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Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. März 1998 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beiden Seiten wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.
Die Beschwer der Beklagten liegt über 60.000,00 DM.
Tatbestand:
2Die Parteien, die zunächst jeweils Einzelfirmen im Bereich der mobilen Heilpflege betrieben hatten, schlossen sich durch Gesellschaftsvertrag ab dem 01.10.1993 zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem Namen "Die mobilen Krankenschwestern" zusammen. Schon sehr bald kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen unter den Parteien. Die Klägerin war ab dem 07.12.1993 krankheitsbedingt nicht mehr für die Gesellschaft tätig. Es folgten wechselseitige Kündigungen sowie eine Anfechtung des Gesellschaftsvertrages durch die Beklagte. Verhandlungen der Parteien über eine Aufhebung der Gesellschaft blieben erfolglos.
3Die Klägerin machte daraufhin in dem Rechtsstreit 7 O 377/94 LG Dortmund einen Abfindungsbetrag in Höhe von 288.000,00 DM für ihr Ausscheiden aus der Gesellschaft geltend. Diese Klage wurde in erster Instanz mangels Vorliegens einer Liquidationsbilanz als nicht fällig abgewiesen. In dem Berufungsverfahren 8 U 125/95 OLG Hamm schlossen die Parteien vor dem Senat am 24.06.1996 folgenden Vergleich:
41.)
5Wir sind uns darüber einig, daß unsere Gesellschaft "Die mobilen Krankenschwestern" einvernehmlich zum 31. Mai 1994 aufgelöst ist.
62.)
7Wir sind uns ferner darüber einig, daß die Gesellschaft nach den gesetzlichen Bestimmungen auseinandergesetzt wird.
83.)
9Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben. Im übrigen soll der Senat nach § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits entscheiden, wobei auf eine Begründung verzichtet wird.
10In der Folgezeit legte die Beklagte die Aufgabebilanz Blatt 29 bis 39 GA per 31.05.1994 vor, die eine Bewertung des Patientenstamms als Vermögenswert der Gesellschaft nicht enthält. Die mit der Gesellschaft bestehenden Patientenverträge wurden durch die Beklagte beendet. Gleichzeitig wurden mit Patienten auf deren Wunsch Pflegeverträge mit der Beklagten als Einzelfirma abgeschlossen. In welchem Umfange das erfolgt ist, ist unter den Parteien streitig.
11Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß der per 31.05.1994 bestehende Patientenstamm der Gesellschaft in die vermögensrechtliche Auseinandersetzungsbilanz mit dem Verkehrswert einzusetzen sei und mit der vorliegenden Klage einen entsprechenden Feststellungsantrag erhoben.
12Die Beklagte ist dieser Auffassung unter näherer Darlegung entgegengetreten.
13Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in erster Instanz und seiner Begründung Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage antragsgemäß entsprochen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz gemäß § 730 BGB richte sich gegen die Beklagte, da diese sich im Besitz sämtlicher Geschäftsunterlagen befinde. In dieser Auseinandersetzungsbilanz seien auch die Patientenstämme mit einzustellen, da sich die Beklagte gemäß § 242 BGB so behandeln lassen müsse, als habe sie den Patientenstamm käuflich erworben. Sie habe nämlich die Patientendaten eigenmächtig und ohne Zustimmung der Klägerin für sich verwertet.
14Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
15Diese macht geltend, daß ein in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellender Patientenstamm der GbR zum 31.05.1994 überhaupt nicht existiert habe. Denn die nach § 4 a Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Einbringung der Patientenstämme sei nie erfolgt. Hierfür sei nämlich deren Bewertung erforderlich gewesen, um die entsprechenden Aktiva des Gesellschaftsvermögens festzustellen. Dazu sei es wegen der frühzeitigen faktischen Auflösung der Gesellschaft nicht gekommen. Ebensowenig sei es wegen der sehr kurzen Geschäftstätigkeit der GbR zum Erwerb eines eigenen Patientenstammes gekommen.
16Weiter wiederholt die Beklagte ihre Auffassung, daß der wirtschaftliche Wert eines etwaigen Patientenstamms in einer Auseinandersetzungsbilanz nicht zu berücksichtigen sei, da er keine nach §§ 733, 734 BGB in diese Bilanz aufzunehmende Forderung der Gesellschaft gegen Dritte darstelle. Als immaterielles Wirtschaftsgut sei der Patientenstamm im Steuerrecht nur dann aktivierbar, wenn er nicht selbst geschaffen, sondern im Rahmen einer Übernahme entgeltlich erworben worden sei. Seine Aufnahme in die Auseinandersetzungsbilanz führe auch zu keinem Ergebnis, da er als immaterielles Wirtschaftsgut nicht gemäß § 734 BGB als Überschuß verteilt werden könne.
17Außerdem meint die Beklagte, wenn man in der Auseinandersetzungsbilanz die Werte der jeweiligen Patientenstämme aus den vorherigen Einzelunternehmen hinzurechnen würde, obwohl sie niemals in das Gesellschaftsvermögen eingebracht worden seien, dann müßten diese auch vorab wieder an die Parteien ausgekehrt werden. Die der Klägerin zur Verfügung gestellte Auseinandersetzungsbilanz könne dann dahin beurteilt werden, daß die Auskehrung der jeweils erbrachten Einlagen einschließlich des Wertes der jeweiligen Patientenstämme bereits nach § 733 Abs. 2 S. 1 BGB berücksichtigt sei.
18In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, nur mit solchen Patienten, die sie ursprünglich mit ihrem Einzelunternehmen betreut habe, neue Verträge abgeschlossen zu haben. Die sieben ursprünglich vom Einzelunternehmen der Klägerin betreuten Patienten habe diese an das Konkurrenzunternehmen K in L verwiesen.
19Schließlich meint die Beklagte, selbst wenn sie einen Patientenstamm der GbR durch Übernahme eines Teils der Patienten wirtschaftlich verwertet hätte, was nicht der Fall sei, so sei dies kein wirtschaftlicher Wert, der in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen sei; dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage.
20Die Beklagte beantragt,
21unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
22Die Klägerin beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Sie verweist darauf, daß in dem Vorprozeß der Parteien lediglich die Bewertung der eingebrachten Patientenstämme streitig, ihre Einstellung in die Auseinandersetzungsbilanz als solche dagegen unstreitig gewesen sei. Daß die Parteien von einer solchen Einbeziehung ausgegangen seien, zeigten auch die seinerzeit geführte Korrespondenz Blatt 155 ff, 147 ff und 137 ff GA sowie der unterschriftsreif ausgehandelte Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung Blatt 140 ff GA. Mit Ausnahme geringwertiger Büromöbel und zweier von den Parteien seinerzeit eingebrachter Kraftfahrzeuge seien die Patientenstämme der einzige und vor allem wesentliche in die Gesellschaft eingebrachte Vermögenswert gewesen.
25Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sich eigenmächtig und ohne ihre Zustimmung des von ihr der Klägerin , eingebrachten Patientenstamms bedient und diesen wirtschaftlich verwertet, indem sie mit diesen Patienten nicht nur mit den selbst eingebrachten Patienten neue Pflegeverträge abgeschlossen habe. Diese Verwertung sei ihr infolge der Erkrankung möglich geworden.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28I.
29Die zulässige Berufung bleibt erfolglos. Die Klage ist zulässig und begründet.
301.
31Insbesondere kann die Klägerin, die nicht im Besitz der Geschäftsunterlagen und darum nicht in der Lage ist, ihren Anspruch annähernd genau zu beziffern, den Feststellungsantrag darauf beschränken, die Verpflichtung zur Aufnahme des Patientenstamms in die Abschichtungsbilanz dem Grunde nach feststellen zu lassen, weil die Beklagte diese Notwendigkeit schon dem Grunde nach bestreitet.
322.
33Nach § 730 BGB hat im Falle der Auflösung der Gesellschaft jeder Gesellschafter einen Anspruch auf Durchführung der Auseinandersetzung, der die Feststellung des Reinvermögens der Gesellschaft beinhaltet, sich also nicht an steuerlichen Gesichtspunkten, sondern an realen Marktwerten orientiert. Danach ist ein existierender Kundenstamm der Gesellschaft als solcher in die Auseinandersetzungsrechnung der GbR aufzunehmen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW RR 1995, 1182 sowie insbesondere NJW 1995, 1551).
34a)
35Ein solcher eigener Patientenstamm der GbR hat hier zum Auflösungszeitpunkt existiert.
36Die GbR bestand in der Zeit vom 01.10.1993 bis zum 31.05.1994. Dies steht aufgrund des von den Parteien im Vorprozeß geschlossenen Vergleiches bindend fest. In diese Gesellschaft haben die Parteien konkludent die in ihren vorherigen Unternehmen stehenden Patientenstämme eingebracht. Das ist durch die gemeinsame wechselseitige Pflege der Patienten und gemeinsame Buchführung in der Zeit von immerhin acht Monaten geschehen. Für die gemeinsame Übernahme der Patienten der vorherigen Einzelunternehmen durch die GbR bedurfte es eines besonderen ausdrücklichen Übertragungsaktes ebensowenig wie einer gemeinsamen Bewertung.
37Zwar sieht § 4 a des Gesellschaftsvertrages eine solche Bewertung vor, und diese wäre für die spätere gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung auch zweckmäßig gewesen. Die unterlassene Vornahme der Bewertung hindert indessen die Annahme, daß das Einbringen der Einzelunternehmen einschließlich der bestehenden Patientenstämme erfolgt ist, nicht. Diese Bewertung ist vielmehr im Rahmen der Auseinandersetzung nachzuholen. Hierfür spielt es auch keine Rolle, daß steuerrechtlich eine Aktivierung der Patientenstämme gemäß § 5 Abs. 2 EStG in der Tat nicht zulässig gewesen wäre, da die Auseinandersetzungsbilanz, in die Realwerte einzustellen sind, von der steuerrechtlichen Bilanzierung strikt zu trennen ist.
38Auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung BGH NJW 1994, 796 führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese ist nicht einschlägig, sondern befaßt sich mit einer ganz anderen Rechtsfrage, nämlich derjenigen, inwieweit Vereinbarungen von Gesellschaftern betreffend die Aufteilung von Patienten und die Auswirkung auf Abfindungsansprüche zulässig sind. Um die Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung geht es hier nicht, da eine solche nicht getroffen worden ist. Die Parteien streiten vielmehr um die zutreffende Anwendung der gesetzlichen Regelung der §§ 730 ff BGB.
39b)
40Ein wirtschaftlicher Wert des Patientenstamms der GbR per 31.05.1994 ist gleichfalls zu bejahen. Daß der Gesellschaft ein solcher wirtschaftlicher Wert zu ihrem Ende erhalten geblieben ist, wird schon durch die Tatsache dokumentiert, daß die Beklagte neue Pflegeverträge mit Patienten der ehemaligen GbR abgeschlossen hat. Hiermit hat sie zumindest dem Grunde nach den Patientenstamm der GbR wirtschaftlich realisiert, und zwar unabhängig davon, ob sie mit allen Patienten der GbR neue Verträge geschlossen hat oder nicht.
41Es ist zwar möglicherweise in Betracht zu ziehen, daß der Klägerin ein Teil des Patientenstamms und damit ihre eigene Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt worden ist, sofern die Beklagte keine Verträge mit früheren Kunden der Klägerin abgeschlossen hat, sondern diese von der Klägerin selbst anderweitig "untergebracht worden" sind. Das ändert jedoch nichts daran, daß der vorhandene Patientenstamm zunächst einmal einen wirtschaftlichen Wert verkörperte, der im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen ist. Die Frage, ob die Klägerin hiervon ihren früheren Teil zurückerhalten hat, ob dieser vollständig von der Beklagten übernommen worden ist oder ob er gar nicht vollständig aufgeteilt worden ist, wirkt sich lediglich bei der Berechnung der Höhe des Abfindungsanspruchs auf der Grundlage der Auseinandersetzungsbilanz aus, ist für den Klageantrag, bei dem es nur darum geht, ob dieser Stamm dem Grunde nach zu berücksichtigen ist, jedoch ohne Belang.
423.
43Nach alledem kann das Feststellungsinteresse der Klägerin auch nicht im Hinblick auf die von der Beklagten bereits vorgelegte Auseinandersetzungsbilanz verneint werden. Denn diese Bilanz wird den vorstehend skizzierten Anforderungen nicht gerecht. Der Patientenstamm der Gesellschaft taucht in ihr ebensowenig auf wie eine Auskehrung der von den Parteien erbrachten Einlagen durch Rückgewähr der Patientenstämme. Die Argumentation der Berufungsbegründung, daß die Auskehrung der jeweils erbrachten Einlagen bereits nach § 733 Abs. 2 S. 1 BGB berücksichtigt sei, ist deshalb nicht nachvollziehbar.
44II.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Beschwer ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.