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Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. August 1998 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts
Bielefeld abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.550,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.9.1997 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen zu 91 % der Kläger und zu 9 % die Beklagte.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 44 % der Kläger und zu 56 % die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird
2gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)
3Entscheidungsgründe:
4I.
5Der Kläger hat die Beklagte aus zwei von seiner Ehefrau unter den Versicherungsnummern #####/####und #####/####abgeschlossenen Unfallversicherungen, in denen er mitversichert ist, wegen einer Verletzung in Anspruch genommen, die er sich am 28. August 1993 bei einem Sturz vom Fahrrad am Geschlechtsteil zugezogen hat. Er hat behauptet, bei dem Aufprall auf den Fahrradrahmen und die Pedale habe er eine Prellung am Penis erlitten, die zu einem Dauerschaden geführt habe. Das Glied sei gebogen. Dadurch bedingt sei ihm die Ausübung des Geschlechtsverkehrs nicht mehr möglich.
6Mit der am 2. März 1998 eingereichten Klage hat der Kläger auf der Grundlage einer angenommenen Invalidität von 30 % Zahlung aus beiden Versicherungen in Höhe von insgesamt 72.050,-- DM verlangt, nachdem die Beklagte Leistungen aus dem Versicherungsvertrag Nr. #####/####unter Hinweis auf § 8 II (1) AUB 61 wegen Fehlens einer dauernden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers in vollem Umfang abgelehnt und zum Versicherungsvertrag Nr. #####/####, dem die AUB 88 zugrunde liegen, nur eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 3.700,-- DM gezahlt hatte.
7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Ansprüche des Klägers im Hinblick auf die insoweit erhobene Einrede der Beklagten für verjährt erachtet.
8II.
9Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers, der mit der Berufungsbegründung nur noch Ansprüche aus dem Vertrag Nr. #####/####weiterverfolgt und Zahlung von 11.675,-- DM begehrt, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger über den bereits gezahlten Betrag von 3.700,-- DM hinaus eine weitere Invaliditätsentschädigung in Höhe von 6.550,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.9.1997 zu zahlen. Das weitergehende Rechtsmittel des Klägers hat allerdings keinen Erfolg.
101.
11Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag berechtigt. Die Versicherungsnehmerin, seine Ehefrau, hat ihn durch schriftliche Erklärung vom 26. Februar 1999 (Bl. 197 d. A.) dazu ermächtigt, die Rechte aus der Unfallversicherung im eigenen Namen auszuüben.
122.
13Der Durchsetzung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung steht auch nicht die von der Beklagten erhobene und in der Berufungsinstanz ausdrücklich aufrechterhaltene Einrede der Verjährung entgegen. Der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG war bei Einreichung der Klage am 2. März 1998 noch nicht abgelaufen, denn die Verjährungsfrist war zwischenzeitlich gehemmt. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 VVG beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Das war hier Ende des Jahres 1995 der Fall. Der Kläger hat der Beklagten nämlich unter dem 14. August 1995 mitgeteilt, bei der Behandlung der Unfallverletzung sei ein Stillstand eingetreten. Es könne schon jetzt ein Arztbericht angefordert werden. Das ist zwar nicht geschehen, sondern es hat ein Regulierungsgespräch stattgefunden, das zu einer Zahlung von 3.700,-- DM seitens der Beklagten geführt hat. Der Kläger hat sich mit diesem Betrag als Entschädigung für den eingetretenen Dauerschaden zwar nicht zufriedengegeben, einen weiteren Arztbericht zur Vorlage bei der Beklagten aber auch nicht eingeholt. Die jetzt verlangte Invaliditätsentschädigung hätte er deshalb auch schon Ende des Jahres 1995 geltend machen können.
14Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Verjährung jedoch nicht mit Ende des Jahres 1997 eingetreten; denn ihr Lauf war gemäß § 12 Abs. 2 VVG gehemmt. Spätestens mit seinem Schreiben vom 14.8.1995 (Bl. 94 d. A.) hat der Kläger klargestellt, daß er eine Invaliditätsentschädigung als Versicherungsleistung begehrt, denn es heißt in diesem Schreiben ausdrücklich, daß bei der Behandlung ein Stillstand eingetreten sei und deshalb ein Arztbericht angefordert werden könne, "um die Höhe des Invaliditätsgrades zu prüfen". An einer schriftlichen Entscheidung der Beklagten im Sinne einer abschließenden Stellungnahme zu Grund und Umfang der Entschädigungspflicht fehlt es dann aber bis zum Schreiben der Beklagten vom 24.5.1996. Die Beklagte hat zuvor der Ehefrau des Klägers zwar nach der Regulierungsverhandlung vom 11. Oktober 1995 mit Schreiben vom 27.10.1995 die Scheckzahlung vom 11.10.1995 über 3.700,-- DM "zu diesem Schadenfall" bestätigt. Diesem Schreiben ist jedoch nicht zu entnehmen, daß damit aus Sicht der Beklagten der Versicherungsfall endgültig reguliert sein sollte. In der Scheckzahlung in Verbindung mit dem Schreiben vom 27. Oktober 1995 liegt keine abschließende schriftliche Entscheidung des Versicherers im Sinne von § 12 Abs. 2 VVG. Die Beklagte konnte auch in der Folgezeit nicht davon ausgehen, daß der Kläger die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche nach der Regulierungsverhandlung vom 11. Oktober 1995 nicht mehr weiterverfolgt. Daß die Parteien an diesem Tag eine Abfindungsvereinbarung getroffen haben, behauptet die Beklagte selbst nicht. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 20.5.1996 dann erneut an die Beklagte gewandt. Erst daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.5.1996 weitere Ansprüche zurückgewiesen. Erst mit Zugang dieses Schreibens beim Kläger endete die Hemmung der Verjährung gemäß § 12 Abs. 2 VVG deren Lauf mit Einreichung der Klage im März 1998 vor ihrer Vollendung unterbrochen worden ist.
153.
16Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung scheitert auch nicht am Fehlen der ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens innerhalb der 15-monatigen Frist des § 7 I (1) AUB 88. Die dauernde körperliche Beeinträchtigung des
17Klägers - eine Deviation des Penis, die die Ausübung des Geschlechtsverkehrs hindert - ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten, wie aus dem Bericht des behandelnden Arztes Dr. B vom 25. April 1994 (Bl. 35 f. d. A.) hervorgeht. Zu diesem Zeitpunkt - 8 Monate nach dem Unfallereignis - ist die Deviation mit der Diagnose "Induratio penis plastica" bereits vorhanden gewesen und hat sich seither nicht zurückgebildet. In dem Arztbericht vom 25.4.1994 ist zwar nicht - wie in dem späteren nach Ablauf der 15-Monatsfrist erstellten Schreiben vom 9.12.1994 (Bl. 37 d. A.) - von einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen Funktionsfähigkeit die Rede. Es erscheint aber treuwidrig, wenn sich die Beklagte jetzt auf die fehlende ärztliche Feststellung eines Dauerschadens innerhalb der Frist des § 7 I 1 AUB 88 beruft. Sie hat sich nämlich in ihrem Schreiben vom 16.12.1994, wegen dessen Inhalts auf Bl. 93 d. A. verwiesen wird, nach Erhalt der Bescheinigung des Dr. B vom 9.12.1994 ausdrücklich bereit erklärt, zum Ablauf des dritten Unfalljahres einen weitere Arztbericht anzufordern, um die Höhe des Invaliditätsgrades zu überprüfen, da der weitere Verlauf nicht abschätzbar sei und es noch zu einer Verschlechterung, aber auch zu einer Verbesserung des jetzigen Zustandes kommen könne. Diese Überprüfung hat sie nicht lediglich aus Kulanzgründen vornehmen wollen. Jedenfalls geht das aus ihrem Schreiben nicht hervor. Der Kläger konnte daher darauf vertrauen, daß die Beklagte eine sachliche Prüfung seines Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung lediglich bis zu einer weiteren ärztlichen Untersuchung zurückstellen wollte, Einwendungen gegen den Anspruch im übrigen aber - etwa wegen Fehlens weiterer Anspruchsvoraussetzungen - nicht erheben wollte.
184.
19Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, daß die Verletzung, die der Kläger bei dem Unfall am 28.8.1993 an seinem Geschlechtsteil erlitten hat, zu einer dauernden körperlichen Beeinträchtigung, nämlich der jetzt noch bestehenden Induratio penis plastica mit ausgeprägter Deviation des Penis, die die Ausübung des Geschlechtsverkehrs hindert, geführt hat. Der Sachverständige Dr. T hat das Vorhandensein des schon von Dr. B 1994 beschriebenen Krankheitsbildes bestätigt. Er hat zur Frage des kausalen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und der beschriebenen Erkrankung in seinem schriftlichen Gutachten im einzelnen ausgeführt, daß aufgrund der Untersuchungsbefunde und im Hinblick auf den aktuellen Stand der urologischen Wissenschaft ein Kausalzusammenhang zwischen dem bei dem Unfall erlittenen Trauma und der Penisverkrümmung zumindest sehr wahrscheinlich ist. Er hat dazu bei seiner Anhörung vor dem Senat erläutert, daß zwar auch andere Ursachen und nicht nur unfallbedingte Verletzungen des Penis Verkrümmungen wie bei Induratio penis plastica auslösen können, die Wahrscheinlichkeit aber sehr groß ist, daß die Erkrankung auf einen Unfall zurückzuführen ist, wenn ein solcher - wie hier stattgefunden hat. Auch ein einmaliges Trauma kann nach der Darstellung des Sachverständigen zu einem solchen Dauerschaden führen. Da der Kläger bei dem Unfall eine Prellung an seinem Geschlechtsteil erlitten hat, schon wenige Tage nach dem Unfall eine Induratio penis plastica aufgetreten ist, die den Kläger daran hindert, den Geschlechtsverkehr auszuüben, der Kläger vor dem Unfall an der Ausübung des Geschlechtsverkehrs nicht durch eine solche körperliche Beeinträchtigung gehindert war und nach den Ausführungen des Sachverständigen T ein Unfall, wie ihn der Kläger erlitten hat, mit einer Prellung am Geschlechtsteil eine solche Induratio penis plastica auslösen kann, ist der Senat mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Sicherheit bei Würdigung all’ dieser Umstände davon überzeugt, daß die jetzt bei dem Kläger vorhandene dauernde körperliche Beeinträchtigung auf das Unfallereignis vom 28. August 1993 zurückzuführen ist.
20Der Kläger muß sich auch nicht, um die Folgen der Unfallverletzung zu mindern, einer Operation unterziehen. Der Sachverständige Dr. T hat dazu zwar erklärt, daß ein operativer Eingriff möglich sei und daß er selbst als Chirurg bei derartigen Operationen gute Erfolge zur Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit seiner Patienten erzielt habe. Nach seinen weiteren Ausführungen ist eine solche Operation jedoch nur in Vollnarkose durchführbar und mit üblichen Narkose- und Opera-
21tionsrisiken verbunden. Bei einer solchen Sachlage ist ein Versicherter aber nicht gehalten, sich einem derartigen Eingriff zu unterziehen, zumal ihm die behandelnden Ärzte zu einer solchen Operation zuvor nicht geraten haben und auch die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, dem Kläger sei ein solcher Eingriff zur Minderung der Beeinträchtigung zuzumuten.
225.
23Der Senat bemißt das Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung des Klägers unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. T in seinem schriftlichen Gutachten und den mündlichen Erläuterungen im Termin mit 20 %.
24Im Hinblick auf die vereinbarte Invaliditätssumme von 41.000,-- DM, die sich im Versicherungsfall um 25 % erhöht, steht dem Kläger eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 10.250,-- DM zu. Da die Beklagte bereits einen Betrag von 3.700,-- DM gezahlt hat, sind noch 6.550,-- DM auszugleichen. Unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts ist die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 30.9.1997 gemäß den §§ 284, 288 BGB zu verurteilen.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 10, 711 und 713 ZPO.
27Die Beschwer beider Parteien liegt unter 60.000,-- DM.