Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. September 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer II. des Landgerichts Detmold abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
2Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Detmold vom 19.9.2005 (Bl. 48 ff. d.A.) Bezug genommen.
3Mit ihrer Berufung wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie sind der Auffassung, ihrer Verurteilung stehe die Baumschutzsatzung der Stadt Detmold entgegen. Einen Grund für eine Ausnahmegenehmigung nach Maßgabe dieser Satzung bestehe nicht. Aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen und rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden könnten sie nicht zivilrechtlich zu einem Verhalten verurteilt werden, das Ihnen öffentlich-rechtlich untersagt ist.
4Die Beklagten beantragen,
5unter Abänderung des am 19.9.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Detmold die Klage abzuweisen;
6die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
7Der Kläger beantragt,
8die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;
9unter teilweiser Abänderung des am 19.9.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Detmold die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner die auf ihrem Grundstück A, Bstraße #2 an der Grenze zum Grundstück Bstraße #4 vorhandenen Buchen zu fällen.
10Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Durch die von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Beeinträchtigungen werde sein Grundstück massiv in Mitleidenschaft gezogen. Derartige Beeinträchtigungen habe er seiner Auffassung nach nicht hinzunehmen. Eine Pflicht zur Duldung dieses Zustandes bestehe auch unter Berücksichtigung der Baumschutzsatzung nicht. Hier sei ein Sonderfall in der Weise gegeben, dass nur eine bestimmte Maßnahme die Beseitigung der Störungen gewährleiste, nämlich die vollständige Entfernung der beiden Buchen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
12Die Akte des Verwaltungsgerichts Minden 9 K 3761/04 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
13II.
14Auf die Berufung der Beklagten war die Klage abzuweisen; die Berufung des Klägers hatte hingegen keinen Erfolg.
15a) Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden.
16b) In der Sache ist sie indessen nicht begründet. Das Landgericht hat den Kläger zu Recht mit seinem Hauptantrag abgewiesen.
17Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Hauptantrag auf Beseitigung der beiden Buchen weiter. Ein entsprechender Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ist dem Kläger allerdings verwehrt, weil er gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Baumschutzsatzung der Stadt Detmold vom 1.1.2002 einer Duldungspflicht unterliegt.
18Grundsätzlich führen das Hinüberwachsen von Wurzeln über die Grundstücksgrenze und unter Umständen auch das Hinüberfallen oder –wehen von Laub und Früchten sowie die Abschattung eines Grundstücks zu einer Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB (Wurzeln: BGHZ 135, 235; BGH NJW 2004, 1035, 1036; BGH NJW 2004, 603; OLGR Hamm 1999, 392; Laub/Früchte: BGH NJW 2004, 1037, 1039; OLG Frankfurt NJW 1988, 2618, 2619; Abschattung: OLG Hamm MDR 1999, 930).
19Ob und in welchem Umfang hier eine solche Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt, bedarf allerdings keiner weiteren Erörterung. Denn der Kläger ist aufgrund der in Detmold geltenden Baumschutzsatzung vom 1.1.2002 ohnehin zur Duldung des bestehenden Zustandes verpflichtet.
20Soweit das Verbot einer örtlichen Baumschutzsatzung reicht, hat nicht nur der Eigentümer des Baumgrundstücks, sondern jedermann, mithin auch ein Grundstücksnachbar die Beeinträchtigung seines Eigentums durch den Baum zu dulden. Insoweit stellt die Baumschutzsatzung eine die Eigentümerstellung nach § 903 BGB einschränkende öffentlich-rechtliche Bestimmung auf dem Gebiet des Natur- und Landschaftsschutzes dar. Dies entspricht sowohl der durchgängigen Rechtsprechung des Senates als auch des Bundesgerichtshofes (BGH NZM 2005, 318; OLGR Hamm 1999, 392; OLG Hamm MDR 1999, 930).
21Die beiden Buchen auf dem Grundstück der Beklagten fallen aufgrund ihres Umfangs in den Anwendungsbereich der Satzung (dort § 2: 100 cm Stammumfang, gemessen in 1 m Höhe über dem Erdboden). Danach ist es grundsätzlich untersagt, geschützte Bäume zu entfernen, zu schädigen oder ihren Aufbau wesentlich zu verändern (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Ein Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs. 3 der Detmolder Baumschutzsatzung, insbesondere etwa die Notwendigkeit unaufschiebbarer Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr, greift hier ersichtlich nicht ein. Auch eine Ausnahmegenehmigung zum Fällen der Bäume nach § 5 der Baumschutzsatzung, die die ansonsten bestehende Duldungspflicht entfallen ließe (BGH NZM 2005, 318, OLGR Hamm 1999, 392), hat die Stadt Detmold hier nicht erteilt.
22Der Kläger hatte bei der Stadt eine solche Ausnahmegenehmigung zum Fällen der Bäume beantragt. Diese ist ihm versagt worden. Die Stadt hatte statt dessen, wie sich aus dem Inhalt der beigezogenen Akte des Verwaltungsrechtsstreits ergibt, unter dem 19.8.2005 lediglich eine Genehmigung zum Rückschnitt der Buchen maximal bis zur Grenzlinie und zur Kronenauslichtung von maximal 15 % erteilt (Bl. 65 der Akten VG Minden 9 K 3761/04). Mit seinem darüber hinaus gehenden Begehren auf Erteilung einer Genehmigung zum Fällen der beiden Buchen ist der Kläger von dem Verwaltungsgericht abgewiesen worden (Urteil vom 29. August 2005 - 9 K 3761/04 VG Minden). Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist durch Beschluß des OVG Münster vom 20. Dezember 2005 ‑ 8 A 3724/05 ‑ abgelehnt worden. Damit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.
23Damit steht fest, dass ein Fällen der Bäume öffentlich-rechtlich nicht zulässig ist. An die durch das Verwaltungsgericht festgestellte und auf der Baumschutzsatzung der Stadt Detmold beruhende öffentlich-rechtliche Rechtslage ist auch der Senat gebunden. Die von dem Kläger zuletzt noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigten Belastungen durch die beiden Bäume sind weitgehend nachzuvollziehen, erlauben aber aufgrund der feststehenden Verwaltungsrechtslage keine anderweitige rechtliche Handhabung durch das Zivilgericht.
242.
25a) Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden.
26b) Darüber hinaus hat die Berufung der Beklagten auch in der Sache Erfolg. Die Klage war abzuweisen.
27Nach den vorstehenden Ausführungen zu der Berufung des Klägers hat dieser die Bäume nach § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. der Baumschutzsatzung der Stadt Detmold vom 1.1.2002 zu dulden.
28Nach dem Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung, den er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, reduzieren sich die Möglichkeiten zur Beseitigung der von den Buchen ausgehenden Beeinträchtigungen durch Beschattung und Verunreinigung auf nur einen einzigen technisch gangbaren Weg, nämlich einer vollständigen Beseitigung der Bäume. Gerade dieser Weg ist aber, wie ausgeführt, angesichts des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht gangbar.
29Die Verurteilung durch das Landgericht konnte folglich keinen Bestand haben.
303.
31Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
32Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).