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Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Dezember 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Gründe:
2I.
3Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
4Mit der Berufung begehren die Beklagten weiterhin Klageabweisung. Sie rügen die Verneinung eines zur Schadensteilung führenden Eigenverschuldens auf Seiten des bei dem Unfall verletzten Fußgängers C durch das angefochtene Urteil. Insoweit habe das Landgericht zu Unrecht die Anforderungen des § 26 StVO zum Verhalten gegenüber Fußgängern an Fußgängerüberwegen an den beklagten Fahrzeugführer gestellt und verkannt, dass C einen – in der Örtlichkeit auch nicht vorhandenen – Fußgängerüberweg nicht benutzt habe. Richtigerweise sei hier nur ein Verstoß des Beklagten gegen § 9 III S. 3 StVO gegenüber dem von den Beklagten angenommenen Verstoß C gegen § 25 III S. 1 StVO abzuwägen.
5Die Zurückweisung der Berufung beantragende Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
6Die Akten 18 Js 181/00 der Staatsanwaltschaft Münster sind zur Ergänzung des Parteivorbringens Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
7II.
8Die Berufung bleibt ohne Erfolg, weil das Landgericht der Klägerin im Ergebnis zutreffend den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus übergeleitetem Recht zuerkannt hat.
9Der Verfahrensfehler des Landgerichts, der darin begründet ist, dass es die beigezogene, in der mündlichen Verhandlung aber noch nicht vorliegende Strafakte im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, ohne – entgegen §§ 279 III, 285 ZPO – mit den Parteien das Beweisergebnis zu erörtern, ist nicht ursächlich für die Entscheidung geworden, weil diese "Beweisaufnahme" nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine sachlichen Auswirkungen auf das Ergebnis gehabt hat.
10Das Landgericht hat zu Recht die volle Haftung der Beklagten aus §§ 7 I, 18 I StVG, 3 Ziffer 2. PflVG für die Verletzung C bejaht. Für ein anspruchsminderndes Eigenverschulden des Fußgängers bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere trifft C nicht der von der Berufung erhobene Vorwurf, die Fahrbahn unter Verstoß gegen das Vorrecht des Beklagten als Teilnehmer des Fahrzeugverkehrs aus § 25 III StVO betreten zu haben. Dieses Vorrecht bestand für abbiegende Fahrzeugführer bei der Überquerung der von C betretenen Fahrbahn nicht. Insoweit kann offen bleiben, ob der ausdrücklich auf die Kommentierung in Geigel-Haag, 21. Aufl., jetzt Geigel-Zieres 24. Aufl. Kapitel 27, Rz. 288 gestützten Begründung, der abbiegender Fahrzeugführer habe gemäß § 9 III 3 StVO "dem bevorrechtigten Fußgänger das Überqueren in gleicher Weise zu ermöglichen, wie wenn sich dieser einem Fußgängerüberweg nähert, vgl. § 26 StVO", in dieser Allgemeinheit und einschränkungslos gefolgt werden kann. Eine derartige Verallgemeinerung begegnet Bedenken, weil § 9 III S. 3 StVO ( als früherer § 8 III S. 3 ) in erster Linie geschaffen worden ist, um dem die Straßeneinmündung querenden Fußgänger die Orientierung nach hinten zu ersparen (vgl. OLG München VRS 32, 249/259 ), die indes zum Eigenschutz vor entgegenkommenden Linksabbiegern nicht vonnöten ist. Gleichwohl räumt diese Vorschrift auch außerhalb förmlicher, gemäß § 26 StVO gekennzeichneter Fußgängerüberwege generell dem Fußgänger eine vorrangähnliche Stellung ein, indem sie vom Fahrzeugführer besondere Rücksichtnahme auf ihn und notfalls sogar ein Warten verlangt; so z. B. OLG Hamm (6. ZS) in OLGR 1994, 197. Dass es sich in dem Fall des 6. Zivilsenats bei dem betroffenen Fußgänger außerdem noch um eine gemäß § 3 II a) StVO besonders schutzbedürftige Person handelte, spielt entgegen der Ansicht der Berufungsführer für die Frage des – als Ausnahme von § 25 III StVO – begründeten Vorrangs des Fußgängers keine Rolle. Diese Pflicht zur Rücksichtnahme und zum Passierenlassen besteht nicht erst gegenüber Fußgängern, die schon sichtbar sind, sondern stets dann, wenn mit querenden Fußgängern gerechnet werden muss; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 9 StVO Rz. 43.
11Vor diesem Hintergrund ist dem Vorbringen der Beklagten ein Eigenverschulden nicht zu entnehmen:
12Die Alkoholisierung C hat sich nicht erkennbar ursächlich auf den Unfallhergang ausgewirkt; ein konkretes Fehlverhalten wird nicht dargetan. Aus der unstreitigen Verkehrsunfallskizze (Bl. 11 GA) und den Fotos in der Beiakte ist nichts dafür zu entnehmen, dass C die Fahrbahn nicht in der – geschützten – Querungstrasse des Gehwegs der C-Straße, sondern seitlich davon nur in der Nähe des Einmündungsbereichs betreten hätte. Der Umstand, dass der Pkw des Beklagten vorn links beschädigt wurde (Bl. 10 GA), steht schließlich der Annahme entgegen, der für den Beklagten zuletzt von rechts herankommende C habe die Fahrbahn erst betreten, als der Beklagte bereits so weit abgebogen war, dass der Fußgänger gemäß § 11 III StVO hätte zurückstehen müssen. Vielmehr spricht das Spurenbild mehr dafür, dass der Beklagte den Fußgänger nach seiner (Beklagten) ersten und vor dem Senat bestätigten Einlassung wegen Sonnenblendung übersehen hat.
13Insgesamt fehlt es so an von den Beklagten vorzutragenden Anhaltspunkten für ein Verschulden C und zureichenden Anknüpfungstatsachen für die – die in der Berufungsverhandlung ohnehin verspätet beantragte – Einholung eines Sachverständigengutachtens.
14Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels haben die Beklagten gemäß § 97 ZPO zu tragen.
15Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
16Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 II ZPO liegen nicht vor.