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Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 17. November 1999 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit es die Beklagte zu 1) betrifft.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser 50 %, weitere 50 % trägt der Beklagte zu 2).
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger.
Der Beklagte zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger in Höhe von 12.059,13 DM.
Tatbestand
2Der Kläger verlangt Schadenserstz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 11. März 1998 in F ereignete. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw Mercedes-Benz 230 CE Sportive gegen 19.20 Uhr die Autobahn A 40 von H in Fahrtrichtung F. Er fuhr an der Abfahrt G ab. Ihm folgte der Beklagte zu 2) mit einem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Miet-Lkw der Autovermietung Q. Als der Kläger am Ende der Abfahrt anhielt, um die Vorfahrt beachten, fuhr der Lkw auf den Mercedes auf. Der Unfall wurde von der Polizei aufgenommen.
3Der Kläger verlangt auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen M Ersatz der voraussichtlichen Reparaturkosten von 10.497,35 DM und der mit 500 DM angenommenen Wertminderung. Daneben macht er Gutachterkosten in Höhe von 1.021,78 DM und eine Kostenpauschale von 40 DM geltend.
4Die Beklagte zu 1) - zugleich Streithelferin des anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 2) - behauptet mit näheren Ausführungen ein manipuliertes Unfallereignis.
5Das Landgericht hat den Kläger persönlich gehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. H2. Mit dem angefochtenen Urteil hat es der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 1).
6Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
7Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Q und T. Der Sachverständige Dipl.-Ing. H2 hat sein in erster Instanz erstelltes Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.
8Entscheidungsgründe
9Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) hat Erfolg. Die Klage ist - soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet - nicht begründet. Bezüglich des Beklagten zu 2) bleibt die Entscheidung des Landgerichts in der Sache bestehen, da er das Urteil nicht angefochten hat und die Beklagte zu 1) die Berufung ausdrücklich nur als Partei und nicht auch zugleich als Streithelferin für den Beklagten zu 2) eingelegt hat.
10I.
11Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 12.059,13 DM gem. §§ 7, 18 StVG, 3 PflVersG.
121.
13Das Unfallgeschehen als solches ist nicht mehr streitig. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H2 steht fest, daß der Miet-Lkw (gebremst) auf den Mercedes-Pkw aufgefahren ist und dabei die in Rede stehenden Schäden verursacht hat. Der äußere Geschehensablauf ist damit bewiesen, zumal die Polizei den Unfall an Ort und Stelle aufgenommen hat.
142.
15Für den Schaden ist die Beklagte zu 1) jedoch nicht eintrittspflichtig. Die Schadenszufügung war nicht rechtswidrig. Sie geschah mit Einwilligung des Klägers. Der Senat ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß es sich um einen sogenannten gestellten "Unfall" gehandelt hat. Der Beweis einer Unfallmanipulation kann durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von typischen Umständen erbracht werden, die für sich betrachtet auch eine andere Erklärung finden mögen, in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise jedoch nur den Schluß zulassen, daß der Anspruchsteller in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Eine solche ungewöhnliche Häufung von Indizien ist hier gegeben.
16a)
17Die Kollision ist bei einen Auffahrvorgang erfolgt. Anders als bei einem Frontalzusammenstoß oder bei einer seitlichen Kollision läßt sich beim Auffahren von hinten der Schadenshergang nahezu optimal steuern. Gleichzeitig ist es möglich, das unvermeidbare Körperverletzungsrisiko in Grenzen zu halten und den Schadensumfang zu kalkulieren.
18b)
19Die beteiligten Fahrzeuge sind charakteristisch für einen gestellten "Unfall". Bei dem Mercedes-Pkw des Klägers handelt es sich um einen älteren, vorgeschädigten früheren Luxus-Pkw. Die Beteiligung eines solchen Fahrzeugs bringt dem "Geschädigten", der, wie hier der Kläger, auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abrechnet, in aller Regel erhebliche finanzielle Vorteile. Das andere Fahrzeug war ein Lkw, an dem bei einem Auffahren auf einen Pkw (jedenfalls bei mäßiger Kollisionsgeschwindigkeit) im allgemeinen kein großer Sachschaden entsteht. Da es sich um ein Mietfahrzeug handelte, war das finanzielle Risiko für den Mieter, den Beklagten zu 2), kalkulierbar. Seine Haftung war von vornherein auf die vereinbarte Selbstbeteiligung der Kaskoversicherung (500 DM) begrenzt.
20c)
21Sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 2) hatten ein Motiv für die Manipulation: Beide leben in sehr begrenzten finanziellen Verhältnissen. Der Kläger ist arbeitslos und seit längerem ohne geregeltes Einkommen. Dazu paßt es nicht, daß er zum Zeitpunkt des Unfalls ein Mercedes-Coupé, also ein in der Unterhaltung relativ teures Auto fuhr. Auffallend ist auch, daß dieses Fahrzeug erst wenige Wochen vor dem Unfall, nämlich am 6. Februar 1998, auf ihn zugelassen worden war. Zuvor war der Pkw fast zwei Jahre lang stillgelegt. Mißtrauen erweckt auch die von dem Kläger behauptete Fahrzeugreparatur in Italien, denn nach dem vorausgegangenen schweren Unfall vom 22. April 1996 war der Mercedes nicht mehr fahrtüchtig. Ein solches Fahrzeug nur zum Zweck der Reparatur durch einen Spediteur für 800 DM nach Italien transportieren zu lassen und dort während eines Zeitraums von zwei Jahren instandzusetzen, ist ein zumindest sehr ungewöhnlicher Vorgang, der Anlaß zu Zweifeln gibt. Daß der Beklagte zu 2) die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, rundet das Bild ab.
22d)
23Völlig unglaubhaft sind die Darstellungen der Beteiligten zu den jeweiligen Umständen ihrer Fahrten.
24aa)
25Der Kläger will von zu Hause nach G gefahren sein, um dort einen Freund oder Kollegen, Herrn W, zu besuchen. Dieser wohnte damals zwar nicht mehr in G, doch will der Kläger das nicht gewußt haben; er habe ihn schon länger nicht mehr gesehen gehabt und sei auch nicht mit ihm verabredet gewesen. Aus welchem Anlaß er seinen Freund unangemeldet besuchen wollte, hat der Kläger nicht dargelegt.
26bb)
27Der Beklagte zu 2) hatte den Lkw angeblich gemietet, um Möbel zu transportieren, und zwar von der P-Straße zur N-Straße in H. Als Grund für die Fahrt über die Autobahn A 40 nach Frillendorf hat er angegeben, sein Bruder habe ihn etwa eine Stunde vorher angerufen und gesagt, auf der G-Straße ständen Möbel (Sperrgut). Dort habe er hingewollt. Mißtrauen erweckt dabei schon der zeitliche Ablauf: Der Beklagte zu 2) hatte den Lkw gegen 16.00 Uhr für 24 Stunden gemietet. In der kurzen Zeit zwischen der Anmietung und dem Unfall will er Möbel abgeholt, zu seiner neuen Wohnung transportiert und dort ausgeladen haben. Sodann will er auf einen Anruf seines Bruders in Richtung G gefahren sein. Daß sich jemand während des Umzugs dazu entschließt, mit einem Lkw in eine andere Stadt oder einen anderen Stadtteil zu fahren, um dort an der Straße abgestelltes Sperrgut in Augenschein zu nehmen, ist schon mindestens ungewöhnlich, im Streitfall aber jedenfalls deshalb wenig glaubhaft, weil Sperrgut im allgemeinen nicht schon nachmittags auf die Straße gestellt wird und der Kläger vor allem keinerlei Angaben dazu gemacht hat, welche Art von Möbeln sein Bruder angeblich auf der G-Straße gesehen hat.
28e)
29Typisch für eine Manipulation ist auch, daß der Lkw bei dem "Unfall" unbeladen war. Während bei einem Unfall mit einem beladenen Fahrzeug Schwierigkeiten wegen einer u.U. erforderlich werdenden Bergung des Ladegutes zu besorgen sind, kann ein unbeladenes Fahrzeug anschließend problemlos stehengelassen oder zurückgegeben werden. Ebenso paßt ins Bild, daß sich der "Unfall" schon kurz nach der Anmietung ereignete.
30f)
31Auffallend ist auch das Verhalten der Beteiligten nach dem "Unfall". Der Zeuge T, der als Polizeibeamter mit der Unfallaufnahme befaßt war, hatte den Eindruck, daß sich beide freundschaftlich unterhielten. Angesichts der Tatsache, daß der Beklagte zu 2) auf das (nach dem Klagevortrag) in zweijähriger Arbeit gerade instandgesetzte Mercedes-Coupé des Klägers aufgefahren war, wäre eher zu erwarten gewesen, daß der Kläger ihm deswegen Vorwürfe machen würde. Auch das spätere Verhalten des Beklagten zu 2) weist Auffälligkeiten auf. Nach der Bekundung des Zeugen Q hat er den Lkw-Schlüssel am nächsten Tag mit dem Hinweis, das Fahrzeug sei kaputt, zurückgegeben. Nähere Angaben zum Unfallhergang hat er weder bei dieser Gelegenheit noch später gemacht.
32g)
33Angesichts dieser erdrückenden Beweisanzeichen für eine Manipulation spricht der Umstand, daß der Lkw nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. H2 gebremst auf den Pkw aufgefahren ist, nicht entscheidend gegen einen gestellten "Unfall", zumal letztlich ungeklärt ist, aus welcher Geschwindigkeit heraus die Abbremsung erfolgt ist.
34II.
35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.