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Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels und der Anschlussberufung der Beklagten das am 13.11.2002
verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin
18.038,62 Euro nebst
12 % Zinsen aus 14.316,17 Euro seit dem 22.06.2001,
17,55 % Zinsen aus weiteren 979,20 Euro seit dem 22.06.2001,
17,55 % Zinsen aus weiteren 856,98 Euro seit dem 10.10.2001 und
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach DÜG aus
weiteren 1.886,27 Euro seit dem 15.06.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage werden die Widerbeklagten verurteilt, als Gesamtschuldner
an die Beklagte zu 2) 368,25 Euro nebst 5 % Zinsen über den Basiszinsssatz
nach DÜG seit dem 27.01.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen zu
25 % die Klägerin allein, zu weiteren 2 % die Klägerin und der Widerbeklagte
zu 2) als Gesamtschuldner, zu 69 % die Beklagten als Gesamtschuldner und
zu weiteren 4% die Beklagte zu 2) allein.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen zu 73 % er selbst
und zu 27 % die Klägerin.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen zu 73 % sie selbst,
zu 25 % die Klägerin und zu weiteren 2 % die Klägerin und der Widerbeklagte
zu 2) als Gesamtschuldner.
Die in erster Instanz angefallenen außergerichtlichen Kosten des Widerbeklagten
zu 2) tragen zu 25 % er selbst und zu 75 % die Beklagte zu 2).
Seine in der Berufungsinstanz angefallenen außergerichtlichen Kosten trägt
der Widerbeklagte zu 2) selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
2Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie – ebenso wie die
3Anschlussberufung der Beklagten - unbegründet.
41.
5Der Senat tritt dem Landgericht im Ergebnis darin bei, dass gemäß § 17 StVG die
6wechselseitige Haftung im Verhältnis von 25 %zu 75 % zu Lasten der Beklagten zu
7quotieren ist.
8Aufgrund des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme spricht zwar alles dafür,
9dass der frühere Widerbeklagte zu 2) als Führer des Pkw Mercedes 500 SL der Klägerin erst gestartet ist, als auf der für ihn maßgeblichen Ampel Grün erschien, und
10dass der Beklagte zu 1) die für ihn maßgebliche Halbampel erst passiert hat, nachdem dort Rot erschienen war. Dass der frühere Widerbeklagte zu 2) zu Beginn seiner Grünphase gestartet ist, hat der Zeuge O bekundet, welcher vor derselben Ampel in einem anderen ebenfalls geradeaus führenden Fahrstreifen wartete. Der Senat glaubt dem Zeugen. Da er in dieselbe Richtung wie der frühere Widerbeklagte zu 2) fahren wollte, war sein Augenmerk auf dieselbe Ampel konzentriert. Hinreichende
11Anhaltspunkte für eine Gefälligkeitsaussage des Zeugen O zugunsten
12der Klägerseite ergeben sich nicht daraus, dass seine Ehefrau eine Arbeitskollegin
13des früheren Widerbeklagten zu 2) war. Seine Aussage deckt sich mit derjenigen
14des früheren Widerbeklagten zu 2), der als Zeuge vernommen worden ist,
15nachdem er infolge der Rücknahme der gegen ihn verspätet eingelegten Berufung
16als Partei aus dem Rechtsstreit ausgeschieden ist.
17Da die Fahrzeuge- davon ist der Senat aufgrund der Aussage des Zeugen O
18überzeugt - nach Beginn der Grünphase für den Widerbeklagten zu 2) kollidiert sind,
19scheidet auch ein Rotlichtverstoß des Widerbeklagten zu 2) aufgrund eines vorzeitigen Starts aus, zumal ein derartiger Fahrfehler wenig plausibel wäre. Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Widerbeklagte zu 2) noch innerhalb seiner Rot-Gelb-Phase gestartet ist, zumal diese nicht wesentlich länger war als die Zeit für die Reaktion auf das Erscheinen des gelben Ampellichtes unter dem vorher vorhandenen Rot.
20Aufgrund der gutachtlichen Analyse des Unfalls durch den Sachverständigen
21L steht, da die Fahrzeuge nach Beginn der Grünphase für den früheren
22Widerbeklagten zu 2) kollidiert sind, gleichzeitig fest, dass der Beklagte zu 1) die für
23ihn maßgebliche Halbampel passiert haben muss, nachdem dort Rot erschienen war.
24Der Sachverständige hat die in Betracht kommenden Wege und Zeiten und die Unfallschäden eingehend analysiert und hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die für den Beklagten zu 1) maßgebliche Halbampel bereits vordem Passieren durch den
25Beklagten zu 1) Rot gezeigt haben muss, wenn die Fahrzeuge nach Beginn der für
26den Widerbeklagten zu 2) maßgeblichen Grünphase kollidiert sind; hiervon ist der
27Senat - wie ausgeführt - überzeugt.
28Aufgrund seines RotIichtverstoßes trifft den Beklagten zu 1) die überwiegende Verantwortung für den Unfall. Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles führen jedoch dazu, dass der Verursachungsanteil aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin bei der Abwägung gemäß § 17 StVG nicht völlig zurücktritt. Denn das dem Beklagten zu 1) zur Last fallende Verschulden wiegt hier weniger schwer als bei sonstigen Rotlichtverstößen, da es wegen der komplexen Kreuzungsanordnung
29in einem Baustellenbereich leichter als sonst geschehen konnte, dass er das
30für ihn maßgebliche Rotlicht übersehen hat, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass er
31von der Straße "B" kommend in den Kreuzungsbereich eingefahren
32ist, als die für ihn dort maßgebliche Ampel Grün zeigte, er dann die nördlichen - also
33stadteinwärts führenden - Fahrstreifen des X-damms überquert hat, und
34dass er dann übersehen hat, dass er für das Überqueren der südlichen - also der
35stadtauswärts führenden - Fahrstreifen des X-dammes eine weitere Ampel
36zu beachten hatte, die aber nur als "Halbampel" ausgestaltet ist in der Weise, dass
37sie nur gelbes oder rotes Licht zeigt, aber kein grünes Licht. Dadurch kann es leichter
38als bei einer kompletten Ampel geschehen, dass sie übersehen wird, wenn der
39Verkehrsteilnehmer sich ihr innerhalb der Dunkelphase nähert und dann das Aufleuchten von Gelb bzw. Rot aufgrund kurzfristiger Ablenkung übersieht.
40Auf der anderen Seite ist zu Lasten der Klägerseite nicht nur die Betriebsgefahr des
41Pkw Mercedes 500 SL zu berücksichtigen, sondern auch ein - wenngleich weniger
42schwerwiegendes - Verschulden des früheren Widerbeklagten zu 2). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass er beim Übergang von Rot über Rotgelb auf Grün mit einem "Kavalierstart" in den Kreuzungsbereich eingefahren ist.
43Das hat die Polizei
44in der Verkehrsunfallanzeige als Unfallhergang nach Angaben der Unfallbeteiligten
45- also auch derjenigen des Widerbeklagten zu 2) - festgehalten, und auch bei
46seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der seinerzeit als Partei angehörte frühere
47Widerbeklagte zu 2) eingeräumt, dass er mit dem 398 PS starken Pkw Mercedes 500
48SL recht zügig angefahren ist. Bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Senat hat er
49dies allerdings in der Weise eingeschränkt, dass er beim Start normal Gas gegeben
50habe und gegenüber der Polizei auch nicht von einem Kavalierstart gesprochen
51habe. Aufgrund der Angaben in der Verkehrsunfallanzeige und der erstinstanzlichen
52Darstellung des Widerbeklagten zu 2) hat aber der Senat keine Zweifel daran, dass
53mit der in der Verkehrsunfallanzeige gewählten Bezeichnung "Kavalierstart" der Anfahrvorgang des Pkw Mercedes 500 SL der Klägerin zutreffend erfasst worden ist.
54Mit dieser Fahrweise hat der frühere Widerbeklagte zu 2) gegen die für den Straßen-
55verkehr geltende Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Da es sich um eine
56komplexe, sehr großräumige Kreuzung in einem Baustellenbereich handelte, bei
57welcher außerdem der bei Grün einfahrende Querverkehr unter Umständen vor dem
58Überqueren der zweiten Fahrbahnhälfte noch durch eine weitere Ampel angehalten
59werden konnte, die aber nur als Halbampel ausgestaltet war, war die Gefahr eines Fahrfehlers, wie er dem Beklagten zu 1) unterlaufen ist, nicht ganz gering.
60In entsprechender Weise war das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer auf dem
61X-damm eingeschränkt. Es kommt hinzu, dass die Sicht des früheren Widerbeklagten zu 2) nach links durch einen neben ihm vor der Ampel wartenden Kastenwagen versperrt war. Hierdurch wurde die bei einem Blitzstart entstehende Gefahr deutlich erhöht.
62Unter Abwägung aller Gesichtspunkte erschien dem Senat deshalb im Ergebnis die vom Landgericht getroffene Quotierung sachgerecht. .
632.
64Zur Schadenshöhe gilt folgendes:
652.1
66Den Ersatz der angefallenen Mietwagenkosten hat das Landgericht mit der Begründung gekürzt, dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe, indem sie, ohne Vergleichsangebote einzuholen, die gerichtsbekannt teure Mietwagenfirma C in Anspruch genommen habe; deren Konditionen seien erkennbarerweise so ungünstig, dass ein wirtschaftlich denkender vernünftiger Mensch diese nicht akzeptiert hätte.
67In der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat hat jedoch der Sachverständige
68L ausgeführt, dass die Preise hier zwar hoch waren, aber angesichts der
69Tarifstrukturen beim Unfallersatztarif keineswegs so hoch, dass sie aus dem Rahmen
70fielen. Unter diesen Umständen lässt sich der gegenüber der Klägerin erhobene Mitverschuldensvorwurf nicht halten, zumal sie vor der Anmietung des Ersatzfahrzeugs keine Marktforschung zu treiben brauchte. Wenn die von ihr in Anspruch genommene Mietwagenfirma gerichtsbekanntermaßen teuer ist, so bedeutet das keineswegs, dass dies auch der Klägerin bekannt war, und aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen kann auch nicht festgestellt werden, dass - für einen Laien erkennbar - die Konditionen derart ungünstig sind, dass ein wirtschaftlich denkender vernünftiger Mensch sie nicht akzeptiert hätte, zumal die Kenntnis der Besonderheiten des bei vielen Mietwagenfirmen verbreiteten Unfallersatztarifs nach wie vor keinesfalls Allgemeingut ist. Die aufgewandten Mietwagenkosten von 14.430,40 DM sind deswegen in vollem Umfang anzusetzen.
712.2
72Soweit es den Nutzungsausfall betrifft, ist der Senat mit dem Landgericht der Auffassung, dass hier nur fünf Tage angesetzt werden können. Auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil wird insoweit Bezug genommen. Der Nutzungsausfall ist demgemäß mit 895,00 DM anzusetzen.
732.3
74Bei der Kreditbearbeitungsgebühr von 12,00 DM, die im erstinstanzlichen Urteil
75offenbar übersehen worden ist, handelt es sich ebenfalls um eine Unfallfolge, so
76dass dieser Betrag auch in die Schadensabrechnung einzustellen ist.
772.4
78Insgesamt gestaltet sich danach die Abrechnung unter Berücksichtigung der unstreitigen Beträge wie folgt:
79Fahrzeugschaden 28.584,95 DM
80weiterer Fahrzeugschaden (Dach) 1.676,10 DM
81Gutachterkosten 1.130,19 DM
82Pauschale 40,00 DM
83Abschleppkosten 272,00 DM
84Mietwagen 14.430,40 DM
85Nutzungsausfall 895,00 DM
86Kreditbearbeitungsgebühr 12,00 DM
87Gesamtschaden 47.040,64 DM
88Das entspricht 24.051,50 Euro. Davon haben die Beklagten entsprechend ihrer Haftungsquote 3/4 = 18.038,62 Euro zu ersetzen.
892.5
90Die Höhe des mit der Widerklage geltend gemachten Schadens ist nicht im Streit.
91Entsprechend dem angefochtenen Urteil kann die Beklagte zu 2) von den Widerbeklagten also 368,25 Euro beanspruchen.
922.6
93Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 284, 286, 288 BGB.
943.
95Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100, 708 Nr. 10, 713 ZPO.