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Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 4.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
2Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden.
3Es ist angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben, weil die von den Verfügungsklägern am 12.07.2002 ohne mündliche Verhandlung gegen die Verfügungsbeklagte erwirkte einstweilige Verfügung,
4jegliche weitere Baumaßnahmen auf dem Grundstück S-Straße.
5der Verfügungsbeklagten sowie insbesondere jegliche Unterfangungs-
6maßnahmen der unmittelbar zum Grundstück der Verfügungsbeklagten
7benachbarten Giebelwand des Gebäudes S-Straße vorläufig zu unter-
8lassen,
9auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten teilweise aufzuheben und teilweise zu bestätigen gewesen wäre, wenn noch in der Sache zu entscheidend gewesen wäre. Eine einstweilige Verfügung wäre nur dahin gehend gerechtfertigt gewesen, der Verfügungsbeklagten zwecks Vermeidung einer Beeinträchtigung der Giebelwand des Gebäudes der Verfügungskläger eine Vertiefung ihres Grundstücks an der gemeinsamen Grenze und die Unterfangung der Giebelwand des Gebäudes der Verfügungskläger zu untersagen, solange die Verfügungsbeklagte noch keine Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadens nachgewiesen hatte. Hingegen konnten die Verfügungskläger im einstweiligen Rechtsschutz keinen vollständigen Baustopp verlangen.
101.
11Die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, die Vertiefung an der Grundstücksgrenze und die Unterfangung der Giebelwand bis zum Nachweis einer Sicherheit zu unterlassen, ergab sich aus § 22 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit §§ 16 Abs. 1, 17 NachbG NW. Nach diesen Vorschriften darf der Nachbar, der, wie hier die Verfügungsbeklagte, zur Ausführung eines Bauvorhabens seine Außenwand tiefer als die zuerst errichtete Außenwand gründen will, die erste Wand nur dann unterfangen, wenn er neben anderen Voraussetzungen in Höhe des voraussichtlichen Schadensbetrages Sicherheit geleistet hat. Zwar gilt § 22 NachbG NW von seinem Wortlaut her nur für 2 jeweils unmittelbar an der Grenze errichtete Wände im Sinne von § 19 NachbG NW. Die Vorschrift ist aber entsprechend anzuwenden, wenn der Bauherr seine Wand neben einer auf der Grenze stehenden Nachbarwand im Sinne von § 7 NachbG NW errichtet, weil sich die nachbarschaftliche Problematik hinsichtlich notwendiger Unterfangsmaßnahmen in beiden Fällen nicht unterscheidet (s. Schäfer, Nachbarrechtsgesetz, 12. Aufl., § 13 Rn. 9; OLG Düsseldorf BauR 1976, 71).
12Die Verfügungsbeklagte hatte bis zum Erlaß der einstweiligen Verfügung keine Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadensbetrages geleistet. Das entsprechende Verlangen der Verfügungskläger war entgegen der Meinung der Verfügungsbeklagten nicht deshalb unbeachtlich, weil die Verfügungskläger ihren voraussichtlichen Schaden nicht beziffert hatten. Dem Nachbar, der eine Einwirkung auf sein Eigentum in Form von Unterfangungsmaßnahmen dulden soll, kann nicht zugemutet werden, nach Anzeige der vorgesehenen Maßnahmen durch den Bauherrn (§§ 22 Abs. 4, 16 Abs. 1 NachbG NW) deren Schadensträchtigkeit für sein Gebäude auch der Höhe nach zu erfassen, wozu er sich in der Regel eines Sachverständigen bedienen müßte. Vielmehr muß § 17 NachbG NW so verstanden werden, daß der durch das beabsichtigte Bauvorhaben beeinträchtigte Eigentümer sein Verlangen nach Sicherheit nur als solches anzumelden braucht und der Bauherr sodann gehalten ist, die Voraussetzungen für einen Duldungsanspruch zu schaffen, in dem er die Sicherheit ermittelt und leistet, die den Umständen seiner konkret beabsichtigten Maßnahmen und den Besonderheiten des Nachbargebäudes entspricht. Als der, der auf fremdes Eigentum einwirken will, hat er initativ zu werden, kann dabei allerdings vom Nachbarn eine Mitwirkung bei der Ermittlung möglicher Schäden verlangen, wenn er auf diese insbesondere im Hinblick auf die Feststellung der Bauweise des Nachbargebäudes angewiesen ist. Zwar soll die nach § 16 Abs. 1 NachbG NW vorgesehene Pflicht des Bauherrn zur Anzeige der beabsichtigten Maßnahmen auch dem Nachbarn die Möglichkeit geben, das Bauvorhaben zu prüfen und seinerseits Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung von Schäden zu treffen (Schäfer, a.a.O., § 16 Rn. 1). Das heißt aber nicht, daß er zwecks Geltendmachung eines wirksamen Sicherheitsverlangens die Höhe des voraussichtlichen Schadens selbst ermitteln muß. Die Verfügungsbeklagte ist der somit ihr obliegenden Pflicht zur Ermittlung und Leistung der angemessenen Sicherheit nicht nachgekommen.
13Zwar hatte sie gemäß § 17 Satz 4 NachbG NW die Möglichkeit, an Stelle einer Sicherheitsleistung den voraussichtlichen Schaden durch eine Haftpflichtversicherung decken. Das Bestehen einer Haftpflichtversicherung hatte sie gegenüber den Verfügungsklägern – allerdings ohne jede Konkretisierung – schon mit Schreiben vom 28.06.2001 behauptet. § 17 NachbG NW ist jedoch dahin zu verstehen, daß dem Nachbarn der Abschluß und der Inhalt der Haftpflichtversicherung nachzuweisen ist, damit er im Einzelnen überprüfen kann, ob sein voraussichtlicher Schaden dem Grunde nach und in ausreichender Höhe erfaßt ist. Erst die im Kammertermin am 22.07.2002 erfolgte Übergabe des Versicherungsscheins in Verbindung mit den zusätzlich abgegebenen Erklärungen kann deshalb als ausreichend und damit als erledigendes Ereignis angesehen werden.
14Entgegen ihrer Ansicht konnten die Verfügungskläger den Arbeiten im Bereich ihrer Giebelwand allerdings nicht auf deshalb entgegentreten, weil nicht zusätzlich die von ihnen geforderte Entschädigung für die Inanspruchnahme ihres Eigentums geleistet war. Ein derartiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, an den entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu denken wäre, wenn die hier maßgebliche Problematik im Nachbarrecht nicht geregelt wäre (s. BGH NJW 1987, 2808, 2810; OLG Stuttgart NJW 1994, 739, 741), ist subsidärer Natur (Erman-Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rn. 39; Palandt-Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 903 Rn. 13) und besteht deshalb wegen der abschließenden Normierung von Unterfangungsmaßnahmen im Nachbargesetz NW, das eine Entschädigung nicht vorsieht, nicht.
152.
16Der auf Antrag der Verfügungskläger vom Landgericht im Wege der einstweiligen Verfügung über die Arbeiten im Bereich ihrer Giebelwand hinaus verhängte allgemeine Baustopp war nicht gerechtfertigt. An ihn war nur wegen der Verletzung der zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Verfügungskläger im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit an 2 Pkw-Einstellplätzen zur Größe von 40 qm auf dem Grundstück der Verfügungsbeklagten zu denken. Insoweit fehlte es aber bei Beantragung der einstweiligen Verfügung an dem für den einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsgrund in Form einer besonderen Dringlichkeit. Durch ihm abwartendes Verhalten haben die Verfügungskläger nach Beginn der Bauarbeiten selbst zum Ausdruck gebracht, daß die Notwendigkeit der Sicherung oder Verwirklichung ihres Rechtes an den beiden Stellplätzen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gesehen haben. Zum Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten und auch der Beantragung der einstweiligen Verfügung lag zwar keine Einigung der Parteien darüber vor, die Grunddienstbarkeit in bestimmter Weise künftig durch Stellplätze in der zu errichtenden Tiefgarage zu verwirklichen. Die Verfügungskläger hatten lediglich Bereitschaft signalisiert, sich im Rahmen einer Gesamtlösung mit 2 niveaugleichen Plätzen in der Tiefgarage zufrieden zu geben, während die Verfügungsbeklagte ihnen nur einen sogenannten Doppelparker einräumen wollte, bei dem es sich um 2 durch eine Hebebühne zu betreibende übereinander liegende Stellplätze handelt.
17Dies haben die Verfügungskläger vom Beginn der Bauarbeiten, der vor dem 23. Mai 2002 gelegen hat, bis zum am 12.07.2002 eingegangenen Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung, soweit ersichtlich, gegenüber der Verfügungsbeklagten jedoch nie zu einem dem Baufortschritt entgegen stehenden Problem gemacht. Mit Schreiben vom 23.05.2002 haben sie sich allein auf eine Gefährdung ihres Eigentums, insbesondere im Hinblick auf die Unterfangarbeiten der Giebelwand berufen. In den weiteren Verhandlungen, in denen es nach ihrem Vorbringen auch um die Grunddienstbarkeit gegangen ist, haben sie diesbezüglich lediglich die Forderung weiterverfolgt, ihren Rechten aus der Grunddienstbarkeit durch 2 niveaugleiche Stellplätze in der Tiefgarage Rechnung zu tragen.
18Auch nachdem die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 21.06.2002 wiederum nur einen Doppelparker angeboten hatte, haben die Verfügungskläger mit Schreiben vom 26.06.2002 den Bauarbeiten erneut allein im Hinblick auf die Unterfangmaßnahmen widersprochen. Durch dieses Verhalten haben sie über einen längeren Zeitraum deutlich gemacht, daß eine Einstellung der Bauarbeiten im Hinblick auf die Stellplätze weder wegen der aktuellen noch wegen der zukünftigen Lage dringlich war, weil es insoweit nur um die Art der ihnen in der zu errichtenden Tiefgarage einzuräumenden Plätze ging. In dieser Situation konnten sie gestützt auf den Aspekt im einstweiligen Rechtsschutz keinen Baustopp mehr verlangen.
19Angesichts dieser bis zur Erledigung der Hauptsache bestehenden beiderseitigen Erfolgsaussichten ist es gem. § 91 a Abs. 1 ZPO angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
20Die Festsetzung des Streitswertes für das Berufungsverfahren, der dem Kosteninteresse der Parteien entspricht, beruht auf § 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.