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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 3);
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
2Der Senat tritt im Ergebnis dem Landgericht darin bei, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
31.
4Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht gem. § 852 BGB verjährt.
51.1
6Es bestehen allerdings Bedenken gegen die im angefochtenen Beschluss geäußerte Auffassung des Landgerichts, dass die Verjährung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche erst mit der Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten zu 3) wegen Körperverletzung, also am 29. 12. 1998 zu laufen begonnen habe. Das Landgericht stützt sich zur Begründung seiner Auffassung auf ein Urteil des früheren 32. Zivilsenats des OLG Hamm ( 32 U 95/93 vom 19.1.1994, NJW-RR 94, 896 = VersR 94, 829). Dem vermag sich der beschließende Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen.
7Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung beginnt gem. § 852 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Entscheidend ist, ob ihm bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen eine bestimmte Person - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zumutbar ist ( vgl. BGH VersR 01, 1255 = DRSp-ROM Nr. 2001/8360; VersR 01, 108 = NJW 01, 885 = DRSp-ROM Nr. 2000/9985 ). Gewissheit ist für eine Kenntnis im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB jedoch nicht erforderlich; der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im wesentlichen risikolos führen zu können ( vgl. BGH, NJW 94, 1150 = VersR 94, 491 = DRSp-ROM Nr. 1994/1140 ). Es muss ihm lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit einer schadensursächlichen Pflichtverletzung. Durch die dreijährige Verjährungsfrist, welche mit der so beschriebenen Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger beginnt, wird den Erfordernissen des Opferschutzes, auf die das Landgericht hinweist, hinreichend Rechnung getragen.
8Im übrigen erweist sich das Abstellen auf die Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung als wenig praktikabel in Fällen, in denen kein Strafverfahren stattfindet oder etwa die Strafverfolgung gem. § 154 StPO beschränkt oder aus welchen Gründen auch immer der Schädiger freigesprochen wird. Anderseits reicht mitunter die strafrechtliche Verurteilung für den zivilrechtlichen Verjährungsbeginn nicht einmal aus (vgl.BGH NJW-RR 90, 606 = VersR 90, 539 = DRSp-ROM 1992/1415); entscheidend bleibt die Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen (so auch OLG München OLGR 98, 347).
91.2
10Diese Kenntnis hatte der Kläger aber noch nicht am 25. 12. 1997, als ihn der Beklagte zu 3) und dessen Mittäter zusammengeschlagen und durch Tritte im Gesicht verletzt haben, denn der Beklagte zu 3) war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Es gibt auch keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass der Kläger bei seiner polizeilichen Zeugenvernehmung am 8. 1. 1998, als ihm die Namen der von der Polizei festgestellten Personen genannt wurden, genug an Informationen erhalten hat, um daraus im Sinne von § 830 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Beteiligung des Beklagten zu 3) herleiten zu können. Erst in den nachfolgenden Ermittlungen ist der Beklagte zu 3) von Zeugen als einer derjenigen identifiziert worden, die sich aktiv an den Tätlichkeiten beteiligt und gegen den Kopf des am Boden liegenden Klägers getreten haben.
11Dieser zur Anklageerhebung führende Erkenntnisstand war aktenkundig, als die anwaltlichen Vertreter des Klägers – deren Kenntnis ihm entsprechend § 166 BGB zuzurechnen ist ( vgl. BGH MDR 90, 532 = VersR 90, 167 = DRSp-ROM Nr.1997/3067) - Einsicht in die Ermittlungsakten nahmen, welche sie mit Schreiben vom 4. 3. 1998 an die StA zurückgeschickt haben. Weder aus dem Sachvortrag des insoweit darlegungspflichtigen Beklagten zu 3) noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich etwas dafür, dass der Kläger oder seine anwaltlichen Vertreter zu einem früheren Zeitpunkt die maßgebliche Kenntnis gehabt hätten.
12Durch die am Montag, dem 5. 3. 2001 bei Gericht eingegangene und am 25. 4 2001 an den Beklagten zugestellte Klage ist die Verjährung gem. §§ 193, 209 Abs.1 BGB rechtzeitig vor ihrem Ablauf unterbrochen worden. Denn die Zustellung ist im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO "demnächst" erfolgt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht nicht davon aus, dass nach Überschreiten einer absoluten zeitlichen Grenze eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" erfolgt angesehen werden kann (BGH VersR 93, 1121 m. w. N. ). Sie sieht die Klage nur dann als nicht "demnächst" zugestellt an, wenn der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verlängerung der Zeitspanne zwischen Einreichung und Zustellung der Klage beigetragen hat (BGH FamRZ 88, 1154). Ist festzustellen, dass sie nicht auf ein nachlässiges Verhalten zurückzuführen ist, dann kann eine Zustellung sogar dann noch als "demnächst" i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt sein, wenn sie fast acht Monate nach Klageeinreichung erfolgt (vgl. BGH NJW 88, 411).
13Allein aus dem Umstand, dass die Klage unter der darin angegebenen Anschrift dem Beklagten zu 3) nicht zugestellt werden konnte, weil dieser nicht mehr unter der aus dem Strafverfahren bekannten Anschrift wohnte und der Kläger die neue Anschrift noch ermitteln musste, ergibt sich noch nicht, dass sich der Kläger in bezug auf die Angabe der Anschrift der Beklagten zu 3) nachlässig verhalten hat (vgl. BGHR ZPO § 270 Abs. 3 - demnächst 5). Das könnte nur dann der Fall gewesen sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel bestanden hätten. Ohne jedes konkrete Anzeichen eines Wohnungswechsels oder einer Inhaftierung des Anspruchsgegners besteht für einen Kläger keine Verpflichtung, vor Einreichung einer Klage beim zuständigen Einwohnermeldeamt die ihm bekannte Anschrift des Anspruchsgegners überprüfen zu lassen oder über die StA zu erkunden, wo er gegenwärtig einsitzt. Hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung des aktuellen Aufenthalts des nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens umgezogenen und am 2. 3. 2001 in die JVA I aufgenommenen Beklagten zu 3) vom Kläger oder seinen anwaltlichen Vertretern nachlässig betrieben worden wäre.
142.
15Das geforderte Schmerzensgeld ist angesichts der Verletzungen, der Dauerfolgen und des brutalen Vorgehens der Täter nicht überhöht.
163.
17Der Beklagte zu 3) macht ferner geltend, dass der Mittäter S mit dem Kläger einen außergerichtlichen Ratenzahlungsvergleich zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Vorfall durch Zahlung von 6.480,00 DM abgeschlossen und darauf Zahlungen geleistet habe. Auch insoweit tritt im Ergebnis der Senat dem Landgericht darin bei, dass die hierauf gestützte Rechtsverteidigung des Beklagten zu 3) nicht aussichtsreich ist.
183.1
19Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Landgericht in der Auffassung, dass die etwaige Teilerfüllung durch andere Gesamtschuldner der Titulierung des vollen Betrages zu Lasten des Beklagten zu 3) nicht entgegenstehe. Das Landgericht folgert dies aus § 421 Satz 2 BGB und meint, dass jedenfalls bis zur Bewirkung der ganzen Leistung sämtliche anderen Schuldner in voller Höhe gesamtschuldnerisch verpflichtet blieben, auch wenn der Kläger selbstredend die Leistung nur einmal fordern dürfe. Die in § 421 Satz 2 BGB getroffene Regelung ist jedoch im Zusammenhang mit §§ 266, 362, 422 Abs.1 Satz 1, 426 BGB zu sehen. Daraus ergibt sich, dass auch die zulässige oder vom Gläubiger angenommene Teilerfüllung Gesamtwirkung hat (vgl. Palandt / Heinrichs § 422 Rdn. 1) und dementsprechend bei der Titulierung berücksichtigt werden muss, weil die beglichene Teilforderung – soweit sie überhaupt noch bestehen sollte – jedenfalls nicht mehr dem ursprünglichen Gläubiger zusteht.
203.2
21Aus dem Sachvortrag des Beklagten zu 3) kann aber nicht konkret entnommen werden, dass überhaupt der Mitschuldner T. S bisher Leistungen auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung erbracht hat. Der Kläger hat dies bestritten unter Hinweis darauf, dass T. S bislang lediglich entsprechend Ziffer 3a des mit ihm abgeschlossenen Vergleichs Zahlungen auf die Anwaltskosten geleistet habe, aber noch nicht auf den im Vergleich festgelegten von T. S zu zahlenden Schadensersatzbetrag. Hinsichtlich der (Teil-) Erfüllung ist der Beklagte zu 3) darlegungs- und beweispflichtig. Eine teilweise Erfolgsaussicht könnte für ihn nur angenommen werden, wenn der Kläger, der die bislang von T. S geleisteten Zahlungen und deren Verrechnung konkret darzulegen haben wird (§ 139 Abs.1 ZPO), ohne entsprechende Teilerledigungserklärung an seinem uneingeschränkten Leistungsantrag festhalten würde, obwohl T. S inzwischen möglicherweise weitere Raten gezahlt hat, so dass jetzt die Erledigung der Anwaltskosten und demgemäß die Verrechnung eines Teils der Zahlungen auf die Schadensersatzforderung zu überprüfen sein wird. Sollte sich auf diese Weise eine teilweise Tilgung der Schadensersatzforderung ergeben, so bleibt es dem Beklagten zu 3) unbenommen, insoweit erneut Prozesskostenhilfe zu beantragen.
223.3
23Allein der Abschluss des Vergleichs zwischen dem Mitschädiger T. S und dem Kläger hindert diesen nicht, den Beklagten zu 3) voll in Anspruch zu nehmen. Denn dem Vergleich kommt keine Gesamtwirkung zu.
243.3.1
25Offensichtlich wollten die Vergleichsschließenden nicht das ganze Schuldverhältnis – d.h. auch zugunsten der übrigen Mitschädiger – aufheben. Ein entsprechender Wille mit der Folge einer uneingeschränkten Gesamtwirkung kann in derartigen Fällen u. U. angenommen werden, wenn der vergleichschließende Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu seinen Mitschuldnern allein haften würde (vgl. (BGH DRSp-ROM Nr.2000/3617 = NJW 00, 1942; OLG Köln MDR 92, 1150; OLG Oldenburg VersR 92,957; Bydlinski, in: MüKo, 4. Aufl., § 423 BGB, Rdn. 5), was hier nach Lage der Dinge nicht der Fall ist.
263.3.2
27Einem Vergleich kann auch eine beschränkte Gesamtwirkung in dem Sinne zukommen, dass der Gesamtschuldner, dessen Verbindlichkeit teilweise erlassen wird (hier: T. S), zugleich von seiner im Innenverhältnis aus § 426 Abs. 1 BGB den anderen Gesamtschuldnern (hier: die Beklagten) gegenüber begründeten Haftung befreit werden soll (BGH DRSp-ROM Nr.2000/3617 = NJW 00, 1942; BGHZ 58, 216, 220; OLG Hamm – 26. ZS - NJW-RR 1988, 1174; OLG Köln NJW-RR 1994, 1307). Da die Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner bereits bei Begründung des Gesamtschuldverhältnisses und nicht erst mit der Leistung eines Gesamtschuldners an den Gläubiger entsteht (BGHZ 114, 117, 122; BGH, Urt. v. 20. Dezember 1990 - IX ZR 168/89, WM 1991, 399, 400; v. 11. Juni 1992 - IX ZR 161/91, NJW 1992, 2286, 2287; v. 13. Januar 2000 - IX ZR 11/99, WM 2000, 408, 409), ist dies wirksam nur in der Weise möglich, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den am Vergleich nicht beteiligten Gesamtschuldner im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter in dem Umfang aufgehoben wird, in welchem der durch den Erlass begünstigte Gesamtschuldner, wäre er vom Gläubiger voll in Anspruch genommen worden, Ausgleich von dem anderen Gesamtschuldner verlangen könnte (BGHZ 58, 216, 220; vgl. dazu auch OLG Köln NJW-RR 1994, 1307; OLG Bremen NJW-RR 1998, 1745).
28Der Vortrag des Klägers liefert keine Hinweise dafür, dass er und T. S eine solche Regelung treffen wollten; vielmehr wird in dem Vergleich ausdrücklich hervorgehoben, dass der Geschädigte für einen möglichen Ausgleich im Innenverhältnis keine Verantwortung trägt. Im übrigen hätte es erkennbar auch nicht im Interesse des Klägers gelegen, seine Zugriffsmöglichkeiten auf die anderen Schuldner zu beschränken, zumal er nicht sicher sein konnte, dass T. S seinen Ratenzahlungsverpflichtungen vereinbarungsgemäß nachkommen würde. Demgemäß entfaltete der Vergleich hier lediglich Einzelwirkung, was im Zweifel ohnehin anzunehmen ist (BGH DRSp-ROM Nr.2000/3617 = NJW 00, 1942).
294.
30Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 118 I 4 ZPO; Nr. 1952 der Anlage zu § 11 GKG.