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Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. März 1998 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bochum - Kammer für Handelssachen - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beide Parteien dürfen Sicherheit durch unbedingte, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank leisten.
Das Urteil beschwert die Klägerin in Höhe von mehr als 60.000,00 DM.
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Wege der Teilklage Schadensersatz, weil sie durch vertragswidriges Verhalten der Beklagten zu einer für sie nachteiligen Änderung eines ihrer Meinung nach bereits geschlossenen Kaufvertrages über eine Tankstelle in L gebracht worden sei.
3Die Gesellschafter W2 und W3 waren als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümer von zwei Tankstellengrundstücken in Y und L. Eine weitere Tankstelle wurde in S auf dem Grundstück der Firma W GmbH & Co. KG betrieben. Die Gebäude in S und Y mit den technischen Anlagen standen im Eigentum der W GbR sowie eines Herrn P. Die Gebäude und die Technik in L standen im Eigentum der Klägerin.
4Im Jahre 1996 traten die Parteien in geschäftliche Verhandlungen. Die Beklagte war an einem Erwerb der Tankstellen, die verpachtet waren, und der Anmietung der entsprechenden Grundstücke interessiert.
5Die Beklagte machte der W GmbH & Co. KG am 06.02.1996 ein Kaufangebot über 9 Mio. DM für die drei Tankstellen in S, Y und L als "Paket". Außerdem bot sie den Abschluß von Mietverträgen für die Tankstellengrundstücke an, wobei für das Grundstück L eine Jahresmiete von 57.600 DM vorgesehen war. In der Folgezeit kam es zu mehreren Gespräche und Verhandlungen, die zunächst damit endeten, daß die Beklagte dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin unter dem 27.03.1996 Entwürfe über Miet- und Kaufverträge übersandte, die nunmehr als Käuferin bzw. Mieterin die Firma C GmbH, eine Tochtergesellschaft der Beklagten, vorsah. Verhandlungsführer für die C waren und blieben auch in der Folgezeit die Herren Dr. T als Leiter der Abteilung Netz-Sonderstandorte, Bereich Tankstellen, Vertrieb Deutschland, und B2. Die Vertragsentwürfe das Objekt L betreffend sahen einen Kaufpreis für die Tankstelle in Höhe von 3,05 Mio. DM und einen monatlichen Mietzins von 6.000,00 DM für das Grundstück vor. Wegen der Einzelheiten der Entwürfe wird auf Bl. 22 - 31 GA verwiesen.
6Nach Abklärung weiterer Einzelheiten fand am 15.08.1996 eine Paraphierung von Vertragsentwürfen für alle drei Tankstellenobjekte durch Herrn Dr. T für die C und Rechtsanwalt T2 für die Klägerin statt. Wegen der Einzelheiten der paraphierten Verträge wird auf Bl. 39 - 53 GA verwiesen. Unter dem 19.08.1996 übersandte die Beklagte der Klägerin die in Reinschrift gefertigten Verträge mit der Bitte, die Verträge nach Unterschriftsleistung an sie zurückzusenden, damit die Unterschrift des Geschäftsführers der Firma C GmbH eingeholt werden könne. Bis zu diesem Zeitpunkt waren weder die Tankstelle in L noch die anderen Tankstellen durch Mitarbeiter der Beklagten besichtigt worden. Für die Tankstelle in L war von der Beklagten ein monatlicher Treibstoffabsatz von rund 440.000 Litern kalkuliert worden. Nach dem 15.08.1996 stellte sie fest, daß der monatliche Absatz nur etwa 238.000 Liter betrug.
7Mit Schreiben vom 10.09.1996 kündigte die Klägerin, wie von der Beklagten verlangt, die bestehenden Pachtverträge zum 31.12.1996. In der mündlichen Verhandlung vom 9. November 1998 ist unstreitig geworden, daß nach den bestehenden Verträgen eine Kündigung der Pächter der Schriftform bedurfte.
8Am 20.09.1996 trat der Verhandlungsführer der Beklagten erneut an die Klägerin heran, um im Wege von Nachverhandlungen einen Preisnachlaß von 20% für alle drei Objekte zu erreichen. Der ursprünglich an diesem Tage vorgesehene Austausch der unterschriebenen Verträge erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 21.09.1996 wandte sich der Liquidator der Klägerin an die Beklagte. Darin bot dieser "nicht ausschließlich rechtlich, sondern kaufmännisch denkend" als Kompromiß einen Preisnachlaß für die Tankstelle in L und statt einer Anmietung des dazugehörigen Grundstücks den Erwerb durch die Beklagte an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 54 - 56 GA verwiesen.
9Auf dieser Basis einigten sich die Parteien hinsichtlich des Objektes L später auf einen Kauf der Station zu einem Preis von 2,4 Mio. DM und den Erwerb des Grundstücks für 300.000,00 DM durch die Firma C GmbH. Die Verträge hinsichtlich der anderen beiden Tankstellen kamen einverständlich auf der Grundlage der paraphierten Verträge vom 15.08.1996 zur Durchführung.
10Die Klägerin, die einen erstrangigen Teilbetrag von 100.000,00 DM der Kaufpreisdifferenz von 3,05 Mio. DM zu 2,4 Mio. DM als ihren behaupteten Schaden geltend macht, hat zur Begründung ihrer Klageforderung ausgeführt, bereits am 15.08.1996 sei zwischen den Parteien jeweils ein wirksamer Kauf- und Mietvertrag bezüglich der Station L zustande gekommen, was sich aus der Paraphierung ergebe. Zudem habe Dr. T bei der Paraphierung erklärt, er habe die Verträge bereits mit dem Konzernvorstand im Hause besprochen, der Vorstand habe zugestimmt, für die C seien die Verträge nunmehr rechtsgültig (Zeugnis T2, Dr. T, Q; eidliche Parteivernehmung N). Nur deshalb habe sie ihren Pächtern mündlich bereits am 27./28.08.1996 und später auch schriftlich gekündigt. Es sei am 15.08.1996 nur deshalb nicht zur endgültigen Unterzeichnung der Verträge gekommen, weil die Verträge nunmehr über die Tochtergesellschaft der Beklagten in Berlin hätten laufen und deshalb von dort eine Gegenzeichnung hätte erfolgen sollen. Die Beklagte habe plötzlich von diesen Verträgen nichts mehr wissen wollen. Weil sie, die Klägerin, aufgrund der Kündigung der bestehenden Pachtverhältnisse in eine wirtschaftliche Zwangssituation geraten sei - sie habe befürchten müssen, ab Jahresbeginn ohne Pachteinnahmen dazustehen, den entsprechenden Kapitaldienst aber gleichwohl leisten zu müssen - habe sie sich auf erneute Verhandlungen einlassen müssen. Das habe die Beklagte bewußt ausgenutzt, um für sich günstigere Konditionen herauszuschlagen (eidliche Parteivernehmung N). Während der Verhandlungen bis zum 15.08.1996 seien Umsatzzahlen oder genauer Zustand der Tankstellen niemals ein wesentliches Thema der Verhandlungen gewesen (Zeugnis T2).
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 100.000 DM nebst 10% Zinsen seit dem 05.05.1997 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat vorgetragen, am 15.08.1996 sei es noch nicht zu einer endgültigen Einigung zwischen den Parteien gekommen. Das ergebe sich schon aus der für die Verträge vereinbarten Schriftform. Bei den Vertragsverhandlungen sei aufgrund von Angaben der Klägerin für die Tankstelle in L ein geschätzter monatlicher Treibstoffabsatz von 440.000 Litern zugrundegelegt worden (Zeugnis Dr. T, B2). Wäre die Klägerin von der Wirksamkeit der Verträge ausgegangen, hätte sie einer wirtschaftlichen Notlage durch die Geltendmachung vollen Schadensersatzes wegen Nichterfüllung des Vertrages begegnen können. Das habe die Klägerin aber nicht gemacht, sondern sich mit der Beklagten auf die späteren Konditionen geeinigt.
16Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß es den Parteien selbst dann, wenn es am 15.08.1996 zu einer bindenden Einigung gekommen sein sollte, unbenommen gewesen sei, den Vertrag abzuändern. Das hätten die Parteien gemacht, ohne daß sich die Klägerin Schadensersatzansprüche vorbehalten habe. Auf diese Vertragsänderung habe sich die Klägerin freiwillig ohne äußeren oder inneren Zwang eingelassen. Ein Zwang zum Abschluß des geänderten Vertrages habe schon deshalb nicht bestanden, weil die Klägerin ggfls. Schadensersatzansprüche hätte geltend machen können. Die Klägerin habe den späteren Vertrag auch nicht nach § 123 BGB angefochten, sie habe den neuen Vertrag vielmehr vorbehaltlos erfüllt. Ansprüche aus pVV oder c.i.c. seien deshalb ausgeschlossen, weil es zu einem Vertragsschluß und zur Erfüllung gekommen sei. Insgesamt sei die Rechtslage so zu sehen, als ob die Parteien über ein streitiges Rechtsverhältnis einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hätten.
17Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr
18erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie wiederholt ihren bisherigen Sachvortrag und trägt ergänzend vor, die Vertragsverhandlungen seien am 15.08.1996 abgeschlossen, die Verträge wirksam gewesen (Zeungis T2, Dr. T, Q; eidliche Parteivernehmung des Vorstandssprechers der Beklagten). Das ergebe sich auch aus dem Telefax-Schreiben der Beklagten vom 19.08.1996, wegen dessen Inhalt auf Bl. 57 GA verwiesen wird. Nur deshalb habe sie, wie von der Beklagen gefordert, die Pachtverhältnisse am 27./28.08.1996 mündlich gekündigt (Zeugnis RA T2, Dr. T, Q; eidliche Parteivernehung des Vorstandssprechers der Beklagten). Aufgrund dieser Kündigungen habe sie sich in einer wirtschaftlichen Zwangslage befunden, in der sie keine andere Möglichkeit gehabt habe, als sich auf die verlangten Nachverhandlungen einzulassen. Sie sei wegen des Kapitaldienstes für die Tankstellenobjekte dringend auf regelmäßige Einnahmen angewiesen gewesen. Nachdem sie den Pächtern gekündigt habe, hätte sie ggfls. neue Verträge mit ihnen abschließen müssen, wobei die Pächter wegen ihres zeitlichen und wirtschaftlichen Drucks für sich bessere Konditionen hätten aushandeln können. Sie habe sich auch nicht mit der Beklagten auf eine Klage mit einem Streitwert von 10 Mio. DM einlassen können. Ihre wirtschaftliche Zwangslage sei der Beklagten durch die Schreiben vom 21.09.1996 (Bl. 56 GA) und vom 29.09.1996 (Bl. 60 GA) deutlich gemacht worden.
19Sie meint, die Weigerung, die geschlossenen Verträge zu erfüllen, stelle eine schuldhafte Vertragsverletzung dar, durch die sich die Beklagte schadensersatzpflichtig gemacht habe. Auf derartige Ansprüche habe die Klägerin auch nicht verzichtet. Auf die Vertragsänderung habe sie sich nur eingelassen, um ihrer Schadensminderungspflicht zu genügen, und weil sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich auf einen langen Rechtsstreit mit der Beklagten einzulassen.
20Die Klägerin beantragt,
21unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 100.000,00 DM nebst 10% Zinsen seit dem 05.05.1997 zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen und ihr zu gestatten, eine von ihr zu leistende Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer Großbank, einer Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbringen zu dürfen.
24Sie bestreitet zunächst ihre Passivlegitimation. Vertragspartnerin habe die Firma C GmbH werden sollen, verklagt sei aber die C AG in C2.
25Sie bestreitet, daß am 15.08.1996 Einigkeit über die Rechtswirksamkeit der Verträge bestanden habe (Zeugnis T, B2). Vielmehr sei klar gewesen, daß die Verträge formunwirksam seien und unterschrieben werden mußten. Außerdem sei besprochen worden, daß vor Vertragsabschluß noch die Absatzzahlen hätten überprüft und die Tankstellen einer Besichtigung unterzogen werden sollen (Zeugnis T, B2). Das ergebe sich auch aus dem Schreiben der Klägerin vom 21.09.1996 (Bl. 55 GA). Zum endgültigen Abschluß eines Vertrages sei der Zeuge T nicht bevollmächtigt gewesen. Dieser habe auch nicht erklärt, daß die Verträge mit dem 15.08.1996 für die C rechtsgültig seien (Zeugnis Dr. T). Hintergrund für den Eintritt in neue Vertragsverhandlungen sei gewesen, daß der von ihr aufgrund von falschen Angaben der Klägerin zugrundegelegte monatliche Treibstoffumsatz von 440.000 Litern weit überhöht gewesen sei (Zeugnis Dr. T, B2). Deshalb habe sich die Klägerin auch auf Nachverhandlungen eingelassen. Im übrigen meint sie, die Klägerin habe weder ein vorsätzlich pflichtwidriges Verhalten der Beklagten bei Vertragsschluß noch einen ersatzfähigen Schaden dargelegt. Ein wirtschaftlicher Zwang zur Veräußerung habe für die Klägerin nicht bestanden, ein solcher sei ihr auch nicht bekannt gewesen. Die Klägerin hätte trotz der Kündigung ihrer Pächter die Tankstellen mit den bisherigen Pächtern zu den alten Bedingungen oder mit neuen Pächtern fortführen können (Zeugnis G, I, S2).
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den Anlagen Bezug genommen.
27Der Senat hat den Liquidator der Klägerin und für die Beklagte deren Justitiar gemäß § 141 ZPO angehört.
28Der Liquidator der Klägerin hat erklärt, Dr. T habe am 15.08.1996 erklärt, jetzt sei alles in Ordnung, die Sache sei mit dem Vorstand abgestimmt. Während der vorangegangenen Vertragsverhandlungen sei nur über die Gesamtumsätze der drei Tankstellen gesprochen worden. Er habe der Beklagten entsprechende Zahlen auch einmal ordnungsgemäß mitgeteilt. Die Beklagte habe ihr Verlangen nach einen Preisnachlaß mit rückläufigen Umsätzen im Osten begründet. Das entspreche auch den Tatsachen. Die Tankstelle in L habe die Beklagte später nicht mehr selbst betreiben, sondern weiterveräußern wollen.
29Der Vertreter der Beklagten hat den letzten Punkt bestätigt und erklärt, die Umsatzzahlen der beiden anderen Tankstellen hätten ihren Vorstellungen entsprochen. Eine Nachverhandlung wegen des Objektes L sei deshalb erfolgt, weil es insoweit im Hause C offenbar zu einem Irrtum gekommen sei. Die von der Klägerin stammenden und zutreffenden Zahlen seien falsch interpretiert worden. Es sei DM-Umsatz mit Liter-Umsatz verwechselt worden.
30Entscheidungsgründe:
31Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, weil diese Nachverhandlungen über den Kaufpreis für die Tankstelle in L verlangt hat, in deren Folge es zum Abschluß eines entsprechenden Kaufvertrages mit einem Kaufpreis von 2,4 Mio. DM statt ursprünglich vorgesehener 3,05 Mio. DM gekommen ist.
321. Als unzutreffend erweist sich zunächst der rechtliche Ansatz der Klägerin, wonach es mit der Paraphierung der Vertragsentwürfe am 15.08.1996 zwischen den Parteien u.a. auch zu einem Kaufvertrag über die Tankstellenanlage in L mit einem Kaufpreis von 3,05 Mio. DM gekommen sei. Ein derartiger Vertrag ist an diesem Tage weder mit der Beklagten noch mit der Firma C GmbH zustandegekommen.
33Für den in Frage stehenden Kaufvertrag war ersichtlich Schriftform vereinbart. Die Paraphierung genügt diesen Voraussetzungen nicht.
34Nach den Umständen kann kein Zweifel bestehen, daß für den Kaufvertrag über die Tankstellenanlage im L die Schriftform vereinbart war. Dafür spricht schon, daß sich die Parteien nach längeren Vertragsverhandlungen darüber einig waren, daß die Beklagte der Klägerin den Entwurf eines schriftlichen Kaufvertrages übersenden sollte, was sich aus dem entsprechenden Übersendungsschreiben der Beklagten vom 27.03.1996 (Bl. 21 GA) ergibt. Bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst, wie von der Klägerin behauptet, am 15.08.1996, war im übrigen klar, daß die Firma C GmbH Vertragspartnerin der Klägerin werden sollte, denn bereits die unter dem 27.03.1996 übersandten Vertragsentwürfe vom 25.03.1996 weisen diese und nicht die Beklagte als Käuferin bzw. Mieterin aus. Auch die wirtschaftliche Bedeutung des Kaufvertrages legt die Vereinbarung einer gewillkürten Schriftform mehr als nahe. Insbesondere ergibt sich der gemeinsame Wille hierfür aus VII. des paraphierten Kaufvertragsentwurfs (Bl. 41 GA), wonach die C "vom Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages an auf die Dauer von einem Monat" das Recht haben sollte, unter bestimmten Voraussetzungen von dem Vertrag zurückzutreten. Spätestens damit kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die Parteien die Schriftform für den Kaufvertrag über die Tankstelle in L vereinbart haben.
35Die Schriftform war durch die Paraphierung am 15.08.1996 nicht eingehalten, ohne daß es darauf ankäme, ob der Verhandlungsführer der Beklagten, Herr Dr. T, über eine Abschlußvollmacht für die Firma C GmbH verfügte oder nicht. Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn der Aussteller die Urkunde, diese räumlich abschließend, eigenhändig unterschreibt (BGHZ 113, 51). Was unter einer "Unterschrift" zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Eine Unterschrift setzt danach ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend, ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen läßt. Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen, sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als bewußte und gewollte Namensabkürzung erscheint, stellen demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 1994, 55, 55 m.w.N.).
36Vorliegend genügt die Paraphierung des Vertrages durch die Verhandlungsführer der Parteien mit ihren Namenskürzeln der Schriftform daher nicht. Durch eine Paraphierung eines Vertrages wird ohnehin lediglich verbürgt, daß der niedergelegte Text dem entspricht, worüber Einigkeit erzielt worden ist. Selbst die von der Klägerin behaupteten Erklärungen des Dr. T, die Verträge seien mit dem Vorstand abgestimmt und für die C mit dem Tage der Paraphierung rechtsgültig, was sie nach der Erklärung ihres Liquidators in der mündlichen Verhandlung zumindest in dieser Form aber auch nicht mehr aufrechterhalten hat, können nicht so ausgelegt werden, die Parteien seien sich unter konkludenter Abbedingung des Schriftformerfordernisses über den Vertragsschluß einig gewesen. Dr. T hat damit bei verständiger Würdigung allenfalls zum Ausdruck gebracht, die Klägerin könne sicher sein, daß die Verträge so, wie nunmehr abgestimmt, zur Durchführung kommen werden.
37Damit sind Ansprüche der Klägerin nach § 179 Abs. 1 BGB selbst dann gegen die Beklagte ausgeschlossen, wenn man diese als vollmachtlose Abschlußvertreterin der Firma C GmbH ansähe.
382. Ansprüche gegen die Beklagte, die sich danach allein aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens eines Verhandlungsvertreters bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) ergeben können, stehen der Klägerin nicht zu.
39Derartige Schadensersatzansprüche kommen ausnahmsweise auch gegen den Vertreter selbst, hier also die Beklagte, in Betracht, wenn dieser dem Vertragsgegenstand besonders nahesteht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener Sache handelt oder wenn er gegenüber dem Verhandlungspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (vgl. BGH, NJW 1990, 1907, 1908 m.w.N.). Obwohl beide Voraussetzungen für eine Eigenhaftung der Beklagten deshalb zu bejahen sind, weil es sich bei der Firma C GmbH um eine Tochtergesellschaft der Beklagten handelt und alle Verhandlungen mit der Beklagten als Muttergesellschaft geführt worden sind, scheitert der geltend gemachte Anspruch aus anderen Gründen.
40a) In dem Verlangen der Beklagten, den Kaufpreis neu zu verhandeln, lag keine Pflichtverletzung, die geeignet ist, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu begründen.
41Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, daß aufgrund der Vertragsfreiheit jeder Vertragspartner bis zum Abschluß des Vertrages grundsätzlich das Recht hat, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluß Abstand zu nehmen (BGH, NJW 1996, 1884, 1885; BGH, DTZ 1996, 113, 114). Eine Schadensersatzpflicht kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der Vertragspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustandekommen, dann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht (BGH, DTZ 1996, 113, 114; mit noch engeren Voraussetzungen für den Fall des § 313 BGB: BGH, NJW 1996, 1884, 1885). Dabei sind an das Vorliegen eines triftigen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGH, DtZ 1996, 113, 114).
42Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich zwar insoweit, als die Beklagte nicht die Vertragsverhandlungen endgültig abgebrochen, sondern lediglich die Konditionen für den Kauf der Tankstellenanlage in L nachverhandelt hat. Das kann aber zumindest nicht dazu führen, daß an die Voraussetzungen für eine Schadensersatzhaftung geringere Anforderungen zu stellen sind, als in den Fällen, in denen die Vertragsverhandlungen endgültig abgebrochen worden sind.
43Die Beklagte hatte einen in diesem Sinne triftigen Grund dafür, in Nachverhandlungen über den Kaufpreis einzutreten. Wie aufgrund der Erklärungen der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung unstreitig geworden ist, unterlag die Beklagte hinsichtlich der bisherigen Kraftstoffumsätze deshalb einem Kalkulationsirrtum, weil die von der Klägerin stammenden Zahlen über die DM-Umsätze irrtümlich als Liter-Umsätze interpretiert worden sind. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig geworden, daß die von der Klägerin stammenden Umsatzzahlen zutreffend waren. Der Erklärung des Vertreters der Beklagten, es sei hausintern zu dieser fehlerhaften Interpretation der Zahlen gekommen, ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
44Soweit der Liquidator der Klägerin in seiner Anhörung ausgeführt hat, der Verhandlungsführer der Beklagten habe das Verlangen nach Nachverhandlungen zunächst damit begründet, daß die Umsätze in den neuen Bundesländern rückläufig seien, so daß deshalb über den Kaufpreis neu verhandelt werden müsse, stellt auch das einen triftigen Grund für Nachverhandlungen dar. Jeder Partei muß unbenommen bleiben, bis zum endgültigen Abschluß des Rechtsgeschäfts aufgrund neuerer Kalkulationen auf einen aus ihrer Sicht wirtschaftlichen Kaufpreis hinzuwirken.
45Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Beklagte die Klägerin durch eine unlautere Verhandlungsführung in schuldhafter Weise in eine zeitliche oder wirtschaftliche Zwangslage gebracht hätte, um der Klägerin dann ihr Preisdiktat aufzwingen zu können.
46Insoweit hat die Klägerin zwar unter Beweisantritt - allerdings unsubstantiiert - behauptet, sie habe am 27./28.08.1996 nur auf Verlangen des Verhandlungsführers der Beklagten ihren Pächtern mündlich und später auch schriftlich gekündigt und sei deshalb im Zeitpunkt des Verlangens nach Nachverhandlungen am 20. September 1996 in einer wirtschaftlichen Zwangslage gewesen, was der Beklagten nicht nur bewußt gewesen, sondern von ihr auch bewußt ausgenutzt worden sei, um wesentlich günstigere Konditionen zu erhalten. Insoweit hat die Klägerin aber weder das Bestehen einer von der Beklagten bestrittenen wirtschaftlichen Notlage schlüssig dargelegt, noch in ausreichender Weise ausgeführt, warum der Beklagten diese wirtschaftliche Not bekannt gewesen sein soll. Allein die Behauptung, sich aufgrund der Kündigung ihrer Pächter und dem dadurch erwarteten Ausfall von Pachteinnahmen bei fortdauerndem Zins- und Kapitaldienst in einer wirtschaftlichen Notlage befunden zu haben, stellt insoweit keinen hinreichenden Parteivortrag dar. Da es vorliegend um das Spannungsfeld zwischen Vertragsfreiheit einerseits und die Vertragsfreiheit einengende Pflichtverletzungen andererseits geht, muß es für die Beurteilung der wirtschaftlichen Zwangslage darauf ankommen, inwieweit die freie Entscheidungsmöglichkeit der Klägerin tatsächlich beschnitten war. Diese Frage ist jedoch mit dem pauschalen Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend zu beurteilen.
47Zudem ist nicht schlüssig vorgetragen, aufgrund welcher Umstände der Beklagten diese nicht näher dargelegte wirtschaftliche Notlage bekannt gewesen sein soll. Soweit sich die Klägerin zur Darlegung einer derartigen Kenntnis der Beklagten auf ihre Schreiben vom 21. und 29.09.1996 bezieht, kann denen schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil die Nachverhandlungen zu diesem Zeitpunkt bereits seit dem 20.09.1996 liefen. Dazu kommt, daß sich zumindest aus dem Schreiben vom 21.09.1996 kein erkennbarer Hinweis auf eine wirtschaftliche Zwangslage der Klägerin ableiten läßt.
48Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Beklagte auch nach dem Vorbringen der Klägerin nicht etwa bewußt eine Situation herbeigeführt hat, in der sie die Klägerin in eine wirtschaftliche Notsituation gebracht hat, um dann unter Ausnutzung der von ihr geschaffenen Zwangslage günstigere Konditionen für sich auszuhandeln. Hintergrund der Nachverhandlungen, die im übrigen letztlich auch nur zu Änderungen der Konditionen für die Tankstelle in L führten, waren unstreitig und ersichtlich neue wirtschaftliche Überlegungen der Beklagten, die insbesondere die Tankstelle in L betrafen. Der Umstand, daß die beiden anderen Objekte zu den ursprünglich ausgehandelten Bedingungen veräußert worden sind, zeigt vielmehr deutlich, daß hinsichtlich der Anlage in L gravierende kalklatorische Überlegungen die Nachverhandlungen veranlaßt haben und nicht eine Situation vorlag, in der die Beklagte die wirtschaftliche Notlage der Klägerin für sich ausgenutzt hat. Dann hätte nämlich nichts näher gelegen, als auch für diese Objekte einen wesentlichen Preisnachlaß zu fordern und durchzusetzen.
49b) Die Klägerin kann den geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der auf Ersatz des Erfüllungsschadens gerichtet ist, zudem nicht aufgrund einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ersetzt verlangen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch ist grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet (BGH, NJW 1993, 1323, 1324 m.w.N.). Soweit in Einzelfällen im Rahmen der c.i.c.-Haftung auch der Erfüllungsschaden zugebilligt wird, scheitert das hier an dem Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen.
50c) Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert nicht zuletzt aber auch daran, daß die spätere Vereinbarung der Parteien über einen Kaufvertrag mit ermäßigtem Kaufpreis materiell einen Vergleich i.S.d. § 779 BGB darstellt und sich die Klägerin bei Abschluß dieses Vergleichs keine Schadensersatzansprüche vorbehalten hat. Damit sind jegliche Schadensersatzansprüche wegen des Verlangens von Nachverhandlungen ausgeschlossen.
51Die Parteien haben durch die Vereinbarung, die Verträge über die Tankstellen in Riesa und Y zu im wesentlichen unveränderten Bedingungen durchzuführen und hinsichtlich der Tankstelle in L den Kaufpreis zu reduzieren bei Erwerb des Grundstücks statt einer Anmietung, einen Vergleich geschlossen. Im Zeitpunkt der Aufnahme der Nachverhandlungen herrschte zwischen den Parteien Streit darüber, ob am 15.08.1996 bindende Einigungen hinsichtlich aller Verträge erzielt worden war. Während die Klägerin auf dem Standpunkt stand und nach wie vor steht, es sei eine vertragliche Bindung erfolgt, herrschte bei der Beklagten ersichtlich ein gegenteiliger Rechtsstandpunkt. Wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 21.09.1996 (Bl. 54 - 56 GA) ergibt, war das Verhandlungsziel der Beklagten zunächst darauf gerichtet, für alle drei Tankstellen einen Preisnachlaß von 20% zu erreichen. Es ist dann im Wege des gegenteiligen Nachgebens zu der späteren Vereinbarung gekommen, so daß der Streit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beigelegt und damit ein Vergleich geschlossen worden ist. Daß es sich bei dieser Einigung um eine vergleichsweise Regelung gehandelt hat, wird besonders deutlich im Schreiben der Klägerin vom 21.09.1996, indem sie nicht "ausschießlich rechtlich sondern kaufmännisch denkend" als Kompromiß eine Regelung angeboten hat, die dem später zustandegekommenen Vertragsinhalt entspricht. Da der Vergleich u.a. den Streitpunkt über die Höhe des Kaufpreises regeln sollte, ist der Klägerin jedes Zurückgreifen auf ihren zuvor eingenommenen Rechtsstandpunkt hinsichtlich der zuvor ungewissen Rechtslage verwehrt (vgl. Staudinger-Marburger, BGB, 13. Auflage, § 779 Rdnr. 37).
52Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.