Antrag zu 2. gestellte Hilfsantrag stellen zulässige Klageerweiterungen dar. Die Zulässigkeit einer Klageerweiterung ist gemäß § 533 ZPO davon abhängig, dass der Gegner einwilligt oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält und der dazugehörige Tatsachenvortrag nach § 529 ZPO in der Berufung zulässig ist. Die Klageerweiterungen sind als sachdienlich anzusehen sein, da sie zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits dienen können. Auch ist der Tatsachenvortrag, der im Rahmen der Berufungsinstanz gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigen ist, ausreichend, um die Berechtigung der Antragstellung zu beurteilen.
221. Der auf Beteiligung der Widerbeklagten an den Unterhaltskosten als Leistungsantrag gefasste Hauptantrag zu 2. ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.
23a) Der Antrag ist unzulässig, soweit sich der Antrag auf Kosten der Unterhaltung in der Zukunft bezieht. Eine Klage auf noch nicht fällige, zukünftige Leistungen ist nur unten den Voraussetzungen der §§ 257 – 259 ZPO zulässig. Die Voraussetzungen sind nicht dargetan. Insbesondere ist der Antrag auch nicht beziffert.
24b) Der Antrag ist darüber hinaus auch unbegründet, soweit sich die beantragte Kostenbeteiligung auf bereits in der Vergangenheit entstandene Kosten bezieht. Mögliche in der Vergangenheit durchgeführte Unterhaltungsmaßnahmen sind weder hinsichtlich Art und Umfang noch hinsichtlich der dadurch verursachten Kosten substantiiert vorgetragen. Eine nähere Darlegung der bereits entstandenen Unterhaltungskosten durch die Widerkläger ist - entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom 24.02.2009 - nicht erfolgt.
252. Der als Feststellungsantrag gefasste Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 2. ist zulässig und begründet.
26a) Streitgegenstand der Feststellungsklage ist ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, d.h. die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage § 256 Rn. 3). Aus dem Notwegerecht als Rechtsverhältnis ergeben sich Rechte und Pflichten der Parteien, deren Klärung die Widerkläger im Hinblick auf den Umfang der Beteiligungspflichten an den Unterhaltungsmaßnahmen begehrt.
27b) Die Widerkläger haben ein Interesse an der Feststelllung der Beteiligungsspflichten der Widerbeklagten an den zukünftigen Unterhaltungskosten. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO besteht, wenn dem subjektiven Recht der Widerkläger eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Widerbeklagten es - zumindest dem Umfang nach – ernstlich bestreiten und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage § 256 Rn. 7). Aus dem Abweisungsantrag der Widerbeklagten ist ersichtlich, dass ihre Pflicht, sich an der Straßenunterhaltung zu beteiligen, im Streit ist. Durch eine Feststellung der grundsätzlichen Beteiligungspflicht unter Festlegung ihres Umfanges wird die auf dem Notwegerecht lastende Unsicherheit zwischen den Parteien hinsichtlich der Aufteilung der Unterhaltungslasten endgültig beseitigt.
28c) Die Widerbeklagten haben sich an den Unterhaltungskosten am den Widerklägern gehörenden Abschnitt der X-Straße nach §§ 748, 742 BGB zu beteiligen, da sie den Weg gemeinsam mit den Widerklägern nutzen. Nach § 917 BGB ist der Nachbar nur zur Duldung, nicht aber zur Unterhaltung des Notweges verpflichtet (BGHZ 177, 165 - 178). Eine Kostenbeteiligung in Höhe von 50 % ist angemessen, da von einer Nutzung zu gleichen Teilen auszugehen ist.
293. Die Widerkläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Mieter der Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitt zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu benutzen.
30Das Notwegerechts besteht im Umfang einer ordnungsgemäßen Benutzung des eingeschlossen Grundstücks. Für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit sind die Bedürfnisse des abgeschiedenen Grundstücks ausschlaggebend. Diese werden durch die sich an den Eigenschaften des Grundstücks ausrichtende Bewirtschaftung geprägt (OLG Hamm SchAZtg 2002, 79 - 84). Die Immobilie der Widerbeklagten ist teilweise vermietete. Das Notwegerecht berechtigt im Fall der Vermietung auch die Mieter des eingeschlossenen Grundstücks, das belastete Grundstück in den Grenzen des Notwegerechtes zu nutzen (OLGR Celle 2009, 537 - 538; OLG Koblenz, Urteil vom 2.12.1993, Aktenzeichen 5 U 1429/93). Auch aus der Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 12.12.2008 ergibt sich, dass der Bundesgerichtshof von einer Berechtigung der Mieter der Widerbeklagten zur Nutzung des Privatweges aufgrund eines Notwegerechtes ausgeht. Denn – so heißt es in der Urteilsbegründung - der jetzige Zustand verhindere die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bewohner wie die problemlose Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs sowie die sichere Erreichbarkeit des Grundstücks. Dieses stünde der ordnungsgemäßen Benutzung als Wohngrundstück entgegen. Bewohner und Nutzer des Grundstückes sind – zumindest auch – die Mieter.
31C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 ZPO.
32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
33Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist. Gegenstand des Rechtsstreits stellt lediglich der Umfang der aus einem Notwegerecht folgenden Rechte und Pflichten in einem konkreten Einzelfall dar.