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Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 01. Oktober 1996 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 14.772,50 DM nebst folgenden Zinsen zu zahlen:
9,625 % für die Zeit vom 11.01. bis 19.01.1996,
9,25 % für die Zeit vom 20.01.1996 bis zum 28.05.1996 und 30.05.1996 bis 07.10.1996 und vom 09.10.1996 bis zum 14.10.1996,
9 % für die Zeit vom 15.10.1996 bis 10.11.1996,
8,625 % für die Zeit vom 11.11.1996 bis 12.11.1996 und vom 03.12.1996 bis 09.01.1997 und vom 03.02.1997 bis zum 17.03.1997,
4 % für die Zeit danach und für die in dieser Aufstellung nicht genannten Zeiträume seit dem 11.01.1996.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen:
die Klägerin zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten, 1/6 der Gerichtskosten und 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten; die übrigen Kosten trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Beklagte befand sich beim Kläger zu 2) (im nachfolgenden Kläger) seit mehreren Jahren in zahnärztlicher Behandlung. Sie war über ihren Ehemann, von dem sie seit Oktober 1992 getrennt lebt, privat krankenversichert. Vor Beginn derjenigen Behandlung, die Gegenstand der Klageforderung ist, gab die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2) oder dessen Personal die private Krankenversicherung ihres Ehemannes an und bat darum, Rechnungen an diesen zu richten. Der Kläger zu 2) errechnete als Entgelt für zahnärztliche Leistungen im Zeitraum vom 15.05.1993 bis zum 28.05.1993 und für Laborkosten einen Betrag in Höhe von 14.772,50 DM, wobei er in der Liquidation teilweise den 3,5fachen Gebührensatz berechnete und insoweit jeweils einen Grund hierfür anführte. Die vom Kläger ohne Zustimmung der Beklagten beauftragte zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft nahm unter Hinweis auf die ihr vorliegende Liquidation des Klägers zunächst vergeblich den Ehemann der Beklagten und sodann die Beklagte selbst auf Zahlung in Anspruch und mahnte sie erstmals unter dem 22.07.1993. Der aufgrund eines Antrags des Klägers vom 27.12.1995 erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 11.01.1996 zugestellt.
3Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aus dem von ihr geschlossenen Behandlungsvertrag selbst verpflichtet. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie habe ausschließlich als Vertreterin ihres Ehemannes gehandelt, so daß nicht sie, sondern nur ihr Ehegatte aus dem Vertrag zur Zahlung verpflichtet sei. Die Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben und gerügt, die Ausführungen der Arbeiten seien mangelhaft gewesen. Im übrigen hat sie die Angemessenheit und Üblichkeit der angesetzten Kosten bestritten.
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe mit Vollmacht ihres Ehemannes ausschließlich für diesen gehandelt, was sich für den Kläger daraus ergeben habe, daß die Beklagte bei Vertragsschluß die Versicherung ihres Ehemannes angegeben und darum gebeten habe, Rechnungen nur an diesen zu richten.
5Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, sie habe bereits im September 1992 die Behandlung beim Kläger veranlaßt. Sie bestreitet die Angemessenheit der Behandlungskosten, soweit sie den 2,3fachen Satz übersteigen und macht hilfsweise die Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch wegen einer Schlechtleistung des Klägers geltend, wozu sie behauptet, die Überkronungen und Brückenarbeiten hätten nicht erfolgen dürfen, weil der Zustand der Zähne die vorgenommenen prothetischen Maßnahmen nicht zugelassen habe.
6Entscheidungsgründe:
7Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
81.
9Dem Kläger steht gemäß § 611 Abs. 1 Satz 1 BGB der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Zahnarzthonorars gegen die Beklagte zu. Denn die Beklagte hat mit dem Kläger einen Behandlungsvertrag geschlossen, aus dem sie selbst verpflichtet ist. Die Parteien haben mit der Aufnahme der Zahnbehandlung zumindest schlüssig einen Behandlungsvertrag geschlossen. Aus der vom Kläger vorgelegten Rechnung ergibt sich, daß die hier in Rede stehende Behandlung am 14.05.1993 begann, hingegen die Behandlung anderer Zähne nach Rechnungslegung am 15.12.1992 bereits abgeschlossen war.
10Die sich grundsätzlich aus dem Vertrag ergebende eigene Verpflichtung der Beklagten, die Honorarforderungen des Klägers zu begleichen, ist nur dann nicht entstanden, wenn die Beklagte als Vertreterin allein mit Wirkung für und gegen ihren Ehemann gehandelt hat. Das setzt voraus, daß die Beklagte bei Vertragsschluß ausschließlich im Namen ihres Ehemannes handeln wollte, dies für den Kläger zumindest nach den Umständen offenkundig war und zudem Vollmacht oder Zustimmung des Ehemannes zum Abschluß dieses Rechtsgeschäftes vorliegen. Auf die im Anwendungsbereich des § 1357 BGB verschärften Anforderungen an den Ausschluß der Eigenhaftung (vgl. BGHZ 94, 1) kommt es dagegen nicht an, weil die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits von ihrem Ehemann getrennt lebte, § 1357 Abs. 3 BGB.
11Die Beklagte hat weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt, erkennbar ausschließlich in fremdem Namen gehandelt zu haben. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung überhaupt den Willen hatte, einen Vertrag nur zwischen dem Kläger und ihrem Ehemann zustandezubringen, um womöglich als berechtigte Dritte in diesen Vertrag einbezogen zu werden. Jedenfalls ist ein dahingehender Wille für den Kläger oder dessen Personal, dessen Wissen sich der Kläger nach § 166 BGB zurechnen lassen müßte, nicht erkennbar geworden. Einen ausdrücklichen Hinweis auf die alleinige Verpflichtung des Ehegatten hat die Beklagte unstreitig nicht erteilt. Auch aus den Umständen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB) war für den Kläger nicht zu erkennen, daß die Beklagte nur für ihren Ehegatten handeln wollte. Denn weder die Angabe der privaten Krankenversicherung des Ehemannes noch die Bitte, Rechnungen an diesen zu richten, noch die erkennbare Interessenlage vermögen entgegen der Auffassung des OLG Köln (in Versicherungsrecht 1994, 107), der das Landgericht gefolgt ist, einen ausschließlichen Fremdbindungswillen hinreichend zu verdeutlichen.
12a)
13Die mit der Angabe der Versicherung des Ehemannes beantwortete Frage, wessen Versicherung die Kosten letztendlich zu begleichen hat, betrifft lediglich die Abwicklung der Rechtsfolgen des Behandlungsvertrages im Innenverhältnis der Eheleute und ist für das Außenverhältnis zum Arzt grundsätzlich unerheblich. Zwar kann das Innenverhältnis auf das Außenverhältnis durchschlagen, wenn es bei Vertragsschluß durch Offenlegung in der Weise in die Vereinbarung einbezogen wurde, daß sich aus dem Innenverhältnis die ausschließliche Verpflichtung des Ehegatten ergibt. Das ist vorliegend jedoch schon wegen der regelmäßigen Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Eheleute zur privaten Krankenversicherung nicht der Fall. Denn mit einer privaten Krankenversicherung wird in der Regel vereinbart, daß diese die Kosten aus Behandlungsverträgen erstattet, aus denen die versicherte Person selbst verpflichtet wird. Die versicherte Person muß nicht identisch mit dem Versicherungsnehmer sein. Im Innenverhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer liegt vielmehr gewöhnlich ein Vertrag vor, aus dem der Versicherungsnehmer berechtigt ist, Kosten zu liquidieren, die in der Person des Versicherten entstanden sind (und für die der Versicherungsnehmer womöglich unterhaltsrechtlich gegenüber der versicherten Person haftet). Denkbar ist auch die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages als echter Vertrag zugunsten Dritter. Diese Vertragsgestaltungen setzen notwendig voraus, daß der Versicherte zunächst aus dem Behandlungsvertrag selbst verpflichtet wird. Die Angabe der Krankenversicherung des Ehemannes deutet für den Arzt demgemäß eher darauf hin, daß er den Vertrag mit dem Patienten schließen soll, läßt aber jedenfalls keinen sicheren Aufschluß darüber zu, daß alleiniger Vertragspartner der Ehemann sein soll (vgl. hierzu BGH in NJW 1991, 2958, 2959).
14b)
15Die Regelung der Zahlungsmodalitäten durch die Bitte, Rechnungen an den Ehemann zu richten, läßt ebenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit auf den Ehemann als Vertragspartner schließen. Es bleibt dem Gläubiger nämlich unbenommen, auch ohne einen entsprechenden Anspruch seine Forderung nicht gegenüber dem Vertragspartner, sondern unmittelbar gegenüber einem von diesem benannten - vermeintlich leistungsbereiten - Dritten geltend zu machen. § 267 BGB sieht eine Leistung durch einen Dritten ausdrücklich vor, ohne damit eine Änderung der Vertragsparteien zu verbinden.
16c)
17Aus demselben Grund ist auch nicht aus der tatsächlich zunächst erfolgten Adressierung der Rechnung an den Ehemann der Beklagten zu schließen, daß der Kläger meinte, nur mit diesem den Vertrag geschlossen zu haben. Die Inanspruchnahme des Ehemannes verdeutlicht nämlich nicht, daß der Kläger bei Vertragsschluß davon ausging, ausschließlich diesen, nicht aber auch die Beklagte in Anspruch nehmen zu können. Angesichts der ohnehin eintretenden Deckung der Kosten durch die Versicherung des Ehemannes war ein Interesse der Beklagten, nicht selbst aus dem Behandlungsvertrag zu haften, für den Kläger nicht naheliegend, geschweige denn offenkundig.
18d)
19Ein für den Empfängerhorizont maßgebliches Interesse des Klägers, ausschließlich in Vertragsbeziehungen mit dem Ehemann der Beklagten zu treten, ist auch unter Berücksichtigung der womöglich größeren Zahlungsfähigkeit des Ehemannes der Beklagten nicht anzunehmen. Dem Kläger wird nämlich vernünftigerweise daran gelegen gewesen sein, entsprechend der Haftungslage nach § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Eheleute als Schuldner in Anspruch nehmen zu können. Auch wenn der gute Glaube an das Vorliegen der hier nicht gegebenen Voraussetzungen des § 1357 BGB nicht geschützt wird, ist doch nicht zu verkennen, daß es für den Kläger bei Abschluß des Vertrages nicht darum ging, je nach Solvenz entweder die Beklagte oder deren Ehemann als Schuldner in Anspruch nehmen zu können. Sein Interesse ging vielmehr dahin, möglichst mit beiden Eheleuten zu kontrahieren, den Vertrag aber zumindest auch mit der Beklagten zu schließen, da sie es war, die die vertraglichen Leistungen erhielt und mit der aus Sicht des Klägers das Behandlungsgeschehen allein abzustimmen war.
202.
21Der geltend gemachte Anspruch ist auch in voller Höhe begründet. Die Beklagte hat zwar die Angemessenheit der Behandlungskosten, soweit sie den 2,3fachen Satz übersteigen, bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch mangels hinreichender Substantiierung unbeachtlich. Grundsätzlich obliegt es dem Kläger, die Besonderheiten, die einen Steigerungssatz von 3,5 rechtfertigen, zu begründen und im Streitfalle zu beweisen (vgl. OLG Koblenz in NJW 1989, 2309). Dieser Begründungspflicht ist der Kläger dadurch nachgekommen, daß er die mit einem 3,5fachen Satz berechneten Leistungen jeweils im einzelnen in der Rechnung begründet hat. Es ist von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Begründung auszugehen. Denn die Beklagte hat ohne konkrete Auseinandersetzung mit den angeführten Bemessungskriterien lediglich pauschal und damit unbeachtlich die Angemessenheit bestritten.
223.
23Der Anspruch ist auch gemäß § 10 Abs. 1 GOZ fällig, weil zumindest als Anlage zur Klagebegründung eine den Anforderungen aus § 10 Abs. 2 und 3 GOZ entsprechende Rechnung vorgelegt worden ist.
244.
25Mit der hilfsweisen Aufrechnung kann die Beklagte nicht durchdringen. Zum einen hat sie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin eingelassen, sie könne verstehen, daß der Kläger seinen Anspruch durchsetzen wolle, da er "seine Arbeit gemacht" habe, was darauf hindeutet, daß sie ernsthaft keine Mängel rügt. Zum anderen erschöpfen sich die Behauptungen hinsichtlich einer etwaigen Mangelhaftigkeit der erbrachten Leistung darin, daß die Überkronungen und Brückenarbeiten nicht hätten erfolgen dürfen, weil der Zustand der Zähne die vorgenommenen prothetischen Maßnahmen nicht zugelassen habe. Da aus diesem Vorbringen nicht ersichtlich ist, welche Arbeiten an welchen Zähnen mit welchen Folgen fehlerhaft gewesen sein sollen, ist die Behauptung der Beklagten und damit die hilfsweise Aufrechnung insgesamt mangels hinreichender Substantiierung unbeachtlich.
265.
27Die Einrede der Verjährung greift ebenfalls nicht durch. Die Behandlung hat im Jahre 1993 stattgefunden. Die am Ende des Jahres 1993 einsetzende kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB wurde wegen der Rückwirkungsfunktion des § 693 Abs. 2 ZPO durch den am 27.12.1995 beantragten und demnächst im Sinne dieser Vorschrift am 11.01.1996 zugestellten Mahnbescheid unterbrochen, so daß Verjährung nicht eingetreten ist.
28Die Nebenansprüche sind nur zum Teil aus den §§ 284, 286 BGB gerechtfertigt. Als Verzugsschaden kann der Kläger nur die Zinsbelastung seit dem 11.01.1996, nicht aber Zinsen für den vorangehenden Zeitraum und Ersatz der Mahnkosten beanspruchen. Verzug ist nämlich gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB erst mit Zustellung des Mahnbescheides am 11.01.1996 eingetreten. Die von der zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft ausgesprochene Mahnung ist demgegenüber wegen Unwirksamkeit der Forderungsabtretung nicht verzugsbegründend. Die zum Zweck der Rechnungstellung und Einziehung unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen erfolgte Abtretung einer Honorarforderung ist nämlich wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gemäß § 134 BGB nichtig, wenn der Patient ihr nicht zustimmt (vgl. BGHZ 115, 127). Der Kläger hat die erforderliche Zustimmung nicht dargetan, sondern durch die von ihm selbst geäußerte Auffassung, die Forderungsabtretung sei nichtig, schlüssig behauptet, daß eine solche Zustimmung nicht vorlag.
297.
30Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
31Das Urteil beschwert die Beklagte in Höhe von 14.772,50 DM.