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Auf die Berufung der Klägerin wird ‑ unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen ‑ das am vom 21. März 2001 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 19. August 1988 zu ersetzen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5/8 und der Beklagte zu 3/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des T a t b e s t a n d e s wird nach § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur teilweise begründet.
3A.
4Der Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin gemäß den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung im Umfang des Urteilausspruchs ersatzpflichtig gemacht, weil er es pflichtwidrig unterlassen hat, die von ihm als Prozeßbevollmächtigter der Klägerin in dem Berufungsverfahren 12 O 399/92 Landgericht Münster = 6 U 100/94 Oberlandesgericht Hamm gegen das Urteil des Landgericht Münster vom 04. Mai 1994 eingelegte Berufung auch auf den Ausspruch zu dem vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldanspruch zu erstrecken.
5I. Zum Inhalt des dem Beklagten von der Klägerin erteilten Mandates, Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Münster einzulegen und sie in dem Berufungsverfahren zu vertreten, zählte es auch zu prüfen, ob weitergehende als die im Urteil des Landgerichts Münster zuerkannten Schmerzensgeldansprüche mit der Berufung erfolgversprechend geltend gemacht werden konnten, und gegebenenfalls dann das Urteil auch insoweit mit der Berufung anzugreifen.
61. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeformten umfassenden Belehrungs-, Beratungs- und Betreuungspflichten eines Anwaltes bestehen grundsätzlich nur aufgrund und innerhalb der Grenzen des erteilten Mandates (vgl. BGH in NJW 2002, 1147 ff.; VIZ 1998, 571 [572]; NJW 1997, 2168 [2169]; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdn. 525, 531). Das dem Beklagten erteilte Prozeßmandat stellt allerdings an sich das Musterbeispiel eines beschränkten Mandates dar, den Mandanten in einer Rechtsangelegenheit nur in einer bestimmten Art, Richtung und Reichweite zu beraten und zu vertreten (vgl. Zugehör in Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdn. 519; BGH in NJW 1996, 2929 [2931; BGH in NJW 1993, 2045). Insoweit ist dem Beklagten grundsätzlich einzuräumen, daß das Mandat des ‑ nicht umfassend mit der außergerichtlichen und prozessualen Schadensregulierung beauftragten, sondern erst in einem späteren Stadium der gerichtlichen Auseinandersetzung eingeschalteten ‑ Berufungsanwaltes sich zunächst einmal auf die Behebung der durch das erstinstanzliche Urteil bewirkten „Beschwer“ seines Mandanten beschränkt. Es trifft schließlich auch zu, daß die Klägerin durch den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag von (weiteren) 30.000,00 DM, der der in der Klageschrift geäußerten Betragsvorstellung entsprach, nicht im Sinne der Rechtsmittelfähigkeit (formal) beschwert war. Diese Rechtsmittelbeschwer ergibt sich nämlich allein aus dem Vergleich zwischen der vor dem angefochtenen Urteil geäußerten, dem Bestimmtheitsgebot des § 253 ZPO genügenden Betragsangabe und dem Urteilsausspruch. Sie beurteilt sich wegen der Auswirkung auf das Prozeßrechtsverhältnis und dessen Beteiligte streng formal aufgrund der nach außen in Erscheinung getretenen und dokumentierten, objektiven Gesichtspunkten (vgl. BGH in NJW 1999, 1339; siehe auch BGH in NJW 1996, 2425 ff.).
72. Dennoch entsprach das Urteil nicht den tatsächlichen subjektiven Erwartungen Klägerin, sondern es blieb erkennbar hinter ihnen zurück. Nach dem Inhalt der Klageschrift hat die Klägerin unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgericht Hamm „ein höheres Schmerzensgeld als (weitere) 30.000,00 DM als gerechtfertigt“ angesehen, und es ist „lediglich“ zur vorläufigen Streitwertfestsetzung und Konkretiserung der Rechtsmittelbeschwer das begehrte restliche Schmerzensgeld mit 30.000,00 DM angegeben worden. Dementsprechend sind mit Schriftsatz vom 09. Dezember 1992 unter Hinweis auf die ADAC‑Schmerzensgeldtabelle 14. Aufl. Nr. 909, 899 (= 20. Aufl. Nr. 2342) und 887 (= 20. Aufl. Nr. 2294) Schmerzensgeldbeträge in der Größenordnung von gesamt zwischen 60.000,00 DM und 75.000,00 DM angesprochen worden. Diesen weitergehenden Vorstellungen der Klägerin hat das Landgericht, das wegen des unbezifferten Klageantrages nicht etwa gemäß § 308 ZPO an die konkrete Betragsangabe gebunden war, aber gerade nicht entsprochen, sondern das Urteil blieb insoweit hinter dem von der Klägerin angestrebten Ziel zurück und beschwerte sie so subjektiv, auch wenn das Landgericht wegen der überschießenden Betragsvorstellung der Klägerin die Klage nicht formal zurückgewiesen hatte.
83. Daß diese „subjektive“ Beschwer von einem Berufungsangriff ausgenommen sein sollte, und das Mandat des Beklagten lediglich auf eine Wahrnehmung der Interessen der Klägerin beschränkt war, soweit eine formale, objektive Rechtsmittelbeschwer vorlag, kann nicht angenommen werden. Auch wenn es keinen Erfahrungssatz gibt, daß ein Auftraggeber seinen Rechtsberater umfassend beauftragen will (vgl. Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdn. 531), so ist doch grundsätzlich, falls keine abweichenden Vereinbarungen getroffen worden sind, von einem unbeschränkten Mandat auszugehen (vgl. Sieg in „Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 42). Der nicht fachkundige Mandant weiß in der Regel gar nicht, wie eine Angelegenheit in seinem Interesse geregelt werden kann, und begibt sich gerade deswegen in die Beratung eines Fachmannes. Nur wenn der Mandant eindeutig zu erkennen gibt, daß er der fachlichen Hilfe des Anwaltes nur in einer bestimmten Art, Richtung und Reichweite bedarf ‑ ausdrückliche Anweisung, Verjährungsfrage nicht zu prüfen; ausdrückliche Anweisung, nur einen bereits ausgehandelten Vertrag in die juristische Form zu kleiden, „sonst nichts“ ‑, dann könnte der Mandant dem Anwalt nicht vorwerfen, dieser hätte doch ‑ über sein Mandat hinaus ‑ beraten müssen (BGH in NJW 1997, 2168; 1996, 2929 [29331]). Eine solche ausdrückliche, weitergehende Einschränkung des Berufungsmandates auf den Rahmen der Rechtsmittelbeschwer ist weder dem schriftsätzlichen Vortrag der Parteien zu entnehmen, noch ergibt er sich aus dem Ergebnis der Anhörung der Parteien durch den Senat.
9a. Das Auftragsschreiben der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Vorprozeß vom 19. Mai 1994 enthielt keinerlei Einschränkungen. Der Beklagte wurde vielmehr allgemein gebeten, die Interessen der Klägerin wahrzunehmen, Berufung einzulegen und ‑ auf der Grundlage der mitübersandten Handakten ‑ mit der Rechtsschutzversicherung der Klägerin zwecks Genehmigung des Berufungsverfahrens zu korrespondieren. Dementsprechend hat der Beklagte auch in seinem Schreiben an die D Rechtsschutz vom 19. Oktober 1994 nicht etwa die Frage des Schmerzensgeldes ausgeklammert, sondern ausdrücklich erwähnt, daß „im Hinblick auf das zugesprochene Schmerzensgeld ..... das Urteil sicherlich zu akzeptieren ist.“ Dies belegt, daß der Beklagte als Berufungsanwalt das gesamte Urteil umfassend darauf hin zu überprüfen hatte, ob es die Klägerin nicht nur formal objektiv beschwerte, sondern auch ob es ihren wohlverstandenen subjektiven Interessen entsprach.
10b. Eine andere Würdigung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Rechtsschutzversicherung der Klägerin Vorbehalte gegen die Erfolgsaussichten einer Berufung geäußert und zunächst einmal nur eine Kostenübernahme für die ‑ vom Beklagten durchzuführende ‑ Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung erklärt hatte. Durch diese verlangte Prüfung wurde nicht die Rechtsschutzversicherung Auftraggeberin des Beklagten, sondern er hatte weiterhin die Interessen der Klägerin wahrzunehmen und dafür Sorge zu tragen, daß diese die der Sach‑ und Rechtslage entsprechende Deckungszusage für eine umfassende Interessenwahrnehmung im Berufungsverfahren erhielt. Daß dies nicht durch ein falsches „Rechtsgutachten“ erreicht werden durfte und ein solches Ersatzansprüche der Versicherung auslösen konnte, ist eine andere Frage. Ebenfalls eine andere ‑ im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu stellende ‑ Frage ist es auch, ob bei zutreffender Prüfung und Beratung zu den Erfolgsaussichten von Berufungsangriffen diese von der Rechtsschutzversicherung gebilligt oder verworfen worden wären, und die Klägerin gegebenenfalls dann die Berufung auf eigene Kosten durchgeführt hätte. Die vom Beklagten aufgrund einer umfassenden Sachaufklärung und rechtlichen Würdigung geschuldete Erfolgsprognose für die Berufung (vgl. dazu nachfolgend) berührt dies nicht.
11c. Auch in dem zwischen den Parteien vor Begründung der Berufung geführten Informationsgespräch ist nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien durch den Senat keine Einschränkung des Mandates erfolgt. Die Parteien haben übereinstimmend erklärt, daß die Frage der Angemessenheit des Schmerzensgeldes nicht eingehend erörtert, sondern eher am Rande gestreift wurde, und eigentlicher Gegenstand der Besprechung die vom Landgericht nicht zuerkannten Positionen des Steuer-, Haushaltsführungs- und Rentenschadens waren. Insoweit mag dahin stehen, ob dies darauf beruhte, daß nach Behauptung der Klägerin der Beklagte die Höhe des zuerkannten Betrages als sehr hoch bezeichnet hat und sie deshalb die Höhe des Schmerzensgeldes nicht mehr in Frage gestellt hat, ober ob nach Behauptung des Beklagten die Klägerin von sich aus erklärt hat, das Schmerzensgeld sei okay, und er aus diesem Grunde keinen Anlaß sah, den Ausspruch zum Schmerzensgeld weiter und näher zu thematisieren. Selbst nach der Darstellung des Beklagten ist in dieser Erklärung der Klägerin keine Einschränkung des Mandates zu sehen. Da der Beklagte auch nach eigener Darstellung die Klägerin nicht umfassend über die Möglichkeiten und auch Risiken eines Berufungsangriffes gegen das zuerkannte Schmerzensgeld beraten und belehrt hat, und sie keine eigene sachgerechte Entscheidung auf einer solchen Grundlage treffen konnte, durfte der Beklagte die von ihm wiedergegebene Erklärung der Klägerin nicht als eine Beschränkung seines Mandates auffassen.
12II. Die sich aus diesem ‑ auch den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin umfassenden ‑ Berufungsmandat ergebenden Pflichten hat der Beklagte verletzt.
131. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Rechtsanwalt kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, innerhalb der Grenzen auch eines beschränkten Mandats (vgl. BGH in NJW 2002, 1147 ff.; VIZ 1998, 571 [572]; NJW 1997, 2168 [2169]; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdn. 509, 517) die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen (BGH in NJW-RR 2000, 791 ff.; NJW 1998, 900 [901]; NJW 1988, 486 [487]; NJW 1988, 1079 [1080]; vgl. auch Borgmann in NJW 2000, 2953 [2955]). Er hat zunächst zu klären, welches Ziel der Auftraggeber in seiner Rechtsangelegenheit verfolgt (vgl. Zugehör in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 534). Der Anwalt muß dann den ihm vorgetragenen und gegebenenfalls durch Nachfragen weiter aufzuklärenden Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Dem Auftraggeber hat der Anwalt danach diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Dabei muß er den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Auftraggeber den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche rechtliche und auch wirtschaftliche Risiken aufzuklären, damit der Auftraggeber eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlaß gibt, muß der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern (BGH in NJW 1998, 900; NJW 1995, 449 ff.; NJW 1993, 1320); NJW 1994, 1211 (1212)). Er muß seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Auftraggeber in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen sachgerecht entscheiden kann (BGH in NJW-RR 2000, 791 ff.; NJW 1996, 2648 [2649]; NJW 1995, 449 [450]; NJW 1992, 1159; NJW 1991, 2079; NJW-RR 1990, 1241; NJW 1988, 2113; NJW 1988, 563 [566]; BGHZ 89, 178 (182) = NJW 1984, 791 [792, 793]; BGHZ 97, 372 (376) = NJW 1986, 2043).
142. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergaben sich für den Beklagten folgende konkrete Pflichten:
15a. Zunächst war zu bedenken, ob der zuerkannte feste Schmerzensgeldbetrag von 60.000,00 DM (vorgerichtlich gezahlte 30.000,00 DM, durch Urteil zugesprochene weitere 30.000,00 DM) die bereits erlittenen und auch noch zu erwartenden Beeinträchtigungen der Klägerin tatsächlich ausreichend entschädigte.
16aa. Angesichts der Schwere der erlittenen Verletzungen beider Knie (Massive Kreuzbandrisse) und der schlechten Prognose des Gutachtens Prof. Dr. N (fortschreitende Arthrosen der instabilen Gelenke) war bei zunehmendem Alter für die Zukunft eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der im Zeitpunkt der Urteils etwa in der Mitte ihres Lebens stehenden Klägerin nicht auszuschließen. Die Notwendigkeit weiterer, mit Schmerzen und Risiken verbundener Operationen war keine entfernte, eher theoretische Möglichkeit, sondern eher sogar zu erwarten, ohne daß wiederum das genaue Ausmaß späterer Beeinträchtigung verläßlich abzuschätzen war. Daraus ergaben sich aber bei der unangefochtenen Hinnahme des Urteilsausspruchs zur Höhe des unbezifferten, „angemessenen“ Schmerzensgeldes zwei Probleme (vgl. auch v. Gerlach in VersR 2000, 525 [529 ff.]): Erstens waren Unfallfolgen, soweit sie nicht völlig außerhalb normaler Prognostizierbarkeit lagen (vgl. insoweit BGH in NJW 1998, 160; BGH in NJW 1995, 1614), von der Rechtskraft des Urteils erfaßt und konnten später nicht mehr gesondert geltend gemacht werden (vgl. BGH in NJW 1997, 3019 [3021]; BGH in NJW 1995, 1614 zu II.1.b.aa.; BGH in NJW 1980, 754 f.; OLG Hamm, OLGR 1996, 91; OLG Hamm VersR 2001, 1386 ff.; OLG Köln, OLGR 1992, 244 = VersR 1992, 975; OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 1590). Insoweit war zu prüfen, ob diese ‑ unabhängig von einer ausdrücklichen Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichtes über solche Spätfolgen eintretende ‑ Rechtskraftwirkung des Urteils auch in seinem Inhalt ausreichend bei der Bemessung der Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes berücksichtigt worden waren (vgl. insoweit OLG Köln, OLGR 1992, 244 = VersR 1992, 975; v. Gerlach in VersR 2000, 525 [530 zu lit. b]). Falls dies nicht der Fall war, mußte weiter geklärt werden, wie dem am geeignetsten zu begegnen war. Zweitens drohte für Spätschäden, selbst soweit sie nicht von der Rechtskraft des Urteils erfaßt waren, grundsätzlich die kurze Verjährung des § 852 BGB, die durch eine rechtskräftige Entscheidung zur Ersatzpflicht zu verhindern war (vgl. insoweit wegen des auch insoweit dadurch begründeten Feststellungsinteresses BGH in NJW 2001, 3414 ff.). Zwar begann diese Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB erst mit der Kenntnis vom Eintritt eines solchen völlig außerhalb normaler Prognostizierbarkeit liegenden Schadens zu laufen, so daß eine Verjährung nicht unmittelbar drohte. Jedoch war zu bedenken, daß die rechtskräftige Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden die Klägerin zum einen davor bewahrte, mit der Versicherung des Unfallgegners gegebenenfalls einen langwierigen und im Ausgang nicht sicheren Streit um den Umfang der Rechtskraft des Urteils wegen der Vorhersehbarkeit eines solcher Spätfolgen führen zu müssen. Zum anderen war nicht auszuschließen, daß wegen einer falschen subjektiven Einschätzung der Voraussehbarkeit eines solchen von der Rechtskraft nicht erfaßten Schadens oder anderer Unwägbarkeiten dieser nicht rechtzeitig geltend gemacht würde und dann binnen 3 Jahren verjähren konnte.
17bb. Insoweit war insbesondere auch der von der Berufungsbegründung angesprochene Aspekt einer Beschränkung des in erster Instanz geltend gemachten Gesamtschmerzensgeldes auf die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen, verläßlich prognostizierbaren und zu bewertenden Verletzungsfolgen im Wege der offenen Teilklage zu erwägen, um dann mit einem Feststellungsantrag insbesondere auch zu erwartende künftige, aber noch nicht genau abzuschätzende Beeinträchtigungen einer späteren, sichereren Bemessung vorbehalten zu können. Zwar steht der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds, der eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung gebietet (BGH in NJW 2001, 3414; NJW 1995, 781; VersR 1961, 164 [165]), in die die künftige Entwicklung des Schadensbilds bei der Bemessung des Schmerzensgelds mit einbezogen werden muss, einer beliebigen zeitlichen oder auf bestimmte Verletzungsfolgen bezogenen Aufspaltung des Schmerzensgeldes entgegen. Dies gilt aber nur bei einer verläßlichen Prognose der zukünftigen Entwicklung. Läßt sich diese jedoch nicht sicher überschauen, dann erlaubt die Rechtsprechung wegen der Reichweite der Rechtskraftwirkung eines Schmerzensgeldurteils, daß sich der Verletzte nicht mit einer notwendig nur pauschalen Schätzung und Abgeltung der Zukunftsrisiken begnügt, sondern diese ausklammert und durch einen Feststellungsantrag einer späteren Geltendmachung vorbehält (vgl. v. Gerlach in VersR 2000, 525 [530 unter lit. b bb]; BGH in NJW 2001, 3414 [3415]; OLG Hamm in NJW-RR 2000, 1623 = VersR 2001, 1386; OLG Düsseldorf in NJW-RR 1996, 927; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 349; OLG Hamm in OLGR 1991, 5 ff.; OLGR 2000, 230 [232]; NJW-RR 2000, 1623 ff. = VersR 2001. 1386 ff.; OLG Karlsruhe, OLGR 1998, 213 [214]). In einer solchen Lage befand sich aber die Klägerin. Einerseits war in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N eine schlechte Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Schadensfolgen gestellt und insbesondere auf die drohende Gefahr einer Verschlimmerung des Leidens durch eine fortschreitende Arthrose hingewiesen worden. Zu der Notwendigkeit weiterer, späterer Operationen hat das Gutachten dagegen, da in dem Beweisbeschluß keine entsprechenden Fragen formuliert waren, keine Stellung genommen. Insoweit bestand aber eine unsichere Prognoselage, der gerade durch die Beschränkung auf ein Teilschmerzensgeld begegnet werden durfte.
18cc. Allerdings war in die Überlegungen auch einzubeziehen, ob das vom Landgericht gerade in Hinblick auf die schlechte Prognose in dem Gutachten des Sachverständigen zuerkannte Schmerzensgeld von 60.000,00 DM das Prognoserisiko ausreichend abdeckte, und durch die Beschränkung des Leistungsantrages auf die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sicher zu beurteilenden Verletzungsfolgen und die Ausklammerung zukünftiger Entwicklungen im Wege des immateriellen Vorbehaltes durch einen entsprechenden Feststellungsantrag nicht eine Anschlußberufung des Y provoziert werden würde, welche Folgen dies letztlich haben könnte und ob dies den Interessen der Klägerin gerecht wurde. Ferner war zu bedenken, daß eine solche Ausklammerung angesichts des bereits zuerkannten Betrages als nicht mehr erforderlich erachtet werden konnte.
19Die von den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Vorprozeß angesprochenen Schmerzensgeldbeträge (ADAC-Tabelle, 14. Aufl. Nr. 909; 899; 887) zwischen 75 ‑ 60.000,00 DM mit immateriellen Vorbehalt sind für schwerere Verletzungen gewährt worden als sie die Klägerin erlitten hat. Allerdings betrugen die stationären Krankenhausaufenthalte der Klägerin für die Behandlung der Verletzungen, weitere Operationen und Reha‑Maßnahmen bei immerhin 177 Tagen und damit bei rd. 6 Monaten. Die Zeiten der 100 %‑igen Arbeitsunfähigkeit lagen bei 443 Tagen = rd. 1 Jahr 2 ½ Monate. Ferner bestand 50 %‑ige Arbeitsunfähigkeit für die Zeit von 118 Tagen. Schließlich ist durch die unfallbedingten Verletzungen der Klägerin eine Berufsunfähigkeit in ihrem Beruf als Röntgenassistentin eingetreten. Eine Umschulung als Industriekauffrau führte nicht zu einer Arbeitsaufnahme in einem körperlich weniger belastenden Beruf. Vielmehr hat die Klägerin unter Inkaufnahme von Beschwerden ihre alte Tätigkeit doch wieder aufgenommen und nach ihren Angaben bei ihrer Anhörung noch etwa 7 Jahre ausgeübt, bis ein im Januar 2000 erlittener Knöchelbruch im linken Sprunggelenk eine weitere Einschränkung ihrer Belastbarkeit herbeiführte.
20Ob unter Berücksichtigung all dieser Umstände der zuerkannte Festbetrag von 60.000,00 DM auch für ein die Zukunftsschäden ausklammerndes Teilschmerzensgeld noch im Bereich des Angemessenen lag, war zwar nicht völlig von vornherein auszuschließen (vgl. insoweit ADAC-Tabelle, 20. Aufl., Nr. 2294; 2600, 2198; 2267; 2290), aber doch so zweifelhaft, daß ernsthaft mit einer Anschlußberufung des Y und deren Erfolg gerechnet werden mußte. Insoweit stellte sich dann die weitere Frage, ob die Klägerin dadurch nachhaltige Nachteile erleiden konnte, die nicht durch in der Zukunft zu erwartende Vorteile aufgewogen werden konnten (vgl. dazu näher III 2).
21b. Die Prüfung all dieser Fragen und ihre Erörterung mit der Klägerin war nicht etwa deshalb entbehrlich und darum nicht pflichtwidrig, weil eine Berufung insoweit unzulässig gewesen wäre. Zwar konnte mangels formaler Beschwer der Klägerin die Veränderung des zuerkannten Schmerzensgeldes nicht das alleinige und ausschließliche Ziel der Berufung sein (vgl. BGH in NJW 1999, 1339). Dies hinderte die Klägerin grundsätzlich aber nicht, im Rahmen ihrer zulässigen Berufung wegen des Verdienstausfallschadens und des Haushaltsführungsschadens gemäß §§ 523 a.F., 263 ff. ZPO ihre Klage zum Schmerzensgeld zu erweitern oder zu ändern (BGH in NJW 2002, 212 [213]; NJW 2001, 2259 [2260]; BGH in NJW 2001, 226; BGH in NJW 1999, 3126 [3127]; BGH in NJW-RR 1998, 1006; BGH in NJW-RR 1996, 765; BGH in NJW 1996, 527 ff.). Insoweit stellte sich daher nur die Frage, ob der Übergang von einem unbezifferten Gesamtschmerzensgeld auf eine den zuerkannten Betrag umfassende offene Teilklage verbunden mit einem Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige immaterielle Schäden eine ohne weiteres mögliche Klageerweiterung iSd. § 264 Ziff. 2 ZPO oder eine von der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit abhängige Klageänderung iSd. § 263 ZPO darstellte.
22Allerdings ist ‑ wie vom Beklagten in seiner Berufungserwiderung vertreten ‑ vom letzteren auszugehen, weil durch die teilweise Umstellung der Klage auf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden nur dann keine neue, bisher nicht rechtshängige Schmerzensgeldforderung geltend gemacht wird, wenn sich diese Umstellung lediglich auf die nach der bisherigen Sachdarstellung möglichen künftigen immateriellen Schäden bezieht und so der Schmerzensgeldantrag nicht erhöht, sondern nur die Rechtsschutzform für den selben Antrag gewechselt wird (vgl. BGH in ZIP 1976, 199 [203]; vgl. auch BGH in NJW 2001, 2259 zum Übergang von der unterhaltsrechtlichen Leistungsklage zur Abänderungsklage). Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin aber uneingeschränkt die Feststellung der Ersatzpflicht auch für noch nicht voraussehbare künftige immaterielle Schäden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht Streitgegenstand des unbezifferten Antrages auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sind (vgl. OLG Oldenburg in NJW-RR 2000, 903; OLG Hamm in OLGR 1996, 91; BGH in NJW 2001, 3414 [3415]; NJW 1988, 2300 [2301]; BGHZ 67, 372 [373]). Insoweit betrifft der bezifferte Leistungsantrag einen anderen Abgeltungsbereich des Schmerzensgeldes als der Feststellungsantrag. Während das bezifferte Schmerzensgeld alle Verletzungsfolgen abgilt, die bereits eingetreten sind oder doch infolge ihres objektiv und konkret vorhersehbaren Eintritts bereits jetzt bei der Entscheidung berücksichtigt werden können, erfaßt der Feststellungsantrag solche Spätfolgen, die aus objektiver Sicht nicht so nahe liegen, daß sie bei der Bemessung des Schmerzensgeldes schon jetzt verläßlich berücksichtigt werden könnten (vgl. insoweit OLG Hamm in VersR 2001, 1386 f.) und die völlig unvorhersehbaren Spätfolgen.
23Dennoch war aber die Annahme begründet, daß bei verweigerter Einwilligung des Gegners das Berufungsgericht die Klageänderung als sachdienlich ansehen würde. Trotz dieser unterschiedlichen Reichweite der Anträge wäre zur Begründung des Feststellungsantrages kein völliger Austausch des Lebenssachverhaltes erforderlich gewesen, sondern über den Feststellungsantrag konnte auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zum Haftungsgrund und der von der Klägerin erlittenen Verletzungen entschieden und dadurch ein neuer, weiterer Rechtsstreit vermieden werden.
24c. Schließlich konnte von einer Prüfung einer Klageerweiterung oder Klageänderung zum Schmerzensgeld auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil weitergehende Ansprüche der Klägerin zweifelsfrei gemäß § 852 BGB verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar gewesen wären.
25Daß das Unfallereignis vom 19. August 1988 im Zeitpunkt der Mandatierung des Beklagten am 19. Mai 1994 und der Einlegung der Berufung am 07. Juni 1994 bereits 5 ½ Jahre zurücklag, schadete nicht. Die Klägerin hatte schon rd. 3 ½ Wochen nach dem Unfall vom 19. August 1988 mit Schreiben des Rechtsanwaltes E4 vom 13. September 1988 bei der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dem Y a. G. (Y) ihre Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens angemeldet. In Hinblick auf eine „derzeit“ noch nicht endgültig abzugebende Diagnose wurde unter ausdrücklichem Vorbehalt der Geltendmachung weiteren Schadens und Schmerzensgeldes eine „vorläufige“ Bezifferung von Ersatzansprüchen vorgenommen. Im weiteren Verlauf erfolgte dann eine umfangreiche Korrespondenz zwischen den Anwälten der Klägerin und dem Y. Dieser hat dann erst mit Schreiben vom 06. Juli 1992 eine endgültige Regulierungsentscheidung getroffen. Damit war aber in dem Zeitraum zwischen der Anmeldung der Ersatzansprüche am 19. August 1988 und der schriftlichen Entscheidung des Y am 06. Juli 1992 die Verjährung des Schadensersatzanspruches gemäß § 3 Nr. 3 + 4 PflVG gehemmt (vgl. BGHZ 67,372 [373]). Da bis zu diesem Zeitpunkt von der 3‑jährigen Frist des § 852 BGB erst rd. 4 Wochen verstrichen waren, trat die Verjährung frühestens Anfang Juni 1995 ein. Im Zeitpunkt der Mandatierung des Beklagten mit Schreiben vom 19. Mai 1994 und auch noch des Eingangs der Berufungsbegründung am 21. Oktober 1994 konnte die Verjährungseinrede daher dem geänderten Klageantrag nicht entgegengesetzt werden.
26Der Beklagte konnte auch nicht ohne weiteres aufgrund des Zeitablaufes von einer Verjährung des Anspruchs ausgehen. Die im Vorprozeß zu den Akten gereichten Urkunden legten nahe, daß schon recht früh die Ersatzansprüche der Klägerin angemeldet worden waren und sich die Regulierungsverhandlungen über einen längeren Zeitraum hingezogen hatten. Schon der vom Y angeforderte ärztliche Kurzbericht des Krankenhauses M vom 30. September 1988, der den Eingangsstempel des Rechtsanwaltes E3 vom 15. November 1988 trägt, legt solche Regulierungsverhandlungen nahe. Bei etwaigen Zweifeln hätte sich der Beklagte um die Klärung dieses Hemmungszeitraumes bemühen müssen, die anhand der Korrespondenz unschwer zu erreichen war.
273. Insgesamt ergab sich so für den Beklagten hinsichtlich des Schmerzensgeldes ein erheblicher Prüfungs- und Aufklärungsbedarf, der dann in eine entsprechende Belehrung und Beratung der Klägerin umzumünzen war, damit diese in Abstimmung mit der Rechtsschutzversicherung eine sachgerechte Entscheidung darüber treffen konnte (siehe insoweit Sieg in „Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 771; Zugehör in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 980; BGH in NJW 1993, 1325 [1326]; NJW 1992, 1159; NJW -RR 1993, 24), ob und in welchem Umfang mit der Berufung auch wegen des Schmerzensgeldes weitergehende Ansprüche ‑ höherer bezifferter Schmerzensgeldbetrag und/oder zusätzlicher Feststellungsantrag ‑ durchgesetzt werden sollten. Weder hat der Beklagte alle diese Fragen mit der Klägerin eingehend erörtert, noch hat sich diese dann aufgrund einer solchen Erörterung mit dem zuerkannten Schmerzengsgeld „einverstanden“ erklärt.
28Ist zwischen den Parteien streitig, ob der Anwalt die nach der Sach‑ und Rechtslage gebotene Beratung vorgenommen oder die erforderliche Belehrung erteilt hat, dann hat zwar nicht der Anwalt die Erfüllung dieser Pflicht zu beweisen. Die Beweis- und damit auch die Darlegungslast liegt vielmehr beim Mandanten, weil die Pflichtverletzung des Anwaltes die Tatbestandsvoraussetzung eines Schadensersatzanspruches nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung ist. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß dem Mandanten der schwierige Nachweis einer negativen Tatsache ‑ Fehlen der geschuldeten Belehrung oder Beratung ‑ auferlegt wird. Diesem Umstand trägt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber durch eine gestufte Darlegungslast Rechnung: Der Anwalt darf sich nicht darauf beschränken, pauschal eine unterlassene Belehrung zu bestreiten. Er hat nach gefestigter Rechtsprechung vielmehr zunächst Zeit, Umstände, Art und Inhalt der erteilten Belehrung und den Verlauf des Beratungsgesprächs, insbesondere auch die Reaktionen des Mandanten auf die erteilten Ratschläge konkret darzulegen. Erst dann hat der Mandant eine solche konkrete Behauptung der Erfüllung der Belehrungspflicht auszuräumen (vgl. Fischer in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 1004 ff.; BGH in NJW-RR 1999, 641 [642]; 1994, 3295 [3299 unter 2.]; NJW 1993, 1139 (1140 unter c); NJW 1987, 1322 ff.). Kommt der Anwalt seiner Darlegungslast nicht nach, gilt die Darstellung des Mandanten gemäß § 138 Abs. 3 BGB als zugestanden. Der Anwalt muß allerdings den Ablauf des Gesprächs nicht in allen Einzelheiten darstellen. Damit wäre er häufig in Anbetracht der seither vergangenen Zeit überfordert. Der rechtliche Berater kann einen entsprechenden, längere Zeit zurückliegenden Vorgang in der Regel nur dann umfassend darstellen, wenn er ihn in unmittelbarem zeitlichen Anschluß schriftlich festgehalten hat. Das würde seine Arbeit jedoch im Hinblick auf die Vielzahl der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben unzumutbar erschweren und widerspräche häufig auch dem aus der Beauftragung entstandenen Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Daher genügt es, wenn der Berater im Prozeß die wesentlichen Punkte des Gesprächs in einer Weise darstellt, die erkennen läßt, daß er den ihm obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten gerecht geworden ist (vgl. BGH in NJW 1996, 2571 ff.). Dies kann der pauschalen Behauptung des Beklagten, die Klägerin sei mit dem zuerkannten Schmerzensgeld einverstanden gewesen, nicht entnommen werden, so daß ihre gegenteilige Darstellung als zugestanden gilt.
29III. Die unterbliebene Beratung und Belehrung hat auch zu einem Schaden der Klägerin geführt.
301. Der Beklagte kann dies nicht, wie in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2002 erfolgt, damit in Frage stellen, daß er sich auf die Vereinbarung eines immateriellen Vorbehalts in den vorprozessualen Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Y beruft. Nach seiner eigenen Darstellung in der Berufungserwiderung entzieht es sich seiner Kenntnis, ob die Klägerin vorprozessual durch ihre Bevollmächtigten einen Anspruch auf Feststellung zukünftiger immaterieller Ersatzpflicht geltend gemacht und der Y einen solchen Anspruch anerkannt hat. Zwar ist es einer Partei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich gestattet, ihre Vermutungen über tatsächliche Vorgänge, die nicht Gegenstand eigener Wahrnehmung waren, in die Form einer Tatsachenbehauptung zu kleiden, über die dann gegebenenfalls Beweis zu erheben ist (vgl. BGH in NJW 2000, 2812 [2813]; NJW-RR 1999, 361; NJW-RR 1997, 116). Allerdings darf eine solche Behauptung nicht ohne jegliche Tatsachengrundlage „ins Blaue“ hinein aufgestellt werden und so auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen (BGH aaO.). Für die vom Beklagten geäußerte Vermutung ergeben sich aber keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte. Sie wird im Gegenteil durch vorhandene Urkunden und den Gang der Ereignisse widerlegt. In seinem Schreiben vom 06. Juli 1992, in dem der Y die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen für gescheitert erklärt und „abschließend“ zu den Schadensersatzansprüchen der Klägerin Stellung nimmt, kündigt er zur „Klaglosstellung“ der Klägerin die Zahlung eines von ihm für angemessen erachteten Schmerzensgeldes von 30.000,00 DM an. Während für etwaige materielle Zukunftsschäden anschließend ausdrücklich eine Ersatzpflicht mit den Wirkungen eines Feststellungsurteiles anerkannt wird, fehlt ein solches Anerkenntnis für etwaige immaterielle Schäden. Daß etwa früher oder später auch insoweit vom Y ein Vorbehalt akzeptiert worden wäre, stünde in Widerspruch zu der im Schreiben vom 02. Mai 2000 erklärten Ablehnung der Zahlung eines Schmerzensgeldes für die im September 1999 erfolgte Operation als von der Rechtskraft des Urteils erfaßt und die Hinnahme dieser Ablehnung durch den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Regreßverfahren. Beides wäre unverständlich, wenn ein solcher Vorbehalt verlangt und abgegeben worden wäre.
312. Es mag dahin stehen, ob schon die Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens dafür spricht, daß sich die Klägerin nach pflichtgemäßer Beratung des Beklagten dazu entschieden hätte, entsprechend dem nunmehrigen Berufungsvorbringen im Regreßverfahren den zuerkannten Schmerzengsgeldbetrag mit der Berufung in Frage zu stellen und diesen nunmehr nur noch im Wege der offenen Teilklage als Teilschmerzensgeld verbunden mit einem Feststellungsantrag für zukünftige Folgeschäden geltend zu machen. Zumindest spricht nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin eine auf gesicherter Grundlage beruhende überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. insoweit Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 287 Rdn. 2; BGH in NJW 2000, 2814 [2815]; NJW 2000, 509 f.; BGH in NJW 2000, 1572 [1573]; BGH NJW-RR 1999, 19; NJW 1993, 1320; WM 1993, 610; NJW-RR 1992, 997; NJW 1993, 734) für ein solches Verhalten, die für die gemäß § 287 ZPO festzustellende Kausalität ausreicht.
32Die von der Rechtsprechung anerkannte Vermutung, daß derjenige, der einen anderen wegen seiner besonderen Sachkunde um Rat fragt, sich beratungsgemäß verhalten hätte, wenn er von diesem zutreffend aufgeklärt und beraten worden wäre (vgl. BGH in NJW 2000, 2814 [2815]; NJW-RR 1999, 641 [642]; NJW 1998, 749 [750]; NJW 1994, 3295 [3298]; NJW 1993, 3259; NJW 1992, 1159 [1160, 1161]; siehe auch Fischer in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 1053 ff.), greift allerdings grundsätzlich nur dann ein, sofern bei sachgerechter Aufklärung im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Menschen eindeutig eine bestimmte Reaktion nahegelegen hätte (vgl. BGH in NJW 1994, 3295 [3298]; NJW 1993, 3259). Dies beschränkt sich nicht nur auf den Fall, daß der Anwalt eine eindeutige Empfehlung in einer Richtung schuldete. Auch wenn er mit entsprechenden Warnungen noch andere, risikoreichere Alternativen aufzeigen durfte, stellt dies für einen vernünftigen Menschen noch keine gleichgewichtige Wahlmöglichkeit dar, die die Vermutung entkräften könnte (vgl. BGH in VIZ 1998, 281 ff.). Im vorliegenden Fall spricht etliches dafür, daß der Klägerin der Übergang zu einer offenen Teilklage verbunden mit einem Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden nahezulegen war. Selbst wenn dann wegen der Ausklammerung der Zukunftsschäden eine Herabsetzung des Zahlbetrages in Betracht kommen konnte, so wäre der Zahlbetrag doch später bei Eintritt des konkreten Schadens um so höher gewesen. Das Risiko, durch die gegenwärtige Hinnahme eines höheren Betrages in Zukunft eine zu geringe Entschädigung zu erhalten, war angesichts der Verletzungen und der Prognosen weitaus größer als die Chance, daß keine weitere Verschlechterung eintrat und damit ein eigentlich zu hoher Schmerzensgeldbetrag zuerkannt worden war. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin aufgrund besonderer finanzieller Verhältnisse erkennbar daran interessiert gewesen wäre, sofort einen möglichst hohen Zahlbetrag zu erhalten, und dieses Interesse konkret absehbare zukünftige Nachteile überwog. Die Klägerin hat vielmehr bei ihrer Anhörung durch den Senat glaubhaft erklärt, sie habe schon damals ernsthaft befürchtet, die Angelegenheit mit ihren Knien werde nicht in Ordnung gehen, weshalb sie eine Sicherung für die Zukunft bevorzugt hätte. Ferner war zu berücksichtigen, daß die Klägerin infolge der bestehenden Rechtsschutzversicherung (vgl. dazu nachfolgend zu c.) keine Kostennachteile zu befürchten und insgesamt kaum etwas zu verlieren, aber viel zu gewinnen hatte. Wäre all dies bei pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten zur Sprache gekommen und erörtert worden, so hätte der Beklagte der Klägerin das nunmehr in Frage stehende Verhalten als die vernünftigste Handlungsalternative empfehlen dürfen.
33Selbst wenn diese Empfehlung nicht so eindeutig hätte ausfallen müssen, daß sie Grundlage für die Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens sein konnte, so führen die Gesamtumstände doch gemäß § 287 ZPO zu der Überzeugung des Senates, daß die Klägerin einer solchen Empfehlung des Beklagten ebenso gefolgt wäre, wie sie im vorliegenden Verfahren dem Rat ihres Berufungsanwaltes gefolgt ist.
343. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß die Rechtsschutzversicherung der Klägerin die Deckungszusage für einen solchen Berufungsangriff erteilt hätte. Sie hat den Beklagten mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung beauftragt. Wenn dieser daher Erfolgsaussichten nicht von vornherein ablehnen mußte, was nicht der Fall war (vgl. oben), sondern sogar eine recht günstige Erfolgsprognose abgeben konnte, so kann davon ausgegangen werden, daß sich die Rechtsschutzversicherung dieser Prognose des Beklagten gebeugt und das von einer Rechtsschutzversicherung gerade abgedeckte Risiko einer im Ergebnis offenen Rechtsverfolgung übernommen hätte. Wenn nicht auch insoweit schon die Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens greift, so spricht doch gemäß § 287 ZPO eine auf gesicherter Grundlage beruhende, überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Gewährung des Deckungsschutzes. Daß dieser trotz entsprechendem Bericht des Beklagten von der Rechtsschutzversicherung versagt worden wäre, behauptet der Beklagte selbst nicht.
354. Die Klägerin wäre bei einer vom Beklagten pflichtgemäß auch wegen des Schmerzensgeldanspruchs erhobenen Berufung allerdings mit ihrem Begehren, neben dem bereits zuerkannten Zahlbetrag von weiteren 30.000,00 DM zusätzlich die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden zu erhalten, nicht in vollem Umfang durchgedrungen. Die insoweit erforderliche Beurteilung des hypothetischen Ausgangs des Vorprozesses obliegt allein dem Senat. Er hat in eigener Verantwortung selbst zu befinden, wie der Vorprozeß richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, wenn der Beklagte pflichtgemäß gehandelt hätte und der vollständige entscheidungserhebliche Sachverhalt (vgl. BGH in NJW 2002, 1417 [1418]; 2001, 673 [674]; NJW 1996, 2501; NJW‑RR 1990, 1241 [1244, 1245]; 1987, 3255) damals unterbreitet worden wäre. Unerheblich ist, wie seinerzeit mutmaßlich entschieden worden wäre (vgl. BGH in NJW 2000, 1572 [1573]; NJW 1994, 1211 ff.; NJW 1993, 1323 ff.; NJW 1997, 1008 ff.; Fischer in Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdn. 1100 ff.).
36a. Die vom Beklagten bei pflichtgemäßen Verhalten mit der Berufung vorzunehmende Klageänderung ‑ Umstellung des unbezifferten Gesamtschmerzensgeldanspruchs auf eine offene Teilklage hinsichtlich des zuerkannten Zahlbetrages verbunden mit dem Feststellungsantrag zur Ersatzpflicht für zukünftige Schäden ‑ wäre zulässig und teilweise begründet gewesen. Insoweit wird auf die bereits oben im Rahmen der Pflichtverletzung dargelegte Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer solchen Berufung und Klageänderung, der sich der Senat in vollem Umfang anschließt, verwiesen.
37Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungsantrag war auch sachlich begründet. Angesichts des im Vorprozeß vorgetragenen und festgestellten Sachverhaltes konnten die nunmehr eingetretenen Spätschäden zwar nicht ausgeschlossen werden und waren von der infolge der Pflichtverletzung des Beklagten eingetretenen Rechtskraft des Urteils umfaßt. Dennoch waren sie noch nicht so verläßlich abzuschätzen, daß mehr als eine pauschale Abgeltung möglich gewesen wäre, deren Reichweite aus dem Urteil des Landgerichts nicht zu ermitteln war. Dies ist aber die typische Situation, der durch eine mit einem Feststellungsantrag verbundenen offenen Teilklage begegnet werden kann. Deren Voraussetzungen sind, wie bereits dargelegt, erfüllt.
38b. Allerdings mußte sich diese Klageänderung auf den zuerkannten Zahlbetrag von (weiteren) 30.000,00 DM auswirken. Da die Umstellung des Klageantrages ‑ wie bereits ausgeführt ‑ zu einer Klageänderung geführt hätte, konnte die Bemessungsgrundlage für das angemessene Schmerzensgeld zwar nicht wie ein unselbständiger Rechnungsposten einer Schadensersatzforderung (vgl. insoweit Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 308 Rdn. 4; BGH in NJW-RR 1990, 997 [998]) zwischen dem Leistungsantrag und dem Feststellungsantrag auch ohne besonderen Antrag durch das Gericht des Vorprozesses verschoben werden, sondern der zuerkannte Zahlbetrag blieb bestehen, wenn er von dem Y nicht mit einer Anschlußberufung angegriffen worden wäre. Der Senat ist aber gemäß § 287 ZPO davon überzeugt, daß eine solche Anschlußberufung eingelegt worden wäre.
39Da hier das hypothetische Verhalten eines Dritten in Frage steht, dessen rechtliche Beratung nicht bekannt ist, kann dieses Verhalten allerdings nicht nach dem Grundsätzen des beratungsgemäßen Verhaltens beurteilt werden. Dennoch ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß ein solcher Dritter in der Regel überfordert ist, aus seiner heutigen Sicht der Dinge die Frage nach seiner damaligen Reaktion auf ein hypothetisches Ereignis verläßlich zu beantworten, und deshalb maßgeblich zu berücksichtigen ist, welche Entscheidung damals aus objektiver Sicht vernünftig gewesen wäre (vgl. BGH in NJW 2000, 2814 [2815]). Auch unter Berücksichtigung der gerichtsbekannt eher zurückhaltenden Regulierungspraxis des Y ist aber mit einer auf gesicherter Grundlage beruhender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß dieser die anspruchserweiternde Klageänderung nicht hingenommen, sondern die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrages wegen der teilweise in den Feststellungsantrag verschobenen Bemessungsgrundlagen im Wege der Anschlußberufung in Frage gestellt hätte, weil dies erfolgsversprechend war. Das Landgericht hat zwar ohne konkrete Fixierung des Gewichtes, aber doch mit ausdrücklichem Hinweis auf das Bestehen der von dem Sachverständigen Prof. N in seinem Gutachten abgegebenen schlechten Prognose zur weiteren Entwicklung des unfallbedingten gesundheitlichen Zustandes der Klägerin ein für die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung verläßlich zu beurteilenden Gesundheitsschäden zu hohes Schmerzensgeld zu gesprochen, daß letztlich nur durch die pauschale Abgeltung auch der noch zu erwartenden zukünftigen Verschlechterungen gerechtfertigt war. Wenn diese pauschale Abgeltung der Zukunftsrisiken nunmehr aus dem bezifferten Schmerzensgeld herausgenommen und in den Feststellungsantrag verlagert wurde, dann war eine deutliche Herabsetzung des Betrages gerechtfertigt, was sich der Haftpflichtversicherung ohne weiteres aufdrängen mußte, und von ihr in das Einlegen einer Anschlußberufung umgemünzt worden wäre.
40Diese Anschlußberufung wäre auch in Höhe eines Betrages von 10.000,00 DM begründet gewesen. Die von der Klägerin erlittenen Verletzungen und die daraus entstandenen, bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht verläßlich zu beurteilenden Beeinträchtigungen hätten nach Ansicht des Senates ein Schmerzensgeld von 50.000,00 DM gerechtfertigt, während die schlechte Prognose, die weitere Operationen zwar schon wahrscheinlich, aber noch nicht unbedingt voraussichtlich machte, mit einem Pauschalzuschlag von 20 % = 10.000,00 DM zu bemessen gewesen wäre (vgl. zu einer solchen Schätzung OLG Köln in OLGR 1992, 244 f.; v. Gerlach in VersR 2000, 525 [530]).
41IV. Der auf der Pflichtverletzung des Beklagten beruhende Schaden ist nur teilweise in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe angefallen.
421. Hinsichtlich des Umfanges des Feststellungsantrages verweist die Klägerin zu Recht darauf, daß sie bei pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten die uneingeschränkte Feststellung der Ersatzpflicht des Y für sämtliche über die offene Teilklage hinausgehenden zukünftigen immateriellen Schäden erlangt hätte. Insoweit kann sie im Wege der Naturalrestitution aber die Feststellung einer entsprechenden uneingeschränkten Ersatzpflicht des Beklagten beanspruchen. Dem steht nicht entgegen, daß weiterhin ein primärer Ersatzanspruch der Klägerin gegen den Y wegen solcher Spätfolgen besteht, die unvorhersehbar sind und daher nicht Streitgegenstand der Klage des Vorprozesses waren und durch dessen rechtskräftige Entscheidung nicht erfaßt werden. Dieser eingeschränkte materiellrechtliche Ersatzanspruch ist der uneingeschränkten prozessualen Feststellung der Ersatzpflicht nicht gleichwertig. Die uneingeschränkte prozessuale Feststellung der Ersatzpflicht ersparte der Klägerin einen Streit über den Umfang der Rechtskraft des Vorprozesses wegen der Frage, ob die nunmehr geltend gemachten Spätfolgen noch vorhersehbar waren oder außerhalb normaler Prognostizierbarkeit lagen. Ferner bot die prozessuale Feststellung der Ersatzpflicht mit der 30‑jährigen Verjährungsfrist des § 218 BGB auch größeren Schutz vor einer möglichen Verjährung, der der materielle Anspruch mit einer Frist von 3 Jahren nach Kenntnis unterlag. Der Verlust einer solchen Rechtsstellung, zu der der Beklagte der Klägerin aufgrund des ihm erteilten Mandates zu verhelfen hatte, stellt aber einen ersatzfähigen Schaden dar (BGH in NJW 1997, 2946 [2947]; NJW 1996, 48 [51]).
43Dieser Schaden entfällt auch nicht dadurch, daß die Klägerin, treten unvorhersehbare Spätfolgen ein, insoweit noch einen Ersatzanspruch gegen den Y besitzt. Ersatzansprüche gegen Dritte sind schadensrechtlich grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Fischer in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 1094; BGH in NJW 1997, 2946 [2948]). Insoweit könnte der Beklagte lediglich gemäß § 255 BGB die Abtretung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen den Y Zug‑um‑Zug gegen Ausgleich des Schadens verlangen.
44Insoweit ist es auch unerheblich, daß der Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung einen Schaden der Klägerin wegen der im September 1999 erfolgten Operation mit der Begründung bestritten hat, die Notwendigkeit einer solchen Operation sei im Vorprozeß nicht voraussehbar gewesen, und ein dadurch begründetes Schmerzensgeld könne weiterhin noch vom Y beansprucht werden. Auf einen solchen Prozeß gegen den Y, der im Schreiben vom 02. Mai 2000 eine Regulierung des wegen der Operation geltend gemachten weiteren Schmerzensgeld unter Hinweis auf die Vorhersehbarkeit dieser Spätfolge und der damit eingreifenden Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß abgelehnt hat, muß sich die Klägerin ‑ wie weiter oben dargelegt ‑ gerade nicht verweisen lassen. Sie kann vielmehr den Beklagten in Regreß nehmen und es diesem überlassen, vermeintliche Ansprüche gegen den Y nach einer von ihm zu beanspruchenden Abtretung selbst durchzusetzen.
45Darüber hinaus wäre der Frage der Vorhersehbarkeit dieser Spätfolge auch aus prozessualen Gründen nicht nachzugehen. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung ist die Vorhersehbarkeit dieser Folge vom Beklagten nicht nur unbestritten geblieben, sondern war im Gegenteil von ihm selbst in der Klageerwiderung auf Seite 6, im Schriftsatz vom 14. März 2001 auf Seite 2 und schließlich in der Berufungserwiderung auf Seite 6 ausdrücklich behauptet worden. Selbst wenn darin kein Geständnis der Voraussehbarkeit zu erblicken wäre, war diese bis zur letzten mündlichen Verhandlung unstreitig. Wenn das nunmehrige Bestreiten erheblich wäre, wäre es gemäß § 527 ZPO als verspätet anzusehen, weil es zu einer Verzögerung des im übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreites infolge einer dann erforderlichen Beweisaufnahme führen würde.
46Eine Beschränkung des Feststellungsanspruchs ist nur insoweit eingetreten, als die Klägerin nunmehr wegen der konkreten Spätfolge der Operation im September 1999 von dem infolge der Pflichtverletzung des Beklagten unterbliebenen immateriellen Vorbehalt Gebrauch und ein konkretes Schmerzensgeld für diese Spätfolge geltend gemacht hat. In diesem Umfang hat sich der Vorbehalt verbraucht.
472. Auch gegen die geltend gemachte Höhe des Schmerzensgeldes von 10.000,00 DM für die Operation, der sich die Klägerin im September 1999 unterziehen mußte, bestehen als solche keine Bedenken. Dieser Betrag hält sich in dem Rahmen, der für vergleichbare Verletzungsfolgen schon zuerkannt worden ist (vgl. etwa ADAC‑Schmerzensgeldtabelle, 20. Auf., Nr. 741; 1094). Gegen eine solche Höhe des für eine solche Operation zu zahlenden angemessenen Schmerzensgeldes hat der Beklagte zudem auch keine konkreten Einwände erhoben.
48Auf diesen Schmerzensgeldbetrag hat sich die Klägerin aber – wie in den mündlichen Verhandlungen vom 22. Januar und 16. Mai 2002 eingehend erörtert ‑ im Wege der Vorteilsausgleichung den Betrag anrechnen zu lassen, um den bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten der zuerkannte Zahlbetrag wegen des Erfolges des Feststellungsantrages zu kürzen gewesen wäre. Insoweit gilt das § 249 BGB zugrundeliegende schadensrechtliche Bereicherungsverbot (vgl. BGH in NJW 1985, 128 [129]; NJW 1986, 2037; NJW 1997, 1008 [1012]), daß der Geschädigte nicht in unangemessener Weise zu Lasten des Schädigers besser gestellt werden soll, als er ohne das Schadensereignis stehen würde (BGHZ 60,353 [358]). Dies wäre aber der Fall, wenn die Klägerin sowohl den wegen des pflichtwidrigen Verhaltens erlangten Schmerzensgeldbetrag von 60.000,00 DM behalten, als auch zusätzlich das Schmerzensgeld für die im September 1999 erforderlich gewordene Operation erhalten würde. Aus diesem Grunde muß sich die Klägerin den Betrag von 10.000,00 DM, den sie damals wegen des pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten zuviel erhalten hat, auf das ihr aus einem pflichtgemäß erreichten immateriellen Vorbehalt erwachsende Schmerzensgeld anrechnen lassen. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, daß die Klägerin wegen der Beeinträchtigungen durch die Operation im September 1999 keine weiteren Ansprüche mehr herleiten kann.
49V. Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf § 288 BGB.
50B.
51Die Berufung ist ferner unbegründet, soweit die Klägerin gemäß den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung die Zahlung von 6.883,27 DM wegen der nicht mit der Berufung geltend gemachten Rentenversicherungsbeiträge begehrt.
52I. Daß die Prüfung des vom Landgericht abgewiesenen Anspruchs auf Zahlung der dem Y rückerstatteten Rentenversicherungsbeiträge und gegebenenfalls seine Durchsetzung im Berufungsverfahren zum beschränkten Mandat des Beklagten gehörten, zieht dieser zu Recht nicht in Zweifel.
53II. Daß und gegebenenfalls wie der Beklagte die Klägerin entgegen seinem Schreiben vom 13. Juni 1996, in dem er die Rechtsschutzversicherung der Klägerin um die Erteilung der Deckungszusage für eine Erweiterung der Berufung auf diesen vom Landgericht abgewiesenen Betrag gebeten hat, über die Erfolgsaussichten und die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs belehrt und diese deshalb von einer Berufung abgesehen hat, hat der Beklagte entgegen den Anforderungen der ihm insoweit obliegenden Darlegungslast (vgl. dazu oben unter A II 3) nicht konkret dargelegt. Aus diesem Grunde gilt die Behauptung der Klägerin, daß eine solche Beratung pflichtwidrig nicht stattgefunden habe, als zugestanden.
54III. Diese Pflichtverletzung des Beklagten hat aber nicht zu einem Schaden der Klägerin geführt. Allein die Feststellung des pflichtwidrigen Verhaltens begründet noch keine Schadenskausalität. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie sich die Vermögenslage der Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten entwickelt hätte (vgl. Fischer in „Handbuch der Anwaltshaftung“ Rdn. 1087; BGH in NJW 2001, 673 [674]; NJW 2000, 1572 [1573]; NJW 2000, 664 [667]; NJW-RR 1999,19 [21]; NJW 1998, 1860 [1862]; NJW 1998, 982 [983]; NJW 1997, 1008; NJW 1990, 2128 [2129]). Bei einer völlig unterbliebenen Beratung und Belehrung ist daher zunächst festzustellen, welchen Inhalt die angesichts der Sach- und Rechtslage zutreffende Belehrung hätte haben müssen.
551. Diese hätte aber darin bestehen müssen, daß der Klägerin kein nicht auf die BfA gemäß § 119 SGB X übergegangener Anspruch gemäß §§ 842, 843 BGB, 11 StVG, 3 PflVG auf direkte Auszahlung von Rentversicherungsbeiträgen in Höhe von 6.883,27 DM zustand, der gegenüber dem Y geltend zu machen war. Zwar gehören zu dem Erwerbs- und Fortkommensschaden, den der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer dem Verletzten nach §§ 842, 843 BGB, § 11 StVG, § 3 PflVG zu ersetzen hat, auch die Nachteile, die der Verletzte als Sozialversicherter dadurch erleidet, daß für ihn durch den Verlust der versicherungspflichtigen Beschäftigung infolge der Arbeitsunfähigkeit von seinem bisherigen Arbeitgeber keine Versicherungsbeiträge mehr abgeführt werden. Für den hier gemäß der Berechnung der BfA vom 03. Dezember 1991 und den vorgelegten Bescheinigungen der M2 Krankenkasse vom 01. Oktober 2001 maßgeblichen Zeitraum vom 30. August 1989 bis 30. April 1991 galt noch nicht die erst zum 01. Januar 1992 in Kraft getretene Vorschrift des § 62 SGB VI, daß ein Regreß des Versicherungsträgers gegen einen Drittschädiger oder dessen Hapftpflichtversicherung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil dem Versicherten durch begünstigende Regelungen des Rentversicherungsrechtes kein Rentenschaden durch den Ausfall von Beiträgen entstanden ist. Aus diesem Grunde ist der Klägerin bei sog. unfallfester Position ihres Rentenanspruchs für diese Zeit kein ersatzfähiger und insoweit gemäß § 119 SGB X auf die BfA übergegangener Schaden entstanden, der einen direkten Anspruch auf die Beitragszahlung begründen könnte, sondern die Rechte der Klägerin sind insoweit ausreichend durch die vom Y anerkannte Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden, dh. auch für etwaige Rentenausfälle durch unzureichende Beitragsleistungen gewahrt (vgl. insoweit BGH in NJW 1992, 509). Nach dem Schreiben der BfA vom 19. Mai 1992 hatte die Klägerin aber gerade eine solche unfallfeste Position schon erlangt, zumindest konnte dies nicht ausgeschlossen werden, so daß kein Nachweis des Eintritts eines Schadens gegenüber dem Y geführt werden konnte. Deshalb und gerade in Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat die BfA nach unwidersprochen gebliebener und durch das Schreiben der BfA vom 19. Mai 1992 an die Klägerin eher bestätigter Darstellung des Y im Vorverfahren den insoweit rechtsgrundlos eingezogenen Beitragsausfall wieder zurückerstattet. Daß diese in dem Schreiben vom 05. März 1993 von ihr ausdrücklich wiederholte Würdigung der BfA etwa falsch gewesen war, und die Klägerin noch keine unfallfeste Position hat, wird von ihr weder behauptet, noch etwa konkret und im Einzelnen dargelegt. Da die Klägerin zudem den von ihrem regulären Arbeitsentgelt zu tragenden Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung auch niemals in bar ausgezahlt erhalten hätte, ist ihr durch die Rückzahlung an den Y jedenfalls insoweit kein jetzt erstattungsfähiger Schaden entstanden, als der Y von diesem geleistete Schadensersatzbeträge zurückerhielt.
56Demgegenüber ist die Behauptung der Klägerin nicht nachzuvollziehen, daß der Y den von der BfA gemäß der Berechnung von 03. Dezember 1991 angeforderten und von dieser dann zurücküberwiesenen Betrag von 14.408,55 DM nicht voll, sondern nur zur Hälfte gezahlt haben soll, während die andere Hälfte durch Zahlungen der M2 Krankenkasse erbracht worden sei, die entsprechende Beiträge zu Rentenversicherung von dem Krankengeld einbehalten habe. Es mag ja sein, daß die M2 Krankenkasse von dem Krankengeld als Lohnersatzleistung auch Beiträge zur Rentenversicherung einbehalten und abgeführt hat (vgl. die Mitteilungen Bl. 52, 53 BA, 227 d. A.). Insoweit handelt es sich aber um zusätzliche Zahlungen, die mit dem von dem Y angeforderten, aus dem vollen regulären Bruttoverdienst der Klägerin berechneten Betrag von 14.408,55 DM nichts zu tun haben. Darüber hinaus belegen die von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der M2 Krankenkasse über den „Beitragsanteil des Versicherten“ (Bl. 227 - 231) auch nur eine Höhe des Anteils von 2.938,19 DM. Ein Betrag von 6.883,27 DM ist so schon zahlenmäßig nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht verständlich, warum die Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen aus dem Krankengeld dem Y zugerechnet werden sollten. Falls keine Rechtsgrundlage für eine solche Abführung bestand, war das Erstattungsverfahren im Rahmen dieser Leistungsbeziehungen rückabzuwickeln. Darauf ergeben sich auch aus dem von der Klägerin selbst im Vorverfahren vorgelegten Schreiben der BfA vom 05. März 1993 und seinen Anlagen (Bl. 194 ‑ 197 BA) Hinweise.
57Auch die von der Klägerin angeführte Vorschrift des für den fraglichen Zeitraum noch geltenden § 1385 b Abs.3 RVO gibt für einen Anspruch der Klägerin gegen den Y nichts her. Dieser regelt nur den Fall einer „doppelten“ Beitragszahlung für Ausfallzeiten, einerseits durch den nach § 119 SGB X übergegangenen, nach dem vollen Bruttoentgelt des Versicherungsnehmers berechneten Ersatzanspruch gegen den Unfallgegner oder dessen Versicherung und andererseits durch eine von § 1385 b Abs. 1 RVO für Ausfallzeiten angeordnete Beitragspflicht auf der Grundlage der während der Ausfallzeit an den Versicherungsnehmer erbrachten Lohnersatzleistungen. Eine solche Doppelzahlung soll durch den Vorrang der Ansprüche gegen den Unfallgegner vermieden werden (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann, 2. Aufl., RVO § 1385 b Anm. IV), aufgrund dessen (zusätzlich) abgeführte Rentenversicherungsbeiträge der Krankenversicherungsträger diesen durch den Rentenversicherungsträger zu erstatten sind. Im vorliegenden Fall ist aber jedenfalls in dem fraglichen Zeitraum der unfallfesten Position ‑ mangels Rentenschadens der Klägerin ‑ keine Doppelzahlung erfolgt. Insoweit findet keine Erstattung zwischen Renten‑ und Krankenversicherungsträger statt, mit der die Klägerin nichts zu tun hat und deshalb auch nichts vom Schädiger verlangen könnte. Allenfalls könnte sie bei einem Erstattungsverfahren zwischen Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsträger dann von letzterem die Auszahlung des vollen nicht um Rentenversicherungsbeiträge gekürzten Lohnersatzanspruchs verlangen. Es fehlt so schon eine Erstattungspflicht gemäß § 1385 b Abs.3 RVO. Darüber hinaus wäre die von dem Kranken‑/Übergangsgeld abgeführten Rentenversicherungsbeiträge auch allein in dem Verhältnis Klägerin Û Krankenversicherung Û Rentversicherung, nicht aber im Verhältnis Klägerin Û Y abzuwickeln gewesen.
58Schließlich hat die Klägerin durch diese von der Krankenkasse abgeführten Rentenversicherungsbeiträge auch keine aktuellen Vermögenseinbußen erlitten. Der Y hat, ohne daß die Klägerin dem entgegengetreten wäre, im Schreiben vom 30. September 1998 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Verdienstausfall der Klägerin nach der Nettomethode berechnet worden ist. In diesem Fall hat die Klägerin aber die Differenz zwischen dem um den Rentenversicherungsbeitrag gekürzten Krankengeld und ihrem regulären Nettoarbeitsentgelt in vollem Umfang ausgezahlt bekommen. Wäre das Krankengeld nicht um den Rentenbeitrag gekürzt worden, hätte sich der Verdienstausfall der Klägerin um den abgeführten Betrag verringert und dies zu einer entsprechend niederigeren Ersatzleistung des Y beim Verdienstausfallschaden geführt.
592. Bei dieser Rechtslage hätte der Beklagte aber pflichtgemäß von der Durchführung der Berufung abraten müssen. Insoweit spricht dann die Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens dafür, daß die Klägerin diesem Rat gefolgt wäre und bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten die Berufung insoweit nicht durchgeführt worden wäre.
603. Selbst wenn sich die Klägerin entgegen dem Rat des Beklagten und nach einer darauf aufbauenden Ablehnung des Deckungsschutzes durch die Rechtsschutzversicherung dennoch dazu entschlossen hätte, die Berufung auf eigene Kosten auch in diesem Punkte durchzuführen, wäre diese aus den bereits dargelegten Gründen richtigerweise als unbegründet zurückzuweisen gewesen. Auch insoweit fehlt es am Nachweis, daß die unterlassene Rechtsberatung des Beklagten zu einem Schaden der Klägerin geführt hat.
61C.
62I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
63II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
64III. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage weitgehend vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Der Rechtsstreit besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.