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Die Berufung des Klägers gegen das am 25. November 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet, die sie auch durch die unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen kann.
Tatbestand:
2Der am ####1938 geborene Kläger wurde am 09.10.1996 in der in der Trägerschaft der Beklagten stehenden M-Klinik in N operiert. Ausweislich des Operationsberichtes lautete die Diagnose „Laterale Leistenhernie li., weiche Leiste re.“. Es erfolgte eine endoskopische, präperitoneale Leistenhernienreparation beidseitig.
3Ausweislich des Operationsberichtes wurden zwei polypropylene Netze eingebracht, die sämtliche Bruchpforten überdecken. Am 14.10.1996 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
4Seit dieser Operation klagt der Kläger unter erheblichen Schmerzen im Bereich der beiden Leisten mit Ausbildung eines stechenden Schmerzcharakters in beiden Hoden. Wegen der persistierenden Beschwerden suchte der Kläger das Haus der Beklagten in der Folgezeit wiederholt auf. Am 09.01.1997 erfolgte eine neurologische Untersuchung, am 04.02.1999 eine neurochirurgische Untersuchung im N-Krankenhaus in S. Im Februar 1997 wurde der Kläger erneut stationär aufgenommen. Es wurde eine Computertomographie des Abdomens sowie eine urologische Untersuchung durchgeführt. Die urologische Diagnose lautete „Prostato-Perineo-Genitalen-Symptomenkomplex“, eventuell verstärkt durch Verwachsungsbeschwerden. Eine Ursache für die Schmerzsymptomatik des Klägers fand sich nicht. Am 10.04.1997 stellte sich der Kläger bei Herrn Dr. X in I vor, der ebenfalls keine Erklärung für die Beschwerden des Klägers finden konnte. Herr Dr. X wies darauf hin, daß es gelegentlich zu Netzwanderungen kommen könne und empfahl zur Abklärung eine Blasenspiegelung sowie eine Laparoskopie, um Verwachsungen auszuschließen.
5Der Kläger wurde am 24.04.1997 ambulant im urologischen Bereich operiert. Es wurde eine Meatus-Stenose, eine hintere Harnröhrenstriktur und ein papillomatöser Harnröhrentumor festgestellt. Im Rahmen einer weiteren stationären Behandlung vom 20. bis 23.05.1997 wurde die Bauchhöhle laparoskopisch untersucht. Eine Ursache für die Beschwerden des Klägers fand sich nicht.
6Der Kläger ist seit dem Eingriff dauernd arbeitsunfähig. Er bezieht zur Zeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
7Der Kläger hat behauptet, der Eingriff sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Die Operation sei nicht fachgerecht durchgeführt worden. Es seien wesentliche Nervenstränge verletzt worden. Es habe auch keine ausreichende Risikoaufklärung stattgefunden.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn aufgrund der ärztlichen Behandlung ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
10die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 27.065,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1999 zu zahlen,
11festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aufgrund der Behandlung im Hause der Beklagten zu zahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat jegliche Behandlungs- und Aufklärungsmängel in Abrede gestellt.
15Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens. Sodann hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein ärztlicher Behandlungsfehler sei nicht feststellbar. Der Vorwurf der mangelnden Aufklärung sei nicht nachweisbar. Der Kläger habe nach ausreichender Aufklärung in den Eingriff eingewilligt.
16Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Gutachten des Sachverständigen und auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
17Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Sachvortrag und beantragt,
18abändernd die Beklagte zu verurteilen,
191.
20an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;
212.
22an ihn 27.065,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1999 zu zahlen;
233.
24abändernd festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aufgrund der Behandlung im Hause der Beklagten zu zahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
25Die Beklagte wiederholt und vertieft ebenfalls den erstinstanzlichen Sachvortrag.
26Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch mündliche Vernehmung des Sachverständigen Privatdozent Dr. X2.
27Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Krankenunterlagen, das Protokoll und auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 28.08.2000 Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
30Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, Schadensersatz und Feststellung gem. §§ 823 Abs.1, 831, 31, 847 BGB bzw. wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages in Verbindung mit § 278 BGB nicht zu.
311.
32Auch aufgrund der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest,daß die Behandlung des Klägers in der M-Klinik N unsachgemäß erfolgte.
33a.
34Die Indikation zu dem operativen (Wahl-)Eingriff vom 09.10.1996 stellt die Berufung nicht mehr in Abrede. Sie lag nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, an dessen Fachkunde der Senat zu zweifeln keinerlei Anlaß hat, auch vor. Danach bestand die Indikation zur operativen Versorgung der Leistenhernien wegen der erheblichen und zunehmenden subjektiven Beschwerden und Schmerzen im Bereich beider Leisten. Eine anderweitige Alternative etwa in Form der konservativen Behandlung über ein Zuwarten hinaus ist nicht erkennbar, wurde von dem Sachverständigen auch nicht ange-sprochen.
35b.
36Die endoskopische Operation war vorliegend die Methode der Wahl. Ohnehin obliegt dem Operateur die Wahl der aus seiner Sicht günstigsten Operationsmethode. Es gibt vorliegend keinen Grund, der die Operateure hätte veranlassen müssen, von dem endoskopischen Verfahren abzusehen. Insbesondere war nicht laparotomisch vorzugehen. Der Sachverständige hat im einzelnen ausgeführt, daß die Laparotomie vorliegend nicht vorteilhafter gewesen wäre. Beide Operationsverfahren sind nach dem heutigen Erkenntnisstand in etwa gleichwertig, auch was die Risiken und die Komplikationen betrifft. Zugunsten des laparoskopischen Eingriffs besteht sogar ein leichtes Plus, weil diese Methode zu einem kürzeren stationären Aufenthalt führt und für den Patienten weniger beschwerlich ist.
37c.
38Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Vorgehen während des Eingriffs finden sich nicht. Weder die nachfolgenden Untersuchungen noch die Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen ergab einen Hinweis auf ein fehlerhaftes Vorgehen. Eine Verletzung der peripheren Nerven fand sich nicht. Ein evtl. postoperativ vorhandenes Hämatom läßt nicht auf einen Behandlungsfehler schließen. Ein Hämatom ist postoperativ je nach der individuellen Situation des Patienten unter Umständen vorhanden, ohne daß fehlerhaft behandelt worden ist. Der später diagnostizierte Harnröhrentumor wurde nur infolge der nachfolgenden Untersuchungen als Nebenbefund erkannt und steht mit der Behandlung im Hause der Beklagten nicht im Zusammenhang.
39Deshalb ist auch hieraus nicht auf ein unsachgemäßes Vorgehen der Ärzte der Beklagten zu schließen.
40d.
41Die postoperative Behandlung des Klägers und auch die nachfolgend betriebene Diagnostik zur Abklärung der geklagten Beschwerden erfolgten sachgemäß. Versäumnisse sind nicht feststellbar. Nach Einschätzung des Sachverständigen war die nach der Operation vom 09.10.1996 betriebene Diagnostik sehr umfassend und gründlich. Ein objektivierbarer Befund ergab sich nicht. Deshalb war weder eine Revisionsoperation allgemein noch eine zweite Operation zur Entfernung des Netzes indiziert. Der Sachverständige hat überzeugend darauf verwiesen, daß es sinnvoll war, die zweite Operation zu unterlassen.
422.
43Der Kläger hat im Zuge des Aufklärungsgesprächs vom 07.10.1996 die erforderliche Grundaufklärung erfahren. Der Senat hat keinen Zweifel daran,daß das Aufklärungsgespräch so durch-geführt wurde, wie es in dem Aufklärungsformular dokumentiert ist. Der Kläger selbst hat eingeräumt, daß ein ganz junger Arzt mit ihm das Gespräch in einem Aufnahmezimmer geführt hat. Der Senat hält diese Aufklärung auch inhaltlich für ausreichend. Zwar wurde nicht ausdrücklich auf das mit dem Eingriff verbundene Risiko der Netzwanderung hingewiesen, das ein zwar seltenes, aber typischerweise mit diesem Eingriff verbundenes Risiko darstellt. Doch wurde der Kläger über die mög-liche Notwendigkeit einer Revisionsoperation aufgeklärt, wie die handschriftlichen Eintragungen zeigen („Revision“). Einer genaueren Bezeichnung des Risikos bedurfte es nicht. Die exakte medizinische Bezeichnung des Risikos ist nicht er-forderlich. Es genügt die Verdeutlichung der Stoßrichtung. Bereits durch den Hinweis auf die mögliche Notwendigkeit einer weiteren Operation wurde dem Kläger das Risiko des Mißlingens der Operation aufgezeigt. Dabei stellt die Netzwanderung nur einen Grund für ein evtl. Mißlingen der Operation dar, der nicht notwendig konkret zu nennen war.
44Unabhängig von der Frage der ausreichenden oder aber defizitären Aufklärung stünde dem Kläger ohnehin schon deshalb kein Anspruch gegen die Beklagte zu, weil sich keinerlei Risiken verwirklicht haben. Insbesondere kam es nicht zu einer Netzwanderung. Die postoperativ durchgeführten Untersuchungen haben keinen Hinweis auf eine Netzwanderung erbracht; diese ist nach den Ausführungen des Sachverständigen vorliegend sogar auszuschließen.
45Nur abschließend weist der Senat darauf hin, daß der Kläger sich entgegen seinen eigenen Ausführungen nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Insbesondere hätte er sich auch nach einem gezielten Hinweis auf eine mögliche Netzwanderung nicht für die Laparotomie entschieden. Nach seinen eigenen Ausführungen vor dem Senat kam es ihm darauf an, daß es „schnell ging“. Deshalb hat er sich für die zu einer kürzeren Hospitalisierung führende endoskopische Methode entsprechend dem Vorschlag des aufklärenden Arztes entschieden, als ihm beide Methoden vorgestellt wurden. Daran hätte auch der zusätzliche Hinweis auf die Gefahr der Netzwanderung bei der Darstellung des Risikospektrums einschließlich der evtl. Notwendigkeit einer Revisionsoperation nichts geändert.
466.
47Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
487.
49Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als DM 60.000,-.