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Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 06.08.1998 verkün-dete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 5.346,82 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.01.1997 zu zahlen.
Die Beklagten sind verpflichtet, den Kläger von etwaigen Ansprüchen des Sachverständigen S1 gegen den Kläger aus dem Auftrag zum Gutachten vom 09.12.1996 freizustellen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz trägt der Klä-ger 90 % und die Beklagten 10 %.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander auf-gehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger hat die Beklagten aus dem Grunde nach unstreitiger voller Haftung aus einem Unfall vom 26.11.1996 in Anspruch genommen, bei dem ein bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherter Lkw der Erstbeklagten gegen sein, des Klägers, Firmengebäude rollte und beschädigte. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein noch um den Ersatz der - der Höhe nach ebenfalls unstreitigen - Sachverständigenkosten für die vorgerichtliche Schadensfeststellung.
3Gestützt auf ein vorprozessual von ihm eingeholtes Gutachten des S1 , der sich als "geprüfter und eidesstattlich verpflichteter Bausachverständiger" bezeichnet, hat der Kläger zunächst einen Gebäudeschaden in Höhe von 78.000,00 DM geltend gemacht und abzüglich einer Zahlung der Zweitbeklagten in Höhe von 4.950,00 DM sowie zuzüglich der Kosten für das Gutachten in Höhe von 2.136,95 DM eingeklagt. Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. S2 zur Schadenshöhe auf die in der Hauptsache auf Zahlung von 74.765,00 DM gerichtete Klage dem Kläger lediglich 7.483,77 DM zuerkannt. Dabei hat es von den seitens des gerichtlichen Sachverständigen als schadensursächlich festgestellten Reparaturkosten in Höhe von nur 10.296,82 DM die vorgerichtliche Zahlung von 4.950,00 DM abgezogen und die Gutachterkosten von 2.136,95 DM hinzugesetzt. Zu letzteren hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger könne Ersatz der Nettokosten des Gutachtens verlangen, da die Hinzuziehung eines Fachmanns für die Schadensfeststellung erforderlich gewesen sei. Der Ersatzpflicht stehe nicht entgegen, daß der gerichtlich beauftragte Sachverständige die Ergebnisse des Privatgutachtens weitgehend nicht bestätigt habe. Aufgrund der eigenen Bezeichnung des Sachverständigen S1 habe der Kläger von dessen ausreichender Sachkunde ausgehen dürfen.
4Mit ihrer Berufung wehren sich die Beklagten nur gegen ihre Verurteilung zum Ersatz der Gutachterkosten. Sie vertreten in erster Linie die Auffassung, es bestehe insoweit kein Erstattungsanspruch, da die - von ihnen behauptete - Unbrauchbarkeit des Gutachtens allein auf einen Fehler des Sachverständigen zurückzuführen und dieses deshalb vom Auftraggeber nicht zu bezahlen sei. Der Fehler des Privatgutachtens S1 liege darin, daß dieser Sachverständige in erheblichem Umfang Aufwendungen zur Beseitigung schadensunabhängiger Baumängel angesetzt habe, wie das gerichtliche Gutachten erweise. Deshalb sei der Kläger zur Bezahlung des von ihm beauftragten Sachverständigen, die unstreitig noch nicht erfolgt ist, nicht verpflichtet. Im übrigen werfen die Beklagten dem Kläger vor, schuldhaft einen ungeeigneten Sachverständigen ausgewählt und die Unbrauchbarkeit des Gutachtens nicht erkannt zu haben. Hilfsweise wenden sie ein, zur Erstattung der Gutachterkosten nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen S1 verpflichtet zu sein.
5Die Beklagten beantragen,
6abändernd die Klage abzuweisen, soweit sie auf Zahlung von mehr als 5.346,82 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.01.1997 gerichtet ist,
7hilfsweise,
8die Verurteilung der Beklagten in Höhe eines Teilbetrags von 2.136,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.01.1997 nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen S1 wegen fehlerhafter Erstellung des Gutachtens Nr. 178/1996 vom 09.12.1996 aufrechtzuerhalten.
9Der Kläger beantragt,
10die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagten verurteilt bleiben, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Teilbetrag von 2.136,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.07.1997 nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen S1 wegen angeblich fehlerhafter Erstellung des o.g. Gutachtens zu zahlen,
11hilfsweise,
12mit der Maßgabe, daß die Beklagten verpflichtet sind, den Kläger von der Forderung des Sachverständigen S1 gemäß Rechnung Nr. 178/96 vom 10.12.1996 in Höhe von 2.136,95 DM freizustellen.
13Der Kläger bestreitet die objektive Unbrauchbarkeit des Gutachtens S1 zur Schadensfeststellung und verteidigt im übrigen das angefochtene Urteil darin, daß der Schädiger Sachverständigenkosten grundsätzlich auch dann zu ersetzen habe, wenn das zur Schadensfeststellung vom Geschädigten eingeholte Gutachten objektiv unrichtig ist. Er weist den Vorwurf eines Auswahlverschuldens hinsichtlich der Person des Sachverständigen zurück und macht geltend, eine womöglich bestehende Unrichtigkeit des Gutachtens S1 sei für ihn als Laien nicht erkennbar gewesen.
14Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Berufung der Beklagten bleibt mit dem grundsätzlichen Bestreiten ihrer Einstandspflicht für die von dem Kläger aufgewendeten Gutachterkosten erfolglos (I.). Jedoch besteht insoweit keine auf Zahlung gerichtete Schadensersatzpflicht, sondern nur ein Anspruch des Klägers auf Freistellung (II.).
17I.
18Kosten für einen Sachverständigen, die der Geschädigte zur Schadensfeststellung aufwendet, sind grundsätzlich selbst dann zu erstatten, wenn sich das eingeholte Privatgutachten als falsch erwiesen hat. Die Notwendigkeit sachverständiger Schadensfeststellung hat der Schädiger verursacht, während es dem Geschädigten nach Sinn und Zweck des § 249 S. 2 BGB nicht zuzumuten ist, sich auf eine Begutachtung allein durch jenen einzulassen, vgl. Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl., Kap. 4 Rz. 85. Demgegenüber kann der auf Trost, Versicherungsrecht 1997, S. 537 ff./544 gestützten Auffassung der Berufung nicht gefolgt werden, eine Ersatzpflicht bestehe bei Unbrauchbarkeit des Gutachtens deshalb nicht, weil der Geschädigte aufgrund eben dieser Mangelhaftigkeit zur Bezahlung des Gutachtens nicht verpflichtet sei. Auch in diesem Fall ist die mit der Auftragserteilung entstehenden Kostenbelastung vom Schädiger adäquat kausal verursacht. Ob der Geschädigte den Werklohnanspruch des Gutachters durch die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten abwehren kann, kann dagegen zweifelhaft sein, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens erst in dem späteren Rechtsstreit gegen den Schädiger zutage tritt, so daß Gewährleistungsrechte gegen den Gutachter verjährt sein mögen. Demgegenüber ist das Risiko ungeeigneter Schadensermittlung billigerweise dem Schädiger aufzubürden. Der Schadensgutachter ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (OLG Hamm, r+s 96, 183). Vielmehr ist die sachverständige Schadensfeststellung prinzipiell Teil der vom Schädiger gem. § 249 S. 1 BGB geschuldeten Herstellung, so wie die Kosten der Ermittlung des nach § 249 S. 2 BGB zu erstattenden Herstellungsaufwandes Teil desselben sind (Soergel/Mertens, BGB, § 249 Rz. 44). Das Risiko des Fehlschlags der Kostenermittlung muß daher der Schädiger tragen, solange den Geschädigten hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl und zutreffenden Information des Gutachters kein Verschulden trifft; ebenso: OLG Hamm, BB 94, 1525; Mertens, a.a.O., Rz. 60).
19Ein derartiges Auswahlverschulden des Klägers liegt nicht vor. Da der von ihm beauftragte Gutachter S1 Diplom-Ingenieur ist, der sich als geprüfter und eidesstattlich verpflichteter Bausachverständiger und dem Bund Deutscher Baumeister zugehörig bezeichnet, konnte der Kläger als Laie dessen fachliche Ungeeignetheit, so sie denn überhaupt bestand, nicht erkennen. Daß er den Gutachter unzutreffend informiert habe, machen die Beklagten selbst nicht geltend.
20Ob der Kläger nach Vorlage des Gutachtens dessen Unbrauchbarkeit hätte erkennen können, ist unerheblich, da ihm - wie oben ausgeführt - die Auseinandersetzung darüber mit dem das Honorar erfordernden Gutachten nicht zuzumuten ist.
21II.
22Jedoch kann der Kläger hinsichtlich der Kosten des Gutachters nicht Zahlung, sondern nur Freistellung verlangen, nachdem er eingeräumt hat, den Sachverständigen noch nicht bezahlt zu haben. Zwar werden die Sachverständigenkosten für die Ermittlung des Wiederherstellungsaufwandes generell als Teil eben dieses Herstellungsaufwandes und damit des Substanzschadens angesehen (s.o. Mertens, a.a.O. Rz. 44), dessen Zahlung der Geschädigte gem. § 249 S. 2 BGB selbst dann beanspruchen kann, wenn er eine Wiederherstellung nicht vornimmt. Diese Zurechnung der Sachverständigenkosten zu dem Substanzschaden ist jedoch dann nicht interessengerecht, wenn über die Eignung des Gutachtens zur Schadensermittlung Streit besteht und der Geschädigte den Gutachter noch nicht bezahlt hat. In diesem Fall stellt die bloße Freistellungsverpflichtung des Schädigers den Einklang mit der oben ausgeführten Wertung her, wonach die Kostenermittlung Teil der vom Schädiger geschuldeten Herstellung ist. Da er das Risiko der Richtigkeit zu tragen hat, ist es billig, daß er sich unmittelbar mit dem Gutachter über die Mangelhaftigkeit des Gutachtens auseinandersetzen kann und die Kosten (an den Geschädigten) nicht zahlen muß, wenn der Gutachter sie letztlich nicht einfordert oder einfordern kann. Die Belastung mit den Gutachterkosten stellt jedenfalls bis zu ihrer Bezahlung ihrem Wesen nach eben doch nur einen Vermögensschaden dar, der durch Freistellung seitens des Schädigers behoben werden kann und zu beheben ist. Demgegenüber ist die generelle begriffliche Erweiterung des Substanzschadens durch Ausdehnung des Herstellungsaufwandes auf die Kosten seiner Ermittlung nur dann sinnvoll und gerechtfertigt, wenn jedenfalls diese Kosten von dem Geschädigten tatsächlich aufgebracht worden sind, mag er danach auch von einer Reparatur Abstand nehmen.
23Da die Beklagten hinsichtlich der Gutachterkosten nur zur Freistellung und nicht zur Zahlung zu verurteilen sind, bedarf es der Einschränkung dieser Verpflichtung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Gewährleistungsansprüche gegen den Gutachter einstweilen nicht. In welcher Weise die Freistellung erfolgen wird, ist noch offen. Erst in der - womöglich in einem Rechtsstreit erfolgenden - Auseinandersetzung mit dem Gutachter um seine Honorarforderung, die die Beklagten aufgrund ihrer Freistellungsverpflichtung für den Kläger führen, kann die - dann auch gebotene und vom Kläger geschuldete - Abtretung erforderlich werden.
24III.
25Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Es beschwert keine Partei mit mehr als 60.000,00 DM.