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Die Berufung der Kläger gegen das am 30.8.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Detmold wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Kläger sind die ehelichen Kinder des Beklagten aus dessen Ehe mit XXX. Am 18.11.1999 schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtete, an die Kläger als Kindesunterhalt monatlich jeweils 107% des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen, im Einzelnen näher berechneten Kindergeldes zu zahlen (15 F 356/97 - AG -Familiengericht - Detmold).
3Durch Schreiben vom 16.1.2001 forderten die Kläger den Beklagten auf, ab Januar 2001 mit Rücksicht auf die Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB jeweils 107% des Regelbetrages ohne Kindergeldabzug zu zahlen.
4Der Beklagte, der eine Unfallrente der Berufsgenossenschaft von monatlich 1.655,99 DM bezieht, hat sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.
5Das Familiengericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei Vergleichsabschluss habe der Zahlbetrag im Mittelpunkt gestanden. Der Beklagte habe im Ausgangsverfahren vor Vergleichsabschluss, nämlich durch Schriftsatz vom 16.11.1999, ausgeführt, dass seine Leistungsfähigkeit die Zahlung des von den Klägern damals geforderten Betrages nicht zulasse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
6Mit der Berufung tragen die Kläger vor: Die Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB rechtfertige die von ihnen begehrte Abänderung. Der Beklagte sei hinreichend leistungsfähig. Neben der Unfallrente könne er unbeschränkt arbeiten. Jedenfalls müsse er sich erzielbare Einkünfte anrechnen lassen, etwa ein fiktives Versorgungsentgelt seiner vollschichtig erwerbstätigen Freundin in Höhe von mindestens 800,- DM monatlich.
7Die Kläger beantragen,
8unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 18.11.1999 - 15 F 356/97 -AG - Familiengericht - Detmold - mit Wirkung ab 1.1.2001 an sie jeweils monatlichen Unterhalt in Höhe von 107% des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetrag-Verordnung, und zwar ohne Kindergeldanrechnung, zu zahlen, soweit der Unterhalt 135% des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung nicht übersteigt.
9Der Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Er verteidigt das angefochtene Urteil.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Berufung ist unbegründet.
14Die Klage ist gem. § 323 Abs. 5 ZPO unzulässig. Nach dieser Vorschrift können Schuldtitel, deren Abänderung im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO statthaft ist, nur dann gem. § 323 ZPO im Wege der Abänderungsklage abgeändert werden, wenn eine Anpassung nach § 655 ZPO zu einem Unterhaltsbetrag führen würde, der wesentlich von dem Betrag abweicht, der der Entwicklung der besonderen Verhältnisse der Parteien Rechung trägt.
15Die Kläger waren vor diesem Hintergrund gehalten, Abänderung des Unterhaltstitels im vereinfachten Abänderungsverfahren nach § 655 ZPO zu beantragen. Der am 18.11.1999 geschlossene Prozessvergleich wäre einer solchen Abänderung zugänglich. Auch vollstreckbare Vergleiche unterfallen § 655 ZPO, sofern das anzurechnende Kindergeld - wie hier - beziffert ist (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 655 Rn. 1; Münchener Kommentar zur ZPO/Coester-Waltjen, 2. Aufl., § 655 Rn. 2). Die Abänderung eines Titels wegen Neuregelung der Kindergeldanrechnung ist gem. § 323 Abs. 5 ZPO nur statthaft, wenn sich auch die persönlichen Verhältnisse der Parteien verändert haben (OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 1229). Eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO setzt dabei voraus, dass eine Anpassung nach § 655 ZPO wesentlich von dem Betrag abweicht, der individuell geschuldet wird. Eine wesentliche Abweichung von vereinfachter Anpassung nach § 655 ZPO und individueller Anpassung nach § 323 ZPO ist anzunehmen, wenn die Differenz etwa 50% beträgt (OLG Hamm, FamRZ 1987, 91, 93; Münchener Kommentar zur ZPO/ Gottwald, 2. Aufl., § 323 Rn. 47). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Mit einer vereinfachten Festsetzung nach § 655 ZPO würden die Kläger nicht weniger erhalten, als sie mit der Abänderungsklage erstreben, weil ihre Abänderungsklage allein die Kindergeldanrechnung betrifft. Weitere Abänderungsgründe machen die Kläger nicht geltend.
16Die Auffassung der Kläger, dass die Klageart gem. Art. 4 § 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes dem Unterhaltsberechtigten vorbehalten bleibe, trifft wegen § 323 Abs. 5 ZPO nicht zu. Die vereinfachte Abänderung nach § 655 ZPO hat nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich Vorrang vor § 323 ZPO (Zöller/Vollkommen a.a.O., § 323 Rn. 49; Heiß/Born, Unterhalts recht, 23. Kapitel, Rn. 353; Münchener Kommentar zur ZPO/ Gottwald, 2. Aufl., § 323 Rn. 47; Verfahrenshandbuch Familiensachen/Schael, 2001, § 1 Rn. 390; Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 2. Aufl., Rn. 201). Eine gleichwohl erhobene Abänderungsklage ist unzulässig, wobei es auf sich beruhen kann, ob das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. Soyka, Die Abänderungsklage im Unterhaltsrecht, 2001, Rn. 85; Musielak/Borth, ZPO, 2. Aufl., § 655 Rn. 1) oder die Abänderungsklage bereits unstatthaft ist (so Graba, a.a.O., Rn. 454.). Der Beschluss des OLG Schleswig vom 26.4.2001 -10 WF 57/01 (OLGR 2001, 421) steht dem nicht entgegen. Diese im Prozesskostenhilfeverfahren ergangene Entscheidung befasst sich lediglich mit dem Merkmal der Mutwilligkeit im Rahmen des § 114 ZPO. Auf § 323 Abs. 5 ZPO geht der Beschluss nicht ein.
17Kann dem Änderungsgrund bereits im vereinfachten Abänderungsverfahren abgeholfen werden, geht dieses Verfahren, in dem der Unterhaltspflichtige sich gem. § 655 Abs. 3 ZPO nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen kann (Zöller/Philippi, a.a.O., § 655 Rn. 10; Münchener Kommentar zur ZPO/ Coester-Waltjen, 2. Aufl., § 655 Rn. 11; Graba, NJW 2001, 256), dem Abänderungsklageverfahren vor. Durch die Umdeutung einer danach unzulässigen Abänderungsklage in eine Nachforderungsklage des Unterhaltsberechtigten würde dieser gesetzliche Vorrang umgangen.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
19Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.