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Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.10.2002 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
2A.
3Gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
4B.
5Die zulässige Berufung ist unbegründet.
6I.
7Der Kläger kann von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Verschuldens beim Vertragsschluß gem. §§ 280 Abs. 1, 211 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB verlangen, weil sie ihm verschwiegen hat, daß es sich bei dem Renault Espace um ein Einzelimport aus Italien handelt und dies in dem Fahrzeugbrief dokumentiert ist.
81.
9Die Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Verbrauchsgüterkaufvertrages i.S.v. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt vorliegend nicht über das Gewährleistungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 433, 323, 326 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB. Die Anwendung dieser Vorschriften würde das Vorliegen eines Sachmangels i.S.v. § 434 BGB erfordern. Dazu fehlt allerdings schlüssiger Sachvortrag des Klägers.
10a)
11Ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB setzt voraus, daß es sich bei dem Umstand des Imports des Pkw aus Italien um eine Beschaffenheit handelt. Die Beschaffenheit ist mit dem tatsächlichen Zustand der Sache gleichzusetzen. Unter die Beschaffenheit fällt jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche wirtschaftliche oder rechtliche Umstand (Palandt/Putzo, Ergänzungsband zur 61. Aufl., § 434 BGB, Rdn. 10 ff und 14). Die Eigenschaft/der Umstand muß in der Beschaffenheit der Kaufsache wurzeln und ihr unmittelbar (physisch) auf eine gewisse Dauer anhaften (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O., Rdn. 11; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdn. 179; Reinking, Die Haftung des Autoverkäufers für Sach- und Rechtsmängel nach neuem Recht, DAR 2002, 15, 16; ständige Rechtsprechung des BGH zum vor dem 01.01.2002 geltenden Recht, z.B. NJW 1992, 2564 m.w.N.). Zwar hat der Gesetzgeber den Begriff der Beschaffenheit nicht definiert und offengelassen, ob die vorgenannte Unmittelbarkeitsbeziehung gegeben sein muß (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 213; Palandt/Putzo, a.a.O., Rdn. 9; Reinking/Eggert, Rdn. 1062 und 1217; Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rdn. 711; Häublein, Der Beschaffenheitsbegriff und seine Bedeutung für das Verhältnis der Haftung aus c.i.c. zum Kaufrecht, NJW 2003, 388, 389). Da allerdings die Neuregelung des Sachmangelbegriffs den nach alter Rechtslage geltenden Fehlerbegriff nicht verändern wollte und die Neuregelung dem subjektiv objektiven Fehlerbegriff folgt, ist auch weiterhin der Beschaffenheitsbegriff restriktiv im vorgenannten Sinne aufzufassen (Ebenso Reinking/Eggert, a.a.O. und Palandt/Putzo a.a.O.).
12b)
13Auf die Beschaffenheit der Kaufsache wirkt es sich in dem oben gesagten Sinne nicht unmittelbar aus, ob die erste Auslieferung innerhalb des nationalen Händlernetzes oder über das Ausland erfolgt ist. Der Umstand des Imports des Pkw ist daher allein keine ihm anhaftende Beschaffenheit, also kein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB (ebenso Reinking/Eggert, Rdn. 1767).
14Auch die vom Kläger behauptete, mit dem Import zusammenhängende Nichterfassung des Fahrzeugs bei Rückrufaktionen, Wertminderung wegen einer Offenbarungspflicht bei Weiterveräußerung und Verweigerung der Reparaturen durch Vertragswerkstätten begründet keinen Sachmangel. Diese Umstände werden gerade daraus hergeleitet, daß es sich um ein Importfahrzeug handelt. Da aber diese Tatsache gerade keine Beschaffenheit der Kaufsache ist, gilt dies ebenfalls für die von dem Kläger behaupteten Konsequenzen.
15Ein Unterschied des Renault Espace gegenüber Fahrzeugen mit der in Deutschland üblichen Serienausstattung wäre demgegenüber zwar eine unmittelbare Beschaffenheit, so daß eine Abweichung einen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB begründen könnte. Allerdings fehlt zu einer derartigen Abweichung schlüssiger Sachvortrag des Klägers. Er hat keinerlei Ausstattungsmerkmale genannt, die von denen der in oder für Deutschland hergestellten Fahrzeugen abweichen und eine Minder-/Magerausstattung darstellen (vgl. dazu Reinking/Eggert, Rdn. 447, 449, 1694). Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß der von dem Kläger erworbene Renault Espace in seiner Ausstattung von den nach der Straßenverkehrszulassungsordnung in der BRD erforderlichen Standards abweicht (s. dazu Reinking/Eggert, Rdn. 447 a.E.). Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig und aus dem Fahrzeugbrief ersichtlich, daß er die Betriebserlaubnis für Deutschland 1995 erhalten und seitdem hier für unterschiedliche Halter zugelassen worden ist.
162.
17Da es nach vorstehenden Ausführungen hier nicht um Merkmale des Fahrzeugs geht, die einer Beschaffenheitsvereinbarung zugänglich sind, kann sich der Anspruch nur aus Verschulden der Beklagten beim Vertragsschluß gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Reinking/Eggert, Rdn. 1766, 1771; Palandt/Heinrichs, § 311 BGB, Rdn. 17; Palandt/Putzo, § 437 BGB, Rdn. 51; Häublein, NJW 2003, 388, 389).
18Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor, so daß der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war.
19a)
20Die Beklagte hat schuldhaft, zumindest fahrlässig, ihre Pflichten beim Abschluß des Kaufvertrags über den Renault Espace verletzt.
21Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Kläger darüber aufzuklären, daß es sich bei dem Renault Espace um ein Einzelimport aus Italien handelt und dieser Einzelimport im Fahrzeugbrief vermerkt ist. Insoweit hat der dem Senat als erfahren langjährig bekannte Sachverständige Dipl.-Ing. V ausgeführt, daß dieser Umstand bei einer Weiterveräußerung des Fahrzeugs zu einem deutlich niedrigeren Marktpreis führt. Der Sachverständige hat insoweit zu den Marktgegebenheiten für das Jahr 2002, dem Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger, überzeugend ausgeführt, ein potentieller Erwerber wegen der in dem Fahrzeugbrief dokumentierten Importeigenschaft mißtrauisch gegen das Fahrzeug gewesen wäre. Dieses Mißtrauen beruht noch aus früherer Zeit und galt bis zum Jahr 2002 fort. Erst danach habe sich nach und nach das Marktverhalten im Hinblick auf Importfahrzeuge geändert. Das psychologisch bedingte Mißtrauen gegen das Importfahrzeug schlägt sich in seinem Marktwert nieder. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der selbst eine DAT-Schätzungsstelle betreibt und dem die Marktgegebenheiten bekannt sind, bedingte der im Fahrzeugbrief manifestierte Umstand des Imports des Renault Espace aus Italien - auch unter Berücksichtigung seines Alters - einen fortdauernden niedrigeren Marktpreis von 10 % des vom Kläger bezahlten Kaufpreises, der nach den Ausführungen des Sachverständigen marktgerecht gewesen ist. Der Sachverständige hat weiterhin überzeugend ausgeführt, daß für diesen erheblich niedrigeren Marktpreis unerheblich ist, ob das Fahrzeug vor seinem Import in Italien bereits benutzt worden ist.
22Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob diese Einschätzung der Marktgegebenheiten auch noch für das Jahr 2003 und in Zukunft gelten. Maßgeblich für die Feststellung der Pflichtverletzung sind insoweit die Marktgegebenheiten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also das Jahr 2002.
23b)
24Damit steht fest, daß die Beklagte beim Kaufabschluß dem Kläger einen preisbildenden Faktor verschwiegen hat, der den Marktwert des Kraftfahrzeugs mehr als unerheblich beeinträchtigt. Daß der Beklagten bzw. ihrem Abschlußvertreter nicht bewußt gewesen wäre, daß der vom Kläger erworbene Renault Espace ein Einzelimport aus Italien gewesen ist, macht die Beklagte nicht geltend. Dies ist im übrigen aus dem Fahrzeugbrief ersichtlich. Als branchenerfahrene - wenn auch nicht Renault-Vertragshändlerin wußte sie, daß solche Importfahrzeuge einen deutlich niedrigeren Marktpreis haben. Angesichts dessen durfte der Kläger nach Treu und Glauben einen Hinweis auf den Import des Fahrzeugs und die Eintragung im Kraftfahrzeugbrief von der Beklagten erwarten. Umstände, die diesen gebotenen Hinweis überflüssig gemacht hätten, sind weder dargetan noch ersichtlich.
253.
26Das schuldhafte Unterlassen dieses Hinweises ist für den Kaufabschluß zumindest mitursächlich geworden. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß das Verschweigen eines wertmindernden Umstandes den Kaufentschluß zumindest mitbeeinflußt (BGH, NJW 1995, 2361, 2362; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 1063, 1064).
274.
28Aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten konnte der Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten und dessen Rückabwicklung verlangen, vgl. dazu nur Reinking/Eggert, Rdn. 1772). Es ist der Kaufpreis in Höhe von 7.700,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Renault Espace zurückzugewähren.
29Zwar hätte der Kläger im Rahmen der Rückabwicklung auch gezogene Nutzungen gem. §§ 346 Abs. 1, 281 Abs. 5 BGB herauszugeben (vgl. dazu Reinking/Eggert, Rdn. 1398 f.). Allerdings steht aufgrund der Anhörung des Klägers im Termin vor dem Senat fest, daß er das Fahrzeug niemals zugelassen hat und es seit dem Erwerb im März 2002 in seiner Garage steht. Diese Angaben werden bestätigt durch die Feststellungen des Sachverständigen V, der bekundet hat, der Pkw weise einen Kilometerstand von 196.771 Kilometern auf. Dieser liegt damit jedenfalls nicht höher als der Kilometerstand beim Ankauf des Fahrzeugs. Der Kläger hat somit keine Nutzungen gezogen, die herauszugeben wären und seinen Rückzahlungsanspruch herabsetzen würden.
30II.
31Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Beklagte geriet mit der Rückzahlung des Kaufpreises nach Ablauf der in dem Rücktrittsschreiben des Klägers vom 10.04.2002 gesetzten Frist am 25.04.2002 in Verzug.
32III.
33Der nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist nach §§ 293 ff BGB begründet. Die Beklagte geriet mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug, als sie die von dem Kläger mit Schreiben vom 10.04.2002 zum 24.04.2002 gesetzte Frist ungenutzt verstreichen ließ.
34IV.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
36V.
37Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung, da über die Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden war. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.