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Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.04.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des zweiten Rechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin stellte am 18.01.2007 ihr Fahrzeug, einen Pkw Mitsubishi mit dem amtlichen Kennzeichen #######, auf dem Grundstück K in I ab. Auf dem benachbarten Grundstück der Beklagten stand - an der Grundstücksgrenze - eine Reihe von 10 Pappeln. Eine dieser Pappeln, aus der Mitte der Reihe, stürzte – aus zwischen den Parteien streitiger Ursache - an diesem Tag um, fiel auf das Auto der Klägerin und verursachte dort einen Schaden von 5.900 Euro. Diesen Betrag sowie Sachverständigenkosten in Höhe von 681,63 Euro, weitere 50 Euro als pauschale Ummeldekosten und 25 Euro pauschale Nebenkosten hat die Klägerin von der Beklagten ersetzt verlangt. Nach Rechtshängigkeit der Klage ließ die Beklagte die weiteren Bäume der Reihe entfernen.
4Die Klägerin stützt ihr Schadensersatzbegehren auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als Grundstückseigentümerin. Hierzu hat sie behauptet, bereits im Sommer 2006 hätten Anzeichen dafür vorgelegen, dass die Bäume krank seien, die Pappeln hätten vermehrt Totholz abgeworfen. Deswegen hätten sich ein Mieter der Beklagten und der Zeuge T2 der benachbarten Firma an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung gewandt, gleichwohl habe die Beklagte lediglich – was unstreitig ist - im Sommer 2006 Kronenschnittarbeiten durchführen lassen. Mit der Entfernung der übrigen Bäume am 03.05.2007 habe die Beklagte – so hat die Klägerin die Auffassung vertreten - Beweismittel vernichtet.
5Die Beklagte hat ihre Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und behauptet, die Pappel sei infolge des Sturms Kyrill abgebrochen, solchen außergewöhnlichen Naturkräften müsse auch ein gesunder Baum nicht standhalten.
6Im übrigen hat sie behauptet, regelmäßig Baumkontrollen durchgeführt zu haben, dabei seien keine Krankheitsanzeichen festgestellt worden. Im November 2005 habe ihr Mitarbeiter, der Zeuge Y2 eine Kontrolle durchgeführt, dabei sei der Baumbestand nicht zu beanstanden gewesen. Im Anschluss an die von der Firma M durchgeführten Kronenlichtungsarbeiten im Sommer 2006 habe der Zeuge Y2 am 14.09.2006 erneut eine Überprüfung vorgenommen, auch hierbei seien keine Schadsymptome festgestellt worden. Die restlichen Bäume der Reihe seien im März 2007 überprüft worden. Durch den Wegfall eines Baumes wäre die Standsicherheit der übrigen Bäume in der Reihe gefährdet, daher seien nach Vorlage der Genehmigungen die übrigen Pappeln entfernt worden.
7Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bl. 104 – 105 d. A. verwiesen.
8Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T, T2, Y2 und Y3 sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des öffentlich bestellten und vereidigen Sachverständigen X. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzungen vom 13.08.2007 (Bl. 44-49 d. A.) und vom 21.04.2008 (Bl. 98 – 100 d. A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen vom 19.12.2007.
9Mit am 21.04.2008 verkündetem Urteil hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 6.656,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2007 verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte habe ihr obliegende Verkehrssicherungspflichten verletzt. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass verschiedene Symptome auf den möglicherweise gefährlichen Zustand des Baumes hingedeutet haben. Die Beklagte hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, dass Subunternehmer eine bloße Sichtprüfung vornehmen. Vielmehr hätten die Ursachen für Totholzbildung, das schüttere Erscheinungsbild und die Verdickung des Stammes ermittelt werden müssen. Die Beklagte hätte die Durchführung der Baumkontrolle überprüfen müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 105-107 d. A., verwiesen.
10Gegen dieses Urteil, welches ihr unter dem 14.06.2008 zugestellt wurde, wendet sich die Beklagte mit ihrer unter dem 07.07.2008 eingegangenen Berufung, die sie mit unter dem 11.08.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
11Die Beklagte meint, die vom Landgericht angestellten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht seien übersetzt. Tatsächlich habe der Zeuge Y2 umfangreiche Überprüfungen vorgenommen, ihm und den beauftragten Subunternehmer Y3 seien jeweils keine Krankheitssymptome an den Bäumen aufgefallen. Die Untersuchung sei fachgerecht gewesen. Tatsächlich sei die Fäulnis des Baumes vor dem Schadenseintritt nicht zu erkennen gewesen. Die vom Sachverständigen aufgezeigten Symptome seien erst erkennbar gewesen, nach dem Schaden eingetreten oder seien für Pappeln normal.
12Die Beklagte beantragt,
13auf die Berufung der Beklagten das am 21.04.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen abzuändern und die Klage abzuweisen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
17Der Senat hat den Sachverständigen ergänzend zur Erläuterung des Gutachtens angehört. Wegen des Inhaltes der sachverständigen Ausführungen wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 24.11.2008, Bl. 160 – 163 d. A., Bezug genommen.
18II.
19Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt – nach dem Inhalt der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen - ohne Erfolg.
201. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 6.656,63 Euro infolge der Beschädigung ihres Pkw durch den umgestürzten Baum aus §§ 823, 831, 249 BGB zu.
21a) Das Fahrzeug der Klägerin ist – wie zwischen den Parteien nicht im Streit steht - durch die umstürzende Pappel beschädigt worden.
22b) Die Beklagte haftet für diesen Schaden.
23Sie hat die ihr als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Pappel vor dem Schadensereignis stand, obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der von ihr beauftragte Verrichtungsgehilfe, der Zeuge Y2, hat die Baumkontrolle nicht fachgerecht durchgeführt. In dem Schaden hat sich die Gefahr verwirklicht, für die die Beklagte sicherungspflichtig ist. Die Beklagte hat ihrer Aufsichts- und Überwachungspflicht nicht genügt.
24aa) Dafür, dass von Bäumen keine Gefahr für Personen oder Sachen ausgehen, trägt der Grundstückseigentümer die Verkehrssicherungspflicht. Der Pflicht wird genügt, wenn die nach dem jeweiligen Stand der Erfahrung und der Technik als geeignet und genügend erscheinenden Sicherungen getroffen sind, also den Gefahren vorbeugend Rechnung getragen wird, die nach Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind. Bei der Überprüfung eines Baumbestandes ist grundsätzlich zwar eine zweimal im Jahr durchgeführte im belaubten bzw. im unbelaubten Zustand durchgeführte Sichtkontrolle, bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit ausreichend, dies gilt aber nur solange keine Schadsymptome feststellbar sind. Sind solche Anzeichen vorhanden, muss eine eingehende fachmännische Untersuchung erfolgen, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen (Vgl. BGH VersR 1965, 475; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 467, OLG Hamm, NZV 1998, 282).
25bb) Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Zwar hat die Beklagte Baumkontrollen in Form der Sichtprüfung durch ihren Mitarbeiter, den Zeugen Y2 durchgeführt, nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens lagen aber Defektsymptome vor, die eine eingehendere Kontrolle des Baumes erfordert hätten.
26(1) Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass der Baum vor dem Schadensereignis verschiedene Defektsymptome aufgezeigt hat, die - nach den Richtlinien zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., welche den derzeitigen Stand der Erfahrung und Technik wiedergeben - zu weitergehenden Maßnahmen Anlass geboten hätten.
27(a) Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass die auf den nach dem Schadensfall gefertigten Fotos ersichtliche Stammverdickung ein solches Defektsymptom darstellt. Soweit die Berufung demgegenüber ausführt, die "Ausbeulung" sei infolge des sturmbedingten Abbruchs entstanden, hat dies der Sachverständige überzeugend widerlegt. Die Rinde im Bereich der Verdickung sei, so hat der Sachverständige anhand der Fotos beschrieben, unverletzt. Es sei zudem klar erkennbar, dass der Baum insgesamt innerlich verfault sei, es sei keine Holzsubstanz mehr vorhanden sondern eine "bröselige Masse". Damit sei ausgeschlossen, dass sich Druck nach außen auf die Schale auswirke.
28(b) Als weiteres Schadenssymptom hat der Sachverständige die schüttere Ausbildung der Krone, die trotz der infolge des Sturzes auf das Auto vorhandenen Abbruchschäden auf den Fotos erkennbar sei, aufgezählt. Unter Vorlage von Vergleichfotos von gesunden und erkrankten Bäumen hat der Sachverständige insoweit plausibel gemacht, dass ein Kronenbild mit nur kurzen Austrieben und lichtem Bild ein Zeichen für die Erkrankung des Baumes darstelle.
29(c) Der Sachverständige hat zudem auf die sogenannten Stammtriebe, die vom Stamm als Jahrestriebe abgehen und keine Seitenverästelungen zeigen, hingewiesen. Auch diese Stammtriebe seien Zeichen für eine Unterversorgung des Baumes. Die Pappel versorge sich über Kapillarbahnen, die über den gesamten Stamm verteilt und nicht nur in der Rinde angesiedelt seien. Wenn - wie hier der Fall – das Innere des Stammes verfault sei, könne sich der Baum nicht mehr ausreichend versorgen. Ein solcher Baum versuche durch "Nottriebe" den Blätteransatz zu erhöhen und dadurch mehr Holz zu produzieren.
30(d) Auch die unstreitige vermehrte Totholzbildung könne nicht durch eine trockene Vegetationsperiode im Sommer 2006 erklärt werden, vielmehr stelle dies, wie der Sachverständige erläutert hat, ein Defektsymptom – infolge der Unterversorgung des Baumes - dar.
31Diesen sachverständigen Ausführungen schließt sich der Senat an. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten bedurfte es auch insoweit keiner erneuten und ergänzenden Anhörung der vernommenen Zeugen Y und Y3 über die von diesen wahrgenommenen Symptome. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen sind insoweit nicht begründet, eine erneute Feststellung ist nicht geboten.
32(2) Der Zeuge Y ist als deren Mitarbeiter Verrichtungsgehilfe der Beklagten. Er hat die wegen der Defektsymptome erforderliche genaue Baumkontrolle nicht veranlasst.
33(a) Der Zeuge Y hat zum einen eine Sichtprüfung im November 2005 durchgeführt, ohne die Defektsymptome wahrzunehmen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens muss der Baum bereits zu diesem Zeitpunkt die vorbezeichneten Defektsymptome aufgewiesen haben, die eine nähere Untersuchung erforderlich gemacht hätten.
34(b) Unabhängig davon hat der Zeuge Y aber auch im Sommer 2006 keine ausreichenden Maßnahmen durchgeführt, als er lediglich den Kronenschnitt beauftragt und anschließend eine ungenügende erneute Sichtkontrolle durchgeführt hat.
35cc) Der Schaden an dem Pkw ist auf die Verwirklichung der Gefahr zurückzuführen, deren Abwehr die Verkehrssicherungspflicht dient. Wären die Defektsymptome erkannt und eine nähere Kontrolle veranlasst worden, wäre der innerlich verfaulte und dadurch nicht mehr standsichere Baum gefällt worden, bevor es zu dem Schadensereignis kam.
36dd) Die Beklagte hat sich nicht allein dadurch entlastet, dass sei dargelegt hat, der Zeugen Y sei als Ingenieur für Garten- und Landschaftsbau, der auch Fachtagungen auf dem Gebiet von Baumkontrollen besucht hat, fachkundig. Die - bestrittene - Fachkunde kann offen bleiben, denn die Beklagte hat schon nicht dargetan, dass sie den Zeugen in dem gebotenen Maße überwacht hat. Dies gilt sowohl mit Blick auf § 831 BGB als auch mit Blick auf die bei der Beklagten verbleibende allgemeine Aufsichtspflicht. Überlässt der Verkehrsicherungspflichtige die Erfüllung dieser Pflicht notwendigen Maßnahme einen Dritten, so trifft ihn eine allgemeine Aufsichtspflicht (BGH DB 81, 1838), diese tritt neben die Aufsichts- und Überwachungspflichten aus § 831 BGB.
37c) Die Klägerin kann von der Beklagten als Sicherungspflichtigen Ersatz wegen des an ihrem Pkw entstandenen – insgesamt unstreitigen - Schadens verlangen.
38Dieser umfasst den Sachschaden in Höhe von
395.900,00 Euro,
40die Gutachterkosten in Höhe von
41681,63 Euro,
42Ummeldekosten in Höhe von pauschal
4350,00 Euro
44und die Nebenkosten in Höhe von
4525,00 Euro,
46also insgesamt
476.656,63 Euro.
482. Der Zinsanspruch ist aus §§ 288, 286 BGB begründet.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.