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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.09.2003 verkündete Urteil des Amtsge-richts - Familiengericht - Lüdenscheid unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 09.04.2003 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 2.004,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 318,00 Euro ab dem ersten der Monate Oktober, November, Dezember 2002, Januar, Februar und März 2003 sowie aus 96,00 Euro ab dem 01. April 2003 zu zah-len.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 2/5 der Klägerin und zu 3/5 dem Beklagten auferlegt
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
4Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Trennungsunterhaltsansprüche seinen verwirkt, nachdem nach der Trennung zunächst für die Zeit von mehr als einem Jahr kein Unterhalt geltend gemacht worden ist.
5Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
6Sie ist der Ansicht, die geltend gemachten Unterhaltsansprüche seien nicht verwirkt. Ihr Fall sei nicht mit dem vom Bundesgerichtshof am 23.10.2002 entschiedenen Fall zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen vergleichbar.
7Des Weiteren bestreitet die Klägerin, aus einer intakten Ehe ausgebrochen zu sein.
8Auch die Beziehung zu ihrem momentanen Lebensgefährten habe sie erst nach der Trennung von dem Beklagten aufgenommen.
9Hinsichtlich der Hauslasten, die der Beklagte der Klägerin entgegenhält, ist diese der Ansicht, dass der Beklagte solche für den streitbefangenen Zeitraum nicht geltend machen könne, da sie ihm ihr hälftiges Erbbaurecht an der Grundbesitzung P-Straße in M mit notariellem Vertrag vom 12.06.2002 übertragen habe und der Beklagte die Hausverbindlichkeiten nunmehr allein tragen müsse.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 10.04.2003 einen monatlichen Unterhalt von 518,42 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab jeweiliger Fälligkeit zum 1. des Monats zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, die Trennungsunterhaltsansprüche der Klägerin seien aufgrund des Zeitablaufs seit der Trennung verwirkt.
15Darüberhinaus behauptet der Beklagte, die Klägerin sei aus einer intakten Ehe ausgebrochen. Er bestreitet, dass die Klägerin ihren Lebensgefährten erst nach der Trennung kennengelernt habe.
16Sie weist in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Beklagten vom 19.06.2001 (Bl. 181 d.A.) hin, in dem bereits von beiderseitigen Fehlern die Rede ist und vorgeschlagen wird eine Eheberatung aufzusuchen.
17Ferner habe die Klägerin nach der Trennung sogleich mit ihrem neuen Lebensgefährten zusammengewohnt. Schon aus diesem langen Zusammenleben ergebe sich eine hinreichende Verfestigung der Beziehung, die zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führe.
18Hilfsweise macht der Beklagte geltend, dass die Klägerin sich aufgrund des Zusammenlebens mit ihrem Lebensgefährten geldwerte Versorgungsleistungen anrechnen lassen müsse.
19II.
20Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß §§ 1361, 1360 a, 1613 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 09.04.2003 in Höhe von insgesamt 2.004,00 Euro.
22Die Klägerin hat für den genannten Zeitraum einen monatlichen Unterhaltsbedarf in Höhe von 318,42 Euro, gerundet 318,00 Euro.
23Diesem Bedarf liegt zunächst ein Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von monatlich 2.382,27 Euro zu Grunde, das sich aus nachfolgender Berechnung ergibt:
24Jahresbrutto 2002 54.905,38 Euro
25./. Lohnsteuer 15.317,46 Euro
26./. Soli 842,41 Euro
27./. Rentenversicherung 5.114,18 Euro
28./. Arbeitslosenversicherung 1.740,46 Euro
29./. Krankenkasse 2.774,28 Euro
30./. Pflegeversicherung 344,28 Euro
3128.772,31 Euro
32/ 12 2.397,69 Euro
33./. Nettoanteil VWL 15,42 Euro (58 % x 26,59 Euro)
342.382,27 Euro
35Davon kann der Beklagte die Hausbelastungen nicht in Abzug bringen. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob die Zinsleistungen den tatsächlichen Wohnwert überhaupt übersteigen. Denn nachdem er durch Notarvertrag der Parteien vom 12.06.2002 (Bl. 119ff.) den hälftigen Erbaurechtsanteil an der gemeinsamen Immobilie gegen Übernahme der gesamten Verbindlichkeiten übernommen hat, kann er der Klägerin nicht unterhaltsmindernd die daraus resultierenden Belastungen entgegenhalten.
36Die Klägerin hat ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.021,40 Euro.
37Als Differenz dieser beiden Einkommen ergibt sich ein Betrag von 1.360,87 Euro, wovon der Klägerin 3/7, also 583,23 Euro zustehen.
38Da die Klägerin ihren Bedarf jedoch nur mit 518,42 Euro beziffert hat, ist auch nur dieser Betrag zu berücksichtigen.
39Dieser Unterhaltsbedarf der Klägerin ist zudem wegen den aus der Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebensgefährten resultierenden Ersparnissen um 200,00 Euro zu kürzen.
40Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass ihr Lebensgefährte die Hälfte der Kosten für die angemietete Wohnung trägt und dass sie ein gemeinsames Konto haben. Die Warmmiete für die 110 m² große Wohnung beträgt nach Angabe der Klägerin monatlich 782,00 Euro, zuzüglich 94,00 Euro für Strom. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin eine kleinere und günstigere Wohnung mieten würde, wenn sie mit ihren beiden Kindern allein leben würde.
41Zudem ergeben sich weitere Ersparnisse durch die gemeinsame Haushaltsführung, da in einem größeren Haushalt mit mehr Personen günstiger gewirtschaftet werden kann als in einem kleineren Haushalt.
42Der Senat schätzt diese Ersparnisse insgesamt auf 200,00 Euro, die vom Unterhaltsbedarf der Klägerin abzuziehen sind, so dass sich ein Bedarf in Höhe von 318,42 Euro ergibt.
43Die Klägerin muss sich hingegen keine für ihren Lebensgefährten erbrachten Versorgungsleistungen anrechnen lassen. Die Klägerin ist mit 100 Stunden im Monat nahezu vollschichtig berufstätig. Ihr Lebensgefährte war demgegenüber in dem hier in Streit stehenden Zeitraum arbeitslos. Die Klägerin trägt dazu vor, dass ihr Lebensgefährte in dieser Zeit den Haushalt geführt habe. Sie habe ihm morgens aufgeschrieben, was erledigt werden muss und er habe diese Arbeiten dann ausgeführt.
44Die Klägerin hat ihren Unterhaltsanspruch entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht verwirkt.
45Ein Anspruch ist verwirkt, wenn der Berechtigte ihn längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Palandt- Heinrichs, § 242, Rn. 87). Dabei gilt für Unterhaltsansprüche, dass an das sogenannte Zeitmoment keine strengen Anforderungen zu stellen sind (BGH FamRZ 2002, 1698). Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch sowohl an dem Zeitmoment als auch an dem Umstandsmoment.
46Dabei ist zunächst festzustellen, dass nur fällige Ansprüche verwirkt werden können. Eine Verwirkung zukünftiger Ansprüche gibt es nicht. Bei Unterhaltsansprüchen gilt zudem, dass nur der Anspruch auf rückständigen Unterhalt der Verwirkung unterliegt, nicht aber das Stammrecht (Palandt-Heinrichs, § 242, Rn. 108; BGHZ 84, 282). Auch in der Grundsatzentscheidung des BGH zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen (BGH FamRZ 2002, 1698), auf die das amtsgerichtliche Urteil gestützt wird, ging es nur um rückständige Unterhaltsansprüche.
47Vorliegend könnten nur die Ansprüche auf Trennungsunterhalt verwirkt sein, die vor Oktober 2002 fällig geworden sind. Die Klägerin macht aber gerade nicht rückwirkende Ansprüche für die Zeit seit der Trennung geltend, sondern nur die Ansprüche seit der erneuten Auskunftsaufforderung im Oktober 2002. Für diese Ansprüche gilt hingegen § 1613 BGB.
48Im übrigen durfte der Beklagte auch nicht darauf vertrauen, dass er, nachdem die Klägerin nach der ersten Auskunftserteilung im August 2001 keine Unterhaltsansprüche geltend gemacht hat, ihn gar nicht mehr wegen Trennungsunterhalt in Anspruch nehmen würde. Damals hatte der Beklagte auf die hohen Hausbelastungen hingewiesen, die er trotz des Miteigentums der Klägerin allein trug. Nachdem die Klägerin dem Beklagten ihren Erbbaurechtsanteil im Juni 2002 übertragen hatte, musste der Beklagte damit rechnen, dass diese Belastungen bei einer Unterhaltsberechnung nur noch eine eingeschränkte Rolle spielen werden. Aufgrund der veränderten Situation musste der Beklagte davon ausgehen, dass er von der Klägerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch genommen wird.
49Darüberhinaus hat die Klägerin ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt auch nicht gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB dadurch verwirkt, dass sie aus einer intakten Ehe ausgebrochen ist. Zwischen den Parteien muss es auch schon vor der Trennung massive Probleme gegeben haben. Der Beklagte selbst hat in einem Schreiben an die Klägerin vom 19.06.2001 (Bl. 181 d.A.) angeregt, eine Eheberatung aufzusuchen, "da auf beiden Seiten in der Vergangenheit mehrfach Fehler gemacht worden seien". Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass die Ehe auch aus Sicht des Beklagten nicht intakt war.
50Hinsichtlich des geltend gemachten Unterhalts ab Oktober 2002 befand sich der Beklagte mit Wirkung zum 01.10.2002 gemäß §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1613 BGB in Verzug, da die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2002 zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert hatte.
51Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt endet einen Tag vor Rechtskraft der Scheidung, also am 09.04.2003 (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 4, Rn 13). Für den Monat April 2003 steht der Klägerin daher der anteilige Unterhalt in Höhe von 95,53 Euro, gerundet 96,00 Euro, zu.
52Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.